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THEMA:   "Herculaneum" in Berlin

 8 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 02.09.05 (08:14) :

Herculaneum ausgegraben
und von dort
"Herkules, trunken"

Zur URL.: Das Bild zeigt eine draußen stehende Kopie in Pompeji; ein Bild von der Statue in der Ausstellung habe ich nicht gefunden.

Die Ausstellung zieht in diesen Tagen um: ab nach Berlin, ins Pergamon-Museum:

https://www.smb.spk-berlin.de/smb/de/kalender/details.php?objectId=7588&typeId=10∂=0

*

Eine der ulkigsten Gestalten der Ausstellung:

Die Statuette „Trunkener Hercules" (Marmor)
H. (mit Plinthe) 56 cm, L. 35 cm, B. 19 cm,
H. der Plinthe 6 cm
Fundort: Haus der Hirsche (Casa dei Cervi)
Standort: Soprintendenza Archeologica di Pompei (Inv. 75902)

*

Was ein Museums-Fachmann dazu weiß:

Die Skulptur ist aus zahlreichen aneinanderpassenden Fragmenten zusammengefügt. Sie zeigt den trunkenen Heros Hercules. Er hat seine gedrungenen Beine gespreizt: der Oberkörper ist noch hinten geneigt. Bis auf das Löwenfell, das er auf dem linken Unterarm trägt und das von dort entlang seiner linken Seite bis auf die Stütze in Form eines Baumes herabfällt, ist er unbekleidet. Der rechte Arm ist zur Leiste geführt, und zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hält Hercules sein Glied.
Dargestellt ist also der Moment des Urinierens (Hercules mingens). Der linke Arm ist angewinkelt, mit dem nach oben, gestreckten Unterarm hält er die auf der Schulter aufliegende Keule.
Der kleine Kopf mit dem Vollbart ist nach rechts gewendet und leicht nach unten geneigt; er trägt einen Lorbeerkranz. Die Haare sind mit gegeneinander gesetzten Strähnen kranzförmig angeordnet.
Diese Darstellung des Hercules, von der es in Herculaneum noch ein Bronzeexemplar gibt, ist von der hellenistischen Umbildung eines Statuentyps des griechischen Bildhauers Lysipp (2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.) abgeleitet, die sich im 1.Jh. n. Chr. großer Beliebtheit erfreute und als Gartendekor weite Verbreitung fand.
*
Aus dem Katalog der Ausstellung: “Die letzten Stunden von Herculaneum. Von Zabern Verlag. 2005. S. 294

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/V5fFLOiOI


 Enigma antwortete am 02.09.05 (16:31):

Das ist sicher eine sehr interessante Ausstellung, leider wieder sehr weit weg vom Ruhrgebiet.
Allerdings hatte ich das große Glück, Herculaneum und auch Pompeji schon real erleben zu dürfen.
Für uns waren damals der Schwerpunkt die wunderbaren Fresken und Mosaiken.
Wen das interessiert, nachstehend der Link zu einer virtuellen Schau von Pompeji, die ich ganz gut gegliedert finde (she. URL!)

Internet-Tipp: https://www.thecolefamily.com/italy/pompeii/index.html#top


 Marina antwortete am 02.09.05 (21:47):

Ich war inzwischen in Haltern in der Ausstellung, aber ich war nicht ganz so begeistert von der Präsentation. Das Museum war viel zu klein für die Exponate, es war ein furchtbares Gedränge, und die Beschriftungen waren in den meisten Fällen so schlecht ausgeleuchtet, dass ich sie nicht entziffern konnte. Dabei waren oft lange Erklärungen dabei, die mir leider aus diesem Grund nichts nützten.
Auch ich habe vor ca. 35 Jahren Herculaneum und Pompeji real erlebt, Enigma, das ist natürlich lange her, und ich erinnere mich nicht so genau. Aber es hat mich damals sehr beeindruckt und begeistert, vor allem die Fresken in diesem schönen Pompeji-Rot.
In der Ausstellung hat mir hat am besten eine ganz kleine Skulptur gefallen, von der sich dann natürlich mal wieder herausstellte, dass sie griechisch war(ich glaube, es war Artemis, weiß nicht mehr genau). Es ist einfach so: die griechischen Skulpturen sind den römischen doch noch überlegen, und die Römer haben diese kopiert.


