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THEMA:   Figaros Hochzeit in der ARD

 24 Antwort(en).

elena begann die Diskussion am 27.07.06 (21:03) :

Gestern in der ARD die Eröffnung der Salzburger Festspiele mit 'Figaros Hochzeit'. Wer von euch hat das gesehen?

Ich war begeistert, eine neue Inszenierung, entstaubt, moderner und hinreißend von den Akteuren dargestellt. Das war nicht mehr 'alte Oper' sondern 'neue Oper', von meinen Freunden wurde das aber sehr unterschiedlich empfunden.

Bin mal gespannt, wie hat es euch gefallen hat?

Grüsse von Elena


 Marina antwortete am 27.07.06 (21:40):

Liebe Elena,
ich war auch begeistert, nicht nur von Anna Netrebko, sondern auch von den anderen Sängerinnen und Sängern, nicht zuletzt von Christine Schäfer in der Hosesnrolle, die mir schon oft im Rundfunk aufgefallen ist durch ihre klare Stimme auch bei Barock und Kirchenmusik. Ich habe gerade heute über sie zwei Artikel gelesen, in der dargestellt wird, dass sie angeblich in der Freizeit vorwiegend Pop von Madonna bis ... hört. Ob das wohl stimmt? Auf alle Fälle ist sie sehr aufgeschlossen für Modernes, auch Experimentelles, ich fand sie auch schauspielerisch so gut, sehr witzig, kokett und etwas spitzbübisch. Und mir gefiel, dass die Inszenierung modern, aber nicht z u modern war wie in manchen neuen Opern-Aufführungen, auch das Bühnenbild gefiel mir sehr. Und wen man nun ganz und gar nicht dabei unberücksichtigt lassen sollte, war Harald Schmidt mit seiner genialen Führung durch diese verwickelte Handlung, die man überhaupt nicht durchschaut, wenn man nicht im Opern-Führer nachschlägt. Er hat das brillant gemacht,ich habe ihn mal wieder bewundert, wie er es fertigbrachte, in Windeseile das Wichtigste ohne Ablesen zusammenzufassen, das könnte ich nicht einmal im Schneckentempo bei diesen Verwicklungen.
Ich wurde endlich auch einmal von diesem schrecklichen Krieg abgelenkt, von dem ich leider den ganzen Tag kaum loskomme. Es hat mir sehr gut getan und war eine richtige Psychohygiene. :-)
Nur was ich bei dieser Oper bedauere, ist, dass es da so wenige große Arien gibt. In der "Entführung" oder "Zauberflöte" gibt es davon doch wesentlich mehr, in "Figaro" überwiegen ja leider die schnellen Dialoge.
Aber sonst - es war schon ein großer Genuss. :-)

Grüße von Marina


 Gudrun_D antwortete am 28.07.06 (06:59):

Und ich,wie könnte es anders sein,
war sehr enttäuscht über die moderne Art,in der die bezaubernde Mozart-Oper dargestellt wurde!
Die Komödie,erdacht 1778,passt meiner Empfindung nach
ganz einfach nicht in so eine kalte Bühnenausstattung und-kleidung.

Da habe ich die Augen lieber geschlossen und den schönen Stimmen und Musik gelauscht!

Naja,ich werde wohl eine hoffnungslose Romantikerin bleiben;-)


 schorsch antwortete am 28.07.06 (08:30):

.....schon wieder eine Hochzeit, zu der ich nicht eingeladen wurde..... ):-(


 Enigma antwortete am 28.07.06 (12:17):

Ich habe die FS-Ausstrahlung leider noch nicht gesehen, aber auf DVD-Recorder gespeichert.
Meine Meinung kann ich also erst dann kundtun, wenn ich die Aufnahme gesehen/gehört habe.
Unbestritten sind auf jeden Fall schon mal die Stimme, das Aussehen und die Bühnenpräsenz von Anna Netrebko. Und sie glänzt auch mit schauspielerischem Talent - wie früher Maria Callas.
@Marina
Auf die von Dir erwähnte Christine Schäfer werde ich mal besonders achten.
Aber überrascht es Dich, dass sie gerne Pop-Musik hört?
Auch Netrebko hat erst kürzlich bekundet, dass sie gerne mal mit dem britischen Popstar Robbie Williams singen würde, jedenfalls wenn man den Gazetten glauben kann. Angeblich hat sie ihm bescheinigt, dass er „wundervolle Musik macht und ein lustiger, süßer Typ ist“.
Und ich muss gestehen, mir gefällt zwar Klassik, aber ebenso gerne höre ich auch mal Pop-und Rockmusik, Reggae oder was auch immer an anderer Musik. ;-)))
Ich sehe diese Art von Musik auch als ein musikalisches Spiegelbild unserer Zeit, in der wir nun mal leben. Und an der will ich teilhaben.
Aber das ist ja unterschiedlich bei jedem Menschen und soll es auch bleiben.

