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THEMA:   Der Vesuv und ....Herculaneum

 12 Antwort(en).

Literaturfreund begann die Diskussion am 26.05.05 (20:24) :

Vesuv-Ausbruch – in nächster Nähe…

In diesem Frühsommer in Haltern (am Halterner See), bald in Bremen, dann im Pergamon-Museum in Berlin -

Strabon, Seneca, Martial oder Plinius der Jüngere (an Tacitus) – alles findet man dokumentiert – wenn’s interessiert. Mit so vielen Originalen und Fototapeten und Wandreliefes und Filmen und tollen Erklärungen - und ....

Nicht Pompejis, nicht Stabiaes, nicht Pompeias - nein Herculaneums Untergang und Konservierung kann besichtigt werden – hier und jetzt aufwendig, museal optimal verlebendigt, mit Aufwand für Millionen; besser erfoscht, untersucht und dokumentiert als für heutige Wartezimmer-Heimsucher.
Dass man in Herculaneum, der herrschaftlichen Stadt der Verwaltungsschicht und Oberklasse, so wenig Tote fand, spricht noch immer dafür, dass sich viele Einwohner, als man den Aschen- und Gesteinsregen über Pompeji nachmittags 24. August 79 beobachtete, auf die Schiffe und übers Wasser zu retten versuchten.
Nur die in einem Holzhaus im Hafen gefundenen 400 versteinerten Leichen können nicht alle Einwohner gewesen sein; denn die sind verläßlich auf 4000 geschätzt worden.
Dieser Fund menschlicher Gebeine, bei Kindern und Männern mit arger Arthrose, besser untersucht und dokumentiert – als bei heutigen Kassenpatienten mit Euro-Eintritt.
(Aber hier in Westfalen ist kein Vesuv in der Nähe, der solcherlei Schicksal auslösen, verewigen und verherrlichen würde, von Archäologen versorgt.)

https://www.wdr.de/themen/kultur/ausstellungen/archaeologie/herculaneum/_img/laeufer_400q.jpg
*
Einleitende Bilder von der Katastrophe – im Jahre 79 n.Chr.:
https://www.wdr.de/themen/kultur/ausstellungen/archaeologie/herculaneum/_img/ziegenbock_400q.jpg

*
URL.: auch in Haltern, voll original:
Hi, Sodomie – wer h i e r klickt, hat es selber gewollt...

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/yyxRxQvLc


 Literaturfreund antwortete am 30.05.05 (10:45):

Auch viele deutsche Dichter haben dort sich umgeschaut – und berichtet: Goethe, Seume, Platen, Fontane...

Aber, um Natürliches, Ungeheuerliches - "Göttliches" aus der Menschenperspektive zu betrachten, hatte schon der Philosoph und Epigrammatiker Martial Verständnis und "Mitgefühl" mit den römischen, angeblich uneingeschränkt herrschaftlichen Göttern; er versuchte ihre Unerbittlichkeit freundlich zu begrenzen, zu "schmälern", indem er ihnen etwas unterschob, was militärisch-männlich natürlich eine Lästerlichkeit bedeuten könnte: Reue, Scham - ob der gezeigten Untaten, nicht wegen der Veränderung der Landschaften am Golf von Neapel, sondern wegen der Zerstörungswut an menschlichem Werk und Leben.

Im Original:
Martial Epigrammata (40-102 n. Chr.)
4, 44

Hic est pampineis viridis modo Vesubiis umbris,
presserat hic madidos nobilis uva lacus:
haec iuga, quam Nysae colles plus Bacchus amavit,
hoc nuper Satyri monte dedere choros.
haec Veneris sedes, Lacedaemone gratior illi,
his locus Herculeo nomine clarus erat.
Cuncta iacent flammis et tristi mersa favilla:
nec superi vellent hoc licuisse sibi.
*

