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THEMA:   Das Mädchen mit der hässlichen Stimme - ein Märchen

 9 Antwort(en).

Roby begann die Diskussion am 17.03.06 (13:29) :

Sie lebte allein am Rande des dunklen Waldes, ganz in der Nähe des großen Flusses.

Oft ging sie in die nahe Stadt zum Marktplatz. Dort boten viele Menschen ihre Waren feil. Einmal blieb sie am Stand von Summsel stehen, denn neben Summsel saß deren Oma und schaute sich vergnüglich das muntere Markttreiben an. Höhnisch rief das Mädchen „Naaa? Haste deine Omma bissi anne Backe, hihihih…“. Summsel und die Oma schauten erschrocken. Das Mädchen lachte so laut, dass sich viele Gäste umsahen. Für das Mädchen waren fast alle Menschen auf dem Marktplatz nur unselbstständige und bemitleidenswürdige Gestalten, denen man einen Spiegel vorhalten muss, damit sie Erkennen wie ungebildet und langweilig sie sind. Manchmal nahm sie eine Ware in die Hand, sah sie sich kurz an und warf sie dann den Händler mit Verachtung zurück auf den Tisch. „Trivialer Schwachsinn! :-)“ raunte sie.

Schweigend stand der Marktwächter am Rande und schaute zu. „So hilf uns doch!“ riefen 20 Leute. Der Marktwächter nahm es gelassen. Das Mädchen schaute sichtlich zufrieden zum Marktwächter. „By the way! Eure Nutten und Hausmütterchen werden euch nach einer kurzen Zeit des Schmollens das Türchen zur Glückseligkeit wieder öffnen...hihihi...“ erschallte ihre hässliche Stimme.

Zufrieden registrierte der Marktwächter, dass durch die allgemeine Aufruhr immer mehr Leute aus dem Fenster schauten und einige sogar neugierig zum Marktplatz liefen. Die paar beleidigt davon ziehenden Händler nahm er in Kauf. Tumult war ihm recht. Das sichert meine Existenz, dachte er.

Früher, als das Mädchen noch im Auftrage des Königs Steuern eintrieb, wurde sie oft als arrogant bezeichnet. Da sie nur an sich selbst glaubt, nahm sie das gelassen. Irgendwelche Kämpfer für die Freiheiten der Untertanen waren in ihren Augen nur „Hanswürste, die sich hochhüpfend auf Bühnen präsentieren“. Beifall nannte sie ein „gemeinschaftliches blöken der Herde“.

Allzu oft hatten sich schon Händler beim Marktwächter über die hässliche Stimme beschwert. Doch es hatte kaum genützt. Der Marktplatz soll allen offen sein, sagte der Wächter. Manchmal lief das Mädchen auf dem Marktplatz umher um höhnisch kund zu tun, was sie auf anderen Marktplätzen gesehen hatte. Vereinzelt reagierten Händler darauf, weil sie die Leute kannten, die das Mädchen in den Schmutz zog. Doch wehe dem, der auf die Beleidigungen des Mädchens mit der hässlichen Stimme reagierte! Nur darauf wartend stürzte sie sich verbal umso gehässiger auf diesen unvorsichtigen Händler.

Und dann passierte es. Die Nase in den Himmel gereckt übersah sie den Marktwächter und rempelte ihn an. „Pass doch auf, du Trottel! Es hat genug Platz hier!“ schrie sie im schlechten Deutsch, ohne hinzuschauen, wen sie angerempelt hatte. Das war dem Wächter dann doch zuviel. Kurzerhand sperrte er sie in den Turm. Und niemand fragte mehr nach ihr.

Niemand.

Schweigend reichte ihr der Kerkerwächter gelegentlich Wasser und Brot durch eine Luke. Für die vielen Menschen, die sich von nun an umso fröhlicher auf den Marktplätzen tummelten, war sie einfach nicht mehr vorhanden.

Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute – einsam und ungeliebt, irgendwo in den Weiten des www – das Mädchen mit der hässlichen Stimme.