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:10):

Die letzten Stunden von Herculaneum

Von Haltern am See (in Westfalen) ist sie nach Berlin - ins Pergamon-Museum - umgezogen - die größte Ausstellung, die es je zu dem Ausbruch des Vesuvs - im Jahre 79 n. Chr. gab.

Ich biete hier noch einige Texte, die sich auf diese alte römische, zerstörte Kultur beziehen - und werde auch einige interpretieren. Dass sie sich aus der griechischen entwickelt hat - wow - aber die schönsten Wandbilder, Vollplastiken, Hausgeräte, Mosaiken - sind alle in Herculaneum oder Pompeji entstanden; und es ist ja nur ein Tausendstel von dem, was dort in vier Städten entstanden war und verloren ging.
Und im Katalog - also in der Beschäftigung mit allen Daten und Informationen - erschließen sich die Kunstwerke und die sozialen und wirtschaftlichen Umstände erst völlig.

Das Pergamon-Museum ist viel größer - ja; aber ich habe im kleine Regionalmuesum in Haltern mit viel mehr Menschen Kontakt und Gespräche gehabt als je in großen Hallen, wo "Kunst" erhaben und nicht "nahegehend" blieb.

**
Es folgt das Gedicht:

OSKAR LOERKE:
Pompejanischer Abend


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:12):

OSKAR LOERKE:
Pompejanischer Abend

Singt es? Wilde Bienen suchen
In der Mauer ihren Spalt.
„Roten Bergwein, weißen Kuchen –
Weihe sie, der Gott ist alt."

Schwärmend bin ich eingeschlossen.
Und ich folge dem Gebot.
Welt und Jahr wächst, nachgenossen:
Roter Bergwein, weißes Brot.

Stirn und Haar kühlt Mondenfrische
Zwischen Säulen ohne Dach.
An des Griechen Marmortische
Wird des Meißels Bildwerk wach.

Weiße Ziegenböcke traben,
Rosen fesseln Bock zu Bock;
Über ihnen fliegen Knaben
Mit der Geißel, mit dem Stock.

Stummes junges Ingesinde
Schleppt und wirft ins leere Haus
Schläuche Weines, Fruchtgebinde,
Mandelzweig, Mimosenstrauß.

Wie von innerm Licht beschienen,
Das Geruch und Garten glaubt,
Schweben aus der Wand die Bienen
Musizierend mir ums Haupt.

Ach, sie ruhn im Mauerloche:
Sterne schweben um das Mahl;
Süßer trägt am Himmelsjoche
Als am Balkendach der Saal.

Singt es nicht? „Wer kann, ermesse
Unser aller großen Herrn!
Feuer wühlt des Berges Esse,
Feuer wühlt im Traubenkern." –

Boten wird ein Gott beordern,
Seine Söhne, kinderklein,
Und sie grüßen und sie fordern
Meiner Augen Traumtag ein.

** Es folgt eine
Interpretation zum Gedicht...


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:14):

Forts:
Interpretation zu Loerke: Pompejanischer Abend:

