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THEMA:   Gedicht für ein "Nachbarkind"

 9 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 27.08.05 (11:01) :

Ich suche den Dichter folgender Strophen:
- Der Text wurde mir bekannt, als wir Gedichte und Prosatexte suchten, in denen von Nachbarn oder von der Nachbarschaft die Rede war.
Ein Kind brachte ein Stück ausgerissenes Zeitungspapier mit, in der Ecke stand nur noch lesbar der Rest der Lebensdaten des Dichters (…-1929)-

Autor unbekannt:
Gruss an ein Nachbarkind

Du kamst zu uns zuerst. Der Garten drunten
War Wald — dann kam die Axt mit ihrem Hieb,
Im Frühlingsgelben und im Sommerbunten
Sahn wir dich oft: so wurdest du uns lieb.


Und du hast mich von fern manchmal betrachtet,
Wenn ich den Kiefernweg, den Steinpfad ging,
Und dich gefragt, worauf mein Ohr geachtet,
Und was ich mir für Grillen fing.

Es war in Tier und Gras und Baum ein Stimmenweben,
Davon ich nur so viel verstand:
„Wohl uns, wir aßen unser ganzes Leben
Dem großen Erdgeist aus der Hand.

Von urfern sind wir zugereist
Und blieben wahr und rein.
Wir kamen aus dem großen Geist
Und gehen wieder zu ihm ein.“


 Henriette antwortete am 30.08.05 (11:28):

Ich gab bei Google ein:Du kamst bei uns zuerst.
Es erschien Dein Garten wollt ich sein zuerst.
es ist zwar nicht Dein gesuchtes Gedicht,aber es gefällt mit.Henriette


Dein Garten wollt ich sein zuerst
und Ranken haben und Rabatten
und deine Schönheit überschatten,
damit du mit dem muttermatten
Lächeln gern mir wiederkehrst.


Da aber - als du kamst und gingst,
ist etwas mit dir eingetreten:
das ruft mich zu den roten Beeten,
wenn du mir aus den weißen winkst.

Rainer Maria Rilke




 Literaturfreund antwortete am 30.08.05 (16:52):

Danke!
Ja, ein seltsam schönes Gedicht; das häufig bei "Garten-Motiven" zitiert wird.
Da ich es in einer kleinen Rilke-Ausgabe zuerst nicht fand, habe ich nachgesucht:
Es gehört zu den "Gebeten der Mädchen zu Maria". IV. Gedicht. Aus: "Mir zur Feier", einem Frühwerk.

Die vorangestellte Eingangs-Strophe heißt:

"Mach, daß etwas uns geschieht!
Sieh, wie wir nach Leben beben.
Und wir wollen uns erheben
wie ein Glanz und wie ein Lied."
*
(Rilke. Sämtliche Werke. Bd. III. Jugendgedichte. Insel Verlag 1959)
*
Solche natürlich-schönen, jugendlichen Rilke-Gedichte hätte man auch in Köln beim WJT beten oder singen können.
Aber die dort verordnete Sprache in Bild und Begriff war männlich, zölibatär, vorgestrig, steril.
*
Aber nach dem "Nachbarkind"-Gedicht suche ich noch immer.


 Marina antwortete am 30.08.05 (17:43):

Hofmannsthal?


 Literaturfreund antwortete am 31.08.05 (15:44):

Ja, danke für den Tipp, Marina!
H. fände ich vom Stil her möglich; aber ich habe keine vollständige Ausgabe; die ist ja sehr teuer; aber der S. Fischer-Verlag gibt viel Geld aus für diesen vergessenen, modernen Klassiker.
Aber irgendwo in MS werde ich die Ausgabe einsehen können; werde davon berichten.
*
URL: H.s "Harlekin"!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/9Y3nmiwd3


 Marina antwortete am 31.08.05 (16:44):

Es ist sicher Hofmannsthal (1874-1929), die Jahreszahlen stimmen also. Außerdem hatte er es mit „Erdgeistern“. Hier der Auszug eines Artikels von Matussek. Wenn du den Link anklickst und ziemlich weit nach unten scrollst, findest du die Stelle, weil „Erdgeist“ blau unterlegt ist.

„Dieses sinnliche, unter Einsatz des Lebens vollzogene (vgl. V. 481) Erinnern, das den Goetheschen Erdgeist mit Brunos »anima terrae« verbindet[, repräsentiert eine Linie der Memoria-Tradition, auf die auch das Geschehen in Hofmannsthals Drama zentral anspielt. Die Anspielung selbst bleibt dabei völlig latent – wie überhaupt eine Bruno-Lektüre Hofmannsthals, die über das allgemeine Bildungswissen zum Neuplatonismus hinausginge, für jene Zeit wohl auszuschließen ist. „

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/hhbCuvAUM


 Literaturfreund antwortete am 02.09.05 (14:40):

Dank ...

