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THEMA:   Herbst

 87 Antwort(en).

Enigma begann die Diskussion am 15.09.05 (07:06) :




Der herbstliche Garten

Der Ströme Seelen, der Winde Wesen
Gehet rein in den Abend hinunter,
In den schilfigen Buchten, wo herber und bunter
Die brennenden Wälder im Herbste verwesen.
Die Schiffe fahren im blanken Scheine,
Und die Sonne scheidet unten im Westen,
Aber die langen Weiden mit traurigen Ästen
Hängen über die Wasser und Weine.
In der sterbenden Gärten Schweigen,
In der goldenen Bäume Verderben
Gehen die Stimmen, die leise steigen
In dem fahlen Laube und fallenden Sterben.
Aus gestorbener Liebe in dämmrigen Stegen
Winket und wehet ein flatterndes Tuch,
Und es ist in den einsamen Wegen
Abendlich kühl, und ein welker Geruch.
Aber die freien Felder sind reiner
Da sie der herbstliche Regen gefegt.
Und die Birken sind in der Dämmerung kleiner,
Die ein Wind in leiser Sehnsucht bewegt.
Und die wenigen Sterne stehen
Über den Weiten in ruhigem Bilde.
Lasst uns noch einmal vorübergehen,
Denn der Abend ist rosig und milde.
Georg Heym
(1887 - 1912)


 schorsch antwortete am 15.09.05 (08:28):

Wenn im Herbst die Blätter fallen,
Kuckucks Rufe nicht mehr hallen,
im Garten fault der Restsalat,
dann merke ich: der Winter naht!

Schorsch


 Illona antwortete am 15.09.05 (09:25):

Rilke, Rainer Maria (1875-1926)
Herbsttag

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dräng sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


 angelottchen antwortete am 15.09.05 (09:48):

Frühherbst
Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.

Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.

Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt -
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.

Agnes Miegel
(1879 - 1964)




 angelottchen antwortete am 15.09.05 (09:49):

Die Ratten
Im Hof scheint weiß der herbstliche Mond.
Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.
Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;
Da tauchen leise herauf die Ratten

Und huschen pfeifend hier und dort
Und ein gräulicher Dunsthauch wittert
Ihnen nach aus dem Abort,
Den geisterhaft der Mondschein durchzittert

Und sie keifen vor Gier wie toll
Und erfüllen Haus und Scheunen,
Die von Korn und Früchten voll.
Eisige Winde im Dunkel greinen.

Georg Trakl
(1887 - 1914)


 angelottchen antwortete am 15.09.05 (09:51):

Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.

Friedrich Hebbel
(1813 - 1863)


 Ursula antwortete am 15.09.05 (14:39):

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke)


 schorsch antwortete am 15.09.05 (16:45):

Es zeigt der Herbst gar manch Gesicht,
und mancher macht dann ein Gedicht.
Es würd mich aber sehr bedrücken:
mit fremden Federn mich zu schmücken.

Schorsch


 Medea. antwortete am 15.09.05 (17:05):

Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen.
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in wahrem Golde liegen.

(Eduard Möricke)


 Marieke antwortete am 15.09.05 (17:11):

Unendlichkeit

Wer weiss der Vögel Flug
und wer den Weg des Windes?
Wer folgt dem Wolkenzug,
dem Lächeln eines Kindes,

Dem Licht im Weizenfeld,
Dem Fall der Regentropfen,
Dem Herbstlied aller Welt:
Früchte, die niederklopfen?

Du würdest arm und alt,
Eh dass du könnst durchdringen
Die ewige Gewalt
in den geringen Dingen.

Albrecht Goes(1908-2000)


 angelottchen antwortete am 15.09.05 (17:17):

immer noch das schönste Herbstlied :-)

Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube
Aus dem Rebenlaube
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen
Rot und weiß bemalt.

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
Zwischen hohen Reben
Auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondesglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Frohen Erntetanz.


 angelottchen antwortete am 15.09.05 (17:18):

und er darf nicht fehlen :-)

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand,
und kam die goldene Herbsteszeit
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn."



So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit;
da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
trugen von Ribbeck sie hinaus,
alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen Jesus meine Zuversicht,
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht.
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
und voll Misstraun gegen den eigenen Sohn,
der wusste genau, was damals er tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat,
und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.



Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
und in der goldenen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
so flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.



 angelottchen antwortete am 15.09.05 (17:20):

und das "Verslein" ist von mir :

"Erst im Herbst
kann man aus Frühlingsträumen
nahrhafte Marmelade kochen"


 Illona antwortete am 15.09.05 (19:51):

Barbara Allen
Theodor Fontane

Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rotgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.

Seine Läufer liefen hinab in die Stadt
Und suchten, bis sie gefunden:
"Ach, unser Herr ist krank nach Dir,
Komm, Lady, und mach ihn gesunden."

Die Lady schritt zum Schloß hinan,
Schritt über die marmornen Stufen,
Sie trat ans Bett, sie sah ihn an:
"John Graham, Du ließest mich rufen."

"Ich ließ Dich rufen, ich bin im Herbst,
Und die rotgelben Blätter fallen,
Hast Du kein letztes Wort für mich?
Ich sterbe, Barbara Allen."

"John Graham, ich hab ein letztes Wort.
Du warst mein all und eines;
Du teiltest Pfänder und Bänder aus,
Mir aber gönntest Du keines.

John Graham, und ob Du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte Dich lieber,
Ich sah nach Dir, Du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.

Wir haben gewechselt, ich und Du,
Die Sprossen der Liebesleiter:
Du bist nun unten, Du hast es gewollt,
Ich aber bin oben und heiter."

Sie ging zurück. Eine Meil' oder zwei.
Da hörte sie Glocken schallen;
Sie sprach: "Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für Barbara Allen.

Liebe Mutter, mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;
John Graham ist heute gestorben um mich,
Und ich sterbe um ihn morgen."


 Marina antwortete am 15.09.05 (22:09):

Haben wir denn schon Herbst? Ich dachte, Spätsommer. Wie auch immer, hier noch etwas von mir:

Detlev von Liliencron
Herbst

Astern blühen schon im Garten;
Schwächer trifft der Sonnenpfeil
Blumen die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Haide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt im blauen Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.


 angelottchen antwortete am 15.09.05 (22:40):

Also hier in der Heide ist es zwar tagsüber durchaus noch warm aber die Nächte sind schon kühl - mit weit offenem Fentser schalfen, wie ich es den ganzen Sommer gemacht habe, ist nicht mehr .. früh am morgen (ich fahre nicht täglich aber öfter bis zu meinem Büro ca 30km nur durch Wald und Heide) liegt noch wunderbarer Nebel über dem Boden, der von der Sonne schnell aufgefressen wird un d der Laubwald riecht herrlich moosig. Wer kann sich schon den Luxus erlauben, auf dem Weg zur Arbeit morgens Pilze zu sammeln? :-) Ich treff max. 10 Autos auf der ganzen Strecke aber mindestens 3,4 Rehe und ab und zu ein paar Wildschweine, die durchs Revier pirschen. Die Blätter verfärben sich langsam .. es ist ein wunderschönes Schauspielt, keine Jahreszeit ist so entspannend wie der Spätsommer, der langsam Herbst wird.


 pamina antwortete am 16.09.05 (01:38):

Astern

Astern, schwelende Tage,
alte Beschwörung, Bann.
Die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor.
Was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen du.
Der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu.

Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht.
Die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.

(Gottfried Benn)


 pamina antwortete am 16.09.05 (01:45):

Und Schatten folgt den langen Wegen
aus Bäumen, die das Licht verfärbt.
Der Himmel wächst. In Wind und Regen
stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt.

Der Duft der Blumen ist vergessen.
Frucht birgt und Sonne nun der Wein.
Und du trägst, was dir zugemessen
geklärt in deinen Herbst hinein.

(Christian Morgenstern)


 pamina antwortete am 16.09.05 (01:53):

September
(aus "13 Monate" von Erich Kästner)

Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln wollen in den Himmel,
doch sind sie wohl nicht fromm genug.

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise
und was vorüber schien, beginnt.


 Illona antwortete am 16.09.05 (06:35):

Zwei Fingerspiele

Das ist der Daumen,
der schüttelt die Pflaumen,
der hebt sie auf,
der trägt sie nach Haus,
und der Kleine
isst sie alle, alle auf!!!


Erinnert ihr euch noch.......ein schöner Link

Internet-Tipp: https://members.eunet.at/speaker/texte/herbst.htm


 Ursula antwortete am 16.09.05 (09:53):

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke)


 Ursula antwortete am 16.09.05 (10:04):

Der Herbst steht auf der Leiter
Und malt die Blätter an,
Ein lustiger Waldarbeiter,
Ein froher Malersmann.

Er kleckst und pinselt fleißig
Auf jedes Blattgewächs,
Und kommt ein ein frecher Zeisig,
Schwupp, kriegt der auch ´nen Klecks.

Die Tanne spricht zum Herbste:
Das ist ja fürchterlich,
die anderen Bäume färbste,
Was färbste nicht mal mich?

Die Blätter flattern munter
Und finden sich so schön.
Sie werden immer bunter.
Am Ende falln sie runter.

(Peter Hacks, geb.1928)


 Ursula antwortete am 16.09.05 (10:14):

Heinz Erhardt darf natürlich auch nicht fehlen ;-):

Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
die Tage täglich sich verkürzen,
wenn Amsel, Drossel, Fink und Meisen,
die Koffer packen und verreisen,
wenn all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben - so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!
Ich laß ihn stehen! Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt und gut abgeschlossen!
Er kann nicht rein! Ich hab ihn angeschmiert!
Nun steht der Winter vor der Tür -
und friert!

(Heinz Erhardt)


 Enigma antwortete am 16.09.05 (14:45):

...schöne Sachen. Danke!

Rose Ausländer
Es regnet

Im Herbst
sind die Häuser
heimatlos
In welches
verirrst du dich
Du redest zur Wand
über den Frühling
Das Fenster spannt auf
einen Regenbogen
Kommen die Fremden
suchen Wohnung
ihre nassen Schritte
klopfen an deinen
Puls
du redest zur Wand
über den fremden
Frühling
Es regnet


 Agnes antwortete am 16.09.05 (15:43):

Herbst auf der ganzen Linie

Nun gibt der Herbst dem Winter die Sporen.
Die bunten Laubgardinen wehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
in denen Türen offenstehn.

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

Es ist, als ob die Sonne scheine.
Sie läßt uns kalt. Sie scheint zum Schein.
Man nimmt den Magen an die Leine.
Er knurrt. Er will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber,
nimmt Abschied vom Geäst und sinkt.
Die Erde dreht sich um sich selber.
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren,
um wie die Jahre zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
in denen Türen offenstehn.

Die Stunden machen ihre Runde.
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt.
Und gehen langsam vor die Hunde.
Man führt uns hin. Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen.
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint.
Es wehen bunte Laubgardinen.
Nun regnet's gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben.
Ruth ist verreist, und der Verkehr
beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben.
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren.
Und dennoch wird es weitergehn.
Die Straßen ähneln Korridoren.


(Erich Kästner)


 Ursula antwortete am 16.09.05 (19:59):

Herbstgeruch

Wieder hat ein Sommer uns verlassen,
starb dahin in einem Spätgewitter.
Regen rauscht geduldig, und im nassen
Walde duftet es so bang und bitter.

Herbstzeitlose starrt im Grase blässlich
und der Pilze wucherndes Gedränge.
Unser Tal noch gestern unermeßlich
weit und licht, verhüllt sich und wird enge.

Enge wird und duftet bang und bitter
diese Welt, dem licht abgewendet.
Rüsten wir und auf das Spätgewitter,
das des Lebens Sommertraum beendet!

(Hermann Hesse)


 mmargarete01 antwortete am 18.09.05 (00:13):

Indianersommer

Fäden glitzern im Sonnenlicht,
Spinnweben werden geknüpft
im Morgentau des Licht’s.
Altweibersommer, silbergraues Haar,
durch die Äste fließend klar.
Goldener Oktober, geerntet wird am Tag.
Schicksalsgöttinen spinnen ihre Fäden,
für Menschen die Lebensfäden auf Erden.

©Margret Nottebrock


 nasti antwortete am 18.09.05 (13:31):

Die Abende sind schrecklich kalt,
Die ruhelose Winde blasen,
Von unsichtbaren Schritten hallt
Ein beben heftig durch die Straßen.

Der kalte Strich des Abendbrots
Gemahnt an nahes Leid und Bangen-
Das unfehlbare Zeichen droht:
Wir gehn im Kreis, wir sind gefangen.

Alexander Blok
Juni 1902


 nasti antwortete am 18.09.05 (13:46):

Wir geh-n durchs Stoppelfeld, zu zweit,
Ohn`Hast, in stille Träumen,
Die Seele überfließt und weint
In dunklen Kirchenräumen.

Der Herbst ist so still, und weit,
Man hört nur dumpfes Rufen
Von Rabenschwärmen weit vertsreut,
Und eine Greisin husten.

Rauchschwaden ziehen tief dahin,
Die sich aus Darren winden,
Mi angespannten Blicken sehen
Wie Kranische entschwinden...
Sie fliegen, fliegen schräg und lang,
Sie klingen und sie klagen,
Wovon, wovon nur zeugt Ihr klang?
Was will das weinen sagen?

Die Dörfer elend, flach, vermag
Das Auge nicht zu trennen,
In Dämmerung versinkt der tAG
und fern die Feuer brennen...

O meine Heimat elend rauh,
Warum gilt dir mein Sehnen?
Was sagen , meine arme Frau,
mir deine bittern Tränen?


Alexander Blok,
ein russische Symbolist, 1880 geboren, 1921 starb er.


 Enigma antwortete am 19.09.05 (08:31):

Ja, Blok, der gefällt mir auch...
Und der "neblige Morgen" passt ja auch zum Herbst. :-)

A. Blok

Es weckt mich der neblige Morgen!
Die Sonne schlägt mir ins Gesicht!
Bist Du's, lang erwartete Freundin,
Die sich aufs Vorderdach schlich?

Die Pforten, die schweren, stehn offen!
Ein Wind kam durchs Fenster geweht!
Gesänge, so fröhliche, solche,
Sind lang schon, so lang nicht ertönt!