Irgendjemand hat mal gesagt, dass auch Mozart ein Popstar war, zu seiner Zeit.
Und noch irgendjemand hat mal Vermutungen angestellt, dass er heute in etwa so sein könnte wie „Sting“. Na ja, lassen wir das mal so stehen. Der Beweis kann nicht mehr erbracht werden. :-))

Zu Beginn dieses Jahres habe ich übrigens mal einen sehr interessanten Bericht von Björn Gottstein gelesen über Mozart. Ich gebe mal den Link ein - she. Internet-Tipp!
Es würde mich mal interessieren, was die Musik-Liebhaber dazu meinen (kann ja ruhig kontrovers sein)?

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2006/01/27/a0160.1/textdruck


 Marina antwortete am 28.07.06 (12:53):

Hallo Enigma,

nicht dass du mich missverstehst: Ich wollte der Pop-Musik nicht ans Leder, auch wenn ich selber so gut wie nichts damit anfangen kann. Bei meinem Zweifel, dass Christine Schäfer „vorwiegend Pop von Madonna bis...“ hört, lag die Betonung auf „vorwiegend“, so war es in dem Artikel dargestellt, und das kann ich mir eigentlich doch nicht vorstellen bei einer Sängern, die doch „vorwiegend“ Klassik singt, gerade hat sie „Die Winterreise“ von Schubert neu aufgenommen.
Der von dir eingestellte Artikel ist sehr interessant, ich selber kann sehr empfehlen das Buch von Hildesheimer über Mozart, das ich vor vielen Jahren mal gelesen habe, es räumt wunderbar mit Klischees und altem Gerümpel auf.
Hier eine Kritik von der Frankfurter Rundschau, wohl eine der ersten über diese Inszenierung:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/rcJUP2bp7


 Marina antwortete am 28.07.06 (13:09):

Ich möchte von deiner Kritik aus der taz, Enigma, besonders einen Satz aus dem Schlussteil hier noch hervorheben, der ganz genau dem entspricht, was m. E. in Salzburg umgesetzt wurde:

"Es ist also möglich, Mozart zu dekontextualisieren, ohne den musikalischen Sinn der Werke zu verletzen. Ja, erst dort, wo es gelingt, sich spielend über Zeitgeist und Tradition hinwegzusetzen, öffnen sich Sinnperspektiven, die nichts mit Heiterkeit und Entzücken, nichts mit Gesundheit und Glück zu tun haben. Stattdessen scheint Mozart der Aneignung und Aktualisierung dringender zu bedürfen als andere Komponisten. Denn dann tritt das affirmative Moment zugunsten eines kontemplativ-dramatischen Zuges zurück, über den zu schreiben spätestens zum 250. Todestag im Jahre 2041 möglich sein sollte."

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2006/01/27/a0160.1/textdruck


 Ursula antwortete am 28.07.06 (17:11):

Mir hat diese Neuinszenierung (einschließlich des betont langsamen Spiels der Wiener Philharmoniker!!) überhaupt nicht gefallen.
Ich habe die Aufführung als düster und kühl empfunden. Mir fehlte einfach die für Mozart-Opern typische Leichtigkeit ...

Figaros Hochzeit habe ich schon viel, viel schöner erlebt!


 ada antwortete am 28.07.06 (20:44):

also, ich glaube, der guth mag die anna netrebko nicht-- er hat ihr eine düster- steife susanna verpasst. Allein christine schäfer konnte sich ausspielen - die inszenierung war langweilig und voll simplewr pseudoproblemchen -- nein, danke!


 Enigma antwortete am 29.07.06 (08:19):

@Marina
Ich bilde mir ein, dass ich weiß, dass Du tolerant bist und also auch nicht der Popmusik "ans Leder willst".:-))
Zu dem von Dir eingestellten Link über die Salzburger Inszenierung: "Morbus Netrebko" hat mich ja zum Grinsen gebracht. Aber es ist ja auch nach ihren großen Erfolgen (z.B. in letzter Zeit der “Traviata“-Aufführung mit Rolando Villazón) eine gewisse Netrebko-Hysterie ausgebrochen.