Deutsch:
Nach dem Vesuvausbruch

Kürzlich noch war der Vesuv beschattet von grünenden Reben,
edler Traubensaft ward hier in die Kufen gepreßt.
Mehr als die Hügel von Nysa hat Bacchus geliebt diese Höhen,
jüngst haben hier noch am Berg Faune im Reigen getanzt.
Hier war die Stätte der Venus, die mehr als Sparta sie liebte,
hier war die Stadt, welche durch Herkules´ Namen berühmt.
All dies ging auf in Flammen und liegt unter Asche begraben:
selbst die Götter gereut´s, daß sie dies Unheil vollbracht.
*
(Von Martial im Jahre 88 geschrieben. Übersetzt von Harry C. Schnur 1966)

*
URL.: Hercules - der Gottmensch - der sagenhafte Gründer Herculaneums, der überall in Südeuropa, bis über die Alpen hinauf als Gründer und Vorbild galt, als mächtiger Aufräumer den Menschen beistand; phantastisch gut erfundene Mythen, um voranzukommen mit der humaneren Kultur.
https://www.santones.de/images/Weissenburg/Roemermuseum%20Herkules.jpg

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/OYQv7FUcj


 Literaturfreund antwortete am 01.06.05 (10:29):

J.W.von Goethe:
Kunst und Bilderlust eines ganzen Volkes..
Ausgrabung des Isistempels in Pompeji.
Aus: „Italienische Reise“ (Neapel, Sonntag, den 11. März 1787)

Da mein Aufenthalt in Neapel nicht lange dauern wird, so nehme ich gleich die entfernteren Punkte zuerst, das Nähere gibt sich. Mit Tischbein fuhr ich nach Pompeji, da wir denn alle die herrlichen Ansichten links und rechts neben uns liegen sahen, welche, durch so manche landschaftliche Zeichnung uns wohlbekannt, nunmehr in ihrem zusammenhängenden Glanze erschienen. Pompeji setzt jedermann wegen seiner Enge und Kleinheit in Verwunderung. Schmale Straßen, obgleich grade und an der Seite mit Schrittplatten versehen, kleine Häuser ohne Fenster, aus den Höfen und offenen Galerien die Zimmer nur durch die Türen erleuchtet. Selbst öffentliche Werke, die Bank am Tor, der Tempel, sodann auch eine Villa in der Nähe, mehr Modell und Puppenschrank als Gebäude. Diese Zimmer, Gänge und Galerien aber aufs heiterste gemalt, die Wandflächen einförmig, in der Mitte ein ausführliches Gemälde, jetzt meist ausgebrochen, an Kanten und Enden leichte und geschmackvolle Arabesken, aus welchen sich auch wohl niedliche Kinder- und Nymphengestalten entwickeln, wenn an einer andern Stelle aus mächtigen Blumengewinden wilde und zahme Tiere hervordringen. Und so deutet der jetzige ganz wüste Zustand einer erst durch Stein- und Aschenregen bedeckten, dann aber durch die Aufgrabenden geplünderten Stadt auf eine Kunst- und Bilderlust eines ganzen Volkes, von der jetzo der eifrigste Liebhaber weder Begriff, noch Gefühl, noch Bedürfnis hat.
Bedenkt man die Entfernung dieses Orts vom Vesuv, so kann die bedeckende vulkanische Masse weder durch ein Schleudern noch durch einen Windstoß hierher getrieben sein; man muß sich vielmehr vorstellen, daß diese Steine und Asche eine Zeitlang wolkenartig in der Luft geschwebt, bis sie endlich über diesem unglücklichen Orte niedergegangen.
Wenn man sich nun dieses Ereignis noch mehr versinnlichen will, so denke man allenfalls ein eingeschneites Bergdorf. Die Räume zwischen den Gebäuden, ja die zerdrückten Gebäude selbst wurden ausgefüllt, allein Mauerwerk mochte hier und da noch herausstehen, als früher oder später der Hügel zu Weinbergen und Gärten benutzt wurde. So hat nun gewiß mancher Eigentümer, auf seinem Anteil niedergrabend, eine bedeutende Vorlese gehalten. Mehrere Zimmer fand man leer und in der Ecke des einen einen Haufen Asche, der mancherlei kleines Hausgeräte und Kunstarbeiten versteckte.

