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THEMA:   Platon: Höhlengleichnis

 15 Antwort(en).

Illona begann die Diskussion am 19.09.05 (18:12) :

Platon: Idealistisches Modell
Platons (427-347 v. Chr.) Ideenlehre, die er in seinem Höhlengleichnis veranschaulicht, ist eine wirkungsgeschichtlich mächtige Theorie von Sein und Schein. Nach Platons Gleichnis leben die Menschen angekettet in einer unterirdischen Höhle, so dass sie sich nicht zum Eingang umwenden könne. So sehen sie nur die dem Eingang gegenüberliegende Wand. Hinter ihnen brennt ein Feuer, welches nur Schatten von den vorbeigehenden Dingen an die Wand wirft. Sie hören auch nur das Echo der entstehenden Laute. Die Dinge selbst („an sich“) bleiben ihnen verwehrt. Sie sind so an die Abbilder der ‚wahren Wirklichkeit’ gewöhnt, dass sie - verließen die Menschen ihre Höhle - die neue Wirklichkeit kaum glauben würden. Diese Zweiweltenlehre Platons besagt, dass
„das eigentlich Seiende […] nicht die Dinge [sind], sondern [die] Urbilder [die Ideen]. Die Dinge werden ja, was sie sind, nur dadurch, daß sie an den Urbildern teilhaben; so sind die Urbilder, die Ideen, das Unwirkliche. Die Dinge aber sind bloße Abbilder der Ideen und so von geringerem Grade an Wirklichkeit. Das eigentlich Wirkliche im Wirklichen ist die Tiefe der Wirklichkeit.“
Platon trennt also – in seinen eigenen Worten – „das Irdische“ vom „Reich des Wahren“ .
Platons Lehre ist auch eine Lehre der Medialität; insofern, dass Platon eine Qualifizierung bezüglich Idee und Abbild vornimmt. Die Abbilder der Ideen (dies können Dinge sein, aber auch Abstrakta wie Gerechtigkeit, das Schöne oder das Gute) sind nicht so wertvoll und vollkommen wie die Urbilder: Der Stuhl als Gegenstand ist geringer als die Idee des Stuhls – und der Stuhl in einem Gemälde ist noch geringer als der Gegen¬stand.
Platons ‚medialer Diskurs’ ist gerade im Hinblick auf die heutige medialisierte Wirklichkeit von neuer Aktualität: Ist die heutige Kino- und Fernsehgesellschaft nicht jenen Höhlenbewohnern vergleichbar, die den Abbildern verfallen sind und die Wirklichkeit vergessen haben? Verwechselt die medialisierte Gesellschaft nicht bereits Projektion mit der Wirklichkeit? Das Idealbild ist das Medienbild geworden. Es gilt nur noch die Faszination auf der Leinwand. Es wird vergessen, dass die Bilder, die sie bietet, nur Abbilder sind. Den Schein zu durchschauen und Illusion und Simulation wieder erkennen, würde der Wirklichkeit Platz schaffen.


 schorsch antwortete am 19.09.05 (18:17):

Nun verstehe ich endlich den Bgriff "Platonische Freundschaft" (;-)


 Illona antwortete am 19.09.05 (18:22):

Bist du da ganz sicher schorsch??
Nichts ist wie es scheint und alles scheint möglich...
Gruß Illona


 Sophia2 antwortete am 19.09.05 (18:26):

Bravo, Ilona, der Text ist aber ein bisschen kurz.
Ich hätte gerne den ganzen Text und möglichst ohne eigenes Statement, weil, sollen aber mal die, die wollen, selbst grübeln.
Auf jeden Fall, ist für mich dieses Gleichniss ein Wegweiser, sowie der Spruch von Sokrates:"ich weiss, dass ich nichts weiss." liest sich läpisch. Doch für mich, die sich mit allen möglichen wissenschaftlichen und religiösen Themen rumgeschlagen hat, treffend. Habe die Ehre, Madam, ich bin entzückt.