Sie sind wie der neblige Morgen,
Wie Sonne und Wind im Gesicht!
Sie sind die erwartete Freundin,
Die sich aufs Vorderdach schlich!

3. Oktober 1901


 schorsch antwortete am 19.09.05 (10:35):

Von grauen Wolken die Sonne bedeckt;
sie legt sich zum Winterschlaf nieder.
Der Spätherbst seine Finger sich leckt;
doch die Sonne raunt: "Ich komme wieder!"

Schorsch


 Enigma antwortete am 20.09.05 (07:39):

...na hoffentlich kommt sie wieder, Schorsch.
Aber bei uns ist sie schon wieder da im Augenblick.
:-))

Jetzt ist es Herbst

Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.

Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.
Max Dauthendey
(1867 - 1918)


 schorsch antwortete am 20.09.05 (09:17):

Die Sonne kam wieder;
die Wolken sind offen;
Frauen öffnet die Mieder;
ich bin glaub besoffen ):-(

Schorsch


 angelottchen antwortete am 20.09.05 (09:53):

Heine, Heinrich (1797-1856)
Der Herbstwind rüttelt die Bäume,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehüllt im grauen Mantel,
Reite ich einsam im Wald.
Und wie ich reite, so reiten
Mir die Gedanken voraus;
Sie tragen mich leicht und luftig
Nach meiner Liebsten Haus.

Die Hunde bellen, die Diener
Erscheinen mit Kerzengeflirr;
Die Wendeltreppe stürm ich
Hinauf mit Sporengeklirr.

Im leuchtenden Teppichgemache,
Da ist es so duftig und warm,
Da harret meiner die Holde -
Ich fliege in ihren Arm.

Es säuselt der Wind in den Blättern,
Es spricht der Eichenbaum:
Was willst du, törichter Reiter,
Mit deinem törichten Traum?


 angelottchen antwortete am 20.09.05 (09:54):

Die Malve
Wieder hab ich dich gesehen
blasse Malve! Blühst du schon?
Ja, mich traf ein schaurig Wehen
All mein Frühling welkt davon
Bist du doch des Herbstes Rose
der gesunkenen Sonne Kind
bist du starre, düftelose
deren Blüten keine sind.
(Ludwig Uhland)


 angelottchen antwortete am 20.09.05 (10:14):

Weißt du noch
wie es war voriges Jahr im Septemberwind?
Nie war ich so glücklich wie an diesem Morgen am Strand.
Es war herbst - und hier im alten Indianerland
nennt man das "Indian Summer".
Und du mit deiner sonnenbraunen Haut
in deinem weißen Kleid
sahst aus wie ein Aquarell von Marie Laurencin.
Wie lange ist das her? Ein Jahr
hundert Jahre -
oder eine ganze Ewigkeit?
Liebe mich wie damals im Septemberwind
warte nicht und komm
solang die schönen Tage noch sind.
Bleibe hier mit mir ein ganzes Leben lang
im Septemberwind hier am Strand.
Heute liege ich allein hier im Sand
und sehe dich wie eine Fata Morgana.
Wo bist du jetzt
was machst du jetzt?
Während ich hier krank bin vor Sehnsucht
wo sind die Worte
die du mir gesagt hast damals?
Wie lange ist das her? Ein Jahr
hundert Jahre -
oder eine ganze Ewigkeit?
Liebe mich wie damals im Septemberwind
warte nicht und komm
solang die schönen Tage noch sind.
Bleibe hier mit mir ein ganzes Leben lang
im Septemberwind hier am Strand.

frei nach Joe Dassins wunderbaren Chanson "L’éte indien",


 Enigma antwortete am 21.09.05 (09:40):

..ja, der Joe Dassin hat mir auch gefallen, angelottchen.
Und leider ist er so jung gestorben. :-(


Friedrich Hebbel (1813-1863)

Spaziergang am Herbstabend
Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:
Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.
Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewußt, empfunden,
Dämmert auf in Seel und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.
Und im inneren Zerfließen
Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.
Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?
Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,


 mmargarete01 antwortete am 21.09.05 (12:04):

Zauber der Farben

Die Natur liegt im Zauber der Farben,
unterwegs war ein Maler.

Im neuen Kleid zeigt sich die Natur,
Herbstkleid in Wald und Flur.

Feuchtkalt zieht der Herbst durchs Land,
Nebelschleier umfassen sein Gewand.

Die Zeit bleibt niemals stehen,
auch die Natur im Wechsel des Gehen.

Wenn die Graugänse sich niederlassen,
hat uns der Sommer verlassen.

©Margret Nottebrock


 Enigma antwortete am 22.09.05 (07:33):

Gerrit Engelke
Herbst


Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf.
Felder gilben, Wälder ächzen überall.
Wie Blätter fallen draußen alle Tage,
Vom Zeitwind weggeweht.

Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen,
Ob draußen tost Vergänglichkeit,
Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen:
Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.


Gerrit Engelke
(1890-1918)

aus: "Rhythmus des neuen Europa"

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/autoren/engelke.htm


 Illona antwortete am 22.09.05 (13:13):

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unenntrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

[Hermann Hesse] Link mit passender Musik

Internet-Tipp: https://www.moonfairye.com/library/nebel/nebel.htm


 Enigma antwortete am 25.09.05 (08:06):

Herbstmorgen in Holland ...

Die Nebelkuh
im Nebelmeer
muht nebel mei-
nem Bahngleis her.

Nicht neben, denn
wo Nebel fällt,
wird auch das n
zum l entstellt.

Herbstmorgel il Hollald
Lul weiter il die Lebelwelt,
so bil ich eldlich kolsequent
uld sage licht mehr Nebel
lur Lebel.

Erich Fried


 mmargarete01 antwortete am 26.09.05 (07:47):

Herbstzeit

Die Zeit der dunklen Tage,
Bäume keine Blätter tragen.

Die Natur legt sich zum Schlafen nieder,
die Vögel singen auch keine Lieder.

Ruhe und Frieden zieht durchs Land,
Menschen gehen Hand in Hand.

Sie hetzen nicht, sind mehr zu Haus,
tauschen ihre Gedanken aus.,

Die Menschen haben viel mehr Zeit,
sind auch für Liebe und Gefühle bereit.

Bei Kerzenschein und leiser Musik,
sich wieder verliebt in die Augen blickt.

Sie ist wieder da die schöne Kuschelzeit,
wo die Ewige Liebe zum Schwören bereit.

©Margret Nottebrock


 Enigma antwortete am 26.09.05 (14:08):

Herbstanfang ...

Frisch gefüllt sind nun die Keller,
es sinkt der Gas- und Ölverbrauch.
Die Nächte werden wieder heller,
der Tag nimmt zu, die Oma auch.

Verblüht sind Dahlien und Ginster,
die Rechnung steigt für Öl und Licht.
Die Nächte werden wieder finster
der Tag nimmt ab, die Oma nicht.

Heinz Erhardt


 Miriam antwortete am 26.09.05 (16:19):

Zu so vielen und schönen Wortmalereien, ein kleines Aquarell von mir, zum Herbstanfang...

Liebe Grüße an alle die mich noch kennen, und an die, die mich auf diesen Seiten für das erste mal treffen...