So zuerst nur als Vermutung: Mit singenden, summend-flirrenden Klängen beginnt das Gedicht, das ein Lied ist: sirrende Konsonanten und helle Vokale bestimmen den Beginn der ersten Strophe: den Bienen wird das Leitmotiv abgelauscht, unterstellt ob der Szenerie, der Natur, des Ortes, der Zeit: „Roten Bergwein, weißen Kuchen…“.
Als selbstgestaltete Antwort nimmt der Gast am Marmortisch das Motiv auf: „Roter Bergwein, weißes Brot“. Dieses Lebens-, Speise- und Gast-Motiv beherrscht damit den die Metrik des Gedichtbaus; denn andere Versformen weisen die vierzeilig-volksliedhafte Strophengebilde nicht auf: jede Strophe hat vier trochäische Dimeter, klingend und stumpf kreuzweise gereimt.
(Vielleicht nach einem Schema und dem genrehaftem Vorbild:
„O wie ist es kalt geworden
Und so traurig öd und leer
Rauhe Winde wehn von, Norden
Und die Sonne scheint nicht mehr“; aus Hoffmann von Fallerleben „Sehnsucht nach dem Frühling“; einem mit-präsenten, nordischen Gegenstück zu dem Loerkeschen Erleben hier im Süden).
Und durch alle neun Strophen hindurch bleibt diese schlichte Liedform unverändert.
Doch nicht nur der metrische Bau, sondern der Gesamtaufbau des Gedichts wird von dem eingängigen Bienenlied beherrscht. Den zwei Eingangsstrophen, die mit vergewissernden „Singt es?“ beginnen und mit dem Leitmotiv enden, entsprechen noch die beiden Bienenstrophen am Schluß: Sie beginnen mit „Singt es nicht?" und enden mit der utopisch-traumhaften Motivierung neuer Erfahrungen durch, mit und in göttlichen Erscheinungsformen: „Meiner Augen Traumtag“ – so fühlt Loerke sich „eingefordert“, nach diesem Sinnestag der Ohren, den er dem Leser zumutet.
Dem klaren Aufbau und der mitteilsam-eingängigen Liedform entsprechen klare, sinnesstarke Bilder zu entsprechen.
An einem schönen, lauen Sommerabend sitzt der Dichter in einer Tempelruine Pompejis. Der Zauber der Landschaft, der mondbeglänzte Marmor, der rote Bergwein, sie vermitteln Stimmung, Geschichte und kulturelle Reflexion.
Der Dichter schwärmt, das Trümmerfeld belebt sich mit bukolischen Bildern: Hirtenknaben mit geschwungener Geißel, Ziegenböcke mit Blütenkränzen umwunden. Sehnsuchtsvollbeglückt sieht sich der Dichter in eine vergangene Welt versetzt, die Liedstrophe kündet von Mythen, die nie real, aber immer wahr sind; romantische Elemente treten bekräftigend hinzu (synästhetische Erlebnisse gestalten sich: das „Licht glaubt", „Geruch und Garten").
Doch gegenüber klassisch üppiger Erzähllaune prägt hier Modernität die Wahrnehmung und die Sprache, in syntaktischen Kürzungen. Das Bild verknappt sich sprachlich immer mehr: lapidare Hauptsätze, versweise gegliedert, münden in eine Sequenz von feststellenden Substantiven; Handlung ist nimmer nötige Frequenz; sie ist nicht länger mitteilenswert; die Erfahrungen gerinnen in Nomina.

'Schläuche Weines, Fruchtgebinde,
Mandelzweig, Mimosenstrauß'.

Es verströmt hier auch nicht länger fließende Melodik, sondern im rhythmischen Ablauf zwingen Stauungen und Halte zur Besinnung auf das Zugrund-Liegende, Reflexion über Bewusstsein und Religion:

'Singt es? Wilde Bienen suchen…’
'Singt es nicht? Wer kann, ermesse…’

So genießt auch nicht ein Dichter unbekümmert-naiv sein Arkadien, sondern bildungsschwer ist sein Erlebnis, und zeichenhaft ist die Traumwelt der „heimlichen Stadt" 1).

*

1) Berlin und Pompeji bilden in dem Gedichtband „Die heimliche Stadt“ von O.L. ein Paar, das Geschichte und Gegenwart repräsentiert.

**
Forts. folgt.


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:27):

Oskar Loerke: Pompejanischer Abend
- Forts. -

Pompeji - Juppiter-Zeus und sein Tempel - Götterbild und Opferaltar, das kann heut auch durch Bilder im Internet zur Einstimmung in das Gedicht in Wort und Bild sichtbar werden. Eine solche Gedichtillustration sollte farbgesättigt und plastisch sein, ohne daß die Liedform Schaden nimmt. Ziel der Interpretation ist der sinnerfüllte Gedichtvortrag und die Aneinung der Intention.
Ein Gedicht - sinnerfüllt und logisch-mythologisch-psychologisch sich entwickelnd - zu sprechen, läßt sich gerade bei Loerke gut lernen.