Den wunderlichen, halb unangenehmen Eindruck dieser mumisierten Stadt wuschen wir wieder aus den Gemütern, als wir, in der Laube zunächst des Meeres in einem geringen Gasthof sitzend, ein frugales Mahl verzehrten und uns an der Himmelsbläue, an des Meeres Glanz und Licht ergötzten, in Hoffnung, wenn dieses Fleckchen mit Weinlaub bedeckt sein würde, uns hier wiederzusehen und uns zusammen zu ergötzen.
Näher an der Stadt fielen mir die kleinen Häuser wieder auf, die als vollkommene Nachbildungen der pompejanischen dastehen. Wir erbaten uns die Erlaubnis, in eins hineinzutreten, und fanden es sehr reinlich eingerichtet. Nett geflochtene Rohrstühle, eine Kommode ganz vergoldet, mit bunten Blumen staffiert und lackiert, so daß nach so vielen Jahrhunderten, nach unzähligen Veränderungen diese Gegend ihren Bewohnern ähnliche Lebensart und Sitte, Neigungen und Liebhabereien einflößt.
*
URL.: Ausgrabung, Radierung nach Fabris

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/vBwPmHKfk


 Literaturfreund antwortete am 05.06.05 (12:07):

Mitteilungen des Landschaftsverbandes Westfalen, der das Museum in Haltern betreibt..:

Johann Wolfgang von Goethe, Gotthold Ephraim Lessing, William Turner, Hans Christian Andersen und viele andere Gelehrte reisten nach Herculaneum, um Augenzeugen der spektakulären Entdeckungen zu werden.
In Presseberichten und Reisebeschreibungen entfaltete sich der „herculanische Geist“ in Europa. Das war die Geburtsstunde eines neuen Stils: des europäischen Klassizismus.

Der Rückgriff auf die Antike wurde zur Leitidee, die sich in nahezu allen Bereichen der Kunst, des Kunsthandwerks und der Mode niederschlug. „Architekten, Maler, Möbeltischler und Porzellankünstler begeisterten sich für den Stil des römischen Privatlebens“, erklärt Dr. Rudolf Aßkamp, Leiter des Westfälischen Römermuseums des LWL. Kunsthandwerker ahmten römische Gebrauchsgegenstände nach, Wandmalereien aus Herculaneum wurden zu Vorbildern für Wanddekorationen in Schlössern. Aßkamp: „In Europa war es chic, sich à la Herculaneum einzurichten.“

Viele Besucher, die im 18. Jahrhundert nach Herculaneum kamen, waren nicht nur an Abenteuern, sondern vor allem an den antiken Fundstücken interessiert. Herumgesprochen hatte sich die geheime Ausgrabung der „Herkulanerinnen“. Der lothringische Offizier Emanuel d’Elbœuf hatte diese drei Frauenstatuen während der österreichischen Besatzung Neapels 1709/1710 ausgegraben und heimlich nach Wien geschafft. Später wurden sie nach Dresden verkauft und und kamen in das Albertinum, wo sie noch heute ausgestellt sind. Die Herkulanerinnen stammen aus dem antiken Theater der Stadt. Der Gelehrte Johann Joachim Winkelmann war bezaubert von der Schönheit „dieser drei göttlichen Stücke“ und sah in ihnen die „edle Einfalt und stille Größe“ der griechischen Kunst.