Miriam

Internet-Tipp: " target="_blank">


 Miriam antwortete am 26.09.05 (16:25):

Nochmals Herbst, diesmal als Stillleben

Internet-Tipp: " target="_blank">


 Enigma antwortete am 26.09.05 (16:31):

Miriam, welch eine Freude, hier von dir zu lesen.
Und nicht nur zu lesen. Eine optische Bereicherung ist doch mal etwas ganz Besonderes und Neues.
Ich finde sie sehr, sehr schön, deine Kunstwerke.
Danke
und bis bald?
Liebe Grüsse
Enigma


 Miriam antwortete am 26.09.05 (16:36):

Liebe Enigma,

war gerade nochmals zurückgekommen um einige Zeilen an dich zu richten. Aber als erstes, sei mir ganz herzlich begrüßt.

Noch zusätzlich zwei Haikus - kannst du dich an die schöne Zeit erinnern?

Vollmond im Herbst -
schattenhafter als Bäume und Gras
die Menschenschatten.

Baishitsu (1768 - 1852)


An einem Abend im Herbst
ist es nicht leicht,
ein Mensch zu sein.

Issa (1763 - 1827)

Und bis bald!

Miriam


 Enigma antwortete am 26.09.05 (16:45):

Hallo Miriam,

und ob ich mich erinnern kann.
Ich habe gleich wieder einen Thread aufgemacht, weil du ja auch nicht nur in der Reproduktion, sondern auch in der Herstellung der kleinen Kunstwerke so gut warst.
Ich kann ja meist nur "abschreiben", werde mich aber bemühen, auch mal selbst ein Haiku zu verfassen.

Bis bald!
Enigma


 Marina antwortete am 26.09.05 (22:07):

Miriam, deine Bilder finde ich wirklich wunderschön, ich habe sie schon in der KK gesehen und wollte dir das immer schon mitteilen.
Jetzt noch ein Herbstgedicht:

Im September

Wir wollen in den Nußbusch gehn
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Das Eichhorn und der Häher
Sind arge Nüssespäher,
Der Buntspecht und die Haselmaus,
Die lieben auch den Nusskernschmaus!
Sie nagen und sie zwicken,
Sie hacken und sie picken,
Und wer nicht kommt zur rechten Zeit,
Geht, wie ihr wisst, der Mahlzeit queit.

Wir wollen in den Garten gehen
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Zur Nachtzeit war es windig!
Nun seht nur her! Was find ich
Im sand'gen Steig, im grünen Gras,
Bald hier, bald dort? Was ist denn das?
Äpfel mit rothen Stirnen
Und goldgestreifte Birnen!
Und dort beim Eierpflaumenbaum ...
O seht nur hin! Man glaubt es kaum!

Wir wollen an den Zaun hin gehn
Und dort einmal zum Rechten sehn.
Was steht denn gleich dahinter?
O seht, zwei arme Kinder!
Sie ladet hinter ihrem Haus
Kein Garten ein zu frohem Schmaus.
Da sollte man doch denken:
Heut' gibt's was zu verschenken!
Und merkt ihr erst, wie wohl das thut,
Da schmeckt es euch noch mal so gut!

Heinrich Seidel


 Enigma antwortete am 27.09.05 (09:38):

Heinrich Seidel gefällt mir auch fast immer, Marina..

Vom schlafenden Apfel

Im Baum, im grünen Bettchen,
hoch oben sich ein Apfel wiegt,
der hat so rote Bäckchen,
man sieht's, dass er im Schlafe liegt.


Ein Kind steht unterm Baume,
das schaut und schaut und ruft hinauf:
"Ach Apfel, komm herunter!
Hör endlich doch mit Schlafen auf."


Es hat ihn so gebeten.
Glaubt ihr, der wäre aufgewacht?
Er rührt sich nicht im Bette,
sieht aus, als ob er lacht.


Da kommt die liebe Sonne
am Himmel hoch daherspaziert.
"Ach, Sonne, liebe Sonne!
Mach du, dass der Apfel sich rührt!"


Die Sonne spricht:"Warum nicht?"
und wirft ihm Strahlen ins Gesicht,
küsst ihn dazu so freundlich;
der Apfel aber rührt sich nicht.


Nu schau! Da kommt ein Vogel
und setzt sich auf den Baum hinauf.
"Ei Vogel, du musst singen,
gewiss, gewiss, das weckt ihn auf!"


Der Vogel wetzt den Schnabel
und singt ein Lied so wundernett,
und singt aus voller Kehle;
der Apfel rührt sich nicht im Bett!


Und wer kam nun gegangen?
Es war der Wind, den kenn ich schon,
der küsst nicht und der singt nicht,
der pfeift aus einem andern Ton.


Er stemmt in beiden Seiten
die Arme, bläst, und richtig,
der Apfel wacht erschrocken auf


und springt vom Baum herunter
grad in die Schürze von dem Kind,
das hebt ihn auf und freut sich
und ruft:"Ich danke schön, Herr Wind!"

(Robert Reinick)


 Marina antwortete am 29.09.05 (14:46):

Spaziergang am Herbstabend

Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:

Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.

Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewußt, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.

Und im inneren Zerfließen
Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.

Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?

Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.

Friedrich Hebbel


 Illona antwortete am 30.09.05 (05:44):

Herbst

Die weißen Nebel wandeln nun,
wohl übers Land, dem holden.
Des Herbstes Atem mag bald ruh´n,
die Tage sind noch golden.

Es färbt sich schon der Blätter Laub,
in all den bunten Farben.
Der Wind übt froh an ihnen Raub
und scheint viel Spaß zu haben.

Es schwindet bald der Tage Lust,
die Schauer bringen Kühle.
Monotonie durchdringt die Brust,
wo vorher heiße Schwüle.

Die grauen Tage reifen still
und brechen sich in Schatten.
Der Sommer zügig sterben will,
den wir so lange hatten.

Ein kühler Herbst, das Jahr packt ein,
reicht uns die klammen Hände.
Noch fließt ein lauer Sonnenschein,
doch geht der bald zu Ende.

H. Katzer (Munkelpietz), Oktober 2002


 Enigma antwortete am 30.09.05 (08:32):

Johannes Bobrowski
Der lettische Herbst

Das Tollkirschendickicht
ist geöffnet, er tritt
auf die Lichtung, vergessen wird
um die Birkenstümpfe der Hühnertanz, er geht
vorüber am Baum, den die Reiher umflogen, auf Wiesen,
er hat gesungen.

Ach daß der Schwaden Heu,
wo er lag in der hellen Nacht,
das Heu zerstreut mit den Winden
flög auf den Ufern –

wenn nicht mehr wach ist der Strom,
die Wolke über ihm, Stimme
der Vögel, Rufe:
Wir kommen nicht mehr –

Dann entzünd ich dein Licht,
das ich nicht sehn kann, die Hände
legt´ ich darüber, dicht
um die Flamme, sie blieb
stehen rötlich vor lauter Nacht
(wie die Burg, die herabkam
über den Hang zerfallen,
wie mit Flügeln das Schlänglein
Licht durch den Strom, wie das Haar
des Judenkindes)
und brannte mich nicht.


 Marina antwortete am 02.10.05 (22:41):

Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot -
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod -

Blättergeplauder -
wirbelnder Hauf -
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

Christian Morgenstern


 Enigma antwortete am 03.10.05 (12:26):

H e r b s t
Stefan Zweig

Traumstill die Welt
Nur ab und zu
ein heiserer Schrei von Raben,
die verflatternd
um die Stoppeln streichen.

