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THEMA:   Gernhardt (auf ein neues Komisches)

 25 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 05.05.05 (09:34) :

Von und über Gernhardt haben wir seit ein paar Monate hier nix gehört..:
*
Auch noch nix von ihm über Fontane, also dies:


ROBERT GERNHARDT
Lektor Lincke an Theodor Fontane

Sehr geehrter Herr von Tarne,
war das nicht Ihr werter Name?
Vor mir liegt Ihr Buchvorschlag,
welcher - doch der Reihe nach.
Erstens ist er nicht zu brauchen -
eine Frage: Darf ich rauchen,
während ich hier weitermache?
Dankeschön. Doch nun zur Sache:
Das Manuskript, das Sie geschickt,
war in der Mitte eingeknickt,
sowie in Worten abgefaßt,
was nicht zu unserm Hause paßt.
Auch störten mich die vielen Us
in Ihrem Satz »Ulf ging zu Fuß.«
Ach ja - und Ihre Fragezeichen,
die sollten Sie wohl alle streichen.
Sie wirken derart krumm und rund,
so schlangenhaft und ungesund,
daß ich mich dauernd frage: Was
bezweckt, bewirkt und soll denn das?
Sodann Ihr Stil! Schon wenn man liest,
daß Ihre Heldin Effi briest,
ist Ihre Ignoranz erwiesen:
Die deutsche Sprache kennt kein »briesen«.
Doch nun was andres: Unser Haus
bringt grade eine Reihe raus,
die sich »So brummt der Deutsche« nennt -
ich bin ganz sicher, so was könnt'
durchaus in Ihre Richtung passen.
Woll'n Sie sich mal was einfall'n lassen?
in Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich

Mit frohem Gruß
Ihr Lektor Lincke

PS Ist es erlaubt, wenn ich was trinke?
*
(In: Wörthersee. 1981; aus: Heiner Link (Hg.): eine laus im uhrengehäuse. komische gedichte. 2001. RBL 20007. S. 156)

*
URL - /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a844.html

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a844.html


 Enigma antwortete am 05.05.05 (12:04):

...ja, da muss ich doch auch noch eines bringen:

aus: Robert Gernhardt: Wörtersee, Haffmans/Zweitausendeins, '81

Robert Gernhardt: Bilden Sie mal einen Satz mit...
visuell
Vi su ell die Sonne strahlt -
als würde sie dafür bezahlt.

pervers
Ja, meine Reime sind recht teuer:
per Vers bekomm ich tausend Eier.

Minister
Aus welchem Mund dringt dies Geplärr?
"Min is ter Rachen", spricht der Herr.

Metapher
Herr Kapitän, der Steuermann
hat grade lallend kundgetan,
er brächte jetzt das Schiff zum Sinken -
me taph er wirklich nicht mehr trinken.

Symbol
Herr Dschingis Khan, das tut man nicht,
daß man in fremdes Land einbricht.
Nu aber raus mit Ihren Horden -
Sie sym bol wahnsinnig geworden!

allegorisch
Nichts wird sich ändern hier auf Erden,
bevor nicht alle gorisch werden.

sensibel
Herr Ober! Bringt mir einen Kübel!
Mir wird von diesem Nonsens ibel!


 Marina antwortete am 05.05.05 (13:23):

Sehr schön das alles, aber in einem Punkt möchte ich doch heftig widersprechen, iustitia:
"Von und über Gernhardt haben wir seit ein paar Monate hier nix gehört..:"
Stimmt nicht, ich habe schon einige Gedichte reingestellt und wir haben uns bei Kling über ihn ausgelassen. Erinnerst du dich? Sonst müssten wir uns Sorgen machen. :-)
Ich stelle gleich noch einen Text bei Prosa von ihm rein.

Hier jetzt erst noch ein interessanter Hinweis für die in der Nähe von Düsseldorf Lebenden: :-)

Sonderausstellung im Museum des Heinrich-Heine-Instituts Düsseldorf:
Robert Gernhardt: Sudelblätter im Wörtersee
vom 17. März bis zum 22. Mai 2005

Schon längst zählen die Bücher des Malers, Zeichners und Schriftstellers Robert Gernhardt zu den Klassikern der Gegenwart. Der letztjährige Heine-Preisträger paart in seinen Gedichten, Erzählungen, Bildergeschichten und Zeichnungen ungeniert Ernst und Komik.