Kein Wunder, dass angesichts dieser Antikenbegeisterung so mancher Sammler Opfer von „Fälschungen“ wurde, die recht bald kursierten. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth hatte 1755 Herculaneum besucht. Sie musste von den Fundstücken so begeistert gewesen sein, dass sie in Rom im Kunsthandel mehrere Marmorskulpturen erwarb – in dem sicheren Glauben, originale Stücke aus der verschütteten Stadt zu kaufen. Heute weiß die archäologische Forschung, dass die begeisterte Sammlerin betrogen wurde. Der Jünglingskopf „Triptolemos“ ist zwar ein römisches Original. Er stammt aber eindeutig aus der Zeit des römischen Kaisers Hadrian (117 bis 138 nach Christus). Er entstand also Jahrzehnte nach dem Vesuvausbruch 79 nach Christus.
(https://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=14982)
*
URL.: Der Vesuv, der vor dem Ausbruch lat. „Somma“ hieß; es war von den Bewohner der Region vergessen worden, dass er 500 Jahr früher zuletzt ausgebrochen war.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/YkGEHp8ix


 Literaturfreund antwortete am 05.06.05 (12:30):

Plinius der Jüngere berichtete Tacitus vom Vesuv-Ausbruch,den er selber beobachtete. (Aus dem zweiten Brief):
(Forts.)

"Wir wollen ausbiegen", rief ich, "solange wir noch etwas sehen, damit wir nicht auf der Straße in der Finsternis von der Menschenmasse ringsum zertrampelt werden.Wir hatten uns kaum niedergesetzt, da umhüllte uns bereits die Nacht, nicht eine mondlose oder von Wolken verdunkelte Nacht, sondern die Finsternis eines geschlossenen, lichtlosen Raumes. Man hörte das Heulen der Frauen, das Gewimmer der Kinder, die Schreie der Männer. Die einen riefen nach ihren Eltern, die anderen nach ihren Kindern, wieder andere nach ihren Frauen; man erkannte einander nur noch an den Stimmen. Die einen jammerten über sich selbst, die anderen über das Unglück der Ihren. Aus Angst vor dem Tod riefen manche nach dem Tod. Viele hoben die Hände zu den Göttern; groß war die Zahl derer, die glaubten, es gebe keine Götter mehr und über die Welt sei die letzte, die ewige Nacht hereingebrochen. Es fehlte nicht an Leuten, die durch falsche oder erlogene Schauergeschichten die wirkliche Gefahr noch vergrößerten. In Misenum, so erzählten sie, sei dieses Gebäude eingestürzt und jenes stehe in Flammen. Es stimmte nicht, doch man glaubte es. Es wurde ein wenig heller; aber es schien uns nicht das Tageslicht zu sein, sondern das Zeichen, daß das Feuer näher kam; das Feuer blieb aber in größerer Entfernung stehen; wieder brach Finsternis herein, wieder fiel reichlich und schwer die Asche herab. Von Zeit zu Zeit mußten wir aufspringen und sie abschütteln, sonst hätte sie uns völlig bedeckt und durch ihr Gewicht erdrückt. (...)
Endlich lichtete sich die Finsternis, der Qualm löste sich in eine Art Rauch oder Nebel auf. Bald wurde es wirklich Tag; die Sonne schien sogar, aber fahl wie bei einer Sonnenfinsternis. Unseren Blicken, in denen noch der Schrecken lag, erschien alles verändert und - wie mit einer Schneedecke - mit einer dicken Schicht Asche überzogen.
*
URL.: historische Karte des Vesuv aus Meyers Konversationslexikon 1888

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/XXxAURr6k


 Literaturfreund antwortete am 06.06.05 (12:45):

Goethes Sohn August in Pompeji

August von Goethe (1789-1830) – verhaltensgestörter Sohn J.W.v.G.s; alkoholkranker Mensch; er starb in Rom 1830
Auf den Spuren seines in ganz Europa bekannten Vaters reiste auch der Sohn August nach Italien (wie übrigens schon sein Großvater August).
In Pompeji veranlaßt und bezahlte er eine sogenannte »Ehrenausgrabung« für den Vater: eine Demonstration, die in der Regel regierenden Herrschaften vorbehalten war. Dabei wurde eine bereits als »ertragreich« bekannte Fundstelle erneut ausgegraben und dem zu Ehrenden gewidmet. In Goethes Fall war es die »Casa del Fauno« mit der berühmten Skulptur des »Tanzenden Faun«.
Augusts Verhalten und seine Wahrnehmungen unterschieden sich fundamental von denen seines Vaters. Er ist kein klassischer Bildungsreisender mehr, sondern ein fideler, reicher Tourist, dem Unterhaltung über Studieren ging. Zwischen den Ruinen veranstaltete er ein munteres Zechgelage.