 Sophia2 antwortete am 19.09.05 (18:53):

Ich empfinde es für mich hier jetzt schwer, auf das Höhlengleichnis einzugehen, weil..., ich glaube, wer einwenig oder ganz aus der Höhle hinausgetreten ist, von denen, die noch in der Höhle sitzen,beschimpft wird als Angeber, Spinner und weiss ich noch etwas. Die Gewohnheit, die Angst alleine zu sein, führt vielleicht dazu,
dass derjenigige - obwohl ihm die Sonne voll ins gescheint -wieder in die Höhle zurück geht, weil er glaubt, dass sein Leben von den Höhlenbewohner abhängt. Denn, woher weiss der Herausgehende, dass das Gesehende ausserhalb kein Trugbild ist?


 Literaturfreund antwortete am 20.09.05 (17:49):

Wir sitzen längst vor der Höhle; suhlen, kochen, backen, trinken, räkeln uns; einige werden immer fetter und depressiver und kränker - und alle kucken im Fernsehen zum Beispiel:

WIR SIND ALLE KANZLER!


 Marina antwortete am 20.09.05 (21:45):

Welch erfrischende Wendung. Der arme Platon. Wofür der alles herhalten muss. Tote können sich eben nicht mehr wehren, mit denen kann man alles anstellen, sogar Medien- oder Esotripps. Der Club der toten Dichter. Ach nee, der toten Philosophen.


 Marina antwortete am 20.09.05 (22:29):

Weise Einrichtung

Du darfst so dumm sein, wie du willst,
wenn du nur selbst es weisst und fühlts.
Wenn du versteckst dein kleines Licht,
sieht man den grossen Schatten nicht.

Die Dummheit, die du klug verschweigst,
hilft mehr als Weisheit, die du zeigst,
Halt deinen Mund und stell dich doof,
dann nennt die Welt dich Filosof.

Fred Endrikat


 angelottchen antwortete am 20.09.05 (23:02):

Höhlengleichnis schön und gut - aber ist es nicht merkwürdig, dass Platon, ein Mann, der Künstler unter Aufsicht stellen oder aussperren wollte und ein Lachverbot erliess, gerade von schöngeistigen Menschen so gerne zitiert wird?

"Und dann holt Platon zu der Frage aus, die auch heute zu erwarten wäre:
„Lieber Homeros, wenn du denn, was Tugend anlangt, nicht der von der Wahrheit abstehende Verfertiger des Schattenbildes bist, sondern doch wirklich zu erkennen vermochtest, durch welche Bestrebungen die Menschen
besser werden oder schlechter im häuslichen Leben sowie im öffentlichen, so sage uns doch, welche Stadt denn durch dich eine bessere Einrichtung bekommen hat, wie Lakedaimon durch den Lykurgos und so viele andere große
und kleine Städte durch andere mehr?
Diese Frage saß damals, diese Frage sitzt noch heute..

Internet-Tipp: https://www.hu-berlin.de/protest/politikundphilosophie.pdf:


 Enigma antwortete am 21.09.05 (09:12):

Timur KIBIROV

Poesie! - big fucking deal!
Brokat, durchgerieben bis auf die Löcher!
Aber erst durch diese Löcher
erkennen wir alles im Licht,
sofern das Auge so angelegt ist:
ohne Fokusse - totale Dunkelheit!
Wirf' einen Blick durch diese Lumpen junger Mann.
[Ey, Alter, wirf mal 'nen Blick auf diese Lumpen.]
Durch diesen Flitterkram und diese Lüge,
vielleicht, wirst Du wenigstens irgendetwas bemerken,
sehen, wenigstens irgendetwas erhaschen.
Übersetzung Sandra Wenzel


Poesie! - big fucking deal!
bis auf Löcher abgewetzt, Brokat es ist.
Aber durch diese Löcher erst
erkennen alles wir auf dieser Welt,
denn so ist unser Auge nun mal bestellt:
Ägyptenfinsternis ja ohne Trickserei.
Doch schau, Jüngling hin, durch alte Lumpen
und die Lügerei,
bemerkst du möglich irgendwas,
auf 's gerade wohl, wenn auch nur irgendwas verstehst du wohl.
Übersetzung Helena Klamma


Die Poesie! – big fucking deal!
Brokat, doch löcherig im Stil.
Doch nur durch diese Löcher seh’n,
Erkennen wir das Weltgescheh’n.
Denn so ist unser Blick bestellt:
Nur Tricks – sonst nix die Finsternis erhellt!
He Du da, schau durch diesen Lappen.
Durch diese lumpigen Lügenattrappen.
Ob Du wohl irgendetwas siehst,
Ob Du wohl irgendwas verstehst.
Übersetzung Henrike Schmidt

https://www.lyrikwelt.de/autoren/kibirov.htm

Welche Übersetzung gefällt euch am besten in diesem Zusammenhang?