Katalysator für Gernhardts zeichnerische Produktivität der 90er Jahre sind wohl die "Sudelbücher" von Georg Christoph Lichtenberg. Zu dessen Aphorismen hat Gernhardt "Sudelblätter" geschaffen, die seit 1992 als Serie im FAZ-Magazin erschienen sind und 1999, zum 200. Todestag Lichtenbergs, in Buchform vorgelegt wurden. In wechselnden Formen integrieren dabei Gernhardts Zeichnungen Lichtenbergs Texte ins Bild. Lichtenbergs Sprachwitz inspiriert Gernhardt zur treffsicheren Bildkomik.

Neben den 99 Sudelblättern sind signierte Buchausgaben von Gernhardt zu sehen, Materialien zu Lichtenberg und zwei Heine-Arbeiten des Heine-Preisträgers: "Heinrich Heine" und "Die Erschaffung des Heinrich Heine".

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/d9NLMKY2x


 angelottchen antwortete am 05.05.05 (16:04):

Kleine Erlebnisse großer Männer: Kant

Eines Tages geschah es Kant,
daß er keine Worte fand
Stundenlang hielt er den Mund
und er schwieg nicht ohne Grund.

Ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.

Erst als man ihn zum Essen rief,
wurd' er wieder kreativ,

und sprach die schönen Worte:
"Gibt es hinterher noch Torte?"

hach....Robert Gernhardt .. herrlich


 Marina antwortete am 05.05.05 (17:04):

Nach dem schönen Motto: Worüber man nicht reden kann, darüber sollte man schweigen. Das ist aber nicht von Kant, sondern von Wittgenstein. :-)


 iustitia antwortete am 05.05.05 (17:56):

Ja, sorry, MarinA, Du hast Recht. Ich hatte nur über Google "ST" nachgekuckt... (und anderes schon vergessen.)
*
Eine Preisfrage für Gedichtler:
("Preis"...? Ja, Lob und Preis!)-
*
Welches Gedicht ist von Gernhardt - und von wem ist das andere...?


???: Ein Gast

Das Alter klopft an meine Tür:
„Du bist da drin, ick spüre dir.“

Ich mach nicht auf und flüstre schwach:
„Lern du zuerst mal deutscher Sprach.“

Worauf der Gast zu gehen geruht.
- Ey, Aller! Das ging noch mal gut.

*
? ? ?

Das Alter ist ein höflich Mann,
Einmal übers andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: Herein!
Und vor der Tür will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißt’s, er sei ein grober Gesell.


 Marina antwortete am 05.05.05 (20:21):

Ja, das ist ziemlich schwer zu raten. Aber ich wag es mal: Das zweite von Gernhardt und das erste von iustitia?


 iustitia antwortete am 06.05.05 (09:02):

Mhm, MarinA, MarinA! ("Dein Chick und dein Charme, der gefällt!")
*
No, das e r s t e ist von Gernhardt, aus "Lichte Gedichte"!
Tja - und das zweite, das ist n i c h t von iustitia.
(Ehrlich, ich will auch mal den Forumsnamen hier wechseln. Klingt so anmaßend, gar nicht luschtig! So gerächtiglich!)
Welchen schlägst Du mir denn vor, MarinA - hier, so öffentlich, dass ich ihn dann nicht übernehmen kann?
(Ach, weißt Du überhaupt, dass ich "männlich" bin und vor Jahr und Tag hier als "Antonius" firmierte?)

*
URl.:
Das "Schweinchen" ist doch das Süßeste am St. Anton, äh, am Bild...!?
*
Ach, der Vatertag hat mich so richtig "flirty" gemacht.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/thxZp6vAw


 iustitia antwortete am 06.05.05 (09:08):

Ach - was zu einem anderen "Vatertag" -
vom Vater, der vom "Drei-Kinder-Papa­Sein" ein Gedichtel schrieb:
Robert Gernhardt - ein schönes Gedicht (statt: dichti-dichti-papa-poeta-pupsi: "ata-ata-tinki-tinki" oder so ähnlich, kommt ja aufs imitierende Lallen an, das die Kinder ins Bettchen schreckt; und die Mami zum Freu(n)d):

Robert Gernhardt:

Immer wenn ich Hause komm,
dreht es mir den Magen um.