Ich kann mir auch denken, dass die Umsetzung im Sinne des Artikels in der taz gelungen ist.
Und Gottstein lehnt m.E. ja nicht "Heiterkeit und Entzücken" bei Mozart ab, sondern lediglich eine Reduzierung auf diese Klischees.
Im übrigen habe ich auch eine CD mit Einspielungen einiger Mozart-Sonaten durch Glenn Gould. Aber irgendwie erkenne ich in ihnen nicht nur "das kalte Rattern der Moderne".

Nun ja, ich muss mir jetzt jedenfalls unbedingt die Zeit nehmen, die Aufführung anzuschauen.

@Ursula
Ähnliche Empfindungen habe ich bei Ballett-Musik. Da muss es auch was ganz Klassisches à-la-Pawlowa oder so ähnlich sein. Und der moderne Ausdruckstanz, der bestimmt ganz toll ist, findet keinen Eingang in mein Hirn oder Herz oder sonstwohin.

@ada
Was meinst Du denn mit "voll simpler pseudoproblemchen"?
Müßte ich dazu die Aufführung erst gesehen haben??


 Marina antwortete am 29.07.06 (09:57):

Hallo Enigma,
über "Morbus Netrebko" habe ich mich auch köstlich amüsiert, es ist ja schon langsam so, dass man anfängt, sie fast nicht mehr zu mögen wegen der "Hysterie", wie du richtig schreibst, dabei kann sie eigentlich nichts dafür, außer dass sie wirklich gut ist. Und mir hat sie sogar besonders in dieser Inszenierung gefallen, weil sie da so bescheiden und zurückhaltend war und sich vollständig in die Riege der anderen eingereiht hat, ohne großartig hervorzustechen. Ich habe gelesen, dass sie die Rolle der Gräfin, die man ihr auch angeboten hatte, abgelehnt hat, weil sie lieber die Susanna spielen wollte. Das alles spricht doch eigentlich dafür, dass sie auch bereit ist, im Ensemble zu spielen und nicht nur die große Geige, also, so leid es mir tut, schon wieder ein Pluspunkt. :-)
Dass moderner Ausdruckstanz keinen Eingang in dein Hirn findet, wundert mich, weil du sonst sehr vielseitig, z. B. in Bezug auf Musik und Film bist. Ich finde modernen Ausdruckstanz toll, habe zwei- dreimal in Wuppertal Pina Bausch gesehen, seitdem bin ich auf den Geschmack gekommen. Owohl ich Pina Bausch nicht dauernd sehen wollte, dazu wiederholt sich einiges zu sehr in den einzelnen Stücken. Die sind zwar durchaus sehr unterschiedlich, aber die Tanzstile und das Outfit der Tänzerinnen (immer lange wehende Haare und Stöckelschuhe) sind immer sehr ähnlich.
Über "Figaro" habe ich noch einen kurzen Ausschnitt aus der Süddeutschen zu bieten, der an eine Kritik über Bayreuth und Wagner am Schluss angefügt wurde. Es freut mich, dass sie mit meinem Eindruck von Christine Schäfer übereinstimmt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass am Schluss etwas fehlt, vielleicht weggelassen? Hier ist es:

"Anna ist überall in Salzburg. In jedem Schaufenster, auf jedem Cover. Doch in der üüHochzeit des Figaro" ist Netrebko nur Rädchen in einer riesigen Mozart-Liebesmaschinerie. Dirigent Nikolaus Harnoncourt verwendet langsame Tempi, um die sexuellen Usancen im Hause Almaviva aufzudecken. Er donnert, zirpt, droht, lockt, lacht: ein beunruhigend schönes Wunder. Cherubino, den Regisseur Claus Guth verdoppelt, wird zur Hauptfigur: Christine Schäfer kommt der Liebe so nahe wie niemand. Bis zur Pause gelingt die Rettung des Stücks vor Gemütlichkeit und Komödienhektik vollkommen. Danach aber häufen sich die Probleme."