Brief:

Neapel, Mittwoch, den 6. Oktober 1830
Früh 6 Uhr auf, alles revidiere und bezahlt. Das Tagebuch vollendet und um 10 Uhr nach Pompeji abgefahren. Ich hielt nicht an bis am Torhause (Haus des Diomedes) und fand die fidele Wache, lauter alte Garde, welche mich mit Jauchzen empfing; ich ließ ihnen wie gewöhnlich Wein geben und suchte den Professor Zahn auf, welchen ich auch in Vitelli bei Tisch, nebst Freund Freitag, antraf. Wir waren recht vergnügt, machten einen abermaligen Gang durch Pompeji. Es ist wunderbar, daß einen eine tote Stadt so fesseln kann. Die Nacht schlief ich in Vitelli.
*
Erklärungen:
Wilhelm Zahn (1800-71), Freund und antiquarischer Berater des Weimarer Dichters, Verfasser eines Werkes über die Malerei von Pompeji und Herculaneum.
„Vitelli“: eine Meierei bei Pompeji, August von Goethes Nachtquartier.
Rudolf Freitag (1805-90), deutscher Bildhauer
URL.: eine Rezension: Bericht über den „ewigen Sohn“:

(Forts. folgt)

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/48MVfah61


 Literaturfreund antwortete am 06.06.05 (12:49):

August von Goethe in Pompeji
(Forts.)

Pompeji, Donnerstag, den 7. Oktober 1830

Früh 8 Uhr auf, Bildhauer Freitag fängt mein Bild an in Wachs zu kopieren, auf die Art von Posch, er wird später fertig werden und nach Weimar kommen. Der Direktor der Ausgrabungen kommt meinetwegen von Torre di Annunziata nach Pompeji. Es werden in einem neuerstandenen Haus Nachgrabungen angestellt, man findet eine bronzene Schale mit einem Stiel, welcher einen Widderkopf hat, es war ein schönes Ding, ich hätte es gern gerettet, aber es ging nicht. Zugleich fand man auch das Skelett eines Ibis und einer Eule, welches höchst merkwürdig ist, da es wirklich ein Prachtzimmer war, in welchem diese Tiere existiert haben mußten. Es haben in Pompeji bloß der Kaiser von Österreich und der König von Preußen Häuser, welche ihnen zu Ehren ausgegraben worden sind, da ich aber einmal hier bin, so wollte ich versuchen, ob es nicht möglich sei, auch zu Ihren Ehren, lieber Vater, ein Haus aus der Asche wieder an das Licht zu fördern. Durch Zahns Bemühungen gelang es, und schon am ändern Morgen wurde angefangen, an Goethes Haus die durch Asche verschüttete Pforte zu öffnen, nach einigen Stunden bemerkte man schon, daß es eines der schönsten und wichtigsten seither an das Licht geförderten Häuser sein würde, denn man fand gleich eine Schale, auswendig mit Gold belegt, inwendig von Blei.
Ich hatte einen Dudelsackspfeifer mitgenommen, das tote Pompei erschien lebendig, denn Custoden und anderes Gesindel folgten mir, ich kam mir vor wie der Rattenfänger von Hameln. Sie tanzten vor dem Hause. Die Gräfin kam, ich reichte ihr eine Apfelsine, um dies neu ausgegrabene Urteil des Paris bildlich darzustellen. Ich saß auf einem alten Sims, sie stand vor mir mit der ganzen Suite. Entfernte sich dann, und ich ging nach Vitelli zurück. Ich hatte Musik bestellt von Torre Annunziata., das ganze Volk von Pompeji folgte mir, es wurde ein Mordsspektakel, alles tanzt auf einer Terrasse. Madam v. Gerlach geb. Martin kommt, das Kind fängt auch mit an, die Tarantella zu tanzen. Es kommt ein Lazaroni herauf und ich fange selbst mit demselben die Tarantella zu tanzen, man bewundert meine Kenntnis dieses Tanzes (den ich nie getanzt habe). Das Ding wird immer toller und da es eben zu dämmern anfing, so entwischte ich in die tote Stadt, durchging dieselbe, besonders meinen Lieblingsort, das Forum Nundinarium. Ich kehrte zurück, und leider war unter dieser Zeit die Gräfin Julie auch in Vitelli gewesen und hatte trotz ihrer Abneigung gegen den Tanz mit Professor Zahn einen Walzer entwickelt. Ich kam leider zu spät, um ebenfalls in einem Ländler alte Erinnerungen aufzufrischen, und nachdem ich die Musik und alles Gesindel mit Wein und Geld abgefertigt, legte ich mich zu Bett.
*
Erklärungen:
Leonhard Posch (1750-1831), deutscher Bildhauer.
„gerettet“: scherzhaft gemeint: i.S.v. »entwendet, mitgenommen«.
„Gräfin“: Gräfin Julie von Egloffstein aus Weimar, eine Reisebekanntschaft, der August v. G. dem Hof machte.
„Forum Nundinarium“: Marktplatz
Einige Tage vorher hatte man in August von Goethes Anwesenheit im »Haus des Meleager« ein Fresko »Das Urteil des Paris« ausgegraben.
(Aus: A.v.G.: Auf einer Reise nach Süden. Tagebuch 1830. München 1999. S. 184f.)
*
URL.: Das Grabmal des Goethe-Sohnes