Der düstre Himmel drückt
wie mattes schweres Blei ins Land hinab.
Und sacht mit seinen
sammetweichen Schleichschritten
geht der Herbst durch Grau und Einerlei

Und in sein schweres Schweigen
geh`auch ich hinein.
Der unbefriedigt von
des Sommers Glanz geschieden.

Die linde Stille schläfert meine Wünsche ein.
Mir wird der Herbst so nah.
Ich fühle seinen Frieden:
Mein Herz wird reich und groß
in weitem Einsamsein.

Denn Schwermut, die die Dunklen überweht,
hat meiner Seele viel ´
von ihrem Glück gegeben.
Nun tönt sie leiser,
eine Glocke im Gebet.
Und glockenrein und abendmild
scheint mir mein Leben.

Seit es des Herbstes
ernstes Bruderwort versteht.
Nun will ich ruhen
wie das müde, dunkle Land.....
Beglückter geht mein Träumerschritt
in leise Stunden.

Und sanfter fühle ich
der Sehnsucht heiße Hand.
Mir ist, als hätt´ich
einen treuen Freund gefunden.

Der mir oft nah war
Und den ich nie gekannt.

Internet-Tipp: https://www.sbg.ac.at/ger/zweig/home.htm


 Marina antwortete am 03.10.05 (22:05):

Friedrich Hölderlin
Der Herbst

Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen,
Wo sich der Tag mit vielen Freuden endet,
Es ist das Jahr, das sich mit Pracht vollendet,
Wo Früchte sich mit frohem Glanz vereinen.

Das Erdenrund ist so geschmückt, und selten lärmet
Der Schall durchs offne Feld, die Sonne wärmet
Den Tag des Herbstes mild, die Felder stehen
Als eine Aussicht weit, die Lüfte wehen

Die Zweig' und Äste durch mit frohem Rauschen
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebt
Als wie ein Bild, das goldne Pracht umschwebet.


 Illona antwortete am 04.10.05 (06:24):

Herbst, meine liebste Zeit

Füge mit goldenen Reifen
Meine Zeit und mein Erinnern
Mein Gestern und mein Heute

Erfüll meine Augen mit deinem Licht
Auf dass ich sehe durch das erstarrte Dunkel
Des Winters
Er lauert schon
Hinter den Horizonten.

Luisa Famos

Internet-Tipp: https://www.culturactif.ch/livredumois/fev05famos.htm


 Enigma antwortete am 04.10.05 (11:15):

Barthold Hinrich Brockes Herbstgedanken

Da ich die grüne Pracht der Bäume zärtlich liebe
Und folglich mich anjetzt im Herbst bei ihrem Fall,
Bei der Entblätterung der Wipfel überall
Und der Vernichtigung des Laubes recht betrübe,
So deucht mir doch, ob hör ich sie im Fallen
Zu meinem Troste dies mit sanftem Lispeln lallen:
"Du siehest uns von dem geliebten Baum
Nicht, um denselben zu entkleiden,
Noch um ihn nackt und bloß zu lassen, scheiden;
Ach nein, wir machen frisch und schönern Blättern Raum."

Barthold Hinrich Brockes
(1680-1747)


 Marieke antwortete am 04.10.05 (17:46):

Werratal

Tal
Das seinen Fluss behütet
Diesen langen
Wahren Satz

Dem die Antwort zuwächst
Mit der Bitterkeit aus Schlehen
Dem zerfallenden Licht
Kalkfelsen

Wege
Adern
Im Karst

Das Steinkreuz
Lehnt
An den Schatten

Schierling überwächst
Die kleine
Böse Zeit

Christoph Eisenhuth


 kropka antwortete am 09.10.05 (23:23):

Herbstlied

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.

Friedrich Rückert


 Enigma antwortete am 10.10.05 (09:38):

HERBST

Es stürzen Blatt um Blatt
Und jedes Blatt stürzt
sich zu Tode
Ich bewege mich auf den Park zu.
Der Park kommt mir nicht mehr entgegen.
Er geht zu Ende.
Wie ein Roman.
Elisabeth Borchers


 kropka antwortete am 10.10.05 (15:26):

Schade. Sehr schade

wie der Regen fällt und versinkt
wie auch das Licht
fällt und versinkt.

Sehr schade.

Und die Straße macht einen Knick
dass du entschwindest
fällst und versinkst
wie ein gestern gehörtes
unbegriffenes Wort.

Elisabeth Borchers


 Marina antwortete am 11.10.05 (18:35):

Hier kommt ein Gedicht, das ich besonders liebe. Heute war ich lange im Wald, da fiel es mir wieder ein.

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Georg Trakl

(1887-1914)


 Enigma antwortete am 12.10.05 (08:05):

Und hier kommt ein Gedicht, das ich besonders liebe.
Ich hatte Herrn Härtling per E-Mail gebeten, das Gedicht hier veröffentlichen zu dürfen.
Und er hat das in einem ganz reizenden kurzen Brief (richtig per Deutsche Post gesandt)u.a. folgenden Inhalts erlaubt:
..."ja, veröffentlichen Sie mein Gedicht "Zwischen den Jahreszeiten, und da es Ihnen gefällt, tut`s mir gut"...
Dieses Briefchen wird natürlich in Ehren gehalten. :-)

Peter Härtling
Zwischen den Jahreszeiten

Der Garten leert sich,
die Vögel ziehen ihre
Stimmen zurück, und
der überwachsene Stein
wird sichtbar.
Ich lerne das Frösteln
wieder,
lehne mich an
die Ziegelmauer,
sehe meinem Atem nach,
der nicht weit kommt,
und denke an den Sommer,
der mich ausstieß,
mich mit Schüttelfrost
winterfest machte
in den Nächten zwischen
den Jahreszeiten,
in denen ich die alten
Buchstaben vergaß
und neue
noch nicht schreiben konnte.
Mühsam
beginne ich nun
zu reden,
schaue hinüber zu dir
und warte,
wie nach so langem Schweigen
die Antwort
ausfällt.


 Literaturfreund antwortete am 12.10.05 (12:16):

Danke für den schönen Härtling-TExt.
(auch für die Bemühung um die Abdruckrechte.)
*
Hier gibt es keine Copyright-Probleme:
*

Stephanie Langen-Vorberg:
Zwischen den B a u m z e i t e n

Dieser sanfte Herbst
Beerbt mir keinen Sommer,
keinen Zagel,
keinen Sterz.

Er betrinkt sich im Rot
des Eichenlaubs,
nein, nicht der Stiel-
auch nicht der Traubeneiche.

Nix Quercus robur.
"Robur" heißt doch Kraft,
Onkelchen, hej?
Hör mal zu!

Ja - Waldschadensberichte zeigen,
ihre Kraft sei gebrochen?
Die Eiche, ja, theoretisch,
der grün-fetteste, langlebigste
Baum unserer Wälder.
Doch unsere Emissionen können
die Eichenbiester
auf Dauer nicht überleben.

Ihr langes Wachstum, ausgedehnte Wurzelsysteme,
hoher Wasserverbrauch,
da ist die Eiche von der Versauerung
des Bodens und dem Mangel
an besonderen Nährstoffen
besonders betroffen?

