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THEMA:   New Orleans... (literarisch)

 9 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 02.09.05 (14:15) :

Das Herz von New Orleans – ob es noch einmal schlagen wird im „French Quarter"?

Literarisches, hier von Mark Twain:

Man weiß den Anblick von Erde nicht zu schätzen, bis man einmal durch eine Überschwemmung gereist ist. Auf See erwartet und sucht man keine, doch hier, mit den flatternden Blättern, den schattigen Waldgängen, den gerade zu sehenden Hausdächern, erwartet man Land. Selbst einen Friedhof würde man schätzen, wenn seine Hügel über Wasser ständen. (...)
Die trübselige Atmosphäre wird noch dadurch verstärkt, daß fast alles Lebende erstorben zu sein scheint und weder das Pfeifen eines Vogels noch das Keckern eines Eichhörnchens in dieser Einsamkeit zu hören ist. Manchmal wirft ein griesgrämiger Hornhecht den Schwanz hoch und verschwindet im Fluß, doch sonst herrscht Stille - die Stille der Trostlosigkeit. Ab und zu treibt ein weißgetünchter Hühnerstall den Fluß hinunter oder ein Bündel sauber gespaltener Zaunlatten oder eine Tür oder ein aufgedunsener Kadaver mit feierlichem Geleit von ein paar auf ihm Mahl haltenden Geiern - die einzigen Vögel, die zu sehen sind. (...)
In aller Frühe fuhren wir unter Leitung General Yorks los, den Black River hinunter (...). Ihr Korrespondent stieg mit dem General in einen Kahn und wurde zu einem aus zwei Räumen bestehenden Häuschen gerudert, in dem das Wasser zwei Fuß hoch stand. In einer der großen Stuben drängten sich Pferde und Kühe zusammen, während in der anderen die Witwe Taylor und ihr Sohn auf einem über dem Boden errichteten Gerüst saßen. Ein oder zwei kleine Kanus trieben, jederzeit fahrbereit, in der Stube herum. (...) Wie überall fragte General York auch hier, ob die Familie evakuiert werden wolle (...) Mrs. Taylor erwiderte (...), sie würde lieber aushalten. Mit welcher Zähigkeit die Leute hier an ihren Heimen hängen, geht über alle Vorstellungskraft.
*
"Fahrt eines Rettungsschiffs durch die überschwemmten Gebiete". Aus dem "New Orleans Times-Democrat" vom 29. März 1882. In: Mark Twain: Leben auf dem Mississippi. Übersetzt von Otto Wilck.
*
Über den Autor, bevor er 1963 „Mark Twain“ wurde, S. URL.:

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Twain


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (17:24):

Nicht zu vergessen Tennessee Williams, der viele Jahre im French Quarter von New Orleans lebte. 1939 zog er dort in die 722 Toulouse Street (war bis zur Flut ein nettes Bed&Breakfast Haus) ); später zog er in die 632 St Peter Street, wo er 1947 "A Streetcar Named Desire" (Endstation Sehnsucht) schrieb. Dieser alte Strassenbahnwagen, der dort auf einem Nebengleis stand, war eines der beliebstesten Denkmäler und viele Literaturfreunde pilgerten jeden Tag dorthin.

Hier eine kuze Inhaltsangabe:
ENDSTATION SEHNSUCHT
Stella und Stanley Kowalski leben beschränkt, aber scheinbar zufrieden mit ihren Verhältnissen und miteinander – bis Stellas Schwester eintrifft. Blanche de Bois ist Alkoholikerin und auf der Flucht vor sich selbst. Mit ihr drängen Kindheitserinnerungen ins Haus und unerfüllte Träume. Unerbittlich stellt sie Stellas Dasein mit Stanley in Frage und baut gleichzeitig um sich ein Gespinst aus Lügen und Selbsttäuschungen auf. Doch Stanley lässt sich seinen eroberten Platz nicht so schnell streitig machen. Er zerstört seinerseits die sich anbahnende Beziehung zwischen seinem Freund Mitch und Blanche und schenkt ihr zum Geburtstag eine Rückfahrkarte. Doch Blanche ist längst an der Endstation angekommen...
Tennessee Williams ist ein Meister in der psychologischen Auslotung von Konflikten. In „Endstation Sehnsucht“ prallen verschiedene Lebenskonzepte aufeinander, herrscht Krieg bis zur Auslöschung und Sehnsucht nach Verständigung.