Das Gedicht ist von Oskar Loerke.

Dank für die aufwendige, intelligente Suche; der Hinweis auf den „Erdgeist“ führte aber leider in die Irre. - Auch die von mir entzifferte Jahreszahl war falsch; die Lebensdaten von Loerke: 1884-1941. (Tut mir Leid!)

Nach dem Hinweis auf Lehmann und Loerke, aus der „lyrik-mail“ mit dem „Naturgedicht“ von Drawert, habe ich mich bei Loerke auf die Suche gemacht, der auch im Briefwechsel mit Lehmann (s. den Beitrag dort) viel von seinem Haus in Berlin-Frohnau berichtete; dort stieß ich auf die Erzählung „Maat“, in der Loerke von diesem Nachbarkind erzählt, für das er auch das Gedicht verfasste. Es wurde aus dem Nachlass veröffentlicht von Peter Suhrkamp, dem Freund und Verleger Loerkes, weil es ein privates Gedicht war, an ein Mädchen, das er in der Erzählung „Maat“ (1931) Charlotte nannte.
Das Gedicht steht in: Gedichte und Prosa. Bd. 1. Die Gedichte. 1958. S. 610f.
Die Erzählung „Maat“ ist abgedruckt in: dem Reclam-Bändchen „Das Goldbergwerk. Erzählungen. 1965. RUB 8949.
*
Denk! äh: Dank!


 Marina antwortete am 02.09.05 (21:51):

Also doch wieder ein Test, ich hatte es mir eigentlich gedacht. Du wusstest das doch von Anfang an, wetten? Und dafür habe ich mir so eine Mühe gemacht. Aber Hauptsache, du hast es gefunden.


 Literaturfreund antwortete am 06.09.05 (07:39):

Für Marina, die Schlaue:...."Wieder ein Test"?
– Testfrage: Ja, warum machst du solche Spielchen mit?
Böse, bööööööööse: Dass ich ein Gedicht suchte, zu dem ich erst den entscheidenden Hinweis aus der lyrik-mail Nr. ... vom ...erhielt, die ich am ... zum Thema „Wilhelm Lehmann“ eingestellt habe...; dass Marina die Pünktchen als Testaufgabe betrachten konnte, da sie vorher den Ablauf nicht einschätzen konnte... - Testfragen über Fragen.
Oder bestand der Test darin, diese Hinweise in den beiden Themen "Nachbarschaftskind" und "Lehmann" zu nutzen, wie man es gar nicht vermuten konnte?

*

Na, hier ein neuer, ein nach der Qualifikation intelligenterer Test; auch über Nachbarschaftserfahrungen Anfang der 1930er Jahre im deutschen Literaturleben.
Meine ausgefuchsten Testfragen, die ergeben sollen, wie schlau ich bin und weil sonst keiner in der Lage ist, eins und eins zusammenzuzählen:
Wow, die Fragen:
Wie lautet der Text auf Deutsch; wer hat ihn geschrieben; wie lautet der Titel der Erzählung, deren einleitende Reflexion hier gekürzt wurde, um die Namen der Personen ins Gespräch zu bringen?

Erzählung von O.L.:
„(…)
Bij de grens van onze tekenaarde nemen de krommen met het bos toe, dat de arbeiders, schoolkinderen, Kirchgaenger, Ausfluegler zoals het verkorten dwarsverbinding van twee right-angled in botsing komende wegen ontruimden. De vele voeten drukten kruiden, Blaubeerstauden, varens eenvoudig in, en de weg was beëindigd. Onder doorkomt gebruikelijke Zeitsparern, wet-leer en aard-nieuwsgierig was merkbaar reeds aan ons in de vorige zomer, als wij de onze nog tribune-versluierde nieuwe bouw, een lange, oudere mens in groen kostuum en grijze laag met pelzkragen bezochten. Imme leidde het een meisje ongeveer van vijf jaar en het hand, zou het zijn granddaughter willen zijn. Tussen ondergedompelde Kiefern bleven zij omhoog-genaderd - twee stappen van het kind altijd op nauwkeurig de man -, tussen Kiefern verdwijnen het, niets. Ik zei dat eens na het in acht nemen van stilte: "als stingy bewegingen maakt het!" Mijn medehuurders keurden onmiddellijk me goed.
Het riep de oude persoon die slechts Maat leidt, sprak het het woord vreest niet voor en niet impudently, sprak het niet aangezien het met het onderzoeken van stem was. De man werd genoemd helemaal niet bepaalde belangrijke Maat, was hij zeeman bepaald geweest, was de belangrijke Maat ook nooit slechts één wit van de God zoals gekomen gift. De Alte, het nam dergelijke giften verborg een stukc. De naakte werkelijkheid. Gafften bijvoorbeeld gafften wij met het geluid van de naam belangrijke Maat op het, dan wij op spoor.(...)
*
Abschließende Frage:
Welche Übersetzungsmaschine hat den Text so mechanisch-scheußlich rübergebracht und mies geschrieben?
Über welche Sprache musste er translationiert werden, um im Niederländischen zu landen, damit der Mann, der "Alte" genannt, nicht als "seaman" umgetauft wurde, sondern der "Maat" blieb?
*
Zur URL.: "Zur Krönung": Stimmt die Unterschrift, oder hätte der Dichter sich mit "ö" schreiben müssen?