*

Geschichte und Gegenwart verschlingen sich ineinander. Einst wurde hier der Gott Juppiter verehrt, oder besser gesagt: der aus dem Hellenischen importierte Zeus („an des Griechen Marmortische“) - auch Goethe erlebte „Arkadien“ in der „Magna Graecia“ Süditaliens.
Einst stand in der Cella des Tempels unter dem lastenden Balkendach das Götterbild, streng umschlossen, bewacht, der Entheiligung wehrend, nur durch eine Tür zugänglich; den Anspruch des Obsolet-Kultischen, des Geheimnisses wahrend.
Auch heute noch wird hier der Kult des Gottes gefeiert („der Gott ist alt“). Aber er wohnt nimmer in beschränktem Kultraum, in Festung und im ewigen Alter der tradierten, unbefragten Gegebenheiten („Welt und Jahr wächst“); die Säulen seines „Tempels“ tragen keine abschließende Balkendecke, der Saal trägt ohne Eingrenzung „am Himmelsjoche“, die Sterne schweben“ herein.
„Singt es“ noch; klingt es noch, bestimmt er noch, der große Weltengott („der große Herr“)? Nein, er waltet hier nicht: „Wer kann, ermesse…“ Er ist nicht mehr alleinig fordernde Gegenwart; „Boten wird“ er senden, „beordern“, das wird erwartet, erhofft, mit einem Auftrag: „Roten Bergwein, weißen Kuchen - weihe sie..!“

Kein Gott heischt hier mehr ein Opfer, übt Gewalttat, erzwingt Leiden, Liebe, Laster.
Die Libation und die Darbringung von Kuchen... „Und ich folge dem Gebot" – so zu Beginn der Abendszenerie mit Speis und Trank und Einstimmung. Nach der Klärung der Angebote, Ansprüche – erwartet der sich mit Göttern – und dann mit einem Gott sich beschäftigende Dichter: andere „Boten“.

In den beiden Schlußstrophen besingen die Bienen die zu spendenden Gnadengaben. Noch einmal wird dem allgegenwärtigen und zeitlosen Weltengott die Dimension des antiken Mythos zugeeignet: „Feuer wühlt des Berges Esse". Der Genius loci Vulcan-Hephaistos wird apostrophiert. Dieser Zeussohn hat unter dem Vesuv seine Schmiedeesse. Seine Feuerkraft hat einst Pompeji vernichtet, aber diese Kraft kann auch Gnadengaben geben - das gebackene Brot. Und der gekelterte Traubensaft ist das Geschenk eines zweiten Zeussohnes - Dionysos. „Feuer wühlt im Traubenkern.“ Natürlich gewachsene Gaben, deren Göttlichkeit nicht mehr geglaubt, nicht mehr erzwungen tradiert werden muss.
In der stark gedrängten Schlußstrophe durchkreuzen sich Bild- und Sinnebene, antiker Mythos und moderne Weltfrömmigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und sogar Zukunft:

'Boten wird ein Gott beordern,
Seine Söhne, kinderklein …'

*
Forts. folgt.


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:29):

Loerke:
Pompejanischer Abend
Interpretation - Forts.