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.171, Donnerstag, den 27. Juli 2006


 Enigma antwortete am 30.07.06 (11:26):

Hallo Marina,

Das ist ja toll ausgedrückt: ( ...)Er donnert, zirpt, droht, lockt, lacht: ein beunruhigend schönes Wunder. (....).

Zum Vergleich:
Auch meine Tageszeitung (WAZ) hat am 28.7.2006 einen Artikel über die Aufführung gebracht mit dem Titel
„Liebe, Sex und Glamour„
Gudrun Norbisrath hat ihn verfasst. Ich zitiere mal einen Passus daraus:
„...Es ist eine sehr schöne, stimmige Inszenierung, die mit Nachdruck davon erzählt, dass die Liebe eine Himmelsmacht ist. Aber was die Menschen daraus machen, ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte. Am Ende ist der Graf natürlich nicht geläutert, schaut schon nach dem nächsten hübschen Busen....“
Und zum Schluss:
....”War der Applaus für Harnoncourt eine Spur gedämpfter? Sein Mozart ist bis auf einige Arien sehr langsam. Das kann irritieren. Aber es ist so sehr präzise und ermöglicht eine neue, faszinierende Sicht.
Vielleicht entsteht hier ja doch eine neue Legende.”

Und in 3Sat-online erkennen die Rezensenten bei der Figaro-Inszenierung 2006 sogar Anleihen bei bzw. Parallelen zu Bergman-Filmen - she. Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www.3sat.de/3sat.php?https://www.3sat.de/kulturzeit/specials/95241/index.html


 Ursula antwortete am 30.07.06 (12:37):

@Enigma, ... und was ist nun D e i n e Meinung? ;-)) Du schreibst seit Tagen lange Texte, - ohne die Aufführung selbst gesehen zu haben.

Auch Deine Bemerkung vom 29.07.2006, 08:19 Uhr (an "ada" gerichtet) ... "Müßte ich dazu die Aufführung erst gesehen haben??" ... finde ich als Antwort an "ada" und auch angesichts der von Elena eingangs gestellten Frage unverständlich!

Wie willst Du Dich sinnvoll an einer Diskussion über die - sehr eigenwillige - szenische (Claus Guth) und musikalische (Nikolaus Harnoncourt) Neuinterpretation der Oper beteiligen, wenn Du die Aufführung gar nicht kennst ...?

Ich habe bei Ballett-Aufführungen übrigens noch nie eine düstere Grundstimmung empfunden (Deine Antwort auf meinen Beitrag v. 28.07.) wie bei dieser Mozart-Inszenierung, ich wüßte auch nicht, warum ...:
Die Mozart-Aufführung hat mir ja nicht deshalb nicht gefallen, weil ich keine (Mozart-)Opern mag (ganz im Gegenteil), sondern weil Guth und Harnoncourt aus einem heiter-beschwingten Lustspiel ein düsteres (Beziehungs-)Drama gemacht haben ; nach meiner Ansicht wird eine solche Interpretation dieser Mozart-Oper nicht gerecht ...


 Enigma antwortete am 30.07.06 (13:04):

@Ursula
Mit meiner Meinung komme ich schon noch raus!
Aber inzwischen fühle ich mich ziemlich gut vorbereitet und weiß in etwa, was auf mich zukommen wird.
Und da sehe ich es nicht als Fehler an, vorher zu recherchieren.
Findest Du es nicht legitim, dass man zu einem Thema Quellen heranzieht, die nicht unbedingt von einem selbst stammen, aber doch auch zum Thema gehören?
Außerdem kenne ich die Oper, nur eben - noch - nicht diese Inszenierung. Also war die Frage an ada eine reine Verständnisfrage, ob sie das auf den Inhalt der Oper schlechthin bezieht oder auf diese spezielle Aufführung.
Und schließlich und endlich bezog sich meine Antwort an Dich im Hinblick auf Ballett auf den Vergleich Klassik (bei mir eben beim Tanz bevorzugt und bei Dir bei der Mozart-Oper?) contra Moderne.
Aber irgendwie pflichte ich Dir schon bei und werde mich jetzt erst wieder hier melden, wenn ich mir die Aufführung angesehen habe.
Ist das jetzt verständlich?
Grüße von Enigma


 Marina antwortete am 30.07.06 (15:04):