Internet-Tipp: https://www.antiquariat.com/images2/loerke.jpg


 Literaturfreund antwortete am 07.09.05 (07:25):

Original-Loerkisch klingt die Erzählung viel, viel schöner:

Maat
(...)
An der Grenze unseres Fleckes Erde krümmt sich ein Steig durch den Wald, den sich Arbeiter, Schulkinder, Kirchgänger, Ausflügler als abkürzende Querverbindung zweier rechtwinklig aufeinanderstoßender Straßen gebahnt haben. Die vielen Füße haben Kräuter, Blaubeerstauden, Farne einfach niedergetreten, und der Pfad war fertig. Unter den vorüberkommenden Zeitsparern, Gewohnheitsrechtlern und Naturneugierigen fiel uns schon im vorigen Sommer, wenn wir unseren noch gerüstverhüllten Neubau besuchten, ein lange, älterer Mann in grünem Anzug und grauem Mantel mit Pelzkragen auf. Imme führte er ein ungefähr fünfjähriges Mädchen and er Hand, es möchte seine Enkelin sein. Zwischen den Kiefern tauchten sie aufnäherten sich – zwei Schritte des Kindes immer auf genau einen des Mannes -, zwischen den Kiefern verschwanden sie, nichts weiter. Das sagte ich einmal nach beobachtendem Schweigen: „Wie geizige Bewegungen er macht!“ Meine Hausgenossen stimmten mir sofort zu.
Unsere Vorstellung hatte ihn längst als moralischen Knauserer entlarvt.
Wir wussten, andere Fußgänger kürzten über den Querpfad ihren Weg, dieser jedoch sparte nur Weg, freudlos und unnütz. Schob er die Enkelin durch den Wald, so begleitete er sie dennoch nicht, und sie begleitete nicht ihn. Er gewährte ihr Spaziergänge, die er sich zu versagen schien. Vielleicht tat er eine Pflicht an ihr. Gewiß war er nicht arm genug an Zeit, um ihr Zeit schuldig zu bleiben: die Herzensbelastung durch das Gefühl einer Nachlässigkeit war unvermeidlich.
Er billigte also der Kleinen die frische Luft zu, damit sie nicht später seinem Gedächtnis Vorwürfe machen könnte. Das Mädchen hing an seinem Arm wie an einer Kette. Zerrte es daran, so gab er sogleich nach, aber nur so viel und so lange, wie unbedingt nötig war, um nicht von seiner inneren Stimme ungültig und unverständig gescholten zu werden. Federten Eichhörnchen im Geäst oder huschte gar eine Ratte einem Hofe zu, so bliebe er alsbald stehen und spendete, um rechtzeitig ein Dutzend Kinderfragen zu ersticken, saure Belehrungen.
Er schien der Kleinen sogar willig Kleider und Haarschleifen zu kaufen – Geldausgaben behüteten vor Gemütsausgaben. Beim Lachen verzerrte sich sein sonst von ausdruckslosen Schrumpflinien überknüpftes Gesicht zu einer gräßlichen Grimasse, als erschräke er über die unwillkürliche Völlerei in menschlicher Leidenschaft. Er schluckte dann heftig mehrmals, wie jählings ins Wasser geworfen.
Zuweilen rief er das Mädchen bei seinem Namen Charlotte, und er unterdrückte die erste Silbe niemals. Die peinliche Form schuf Abstand, Fremde würden seltener zu Zärtlichkeiten an dem Kinder verführt werden.
Charlotte litt offenbar nicht an der Spröde und Verkümmerung ihres Großvaters. Ihre kleine begriffslose Klugheit witterte wohl in diesem heimlich und listig erworbenen selbstgefälligen Eintrockenen Inzucht und Unzucht.
Sie nannte den Alten nur Maat, sie sprach das Wort nicht bang und nicht frech, sie sprach gleichsam mit übersehender Stimme. Gewiß hieß der Mann gar nicht Maat, gewiß war er auch nie Seemann gewesen, Maat war nur ein Gott weiß wie zustande gekommene Gabe. Solche Geschenke nahm der Alte, sie versteckten ein Stück de nackten Wirklichkeit. Gafften beispielsweise wir beim Klange des Namens Maat auf ihn, so gafften wir auf ein Phantom.
Das Phantom kam zu uns an dem Tage kurz vor Weihnachten, an dem wir das neue Haus bezogen.
(...)