Jedes Kind ist ein Gotteskind; jedes Geborene harrt der Ehre, Pflege, Prägung durch Eltern, die es akzeptieren; es verbleibt in der Familie der Irdischen nicht mythologisches Götter-Infant; es zur Menschwerdung verhelfen, ist Aufgabe der irdischen Zeuger, Pfleger und Erzieher – ja, ein „Traumtag“ des Humanen, nennt Loerke noch dieses Ziel der Antwort der Menschen auf die Götter, auf ihre Vorgaben – die immer Bilde der Menschen von ihren Möglichkeiten, ihren göttlichen Projektionen und Gespinste waren: Träume ihrer selbst, ihre Übersteigerungen in Macht und Herrlichkeit, in Männlichkeiten und ihnen ergebener Weiblichkeit.
Diese beiden Verse sind durch die Überlagerungen stark belastet; sie scheinen! ein wenig brüchig darüber geworden. Die Zeussöhne haben den Menschen Brot und Wein beschert, der Gast „am Tisch des Herrn" empfängt die Weisung, die Gottesgaben am Altar zu weihen. Die Bienen sind es, die als Boten die Weisung überbringen. Wie Hephaistos und Dionysos gehören auch die Bienen zu Zeus. Dessen Mutter Rhea hatte einst den Zeusknaben vor dem Vater Kronos auf dem kretischen Ida verborgen, Bienen nährten ihn mit ihrem Honig. „Der Gott ist alt." Mythos und Realität, Bild und Sinn, Welt und Überwelt erscheinen untrennbar und ungeschieden.
Sind es die Bienen, die den Dichter umschweben, oder sind es die Sterne?

'Ach 2), sie ruhn im Mauerloche:
Sterne schweben um das Mahl.’

Die Bienen fordern die realen Dinge, Brot und Wein. In der Schlußstrophe aber wird die Zeichenhaftigkeit des Opfers sichtbar. Antwort auf das Geschaute wird gefordert; dem Weltengesang des gestirnten Himmels geziemt der Gegengruß „in klaren frommen Gedichten". Doch immer noch läßt ums das Motiv „Brot und Wein" nicht los. Es steht in einer großen religionsgeschichtlichen Tradition, und bildungsschwer ist das Gedicht Hölderlins, das ohne die Abendmahls- und Bergpredigt-Speisung und Verheißung nicht für sich allein, sozusagen nur pooetisch, bestehen kann:

'Als der Vater gewandt sein Angesicht von den Menschen,
Und das Trauern mit Recht über der Erde begann,
Als erschienen zuletzt ein stiller Genius, himmlisch
Tröstend, welcher des Tags Ende verkündet' und schwand,
Ließ zum Zeichen, daß einst er da gewesen und wieder
Käme, der himmlische Chor einige Gaben zurück,
Derer menschlich, wie sonst, wir uns zu freuen vermöchten.' (Hölderlin)

Der stille Genius ist Christus, und die Stiftung des Altarsakramentes führt bruchlos den griechischen Opferritus weiter. Die Verse stehen in einem Gedicht von Hölderlin, und es heißt „Brot und Wein“!

'Brot ist der Erde Frucht, doch ist's vom Lichte gesegnet,
Und vom donnernden Gott kommet die Freude des Weins.' (Hölderin)

Die Opfergaben sind das sichtbare Zeichen für die antwortende Dankbarkeit.
‚… und es sorget mit Gaben
Selber ein Gott für ihn …
Nun, nun müssen dafür Worte, wie: Blumen, entstehn.’ (Hölderin)

In der Sprache Loerkes heißt das:

„Und sie grüßen und sie fordern
Meiner Augen Traumtag ein.“
*
2) Solch seltene „Ach“-Interjektion hat eine Parallele in Loerkes „Selbstdarstellung“ (in: „Meine sieben Gedichtbände". Die Neue Rundschau 1936, S. 1252 ff.): Dort heißt es einschränkend und erörternd über die Pflicht und Wahrheit der Gottsucher: „Ach, wir müssen doch ,oben’ sagen. Oder sind es flackernde Sterne?“


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (09:31):

Loerke: Pompejanischer Abend
Gedicht-Interpretation
- Forts. -

Die Bildungswelt unseres Gedichtes stellt erhebliche Anforderungen an Normalleser, an Gott-Gläubige in Furcht und Abhängigkeit. Andererseits scheut man sich nicht, denselben Schüler auf einer Italienreise mit dieser Welt zu konfrontieren, was häufig Ratlosigkeit, Gleichgültigkeit oder bloße Konsumhaltung zur Folge hat. Unser Gedicht könnte da einen Weg der Aneignung zeigen. Bildkräftige Gegenwart gibt den Blick durch Jahrtausende frei; aber nicht durch antiquarische Gelehrsamkeit, sondern durch Schärfung des Auges und des Ohrs, durch ein Sich-Einfühlen und Sich-Hingeben.