@Ursula,
ich meine, du tust Enigma ein bisschen Unrecht mit deiner Kritik. Einerseits fragst du sie nach i h r e r Meinung, andererseits kritisierst du, dass sie seit Tagen lange Texte schreibt, "ohne die Aufführung selbst gesehen zu haben." Das widerspricht sich für mich, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Eine eigene Meinung kann sie doch wirklich nur schreiben, nachdem sie die Aufführung gesehen hat. Und da Enigma sehr musikinteressiert ist und eine Menge davon versteht, wie ich von vielen ihrer Beiträge weiß, wollte sie eben trotzdem mitmischen bei dieser Diskussion. Ich finde auch, dass das "legitim" ist, wie sie zu Recht schreibt, da sie sich mit den Kritiken und den Meinungen der hier Schreibenden beschäftigt hat, ohne selber irgend einen Senf abzulassen von dem, was sie noch nicht kannte. Und dass sie nicht etwa dir unterstellen wollte, du würdest keine Mozart-Opern mögen, war mir aus ihrem Statement vom 29.7. vollkommen klar. Das geht doch gerade aus ihrem Vergleich Klassik-Moderne im Ballett hervor, auf den sie als für mich nachvollziehbares Beispiel hinweist. Man konnte das von dir Gemeinte auch gar nicht missverstehen, denn aus deinen Ausführungen ging hervor, dass deine Ressentiments explizit gegen diese Inszenierung gerichtet waren und nicht etwa gegen Mozart-Opern generell. Also warum dieses Missverständnis? Ihr beide wart eigentlich sehr verständlich und klar für mich.

Übrigens verstehe ich auch deine Vorbehalte. Ich habe nicht so viele andere Figaro-Inszenierungen vorher gesehen, kenne diese Oper am wenigsten von allen Mozart-Opern im Gegensatz zu "Entführung"(meine Lieblingsoper) und "Zauberflöte", die ich beide schon mehrfach gesehen habe. Vielleicht bin ich deshalb einfach unvorbelasteter und ohne feste Bilder an diese Inszenierung gegangen und konnte sie deshalb so gut akzeptieren, zumal mir manches ausgesprochen gut gefallen hat, zum Beispiel auch der Einfall mit dem kleinen geflügelten Gott Amor, der immer wieder die Verwirrungen anstiftete und ein bisschen als Doublette von Cherubino herumspukte, sogar dem Grafen mal auf den Rücken sprang, um zu demonstrieren, wie zu viel Liebesverwirrung auch eine Last sein kann, tolle Ideeen waren da für mich verwirklicht.

Inzwischen habe ich übrigens in der Süddeutschen Zeitung noch einen sehr ausführlichen Artikel gefunden von Reinhard J. Brembeck, der leider nur kostenpflichtig im Netz abrufbar ist. Auch da wurde mein Eindruck bezüglich Christine Schäfer als Hauptakteurin wieder voll bestätigt mit den Worten: "Sie ist der Lichtblick in dieser guten bis sehr gut gesungenen und stets brillant gespielten Ensemble-Oper: das andere Wesen, die Einlösung aller Sehnsüchte. Sie gibt diesem pubertierenden Jungen alles, sie macht fassbar, was erste Liebe ist, was hemmungslose Erregung, was der Duft der Frauen, Erotik, Sexus, Verführung. All das kann sie singen. Ihre Stimme ist Hauch, Duft, Streicheln, Liebkosung. Wenn Christine Schäfer sich zuletzt verneigt, dann entringt sich der kollektiven Seele des Publikums ein kaum kaschierter Lustschrei des Entzückens. Dieser Cherubino ist dort zu Hause, wohin sich die Anderen, Reiferen wünschen."

Aus: "Mozarts Menschenpark", SZ 28.7.06

Interessieren würde mich, was Elena noch von all dem meint, was wir uns hier so zusammenschreiben. :-) Schließlich hat sie den Anstoß dazu gegeben, und jetzt verschwindet sie einfach so von der Bildfläche. Das ist schade. Elena, melde dich doch nochmal, bitte. :-)


 elena antwortete am 30.07.06 (17:14):

Hallo Marina und ihr Anderen,

da melde ich mich doch gleich einmal.

Ich habe alles mit großem Interesse gelesen und das Ergebnis ist: je mehr Beiträge, je mehr Meinungen, aber es muss ja auch kein Mainstream sein.

Was ich als *neu, frisch und entstaubt’ empfunden habe, ist für Andere *düster, musikalisch zu schnell gespielt oder nicht sehr erfreulich*.