 Heidi_hl antwortete am 17.03.06 (16:17):

;-))) Schönes Märchen!

Ja, so einfach kann es sein. Einfach die bösen Mädchen (und natürlich auch die bösen Buben) mit den hässlichen Stimmen ignorieren (in den Turm sperren) und schon wird es wieder fröhlich auf dem Tummelplatz des www.


 pilli antwortete am 17.03.06 (17:11):

gefällt mir sehr! :-)

leider hat es nur zu wenige böze mädchen, denn nur diese erleben watt! :-)

derweil die anderen, mit oder ohne omma an der backe, sanft gegen datt firmament starren und darauf warten, datt die verwandschaft erscheint, sie in den himmel zu hieven...schwer tragend an all der güte und bravheit! :-)

wie war datt nochmal:

"Die guten Mädchen kommen in den Himmel, die bözen überall hin!"

:-)))


 mart antwortete am 17.03.06 (18:28):

.....

Und alle lauschten wieder voll Spannung dem Märchenerzähler mit der Schalmeienstimme, die von den guten, alten Zeiten erzählte. Er konnte so lieblich erzählen, daß man seinen hageren Körper, seine Tränensäcke und seinen Schmerbauch gar nicht mehr bemerkte. Endlich genug Zuhörer da, endlich die lange, tröge Zeit, in der sich nur spärliche Münzen in seinem Hut fanden, vorbei - die Händler konnten endlich wieder ihre Waren unbeschaut verkaufen, Skorpionpulver gegen Liebeskummer, geriebene Schlangen vermischt mit dem Kot einer brünstigen Hündin gegen den bösen Blick, die wundertätige Mondscheinsalami.... die Kunden merkten nicht Trug und Betrug. Sehr zufrieden war aber die Schar der ehrenwerten Gemeindeleiter, sie rieben sich die feisten Hände - endlich konnte wieder in die Taschen gelangt und herausgeholt werden, endlich war wieder der Händler König und nicht der Kunde, endlich konnten wieder Menschen in den Turm geworfen werden und bei Wasser und Brot verschimmeln.
Aber zufriedensten waren aber die Männer, als sie die Mär von der Zeit hörten, wo alles noch seinen richtigen Platz und seine richtige Ordnung hatte. Siehst, raunte der eine dem anderen ins Ohr - hab ich nicht gesagt, daß diese Unruhestifterin in den Kerker gehört?; jetzt geben unsere Weiber wieder Ruhe und sind mit uns zufrieden.
Und wenn wieder so ein Mädchen auftaucht, gleich ob schön oder schiach, gleich ob mit häßlicher oder angenehmer Stimme, dann rufen wir aber sofort die Häscher, tönte es abends im Wirtshaus, während die liebenden Ehefrauen sehnsüchtig und geduldig im geordneten Anwesen auf sie warteten.
Und die Gemeindevorstände nickten ernsthaft zustimmend zu dieser wohlgesetzten Männerrede.


 Heidi_hl antwortete am 17.03.06 (21:42):

.. so hätte die Geschichte weiter gehen können, wenn nicht dieser nette, hellwache und relativ junge Mann auf dem Marktplatz aufgetaucht wäre.

Auch er hielt den Marktplatzbesuchern einen Spiegel vor. Es war ein freundlicher, humorvoller Spiegel mit vielen kleinen Weisheiten gerahmt, Volksweisheiten nennt man sie und die aufmerksamen Marktbesucher betrachteten sich in diesem Spiegel und entdeckten so manche Ähnlichkeiten.

Nein, dumm waren sie nicht, die Kunden der Markthändler. Sie wussten schon, was sie von dem einen oder der anderen KlugschwätzerIn halten sollten. Doch da sie klug waren, sparten sie sich die Kommentare zu den blubberblasenverkaufenden TrödlerInnen. Sie hatten gelernt, Qualität von Quantität zu unterscheiden und kauften nur, was sie selbst für richtig und gut hielten.