Ach, kurzfristig,
die Verbesserung der Lage -
hängt stark von den Umweltbedingungen ab.

Wow, abiotische und biotische Faktoren
wie milde Winter,
ausreichender Niederschlag,
Ausbleiben eines Insektenmassenbefalles
oder von ziselierter Pilzinfektion
können die Eichel-Ältern verbessern.
Doch treten stattdessen harte Winter,
sehr trockene Sommer,
und so freche Kalamitäten
des Eichenwicklers
oder anderer jahrtausendalter Insekten auf,
werden die Wurzeln durch Pilze befallen,
potenzieren sich die Schäden an der Eiche.

Schlimmstenfalls sterben da
erst die älteren,
wow,
dann zuletzt die jüngeren Eichen ab.

Anstelle der Eiche tritt dann -
wenn sie sich
gegenüber den neuartigen Waldschäden
als robuster erweisen -
die biestigen Rotbuchen.

Ach, man kann
statt der heimischen Eichenarten
nordamerikanische Bäume pflanzen,
die gegen Abgase unempfindlicher sind?
Wie?

Zweihundert Jahre später hätten
dann unsere sanften Urenkel,
wenn die das noch erleben
wollen ob unseres
generativen Schwungs

wieder
schöne, alte Eichen,
amerikanische.

Wohlwoll,
eine grüne Lösung.
Red oak,
ja, sozusagen -
mhm, ja?
*
(Der Text darf honorarfrei nachgedruckt werden.
langen-vorberg@web.de)


 Marina antwortete am 12.10.05 (21:58):

Enigma, ich bewundere dich für deine Lyrik-Leistung und die Antwort. Die würde ich allerdings auch hüten wie einen Schatz. Literaturfreund alias Stephanie, ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass Härtlings Gedicht mir besser gefällt als deins? Das ist mir zu biologisch. Ich mag lieber Lyrik, die keine Lehren enthält, sondern trotz Moderne poetischer ist und das Gefühl anspricht. So wie dieses hier:

Herbst

Auf einmal mußte ich singen
Und ich wußte nicht warum.
Doch abends weinte ich bitterlich.

Es stieg aus allen Dingen
Ein Schmerz und der ging um
Und legte sich auf mich.

Stürmische Wolkendepeschen
Erschreckten den Weltenraum;
Und die Beeren der Ebereschen
Die winzigen Monde am Baum.

Else Lasker - Schüler


 Enigma antwortete am 13.10.05 (07:16):

Danke, aber die Bewunderung gebührt allein Peter Härtling.
Mir gefällt nicht nur, dass, sondern auch wie er geantwortet hat: Nach meinem Empfinden einfach und glaubhaft.
:-)

Blätterfall

Leise, windverwehte Lieder,
Mögt ihr fallen in den Sand!
Blätter seid ihr eines Baumes,
Welcher nie in Blüte stand.

Welke, windverwehte Blätter,
Boten unsrer Winterruh',
Fallet sacht! ... ihr deckt die Gräber
Mancher toten Hoffnung zu.

Heinrich Leuthold (1827-1879)


 kropka antwortete am 13.10.05 (14:02):

Peter Härtling auf der Frankfurter Buchmesse 2005:

1. 19.10.2005 - 23.10.2005 Uhrzeit n.V.
Verlag Kiepenheuer & Witsch Messegelände Halle: 3.1 D 158

2. 23.10.2005 11:00 Leseland Hessen
Lesung Peter Härtling: Die Lebenslinie
Musik: Michael Reuter (Klavier)
Mitveranstalter Stadt Bensheim - Kulturbüro
Galerie am Ritterplatz 64625 Bensheim

3. 23.10.2005 15:00 bis 15:30 Literatur & Sachbuch
Interview/Gespräch das blaue sofa: Peter Härtling
Die Lebenslinie. Eine Erfahrung.
DER CLUB Bertelsmann / DIE ZEIT / ZDF - Aspekte
Messegelände Halle 5.1 / 6.1, Foyer

https://www.buchmesse.de/de/portal.php
https://www.das-blaue-sofa.de/

.. und natürlich auch ein HERBSTGEDICHT :)

Im Herbst bei kaltem Wetter
fallen vom Baum die Blätter
Donnerwetter,
im Frühjahr dann,
sind sie wieder dran -
sieh mal an.

Heinz Erhardt


Internet-Tipp: https://www.buchmesse.de/de/portal.php


 Enigma antwortete am 14.10.05 (09:44):

Danke für den Hinweis, kropka. :-)

Barthold Hinrich Brockes
Herbstgedanken

Da ich die grüne Pracht der Bäume zärtlich liebe
Und folglich mich anjetzt im Herbst bei ihrem Fall,
Bei der Entblätterung der Wipfel überall
Und der Vernichtigung des Laubes recht betrübe,
So deucht mir doch, ob hör ich sie im Fallen
Zu meinem Troste dies mit sanftem Lispeln lallen:
"Du siehest uns von dem geliebten Baum
Nicht, um denselben zu entkleiden,
Noch um ihn nackt und bloß zu lassen, scheiden;
Ach nein, wir machen frisch und schönern Blättern Raum."

Barthold Hinrich Brockes
(1680-1747)


 Marina antwortete am 14.10.05 (18:29):

Ein Herbstabend

Es weht der Wind so kühl, entlaubend rings die Äste,
Er ruft zum Wald hinein: Gut Nacht, ihr Erdengäste!

Am Hügel strahlt der Mond, die grauen Wolken jagen
Schnell übers Tal hinaus, wo alle Wälder klagen.

Das Bächlein schleicht hinab, von abgestorbnen Hainen
Trägt es die Blätter fort mit halbersticktem Weinen.

Nie hört ich einen Quell so leise traurig klingend,
Die Weid am Ufer steht, die weichen Äste ringend.

Und eines toten Freunds gedenkend lausch ich nieder
Zum Quell, er murmelt stets: wir sehen uns nicht wieder!

Horch! plötzlich in der Luft ein schnatterndes Geplauder:
Wildgänse auf der Flucht vor winterlichem Schauder.

Sie jagen hinter sich den Herbst mit raschen Flügeln,
Sie lassen scheu zurück das Sterben auf den Hügeln.

Wo sind sie? ha! wie schnell sie dort vorüberstreichen
Am hellen Mond und jetzt unsichtbar schon entweichen;

Ihr ahnungsvoller Laut läßt sich noch immer hören,
Dem Wandrer in der Brust die Wehmut aufzustören.

Südwärts die Vögel ziehn mit eiligem Geschwätze;
Doch auch den Süden deckt der Tod mit seinem Netze.

Natur das Ewge schaut in unruhvollen Träumen,
Fährt auf und will entfliehn den todverfallnen Räumen.

Der abgerißne Ruf, womit Zugvögel schweben,
Ist Aufschrei wirren Traums von einem ewgen Leben.

Ich höre sie nicht mehr, schon sind sie weit von hinnen;
Die Zweifel in der Brust den Nachtgesang beginnen:

Ists Erdenleben Schein? - ist es die umgekehrte
Fata Morgana nur, des Ewgen Spiegelfährte?

Warum denn aber wird dem Erdenleben bange,
Wenn es ein Schein nur ist, vor seinem Untergange?

