Zur Seniorentreff Homepage
 Bücher suchen:





Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Wie wenig nütze ich bin

 3 Antwort(en).

lola begann die Diskussion am 16.09.05 (07:19) :

Wie wenig nütze ich bin,



Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.

Die Zeit verwischt mein Gesicht,
sie hat schon begonnen.
Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht der Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau.

Ich war hier.
Ich gehe vorüber
ohne Spur.
Die Ulmen am Weg
winken mir zu wie ich komme,
grün blau goldener Gruß,
und vergessen mich,
eh ich vorbei bin.

Ich gehe vorüber -
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
und auch den Gruß der Bäume im Abend
auf einem Stückchen Papier.

Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
in den Herzen am Wegrand.



Hilde Domin



 mart antwortete am 16.09.05 (11:34):

Wunderbar!

(Schau einmal unter Hilde Domin im ST.-Archiv nach.)


 Enigma antwortete am 16.09.05 (15:06):

..ja, ich finde sie auch toll.
Und den Thread hatte ich auch mal gefunden und genossen.

Hilde Domin
Aufbruch ohne Gewicht

Weiße Gardinen, leuchtende Segel
an meinem Fenster
am Hudson,
im zehnten Stock des Hotels
hell in die Sonne gebläht und knatternd im Meerwind.
Versprechen, Ausfahrt
nachhause,
zum Stelldichein mit mir selbst.
Aufbruch ohne Gewicht,
wenn das Herz den Körper verbrannt hat.
Segel so möwenleicht
über das offene Blau.
Das Zimmer ist unterwegs.
Aber das Meer
ist abgesteckt wie ein Acker.


 lola antwortete am 16.09.05 (15:18):

Hilde Domin war vor einem Jahr - jetzt 90 jährig hier - und hatte eine Lesung ihrer Werke angeboten.
Zu diesen Gedichten sagte sie m.E. sehr wesentlich -
Ich denke, daß Ihr wißt, daß sie als Jüdin und Tochter eines Kölner Rechtsanwaltes vor Hitler geflohen war und nach langem Hin und Her mit ihrem Mann in der Dominikanischen Republik gelandet war, - dazu sagte sie:

"In dieser Situation gibt es nur zwei Möglichkeiten zu überleben - entweder man geht auf die Couch (Psychotherapie!)
oder man wird kreativ, um alles zu verarbeiten!"

Diesen letzten Weg hatte sie gewählt, daher stammen ihre herrlichen und tiefempfundenen Gedichte!

Gruß von lola