Selbst das die Handlung in einem Treppenhaus spielte, fand ich durch die unterschiedliche
Be- und Ausleuchtung hinreißend, Plüsch gab es doch schon reichlich.

Nun muss ich aber auch gestehen, ich habe die Hochzeit bisher nur 3 oder 4 Mal gesehen, vielleicht hat das nicht gereicht, mir eine richtige Meinung zu bilden?

Nur um eines bitte ich euch: diskutiert, aber streitet nicht, dafür ist das Thema nicht wichtig genug.

Grüße für einen schönen Sonntagabend von Elena


 Marina antwortete am 30.07.06 (17:23):

"diskutiert, aber streitet nicht, dafür ist das Thema nicht wichtig genug".
Das ist ein richtiger Satz. Auch dass es schon reichlich Plüsch gab. Ich kann gut drauf verzichten. :-)

Grüße für einen schönen Sonntagabend von Marina und Dank für deine Antwort.


 Enigma antwortete am 31.07.06 (09:59):

Ja, nun habe ich die Aufführung gesehen und kann auch zu einem eigenen Urteil kommen, um das Elena eingangs gebeten hatte (insofern muss ich Ursula beipflichten).
Andererseits haben wir uns in diesem Forum noch nie an enge Vorgaben gehalten, sondern immer auch versucht, erläuternde, erweiternde Hinweise einzubringen, die evtl. auch eigene oder fremde Sichtweisen erhellen, erklären, verändern (?) können.
Nach dem letzten Beitrag von Elena vermute ich , dass sie nicht böse war, dass ich ihrer ersten Aufforderung nicht wörtlich, sondern zunächst eher indirekt nachgekommen bin, allerdings immer in der Absicht, Euch mein eigenes Urteil nicht vorzuenthalten.

Bei Dir, Marina muss ich mich bedanken, nicht dafür, dass wir bei einigen Beurteilungen einer Meinung sind (das hatten wir ja schon öfter, ist allerdings Zufall und in keiner Weise irgendwie abgesprochen).
Nein, ich bedanke mich dafür, dass Du - sehr treffsicher - davon ausgegangen bist, dass ich „mitmischen wollte“ bei einem Thema, das mich sehr interessierte, zu dem ich aber noch nicht aus eigener Anschaung beitragen konnte.
Aber vielleicht war das mehr ein Gewinn für mich als für andere Diskutantinnen, die doch die eigene Meinung vermisst haben.

Aber die kommt jetzt, nach dieser langen Einleitung

Wirklich begeistert hat mich auch der „Opernführer“ Harald Schmidt. Locker und sehr komprimiert hat er das Verwirrspiel erklärt, gut und leicht nachvollziehbar, witzig, nur - zumeist - ohne die aus seinen Sketchen bekannten manchmal drastischen ironischen Spitzen, die allerdings in leichter Form schon vorhanden waren. Aber hier hatte er ja auch eine ganz andere Aufgabe.
Ich wußte übrigens nicht, dass Schmidt ein Opernliebhaber ist.
Er könnte so eine Moderation ruhig öfter machen für meinen Geschmack.

Zum Bühnenbild:
Ich fand es nüchtern, aber noch nicht einmal richtig öde.
Für mein Gefühl hat es eher einen neutralen Rahmen geliefert, auf dem die ganz und gar nicht heitere Geschichte von den Verwirrungen um Personen und Gefühle sich für mich deutlicher werdend abzeichnete. Es geht ja in der ganzen Oper nicht um klare und eindeutige Gefühle, sondern auch um sehr zwiespältige, um Ausgeliefertsein, auch seinen eigenen Gefühlen, sogar um Rache und Verwirrung.

In diesem Zusammenhang fand ich den „Cherubim“, den Zwilling des Cherubino“ einfach eine ganz glänzende Idee, der, stumm und nur durchs Mienenspiel und Gestik verständlich, die Figuren fast „puppenhaft“ zeigt.
Gut fand ich auch, wie er - zum Ende des 2. Akts - mit seinem Zeigefingerchen auf das „Soziogramm“ an der Tafel weist, auf die Zusammenhänge und gegenseitigen Abhängigkeiten der Figuren (wurde aber von einem Kritiker als überzogen abgelehnt).
Aber es ist ja auch nur meine Meinung.

Fortsetzung!


 Enigma antwortete am 31.07.06 (10:05):


Fortsetzung!