Das Gedicht will Assoziationen hervorrufen, sonst verfehlen die Zeichen das Gemeinte, und der Durchblick durch die Zeiten wird verkürzt oder gar verstellt. Aber nicht alles, was dem Lehrer zum Verständnis unentbehrlich ist (Brot-und-Wein-Mystik, Dionysos-Christus-Parallele, Hölderlins „O Christus … bist Bruder auch des Eviers“3), wird immer wieder zur Sprache kommen müssen, wo Menschen leben: sich sättigen können oder Hungers sterben müssen.
Deutlich kann werden, daß das scheinbar so klar gebaute Gedicht ein vielschichtiges Gebilde ist, daß die schlichte Liedform ein Verwandlung der antiken Götterei (mit ihren absurd-scheußlichen, sich immer wiederholenden Gewalt- und/oder Liebesakten et vice versa) in eine humane Verpflichtung als göttlich Menschliches mitteilt und daß die Bildwelt des Gedichts als Realität unserer Vergangenheit, des Dichters Gegenwart und unserer Zukunft gemeint ist.

Pompeji - Jupiter-Zeus und sein Tempel - Götterbild und Opferaltar, das kann heut auch durch Bilder im Internet zur Einstimmung in das Gedicht in Wort und Bild sichtbar werden. Eine solche Gedichtillustration sollte farbgesättigt und plastisch sein, ohne daß die Liedform Schaden nimmt. Ziel der Interpretation ist der sinnerfüllte Gedichtvortrag und die Aneignung der Intention. Die Neuerwartung auf Gott, nicht als griechisch-römische Gottheit.
Ein Gedicht - sinnerfüllt und logisch-mythologisch-psychologisch sich entwickelnd - zu sprechen, läßt sich gerade bei Loerke gut lernen.

**
3) Friedrich Hölderlin, in: „Der Einzige“:
(…)
Ich weiß es aber, eigene Schuld ist’s! Denn zu sehr,
O Christus! häng ich an dir, wiewohl Herakles Bruder
Und kühn bekenn ich, du bist Bruder auch des Eviers, der
Die Todeslust der Völker aufhält und zerreißet den Fallstrick
Fein sehen die Menschen, daß sie
Nicht gehn den Weg des Todes und hüten das Maß, daß einer
Etwas für sich ist, den Augenblick,
Das Geschick der großen Zeit auch,
Ihr Feuer fürchtend, treffen sie, und wo
Des Wegs ein anderes geht, da sehen sie
Auch, wo ein Geschick sei, machen aber
Das sicher, Menschen gleichend oder Gesetzen.“

(Der „Evier" ist, wegen der kultischen, enthemmten, trunkenen und nicht mehr rational bewussten Anrufung „eheu“, „evoi“ – der Dionysos selbst, nicht als "goldenes Kalb", aber als zeugungswütiger Gott, d.h. Allzeit-Mann, bis er schlafend entfällt und sich von Faunen geschützt ausruhen darf, bis zum nächsten Trieb-Geschäftigkeit.)
**
Zur URL.:
Ein besonders filigranes Bild aus der Halterner Ausstellung: eine erotische Szene aus Herculaneum. Hier fordert kein Dionysos mehr Liebe und Unterwerfung und Bereitschaft zur Mutterschaft; hier erhält ein Mann, der sich noch aus dem Füllhorn stärkt, Liebesdienste, für die der „Freier“ bezahlt hat; und die Hetäre ist chick gekleidet (mit durchsichtiger Bluse); sie ist Herrin des Gelages und hat eine Helferin, so dass sie nicht ausnutzen lassen muss.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/pPwo5PEIm