Internet-Tipp: https://www.forum-rom.de/friedhof/august.jpg


 Literaturfreund antwortete am 10.06.05 (07:20):

Schiller war nie in Pompeji bzw. in Herculaneum, aber er beschrieb die geschichtlichen und religiösen Fragen, die sich aus einem solchen menschlichen Schicksal.

Friedrich von Schiller: Pompeji und Herculanum

Welches Wunder begibt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen,
Erde, dich an, und was sendet dein Schooß uns herauf!
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entflohne zurück?
Griechen, Römer, o kommt! o seht, das alte Pompeji
Findet sich wieder, aufs neu bauet sich Hercules' Stadt.
Giebel an Giebel steigt, der räumige Porticus öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben, herbei!
Aufgethan ist das weite Theater, es stürze durch seine
Sieben Mündungen sich fluthend die Menge herein.
Mimen, wo bleibt ihr? Hervor! Das bereitete Opfer vollende
Atreus' Sohn, dem Orest folge der grausende Chor!
Wohin führet der Bogen des Siegs? Erkennt ihr das Forum?
Was für Gestalten sind das auf dem curulischen Stuhl?
Traget, Lictoren, die Beile voran! Den Sessel besteige
Richtend der Prätor, der Zeug' trete, der Kläger vor ihn.
Reinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem Pflaster
Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich hin.
Schützend springen die Dächer hervor, die zierlichen Zimmer
Reihn um den einsamen Hof heimlich und traulich sich her.
Öffnet die Läden geschwind und die lange verschütteten Thüren!
In die schaudrigte Nacht falle der lustige Tag!
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke sich dehnen,
Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich sich hebt!
Frisch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden Farben.
Wo ist der Künstler? Er warf eben den Pinsel hinweg.
Schwellender Früchte voll und lieblich geordneter Blumen
Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor vorüber,
Emsige Genien dort keltern den purpurnen Wein;
Hoch auf springt die Bacchantin im Tanz, dort ruhet sie schlummernd,
Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch gesehn.
Flüchtig tummelt sie hier den raschen Centauren, auf einem
Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem Thyrsus ihn an.
Knaben! was säumt ihr? Herbei! Da stehn noch die schönen Geschirre.
Frisch, ihr Mädchen, und schöpft in den etrurischen Krug!
Steht nicht der Dreifuß hier auf schön geflügelten Sphinxen?
Schüret das Feuer! Geschwind, Sklaven, bestellet den Herd!
Kauft, hier geb' ich euch Münzen, vom mächtigen Titus gepräget;
Auch noch die Wage liegt hier, sehet, es fehlt kein Gewicht.
Stecket das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem Öl fülle die Lampe sich an!
Was verwahret dies Kästchen? O seht, was der Bräutigam sendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum Schmuck.
Führet die Braut in das duftende Bad, hier stehn noch die Salben,
Schminke find' ich noch hier in dem gehöhlten Krystall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernsten Museum
Liegt noch ein köstlicher Schatz seltener Rollen gehäuft.
Griffel findet ihr hier zum Schreiben, wächserne Tafeln;
Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt.
Auch die Penaten, sie stellen sich ein, es finden sich alle
Götter wieder; warum bleiben die Priester nur aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte Hermes,
Und die Victoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
Die Altäre, sie stehen noch da, o kommet, o zündet,
Lang schon entbehrte der Gott, zündet die Opfer ihm an!
*
Anmerkungen:
„curulisch“: „curulis sella“: Sessel der höheren Magistrate; allgemein: bequem
"Thyrsus": Bacchusstab
„Caduceus“: Heroldsstab
*
URL.: Schiller, pompös (aus der alten DDR)