Im 3. Akt: Ist das eine stumme Metapher, als der Graf den leblosen Raben zum Fenster hinauswirft, ein Wunsch, freizukommen von seinen Zweifeln und Ängsten. Ist das auch der Zeitpunkt,zu dem er - wenn auch nur ansatzweise - zu wahren Gefühlen kommt ?

Und die „Mantelszene“ zwischen der Gräfin und Susanna? Ich empfinde sie als Wechselspiel zwischen Verzweiflung und Hoffnung.

Letztlich haben mir alle gesanglichen und darstellerischen Leistungen gefallen. Ich fand die Rollen allesamt gut besetzt, allerdings habe ich da auch meine Vorlieben......:-))
Einmütig von allen Kritikern gelobt wird die Leistung von Christine Schäfer als „Cherubino“, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Und mir hat sie natürlich auch gut gefallen, aber auch die anderen Sänger/Darsteller.

Und jetzt muss ich Euch noch etwas gestehen, was eigentlich schrecklich ist.
Der Schluß - ein großer Teil des 4. Akts - fehlt auf meiner Festplatte. Und ich weiß nicht, was ich da verbockt habe. Nun muss ich sehen, wie ich auch noch an den Schluss komme....

Jedenfalls war ich sehr froh, dass hier mal wieder ein Musik-Thema zustande gekommen ist und danke für Eure Beiträge, die es mir natürlich leicht gemacht haben, die ganze Aufführung unter mehreren Gesichtspunkten anzusehen und anzuhören.
Und wenn Ihr noch Anmerkungen habt, wäre ich froh, die zu lesen.

Und Ursula muss ich danken, dass sie mir den fehlenden „Schubs“ gegeben hat. Als Entschuldigung kann ich nur anführen, dass im Moment eine in England verheiratete Freundin hier zu Gast ist, mit der ich viel quatschen „muss“ (heißt: will). :-)))

Bis dann mal.....


 Enigma antwortete am 31.07.06 (10:12):

PS
Die "verlangsamte" Musik ist mir eigentlich überhaupt nicht so aufgefallen, aber vielleicht kommt das auch daher, dass ich eigentlich keine absolute Musik-Kennerin, sondern eher eine -Liebhaberin bin.

Bis dann....


 Ursula antwortete am 31.07.06 (12:52):

Hallo Marina, hallo Elena,

in einer Diskussion bedeutet Kritik doch nicht zwangsläufig Streit ... ;-)!

Hallo Enigma,

schön, dass Du meine Kritik richtig aufgefasst hast ;-) und Dich von mir hast „schubsen“ lassen, Dir Deine Aufzeichnng (endlich ;-), – denn mich hätte es vor Neugier zerrissen) anzusehen bzw. anzuhören. Und vielen Dank, dass Du Deine Meinung, auf die ich mit Spannung gewartet hatte, heute auch gleich mitgeteilt hast... ;-)

Nach den vielen kontroversen Kritiken und Kommentaren, die man in den vergangenen Tagen in den Medien lesen konnte, würde ich mir die Aufführung gerne noch einmal ansehen und überprüfen, ob mein erster Eindruck Bestand hat, oder ob ich mich mit dieser radikal neuen Interpretation (erinnerte mich teilweise mehr an Hitchcock als an Mozart) doch ein bisschen anfreunden kann ...

Interessant, dass Dir die betont verzögerten Tempi der Wiener Philharmoniker (wirkten auf mich fast unheimlich) nicht besonders aufgefallen sind...

Übrigens hat mir Harald Schmidt (von Haus aus Kirchenmusiker) als "Opernführer" richtig gut gefallen. Aber auch hier sind die Meinungen, wie nicht anders zu erwarten, natürlich sehr geteilt ...

Gruß, Ursula


 Marina antwortete am 31.07.06 (14:18):