Ein Drama, das so ganz im Privaten spielt. Aber gerade der Blick in diese kleine Welt, in diesen Mikrokosmos von Menschen und ihrem Leben, kann uns wach und bewusster machen für die ganz großen Zusammenhänge und Weltenläufe. Das Große erscheint uns ja so unklar und undurchsichtig auf Grund seiner Größe, aber in der (scheinbar) privaten Verkleinerung, können wir plötzlich all die Mechanismen erkennen.
Das Stück von Tennessee Williams spielt in einer kleinen Wohnung, irgendwo in der Nähe einer Haltestelle, eben jener "Endstation Sehnsucht" aber hinter dieser kleinen Wohnung erscheinen all die großen (amerikanischen) Schatten...


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (18:34):

Schnee in New Orleans
Truman Capote erzählt eine Weihnachtsgeschichte
Von Lutz Hagestedt:
Eine der schönsten Weihnachtserzählungen stammt aus der Feder des 1984 verstorbenen Schriftstellers Truman Capote. Buddy, ihr Held, ein Bub von sechs Jahren, wächst bei Verwandten in Alabama auf, bei einer ziemlich verrückten Familie von Onkeln und Tanten. Die Eltern haben sich getrennt, die Mutter lebt in New York, der Vater in New Orleans. Eines Tages kommt, oh Schreck, eine Einladung des Vaters, Weihnachten in New Orleans zu verbringen. Buddy fügt sich, widerstrebend, in die lange, mühsame Reise, weil er hofft, in New Orleans Schnee zu erleben.

Ausgerechnet in New Orleans. Es regnet Bindfäden, aber mit dem Schnee ist es nichts. Und auch der Weihnachtsmann entpuppt sich in Wahrheit als der eigene Vater. Buddy lernt in diesen Tagen beim Vater viel: Über sich und seine Eltern, über die Tendenz der Erwachsenen, sich Illusionen zu machen, über ihre Leichtgläubigkeit, ja Naivität.

Capote schildert uns den kleinen Buddy als recht altklugen, aber eben auch lebensklugen Erzähler. Sein Buch ist mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu lesen. Hans Wollschläger hat es glänzend übersetzt.


Truman Capote: Eine Weihnacht. Aus dem Amerikanischen von Hans Wollschläger

Internet-Tipp: https://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=743&ausgabe=200001


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (18:41):

Hier ein Text von Louis Armstrong...

Do you know what it means to miss New Orleans
And miss it each night and day
I know I’m not wrong... this feeling’s gettin’ stronger
The longer, I stay away
Miss them moss covered vines...the tall sugar pines
Where mockin’ birds used to sing
And I’d like to see that lazy mississippi...hurryin’ into spring

The moonlight on the bayou.......a creole tune.... that fills the air
I dream... about magnolias in bloom......and I’m wishin’ I was there

Do you know what it means to miss new orleans
When that’s where you left your heart
And there’s one thing more...i miss the one I care for
More than I miss New Orleans

The moonlight on the bayou.......a creole tune.... that fills the air
I dream... about magnolias in bloom......and I’m wishin’ I was there

Do you know what it means to miss new orleans
When that’s where you left your heart
And there’s one thing more...i miss the one I care for
More.....more than I miss.......New Orleans


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (19:28):

..auf noch einen bei uns eher unbekannten Roman möchte ich hinweisen, dessen Autor in New Orleans geboren wurde, der sein Buch aber leider zu Lebzeiten nicht veröffentlichen lassen konnte - jeder Verlag lehnte es ab. Der Autor John Kennedy Toole nahm sich schliesslich völlig entmutigt 1969 das Leben. Seiner Mutter ist es zu verdanken, dass sich schliesslich ein kleiner Verlag 1980 des Romans "A Confederacy of Dunces" annahm. Es wurde schnell ein Kultklassiker und gewann 1981 sogar den Pulitzer Preis.
Der Originaltitel lehnt sich an ein Zitat des genialen Jonathan Swift: "When a true genius appears in the world, you may know him by this sign, that the dunces are all in confederacy against him." oder zu deutsch: "Taucht ein Genie auf, verbrüdern sich die Dummköpfe"