Nikolaus Lenau


 Enigma antwortete am 15.10.05 (08:28):

Catharina Regina von Greiffenberg
Auf die fruchtbringende Herbstzeit

Freuderfüllter, Früchtebringer, vielbeglückter Jahreskoch,
Grünungs-, Blüh- und Zeitungsziel, werkbeseeltes Lustverlangen!
Lange Hoffnung ist in dir in die Taterweisung gangen.
Ohne dich wird nur beschauet, aber nichts genossen noch.

Lieblich süßer Mundergetzer, lab auch unsern Geist zugleich:
so erhebt mit jenen er deiner Früchte Ruhmgerüchte.
Zeitig' die verlangten Zeiten in dem Oberherrschungsreich!


Catharina Regina von Greiffenberg
(1633-1694)


 Marina antwortete am 18.10.05 (22:12):

Ich sah den Wald sich färben
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben
Und wußt' es kaum, warum

Durchs Feld vom Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht' ich: deine Freude
Ward so des Windes Raub.

Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floß ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.

Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt' ich's wie Trost mir dringen
Zum Herzen wundersam.

Es mahnt' aus heller Kehle
Mich ja der flücht'ge Gast:
Vergiß, o Menschenseele,
Nicht, daß du Flügel hast.

Emanuel Geibel


 mmargarete01 antwortete am 20.10.05 (15:07):

Die letzten Trauben

Du trägst ein Gewand
in bunten Farben.
Ein Kunstwerk
verbrachte der Maler.
Die letzten Trauben
hängen an den Reben,
ein zittern und beben.
Dunkelblau die Trauben,
in Erwartung ihrer Lese.

©Margret Nottebrock


 Enigma antwortete am 21.10.05 (11:48):


Gustav Sack Der Herbst




So komm, du wilder West,
und sing geheimnisvoll und runenkundig
in meinen Kiefern und Wacholderbüschen
das uralt düstere Jahreslied des Todes!
Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden,
reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab,
auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße.
So wie von jenem Ahorn taumelnd dort
die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln,
laß all des Sommers gaukelnde Gestalten
zu krausen Scharen windgewiegt
ins graue Land Vergessenheit hinflattern!
Und dann, oh West, oh wilder West,
saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten
dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich
hohnlachend jenen Spukgestalten nach
und brause, laut aus vollen Lungen tobend,
über das Sommerglück, das du zerstört!


Gustav Sack
(1885-1916)

Internet-Tipp: https://www.lwl.org/literaturkommission/1biblio/sack/bio.htm


 Literaturfreund antwortete am 26.10.05 (09:29):

Konstantin Wecker:
Der Weinstock und die Reben

Dem Weinstock werden die Reben
im Herbst so furchtbar schwer,
und um zu überleben,
gibt er sie einfach wieder her.

Das mag ich so an den Bäumen:
ihr Wissen um Sterben und Sucht.
Was sie sich im Frühjahr erträumen,
verteilen sie später als Frucht.

Dem Weinstock werden die Reben
im Herbst so furchtbar schwer,
und um zu überleben,
gibt er sie einfach wieder her.

Das mag ich so an den Bäumen:
ihr Wissen um Sterben und Sucht.
Was sie sich im Frühjahr erträumen,
verteilen sie später als Frucht.
*
EV: Das macht mir Mut (Duett mit Penelope Stewart 1982)
*
Ein Bild von K.W.:

Internet-Tipp: https://www.zuhause3.de/_leben/2004-01/wecker-01.jpg


 mmargarete01 antwortete am 26.10.05 (15:21):

Ein Blatt

Im Wald und Wiesengrunde,
Nebelschwaden ziehen auf.

Die Kühle berührt meine Haut,
nach der frische des Sommerlaubs.

Ein Herbstblatt heb ich auf,
nehme es mit nach Haus.

In ein Büchlein leg ich es mir.
zum trocknen zwischen dem Papier.

©Margret Nottebrock


 angelottchen antwortete am 26.10.05 (17:41):

hatten wir dieses schöne Lied von Alexandra schon?

Der Traum vom Fliegen

An einem Baum, in dem Park der großen Stadt,
Hing unter tausenden Blättern ein Blatt.
Sang der Nachtwind in den Bäumen,
Wiegte sich das Blatt in Träumen
Von der weiten, herrlichen Welt.

Könnt' ich nur einmal wie der Wind - fliegen.....
Mit den Wolken übers Meer,
Ach mein Leben gäb' ich her
Könnt ich fliegen, könnt ich fliegen.

Bald kam der Herbst, gab dem Blatt sein schönstes Kleid,
Doch es klagte den Wolken sein Leid.
Bleiben muss ich und verblühen,
Könnt ich mit den Schwänen ziehen,
Dorthin wo der Sommer nie vergeht.

Da rief der Herbstwind, Du sollst fliegen - fliegen.....
Und er riss vom Baum das Blatt,
Trieb es in die große Stadt,
ließ es fliegen, ließ es fliegen.

Kurz war das Glück, müde sank das Blatt hinab
Auf die Straße, sein regennasses Grab.
Schon am Ende seines Lebens,
Rief das kleine Blatt vergebens
Zu den stummen Häusern hinauf.

Könnt ich nur einmal noch im Wind - fliegen.........
Flög ich hin zu meinem Baum,
Und vergessen wär der Traum vom Fliegen, vom Fliegen

Könnt ich nur einmal noch im Wind - fliegen.........
Flög ich hin zu meinem Baum,
Und vergessen wär der Traum vom Fliegen, vom Fliegen......


 Illona antwortete am 26.10.05 (18:48):

Emanuel Geibel (1815-1884)

Herbstlich sonnige Tage,
mir beschieden zur Lust,
euch mit leiserem Schlage
grüßt die atmende Brust

O wie waltet die Stunde
nun in seliger Ruh’!
Jede schmerzende Wunde
schließet leise sich zu.

Nur zu rasten, zu lieben,
still an sich selber zu baun,
fühlt sich die Seele getrieben
und mit Liebe zu schaun.

Jedem leisen Verfärben
lausch ich mit stillem Bemühn,
jedem Wachsen und Sterben,
jedem Welken und Blühn.

Was da webet im Ringe,
was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
ist’s dem Schauenden nur.

Jede sprossende Pflanze,
die mit Düften sich füllt,
trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimnis verhüllt.


 Enigma antwortete am 29.10.05 (10:02):

Herbst ist es, siehst du die Blätter fallen?
Nicht wie die Welkenden fromm
Wollen wir beide zu Tode wallen -
Küsse mich, komm!

Wolkenjagd oben in fernen Räumen!
Köstlich und wonnevoll
Ist es, die Perlen vom Wein zu schäumen,
Übermutstoll.

Aber noch herrlicher ist's zu schlürfen
Alles in einem Zug!
Größeste Fülle, doch dem Bedürfen
Nimmer genug!

Laß uns das weinleere Glas zerschmettern,
Komm von dem Gipfel ins Grab
Gleich unverletzlichen ew'gen Göttern
Lächelnd hinab!

Ricarda Huch


 kropka antwortete am 01.11.05 (23:20):

Im deutschen November

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! -
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
und ruht bei jedem Schritt.

Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh -
Er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort!
Oh Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eis'ger Schauder deine Wange,
Die purpur-Wange deckt? -

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? - -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz.
Fliege fort! fliege fort! -
Ich bin nicht schön
- so spricht die Sternenblume -
Doch Menschen lieb' ich
Und Menschen tröst' ich -
sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
nach mir sich bücken
ach! und mich brechen -
in ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf,
Erinnerung an Schöneres als ich: -
- ich seh's, ich seh's - und sterbe so. -

Dies ist der Herbst: der - bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!

Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de/herbstlyrik/friedrich_nietzsche.html


 kropka antwortete am 02.11.05 (22:56):

Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag herbei
Und laß uns wieder von der Liebe reden
|: Wie einst im Mai. :|

Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,
Und wen mans sieht, mir ist es einerlei,
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke
|: Wie einst im Mai. :|

Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahre ist den Toten frei;
Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
|: Wie einst im Mai. :|


Hermann von Gilm, 1812 - 1864


 kropka antwortete am 03.11.05 (06:55):

Beeilen wir uns

Für Anna Kamienska

Beeilen wir uns die menschen zu lieben sie gehn so schnell
von ihnen bleiben schuhe und ein taubes telefon
nur was unwichtig ist schleppt sich wie eine kuh
das wichtigste ist so hastig dass es plötzlich geschieht
danach stille gewöhnlich also schier unerträglich
wie die reinheit schlichtestes kind der verzweiflung
wenn wir an jemanden denken und ohne ihn bleiben

Sei nicht sicher dass du zeit hast denn unsichere sicherheit
nimmt uns das gespür so wie jedes glück
gleichzeitig kommt wie pathos und humor
wie zwei leidenschaften immer schwächer sind als die eine
sie gehen so schnell von hier schweigen wie die drossel im juli
wie ein etwas ungestalter ton oder ein trockener gruß
um wirklich zu wissen schließen sie die augen
obwohl es riskanter ist geboren zu werden als zu sterben
lieben wir immer aufs neue zu wenig und ständig zu spät

Schreib nicht zu oft davon schreib ein für allemal
und du wirst sein wie ein delphin sanft und stark

Beeilen wir uns menschen zu lieben sie gehn so schnell
und die die nicht gehn kommen nicht immer zurück
und nie ist es klar wenn man von liebe spricht
ist es die erste die letzte die letzte erste

Jan Twardowski
Aus dem Polnischen von U. Kiermeier


 Enigma antwortete am 04.11.05 (08:07):

Danke kropka,

die finde ich alle sehr schön!

Fjodor Tjutschew
Herbstabend

Herbstabende voll weicher Helligkeit
Mit ihrem rührend rätselhaften Zauber...
Ein böser Glanz, der Bäume buntes Kleid,
Purpurner Blätter matt und leicht Geplauder;
Die Bläue ist so neblig, still und kühl,
Worunter die verwaiste Erde trauert,
Und - wie der nahen Stürme Vorgefühl -
Bisweil ein Windstoß jäh, der uns durchschauert;
Erschöpfung, Niedergang, doch überall
Das Lächeln sanft des Welkens und des Scheidens,
Das wir in des Verstandes Widerhall
Erkannt als die erhabne Scham des Leidens.
*
Am Himmel zog die Heilge Nacht herauf,
Den liebenswürdigen Tag der Fülle
Rollt sie wie einen goldnen Teppich auf,
Der Überm Abgrund lag als Hülle.
Und wie ein Gleichnis flieht die äußre Welt...
Gleich einer schutz- und obdachlosen Waise
Sieht schwach und nackt der Mensch sich dahingestellt
Auge in Aug vor dunklen Abgrunds Kreise.
Ganz auf sich selbst verlassen und allein,
Vom Geist verlassen, hilflos die Gedanken,
Sinkt er in seiner Seele Abgrund ein -
Und nirgends Halt, kein Stützpunkt, keine Schranken.
Und ihm erscheint wie langvergangner Traum,
Was man an lichtem Leben hier erwerbe,
Im fremden unenträtselt nächtgen Raum
Erkennt er so das schicksalvolle Erbe...

Internet-Tipp: https://www.litlinks.it/tx/tjutschew.htm


 mmargarete01 antwortete am 04.11.05 (16:09):

Zauber der Jahreszeiten

Voll Fantasie, voll Farbenpracht,
die schöne Welt mich anlacht.
Ich geh’ mit ihr auf Reisen
durch alle Jahreszeiten,
durch Frühjahr, Sommer,
Herbst und Winter.
Gepriesen seiest du schöne Welt,
da ich mich immer zu dir gesell.
So Reise ich durch die Natur,
im Wechsel des gehen’
um die Schönheit zu sehen.

©Margret Nottebrock


 kropka antwortete am 06.11.05 (17:01):

Fürchte nichts, geliebte Seele,
Übersicher bist du hier;
Fürchte nicht, daß man uns stehle,
Ich verriegle schon die Tür.

Wie der Wind auch wütend wehe,
Er gefährdet nicht das Haus;
Daß auch nicht ein Brand entstehe,
Lösch ich unsre Lampe aus.

Ach, erlaube, daß ich winde
Meinen Arm um deinen Hals;
Man erkältet sich geschwinde
In Ermanglung eines Schals.


Heinrich Heine


 Enigma antwortete am 06.11.05 (19:24):

november

der november hat so eine kühle
so eine traurige distanz
er senkt so sacht sich mir entgegen
bedeckt mit großen, bunten blättern
die wärme, die ich aufgespart

mein schritt hat so eine schwere
so eine süße pein
er spürt die stillgelegte zeit
kennt wohl die ruhig kalte macht

der november hat so eine kühle
so eine hingebungsvolle ruh
ich leg mich darin nieder
hauch ihm zärtlich neue wärme zu
susa m.

Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de/herbstlyrik/herbst_november.html


 kropka antwortete am 11.11.05 (14:28):

Eine kleine Liebesballade,
gedichtet für Jeanne C. de Quée

Im Sommer war das Gras so tief,
daß jeder Wind daran vorüberlief.
Ich habe da dein Blut gespürt
und wie es heiß zu mir herüberrann.
Du hast nur meine Stirn berührt,
da schmolz er auch schon hin, der harte Mann,
weil's solche Liebe nicht tagtäglich gibt ...
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.

Im Feld den ganzen Sommer war
der rote Mond so rot nicht wie dein Haar.
Jetzt wird es abgemäht, das Gras,
die bunten Blumen welken auch dahin.
Und wenn der rote Mond so blass
geworden ist, dann hat es keinen Sinn,
daß es noch weiße Wolken gibt ...
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.

Du sagst, daß es bald Kinder gibt,
wenn man sich in dein rotes Haar verliebt,
so rot wie Mohn, so weiß wie Schnee.
Im Herbst, mein Lieb, da kehren viele Kinder ein,
warum soll's auch bei uns nicht sein?
Du bleibst im Winter auch mein rotes Reh
und wenn es hundert schönere gibt ...
Ich habe mich in dein rotes Haar verliebt.


François Villon (1431 – 1455)
Freie deutsche Nachdichtungen von Paul Zech


 Enigma antwortete am 12.11.05 (08:33):

THEODOR STORM
HERBST


Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün
Und die süßen Sommertage
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stillstes Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
Daß man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide
Lieg‘ ein ferner Frühlingstag.