Hallo alle,

wow Enigma, jetzt hast lässt du aber wirklich nichts mehr vermissen von eigener Meinung. Das war ja fast schon druckreif, du solltest Theaterkritikerin werden. :-)
Deine Bemerkung
"Gut fand ich auch, wie er - zum Ende des 2. Akts - mit seinem Zeigefingerchen auf das „Soziogramm“ an der Tafel weist, auf die Zusammenhänge und gegenseitigen Abhängigkeiten der Figuren"
unterstütze ich voll. Ich fand diese Szene großartig: wie die einzelnen Striche und Pfeile und Verbindungslinien so nach und nach an die Wand projiziert wurden, das war einfach eine geniale Idee wie so vieles in der Inszenierung.
Und ich stimme dir, Ursula, zu, wenn du schreibst: "Nach den vielen kontroversen Kritiken und Kommentaren, die man in den vergangenen Tagen in den Medien lesen konnte, würde ich mir die Aufführung gerne noch einmal ansehen und überprüfen, ob mein erster Eindruck Bestand hat" .
Das geht mir ganz genauso. Ich müsste sie mir unbedingt noch einmal (möglichst tagsüber) ansehen, denn bei mir kam hinzu, dass ich irgendwann schrecklich müde wurde und deshalb den letzten Teil kaum noch mitgekriegt habe. Insofern, Enigma, haben wir da fast den gleichen Stand.:-)


 Ursula antwortete am 31.07.06 (16:33):

Für alle, die sich (wie ich) über Harald Schmidt als sprechendem Opernführer gefreut/amüsiert haben, hier - zur Abwechslung ;-) - ein Verriß der F.A.Z. v. 27.07.06 "Buh-Ruf aufs Vorprogramm" (Internet-Tipp)

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/UzbXYvY6m


 Enigma antwortete am 31.07.06 (17:11):

Hallo Ursula,

Ja, vielleicht überprüfst du noch einmal Deinen ersten Eindruck.
Obwohl es ja auch überhaupt kein Problem ist, bei seinem gefühlsmäßig Erlebten zu bleiben, wenn man sich so wohler fühlt.
Auch ich würde mir die Aufführung gerne noch einmal ansehen und werde das mit Sicherheit auch irgendwann tun, jedenfalls das, was ich gespeichert habe....
Die Tempi sind mir schon aufgefallen, vor allem, weil ich ja auch durch alle Vorankündigungen davon wusste. Ich wollte eigentlich sagen, dass (außer der Grundlage von Notenlernen und etwas Klavierunterricht, den ich - aus heutiger Sicht leider - abgebrochen habe), mein technisches Verständnis von Musik nicht das beste ist und mir in dieser Hinsicht lange nicht alles auffällt. :-))

Was Du zu der Inszenierung und Hitchcock sagst, finde ich sehr interessant. Das ist m.E. überhaupt nicht weit hergeholt. Auch bei Hitchcock, dessen Filme ich sehr mag, fängt ja alles, inklusive der Fassade der Menschen, auch ziemlich harmlos und glatt an der Oberfläche an. Aber dann legt er nach und nach die Verletzungen, die Obsessionen, die seelischen Untiefen der Menschen bloß (wenn ich z.B. an “Marnie” oder “Die Vögel” und noch andere Filme von ihm denke).
Irgendwie gleicht das tatsächlich dieser Inszenierung.
Harald Schmidt hat ja gesagt, dass er gehört hat, dass sie “ins Strindberghafte” gehen soll.

@Marina
Wenn Du mich jetzt veräppeln willst mit der “Theaterkritikerin von eigenen Gnaden”, dann ist es aber bald mit meiner Dankbarkeit vorbei. :-)))
Und ich bin mal gespannt, wann wir nun das Ende der Aufführung sehen.......


Wunderschön fand ich übrigens in der Salzburger Aufführung die Szene, auch im 2. Akt, in der die Gräfin und Susanna den Cherubino herzen und küssen, wahrscheinlich weil sie seine absolute Naivität und Unerfahrenheit “in Sachen Liebe” spüren und ihn trösten wollen.

Und, wie gesagt, auch die Szene zwischen den beiden Frauen, fand ich toll, in der die Gräfin mehrfach ihren Mantel ablegt, was auf mich sehr resigniert wirkt, und Susanna sie immer wieder förmlich darin einhüllt, wie in einen schützenden Kokon, der neue Hoffnung geben soll.


PS
Ursula, eben ging Dein Link ein.
Meine Meinung dazu ist, dass Schmidt es absichtlich einfach gestaltet hat. Er wollte, dass alle ihn verstehen können.
Er hätte sicher auch ganz anders gekonnt!

Bis dann....


 maedel antwortete am 01.08.06 (20:33):

@alle

ich sah die live-übertragung aus salzburg im ORF.
mir hat die inszenierung gefallen und habs mir bis zum schluss angeschaut.

die ARD hinkte mit ihrer übertragung hinterher, was ich nicht so gut fand.