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/exm4pgMYU


 Henriette antwortete am 13.06.05 (16:30):

Die Ausstellung in Haltern werde ich bald besuchen.Da ja mein Bein noch nicht ganz o.k. ist,muß ich etwas Geduld haben.
Henriette


 Literaturfreund antwortete am 21.06.05 (10:07):

Auch Otto Julius B i e r b a u m in den untergegangenen Städten…
(Der Autor nannte sich auch: Martin Möbius)

Geboren am 28.6.1865 in Grünberg/Niederschlesien; gestorben am 1.2.1910 in Kötzschenbroda bei Dresden.

Eine empfindsame Reise im Automobil von Berlin nach Sorrent und zurück an den Rhein

Ausflüge von Neapel (Solfatara, Pompeji, Vesuv) und Fahrt nach Sorrent

An Herrn Major Oscar von Chelius, Militärattaché bei der Kaiserlich Deutschen Botschaft in Rom

Cocumella bei Sorrent, den 26. Juni 1902.

Sehr verehrter Herr von Chelius!

Hier ist es schwer, in Prosa zu schreiben. Hier würde, glaub ich, selbst Frau Buchholz rhythmisch werden. Dies ist ein Ort, alles Häßliche zu vergessen, alle Sehnsucht zu verlernen, ganz der Gnade des Augenblicks zu leben, aus tiefstem Herzen einer Schönheit froh, die der »schenkenden Tugend« voll ist.

Hier ist der Glanz und die Klarheit, hier ist die ganze ruhige Fülle des Südens. Nur sehen sollte man hier und sollte nicht die köstlichen Gesichte stören mit Gedanken. Einfach in der Sonne liegen und das Glück einer solchen Existenz genießen, – nur dieses ziemt sich hier, und alles andre ist Sünde wider die Götter dieses paradiesischen Winkels, wo der große Pan noch lebt.

Aber wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir haben sollen.

Zwei Tage lang habe ich mich streng nach den Regeln des Ordens vom heiteren Epikurus gehalten in andächtiger Hingabe an die Schönheit, und kein frevelhafter Gedanke an das Schreibwerk hat mich heimgesucht, – aber schon sitze ich wieder im Gestühl und rühre den Federhalter, ein lebendiger Beweis für die Wahrheit des Satzes, daß wir Menschen von heute unfähig sind der göttlichen Faulheit, die zwar keine Werte schafft, aber in einen Zustand versetzt, in dem man aller anderen Werte entraten kann.
(...)