Bei uns erschien das Buch unter dem Titel "Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten" und ich kann es nur jedem empfehlen, der abstruse, schlaue Antihelden liebt :-)
Die geschichte spielt natürlich in New Orleans .. hier eine kurze Textangabe:

Ignaz J. Reilly ist fett und faul, aber keineswegs dumm, sogar Doktor in irgendwas. Zugegeben, seine Weltsicht ist recht originell, vorsichtig gesagt, und durchaus egozentrisch. Sogar ziemlich egozentrisch, im Wortsinn. Seine ältliche Mutter und sein sonstiges Umfeld leiden sehr unter dem aufbrausenden, eloquenten, sich stoisch jeder „produktiven" Betätigung verweigernden Fleischberg, der Boethius und Sahnetörtchen liebt - und dann doch in den sauren Apfel beißen und sich nach einem Job umsehen muß, als das Geld knapp wird.

Ignaz malträtiert das New Orleans der sechziger Jahre mit seiner orignellen Weltsicht, seinem enormen Sendungsbewußtsein und seiner notorischen Faulheit. Er wird Mitarbeiter von „Hosen-Levy", einer abgewrackten und unproduktiven Textilbude, deren administratives Personal aus einer debilen, steinalten Buchhalterin (die auch gerne mal im Pyjama zur Arbeit kommt, um sofort wieder am Schreibtisch einzuschlafen) und einem feigen Bürovorsteher besteht. Ignaz malt wichtig aussehende Türschilder und dekoriert das Büro um, und er bewältigt die Korrespondenz, indem er sie einfach wegschmeißt. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, den Betrieb auf Vordermann zu bringen - kurzerhand organisiert er einen Aufstand der Arbeiter. Seine Karriere endet jäh, aber Ignaz hinterläßt einige Zeitbomben ...
Zweite Station ist ein mobiler Würstchenstand, dessen Inhalt unter der Gefräßigkeit des Bediensteten essentiell leidet. Auch dieser Beruf bietet keine Zukunft, doch Ignaz' Pläne sind größer. Denn er will eine Partei gründen, und nicht nur das. Ein Standardwerk über die Leiden der „jungen" Werktätigen ist in Arbeit. Nebenbei gerät der dicke Held in einen kriminellen Handel mit pornografischen Bildern ...

„Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten" ist ein gottvolles, großartiges, wahnwitziges Buch, rasant und überaus amüsant, zuweilen von galoppierendem Schwachsinn beseelt, trotzdem hochintelligent, voller sympathischer Figuren und Dialoge. Ein schlauer, großartig geschriebener Spaß.

Die ganze rezension kann man hier nachlesen:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/fgHSNlWQ7


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (19:53):

hier noch eine Rezension zum selben Buch:

Internet-Tipp: https://www.ciao.de/Ignaz_oder_die_Verschworung_der_Idioten_Toole_John_Kennedy__Test_2747221


 angelottchen antwortete am 02.09.05 (19:57):

oja und hier noch einige Krimis, die in der Stadt spielen:
alle stammen aus der Feder von Julie Smith und sind im Fischer Taschenbuch Verlag in der Skip Langdon Reihe erschienen:

Blues in New Orleans/New Orleans Mourning

Ein Solo für den Sensenmann/The Axemanns Jazz

Die Jazzband spielt das Requiem/Jazz Funeral

New Orleans Beat

Eine ehrenwerte Familie/House of Blues


 Literaturfreund antwortete am 02.09.05 (21:45):

Danke für die schönen Leseerinnerungen!
Ein Freund hat noch gefunden von Capote:

Truman Capote "New Orleans":