Internet-Tipp: https://www.ruhr-uni-bochum.de/lirsk/ag_lyrik/


 Sophia2 antwortete am 22.09.05 (13:29):

angelottchen, erst mal - watt für´n Nickname. Engel- kleiner Otter?

Na gut, also ich schätze viele Deiner Beiträge. Knallhart - perfekt sitzend. Manchmal unangehmend stimmend.

Doch, ehrlich, mindestens seit ca. 2500 J. haben die Männer das Wort und die Macht gehabt. Dann dürften wir gar nichts mehr schön, bereichend, erkennend finden, wenn wir von allen Malern, Musiker, Literaten, Wissenschaftler die Gesinnung inkl. privat Leben aufdröseln. Und, das eigentlich bis heute... oder?

Also nehmen wir doch das Positive und machen wir das Beste daraus als Frauen. Hier und heute gibt es in dieser Hinsicht doch noch genug zu tun. Deshalb möchte ich die Erkenntnisse dieser Herren nicht missen.


 Marina antwortete am 22.09.05 (18:27):

Hallo Enigma,
zur der Übersetzung: Ich kann sie eigentlich schwer beurteilen, wenn ich die Originalsprache nicht verstehe.
Zuerst dachte ich auf alle Fälle, dass mir sprachlich das letzte, gereimte am besten gefällt. Ich finde es sprachlich gut und außerdem inhaltlich verständlich. Aber auf den zweiten Blick habe ich mich für das erste Gedicht entschieden. Da sind gute Ausdrücke drin wie "Flitterkram" oder "erhaschen" statt "bemerken" wie im zweiten oder "sehen" wie im dritten Gedicht. Auch der Klammersatz ist sicher ziemlich nah am Original, vermute ich mal, ohne es zu wissen, weil da so eine gewisse Burschikosität mit drin ist, die vermutlich im Original enthalten ist. Aber das kann ich, wie gesagt, natürlich wirklich nicht beurteilen, ohne die Originalsprache zu verstehen.

Übrigens: Was hat das alles mit Platon zu tun? Wolltest du einen thread sparen, weil schon so viele mit Einzelgedichten verschwendet wurden? :-)
Sei mir nicht böse, du weißt, ich kann mir kleine Spitzen manchmal nicht verkneifen. :-)


 Enigma antwortete am 22.09.05 (18:45):

Hallo, liebe Marina,

bitte entschuldige, ich hätte das näher erläutern müssen.
Wenn du in dem angegebenen Link auf "Timur Kibirov" klickst, wird dort u.a. erläutert, dass Kibirov sich in dem Gedicht auf das Höhlengleichnis von Platon bezieht.
Darum auch meine, natürlich dann unverständliche Frage, welche Übersetzung in diesem Zusammenhang die beste ist (ich beherrsche natürlich auch die Originalsprache in keiner Weise *g*). Es ging mir nur darum, welche Übersetzung die Verwandtschaft mit dem Höhlengleichnis vielleicht am besten deutlich macht.
Sorry, Asche auf mein Haupt...... :-)).

PS
Aber ich weiss auch noch nicht, für welches ich mich entscheiden würde...


 Literaturfreund antwortete am 23.09.05 (09:12):

Zum Lachvebot..:

Die differenzierte Lachkritik für den griechischen Philosophen Platon (428-348 v. Chr.) sollte hervorheben, dass der Mann beim hordenmäßigen Lachen seine Selbstkontrolle nicht verlieren sollte.
In "Politeia" schrieb er, das Lachen beeinträchtige die Würde des Mannes, besonders durch die alberne Enthemmung beim dionysischen Saufen – deshalb schlägt er eine gemäßigte Heiterkeit ("modesta hilaritas") vor und kein exzessives Brüllgackern, das sich leicht verselbständigte und unkontrollierte Orgien begleitete.
Die Männer sind dann zwei Tage später wieder fit (aber ohne Erinnerung), Frauen sind entehrt, haben Ärger mit ihrem Ehemann, die Ex-Jungfrauen sind wohl schwanger.
Das klösterlich erzwungene Lachen, bei den Benediktinern, war eine Herrschaftsregel; wer das nicht erträgt, musste die gemütliche, gar nicht immer zölibatäre Versorgung der Klosterei verlassen.
*
Eco begeht in „Der Name der Rose“ einen Trick; er bezieht sich auf das verloren gegangene zweite Buch der Aristotelischen "Poetik".
Da, vermutet man, habe Aristoteles sich positiv zur Funktion des individuellen Lachens de Reaktion auf Humor, Witz, Aufklärung geäußert:
Lachen als Kunst, Philosophie und Erlösung; als ob er es erst wieder erlauben müsste!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/1EXTElyQJ