*

Fors. über die URL.:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/Xm1MIDjoi


 Literaturfreund antwortete am 21.06.05 (19:58):

Der letzte Text zu der Ausstellung über den Vesuv-Ausbruch soll von einem Italienfahrer sein, der gar nicht dort war..:
Theodor Fontane:
Pompeji oder Vom Zweck des Reisens

Sieben schöne Wochen, die wir in Venedig, Florenz, Rom und Neapel zubrachten, liegen hinter uns; unsre Erwartungen sind fast noch übertroffen worden, dennoch sind wir froh, nun wieder in der Heimat zu sein und unsrer Arbeit, unsren Kindern und Freunden leben zu können. In der Jugend, wo man noch flügger, noch weniger verwachsen mit dem Boden ist, auf dem man geboren wurde, kann einem in der Fremde, und ganz besonders in einer so schönen Fremde, der Wunsch kommen, sich auf lange niederlassen und das Herrliche ganz genießen, das Lernenswerte ganz lernen zu wollen. Man hat dann noch eine freue Wahl und kann sein Leben, sein Studium, seine Interessen an irgendein Schönes setzen, das; einem irgendwo entgegentritt. In spätren Lebensjahren ist das nicht mehr möglich; man ist dann nicht bloß mit einer Frau (wenigstens in der Regel), sondern auch mit einer bestimmten Lebensaufgabe verheiratet, die einem nun nicht mehr erlaubt, willkürlich dies und das zu tun, sondern einen mit wohltuender Gewalt in das vorgeschriebene Geleise pflichtschuldiger Tätigkeit zurückzwingt. Vor 30 Jahren hätten mich nicht zehn Pferde von Neapel weggekriegt und ich würde Kopf und Kragen daran gesetzt haben, mein Leben, oder doch ein bestes Stück davon, dem Studium Pompejis und seiner ausgegrabenen, wunderbaren Schätze zu widmen. Jetzt konnte mir dieser Wunsch nicht mehr kommen, kaum der Gedanke. All dieser Herrlichkeit gegenüber empfand ich deutlich, und nicht einmal schmerzlich, daß meine bescheidene Lebensaufgabe nicht am Golf von Neapel, sondern an Spree und Havel, nicht am Vesuv, sondern an den Müggelsbergen liegt, und inmitten aller Herrlichkeit, die nur eben bildartig gesehn und dann in den Kasten der Anschauungen hineingetan sein wollte, zog es mich an die schlichte Stelle zurück, wo meine Arbeit und in ihr meine Befriedigung liegt. Wenn es Zweck des Reisens ist, sich zu enthusiasmieren und innerhalb des Enthusiasmus sich glücklich zu fühlen, so kann man nicht früh genug auf Reisen gehn, handelt es sich umgekehrt um jene gerechte Würdigung, die verständig gewissenhaft abwägt zwischen Daheim und Fremde, zwischen Altem und Neuem, so kann man seinen Wanderstab nicht spät genug in die Hand nehmen.
(Aus einem Brief von Fontane an Mathilde von Rohr. Berlin 24.11.1874.
*
Das Ehepaar Fontane reiste 1874 durch Italie; in Neapel verbrachten sie eine Woche. In Fontane-Romane spielen Italienreisen besondere Rollen…(Aus: Th. F.: Werke. Abtl. IV. Bd. 2. München 1997. S. 490f.)
*
Fieeeets!!! Abschied aus Italien:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/QSC0vjn4C


 Literaturfreund antwortete am 02.07.05 (12:26):

Es gibt noch eine besondere Webseite für Italienfahrer (Schüler/innen oder andere Neapel-, Herculaneum,- Pompeji-Besucher): s. URL.:
*
Dort gibt es auch für andere Kulturziele (...Prag und mehr) gute Informationen:

Internet-Tipp: https://www.thomasgransow.de/Neapel/Vesuvausbruch.htm


 Literaturfreund antwortete am 02.07.05 (12:27):

Die Seite für ein anderes Ziel:
Prag und seine Kultur und Geschichte:

Internet-Tipp: https://www.thomasgransow.de/Prag/Prag_Problematik.htm