New Orleans' Straßen dehnen sich weit und öde; in verkehrsarmen Stunden ist ihre Atmosphäre wie bei Chirico, und gemeinhin harmlose Dinge (ein Gesicht hinter dem streifigen Licht der Fensterläden, in der Ferne dahinschreitende Nonnen, ein dicker schwarzer Arm, der schief aus irgendeinem Fenster baumelt, einsam in einer Seitengasse hockend ein Negerjunge, der Seifenblasen macht und melancholisch zuschaut, wie sie auffliegen und zerplatzen) erhalten verzerrte Aspekte. (...) Mein Interesse an Miss Y. ist mehr klinisch, und ich bin - wie ich verlegen gestehe - nicht ganz der Freund, den sie in mir sieht, weil man Miss Y. nicht eigentlich nahe kommen kann: Allzu sehr ist sie wie eine erdachte Geschichte, real - und unwahrscheinlich. Sie ist wie das Piano in ihrem Salon - elegant, aber ein wenig verstimmt. Ihr Haus, selbst für N. O. alt, wird durch ein schwarzes, verfallenes Eisengitter eingehegt; es ist eine schäbige Gegend, in der sie lebt, mit Zimmervermietschildern, Tankstellen und Musikautomatencafés gesprenkelt. Und doch gab es in jenen Tagen, da ihre Familie hergezogen war, nichts Prächtigeres. Das Haus, von schiefgewachsenen Bäumen fast erdrückt, ist von außen altersgrau, aber im Innern ist die schmückende Kraft von Miss Y.s Ahnenerbe überall erkennbar(...).
Miss Y. glaubt an keine Welt jenseits von N. O. (...)
Ich hatte einen kürzlichen Aufenthalt in New York erwähnt, worauf sie mit hochgezogenen Brauen sanft erwiderte: "Oh! Und wie sieht es denn da aus in der Provinz?"
*
"New Orleans". In: Truman Capote: Wenn die Hunde bellen. Übers. v. H. Bochow-Blüthgen.


 Literaturfreund antwortete am 02.09.05 (21:57):

Das Elend und die Hilflosigkeit in New Orleans sind ja so groß, dass ich mich fast schäme, hier literarisch was zu sammeln... - aber es hat immer schon große Humanisten gegeben, die vor und hinter die Dinge kucken und den einfachen Menschen zuhören konnten:

Walt Whitman

Meine liebste Unterhaltung während meines Aufenthalts in New Orleans bestand darin, runter zum Old French Market zu gehen, besonders gern an einem Sonntagmorgen. Es war ein abwechselungsreiches und ausgefallenes Spektakel; unter anderen die Indianer- und Neger-Höker mit ihren Waren.
Denn es waren immer herrliche Vertreter der Indianer da, sowohl Männer als Frauen, jung und alt.
Ich erinnere mich, daß ich bei Gelegenheiten wie diesen zum Frühstück fast immer ein Brötchen und eine große Tasse köstlichen Kaffees aus dem riesigen glänzenden Kupferkessel einer mächtigen kreolischen Mulattin bekam (ich glaube, sie wog 230 Pfund.) Ich habe nie wieder solchen Kaffee getrunken. (...)
Für ein oder zwei Stunden am Mittag pflegte ich dann und wann zu meiner Unterhaltung auf den gedrängten und geschäftigen Dämmen umher zu spazieren, am Flußufer entlang. Die diagonal verkeilten Boote, die Stauer, die Baumwollballen und andere Handelswaren, die Karren, Maultiere, Neger etc. wollten schier endlos studiert und betrachtet werden. (...) Ich glaube, daß es Vieles und Wichtiges über den Beitrag der Latiner zur amerikanischen Nationalität im Süden und Südwesten zu sagen gäbe, das niemals mit Einfühlung und Takt festgehalten werden wird.
*
"New Orleans 1848". Aus dem "New Orleans Picayune" vom 25. Januar 1887. Übersetzt von Wieland Freund.


 angelottchen antwortete am 03.09.05 (14:38):

Ja, irgendwie hast Du schon recht, Literaturfreund - ich selbst merke beim Suchen und Nachdenken aber auch, dass sich für mich dabei so ein wenig Schockbewältigung einstellt, je mehr ich mich mit der Stadt und diesem Thema hier beschäftige. Selbst hier im Forum findet man beim Suchen unter dem Stichwort New Orleans alte "Schätzchen".
Danke für den Walt Withman.
Ich überlege gerade, welche andere Verbindung ausser Brenda Venus es von Biloxi zu Henry Miller gibt. Fällt Dir da etwas zu ein?