 Marina antwortete am 23.09.05 (11:39):

Interessant, dass sich so ein Artikel in einer "Zahnärztlichen Mitteilung" findet. :-)))
Ich hätte gar nicht gedacht, dass Zahnärzte auch etwas von Philosophie verstehen. Aber es stimmt schon - mit dem Mund und den Zähnen hat Lachen ja wirklich zu tun. *lache*


 Illona antwortete am 23.09.05 (13:12):

Marina
"Der arme Platon. Wofür der alles herhalten muss. Tote können sich eben nicht mehr wehren, mit denen kann man alles anstellen, sogar Medien- oder Esotripps. Der Club der toten Dichter. Ach nee, der toten Philosophen."

Nicht nur der atme Platon, auch andere

Aristoteles und Michelangelo: Potentialistischer Realismus

Für Aristoteles (384-322 v. Chr.) ist Wirklichkeit eine Art Herstellungsprozess. Er fasst „das Wahrnehmungsgeschehen [der Realität] als Verwirklichung einer Möglichkeit“ auf, die in uns angelegt ist. Durch unsere Wahrnehmung transformieren wir das Mögliche zu Wirklichem. Ganz ähnlich wie bei Leibniz lässt eine Perzeption aus der Totalität möglicher Wahrnehmungen der Wirklichkeit eine bestimmte wirklich werden. Vereinfacht ausgedrückt: Wahrnehmen ist Verwirklichung - „Wahrgebung“ , wenn man so will: Wirklichkeit wird so nämlich ein sehr aktiver Vorgang; Wahrnehmung ist nicht etwa passive Rezeption von etwas Wirklichem an sich, sondern Wahrnehmen ist „als Verwirklichung des Wahrnehmungsvermögens zu begreifen“ . Das heißt, dass wir die Welt (Realität „an sich“) durch die in uns bereits vorhandene Empfindungsfähigkeit (-möglichkeit) realisieren, wenn wir etwas empfinden, wenn also unser Empfindungspotenzial durch die Welt gereizt wird. Auf diese Weise übersetzen wir die Welt aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit.

Nicht weit entfernt von dem Wirklichkeits-/ Möglichkeits-Konzept Aristoteles’, aber doch anders akzentuiert, zeigen sich die Überlegungen Micheangelos
(1475-1564). Michelangelo versteht sich nicht primär als Schaffer von Kunstwerken, sondern sieht diese als bereits vorhanden im Steinbruch. Sie müssen nur noch frei geschlagen werden. Der Bildhauer muss nur die Hüllen von den bereits für ihn sichtbaren Statuen entfernt. Der ungeformte Stein ist dem Künstler im Grunde ein riesiges Potenzial an Möglichkeiten, die für ihn wie Wirklichkeiten aussehen. Er sieht fast keinen Unterschied mehr. Es enthalten beide, Wirklichkeit und Möglichkeit, dasselbe und das Schaffbare ist bereits durch das Sprechen über die vielen Möglichkeiten schon halbwirklich. Es muss nur noch von der störenden Hüllmasse befreit werden. Im Sonett XIV. an Vittoria Colonna thematisiert Michelangelo diese „im Marmor” potenziell enthaltenen Möglichkeiten, die des Künstlers Hand zu beleben vermag:
Nichts wird die Kunst des Meisters je ersinnen,
Das nicht verborgen schon im Marmor lebte,
Und keine Hand, die nicht der Geist belebte,
Erbringt, was da verschlossen liegt, tiefinnen.

Dss ist aus meinen Referat über Realität und Virtualität an Beispielen in der Philosphie
Wahrlich nicht mein Thema, ich habe mich sehr damit abplagen müssen...:-)
Gruß Illona