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THEMA:   Apfelbaum und Olive

 2 Antwort(en).

lola begann die Diskussion am 16.09.05 (17:45) :


Apfelbaum und Olive


Ein Trost ist,zu wissen
wo die Tassen stehn und die Teller
in dem Haus, in dem du zu Gast bist,
und einen Anteil zu haben
an der Zärtlichkeit von Katze und Hund
deines Freunds,
und die Tücke des Fahrrads zu kennen
als sei es dein eigenes,
auf dem du mit der verblichenen Tasche
in das fremde Dorf darfst,
und die Milch auf dem Wege verschütten
als habest du selbst
den Deckel der alten Kanne
vor Jahren
auf diesem Wege verloren.
Du gehst durch das Gartentor
und machst es hinter dir zu,
als stehe die Bank
für dich vor dem Haus,
und siehst die andern draußen vorbeigehn,
du,
der Wanderer
von Tag zu Tag
und von Land zu Land,
an dem das Wort
von der Flüchtigkeit
allen Hierseins
Fleisch ward.

Du, den jede Wand
aufgibt,
und den es oft nach des Zirkuskinds
fahrbarer Höhle verlangt.

Zwar, der Apfelbaum und die Olive
sind überall dein,
und in fernen Ländern
schiebt man dir einen Stuhl an den Tisch
an der Seite der Hausfrau,
und jedes gibt dir von seinem Teller
wenn die Schüssel schon leer ist,
als habe ein Kind sich verspätet,
nicht als kämest du eben vom Flugplatz.
Und die dunkeln Mangobäume
und die Kastanien
wachsen Seite an Seite
in deinem Herzen.

Du weißt, wie die hohen Gräser
an den Rändern der Inseln rascheln
in allen südlichen Meeren,
wie staubig die Kaktuswege sind,
und du gehst durch die schaumigen Wiesen und kennst
ihren bunten Kalender.
Du spielst mit dem Wind
und bläst die hellen Kugeln
des Löwenzahns in die Luft
und siehst dem Schweben
der kleinen weißen Schirme mit zu
- so leicht, so widerstandslos vor dem Wehn
wie du selbst.
Irgendwo
dürfen wir landen.

Dann fährst du die Straße hinab
als glittest du auf einem Schlitten
an den Pappeln vorbei
in die Abendsonne.
Ein Reh tritt aus dem Wald,
und eine kleine Kirche auf einem Hügel
mit einem einsamen Kirchhof
winkt dir zu.
Du wägst ihren Gruß
wie eine Einladung,
die man eines Tages
- noch ungewiss wann -
vielleicht gerne
annehmen möchte.

Und daran erkennst du,
daß du
hier ein wenig mehr
als an andern Stätten
zuhaus bist.


Hilde Domin


 Marina antwortete am 16.09.05 (21:10):

Soll jetzt in Zukunft für jedes Gedicht ein einzelner neuer thread aufgemacht werden? Ich frage nur mal so. Dachte, es gäbe bereits einen thread "Gedichte".


 Illona antwortete am 16.09.05 (21:37):

Aber warum denn nicht, Marina, bei besonderen Anlässen?

"Mit dem Namen einer Insel"
Skeptisch hoffend: Die Lyrikerin Hilde Domin wird 90 Jahre alt
Von Thomas Kastura
Wer Lyrik schreibt, betritt damit eine Sprachinsel. Die Dichterin Hilde Domin hat im doppelten Sinn ein "Inseldasein" geführt: "Die Domin gibt es erst, seitdem ich mit dem Schreiben von Gedichten begonnen habe", sagt sie. Aus Verbundenheit mit dem Inselstaat der Dominikanischen Republik, der ihr Asyl gewährte, war Domin ein Pseudonym, das auf ihre ersten, in Santo Domingo entstandenen Gedichte zurückgeht. 1951 wird aus der jüdischen Emigrantin Hilde Palm die Lyrikerin Hilde Domin. Eine zweite Geburt, wie sie schreibt. "Ich nannte mich / ich selber rief mich / mit dem Namen einer Insel."
Heute wird die Domin 90. Das hat sie aber erst vor zwei Wochen enthüllt. Bis dahin, so steht es in den Literaturlexika, war sie drei Jahre jünger. 1909 in Köln geboren, studierte sie Jura, Philosophie und politische Wissenschaften. 1932 sieht die Jüdin Hilde Palm die NS-Machtergreifung voraus. Mit ihrem späteren Mann, dem Kunsthistoriker Erwin Walter Palm, wandert sie nach Rom aus.

Internet-Tipp: https://www.welt.de/daten/1999/07/27/0727ku122962.htx