Natürlich amüsierten sie sich sehr über die AufklärerInnen und (Besser)-Wissenden. Doch sie wussten auch, dass es sich nicht lohnt, auf jedes Billigangebot einzugehen.

Nur manchmal, wenn die Blubberblasenverkäufer ihre Blubberblasen mit Dreck füllten um damit auf den einen oder die andere Markbesucherin zu schiessen, machten sie sich die Mühe, schrieben eine kleine Mitteilung und hängten es am Marktplatz aus.

Mit der Zeit jedoch, wurden diese Mitteilungen immer seltener. Die Marktbesucher liessen sich von den BlubberblasenverkäuferInnen nicht mehr stören, zumal die Blubberblasen immer langweiliger wurden, weil eine der anderen glich.

Und so blieb der Marktplatz bestehen - kunterbunt und fröhlich, ernst und lehrreich - ..

und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie alle noch heute - mitten unter uns.


 Medea. antwortete am 18.03.06 (06:24):

"Nein, dumm waren sie nicht, die Kunden der Markthändler. Sie wussten schon, was sie von dem einen oder der anderen KlugschwätzerIn halten sollten. Doch da sie klug waren, sparten sie sich die Kommentare zu den blubberblasenverkaufenden TrödlerInnen. Sie hatten gelernt, Qualität von Quantität zu unterscheiden und kauften nur, was sie selbst für richtig und gut hielten." (Hl)

....... und die Moral von der Geschicht?
Märchen trösten durch ihr meistens gutes Ende, alles löst sich in Wohlgefallen auf, ein(e) jede(r) scheint zufrieden - das ist aber genau der Trugschluß.
Mädchen/Jungen mit der häßlichen Stimme wachsen immer
wieder nach, sie können gar nicht mehr anders als Unfrieden und Zwietracht zu säen, das ist ihr Naturell.
Was bleibt, wenn Güte und Verständnis und Toleranz versagen?
Auf's Maul hauen? Hoffen, daß sie an der eigenen Stimme ersticken? Sie gewähren lassen und damit den kunterbunten und fröhlichen, ernsten und lehrreichen Marktplatz zerstören?

Mir scheint, daß Märchen doch nicht immer halten, was sie zu versprechen scheinen. :-(


 wanda antwortete am 18.03.06 (08:58):

Güte, Verständnis und Toleranz versagen nie - man muss nur oft sehr lange auf ihre Wirkung warten :-)))) Dornröschen schlief ja auch hundert Jahre.


 schorsch antwortete am 18.03.06 (14:32):

Das Schöne - aber auch Dumme - an den Märchen ist, dass sie Märchen sind....


 kropka antwortete am 19.03.06 (13:19):

Spruch mit kurzem o

Ssso.

Ernst Jandl

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,403161,00.html

Internet-Tipp: https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3579023098/302-0627088-3664038


 kropka antwortete am 24.03.06 (10:05):


ALLES MÄRCHEN:

Der Wolf, verkalkt und schon fast blind,
traf eine junge Dame:
"Bist du nicht Rotkäppchen mein Kind?"
Da sprach die Dame: "Herr, Sie sind -
Schneewittchen ist mein Name!"

"Schneewittchen? Ach, dann bist du die
mit diesen 7 Raben?"
Sie antwortete: "Lassen Sie
sich lieber gleich begraben!
Mit 7 Zwergen hatt ich mal
zu tun - das waren nette ...!"
"Ach ja! du durftest nicht zum Ball,
und Erbsen waren nicht dein Fall,
besonders nicht im Bette ...!"

Da lachte sie hell ha-ha-ha,
dann: "Darf ich Sie was fragen?
Sie fraßen doch die Großmama,
wie hab'n Sie die vertragen?"

"Das ist nicht wahr, daß ich sie fraß,
ich krümmte ihr kein Härchen!
Die Brüder Grimm, die schrieben das
für kleine Kinderchen zum Spaß -
das sind doch alles Märchen ...!"

[Heinz Erhardt]