Lieselott ist müdilein,
will jedoch nicht Betti gehn.

Peterle ist ogila­fen,
muss ganz nötig lingelang.

Franz­mann schreit, sein Hoppedie
habe hop­peheiter macht.

Grausend wend ich mich zur Kneipe,
ata ata, tinki tinki.


 Enigma antwortete am 06.05.05 (09:33):

...wollte Gernhardt da etwa auch??.....

Ermunterung
(Robert Gernhardt)

Hallo, süße Kleine,
komm mit mir ins Reine!

Hier im Reinen ist es schön,
viel schöner, als im Schmutz zu stehn,

Hier - gibt es lauter reine Sachen,
die können wir jetzt schmutzig machen.

Schmutz kann man nicht beschmutzen,
laß uns die Reinheit nutzen,

Sie derart zu verdrecken,
das Bettchen und die Decken,

Die Laken und die Kissen,
daß alle Leute wissen:

Wir haben alles vollgesaut
und sind jetzt Bräutigam und Braut.

...sorry, ist wohl etwas frivol am Morgen, aber passte gerade so schön zum "Vatertags-Effekt". :-))


 Marina antwortete am 06.05.05 (12:32):

Also ich muss doch sehr bitten, ja? Wenn das eine/ liest!!!

Hier ein Kommentar zu deinem, iustitias, "Outing" (hab dich doch längst durchschaut:

Alles klar

Was Männer an Frauen finden -
unerfindlich.
Warum sich Männer an Frauen binden -
unergründlich.
Wieso Männer nach Frauen greifen -
unbegreiflich.
Weshalb Frauen auf Männer pfeifen -
klar wie Kloßbrühe.

Robert Gernhardt


 iustitia antwortete am 07.05.05 (08:27):

Auch gut, ich geh wieder "nach innen" - die Blütenblätter der "Blauen Blume" zählen!
*
Gernhardt:

Frau und Mann:

So viele Jahre ohne Weib schon:

Kein Klagen an der Tür, kein Grüßen
Kein sehnsuchtsfeuchter Blick, kein Drängen
Kein STreichen um das Bein, kein Schnurren
Kein selbstvergessnes Mahl, kein Lecken
kein traumverlorenes Beieinander-Ruhn, kein Schlummern -

So viele Jahr schon gar kein richtiger Mann mehr.
*
URL::
Werbung für "Narbenpflege"!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/ixBzo23Ai


 iustitia antwortete am 07.05.05 (10:24):

Oweia, oweia, ein Hahn legt mir eckige, nämlich falsche Freundschaftseier ins Nest...: Da hat mich jemadn böse reingelegt - undich habe den Textn icht kontrolliert!

Das hat noch niemand gesehen - den Unsinn mit "Mann und Frau"...?

Das Gedicht muss nach dem Willen des Autors so heißen:

Robert Gernhardt:
Tier und Mensch

So viele Jahre ohne Tier schon:
Kein Klagen an der Tür, kein Grüßen
Kein sehnsuchtsfeuchter Blick, kein Drängen
Kein Streichen um das Bein, kein Schnurren
Kein selbstvergeßnes Mahl, kein Lecken
kein traumverlorenes Ruhn, kein Schlummern -

So viele Jahre schon gar kein richtiger Mann mehr.
(In: R. G.: Lichte Gedichte. S. 75)

*
Aber hier kein Bild aus früheren Zeiten, als Gernhardt noch einen "Bären", einen Nasenbären, zu Hause hütete.
*
Oder klappt's doch noch mit dem Tierchen und seinem Pläsierchen - bin gspannt?

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/i4aeesGAk


 iustitia antwortete am 07.05.05 (13:31):

Noch als Aufklärung - oder Information:

Das Gedicht ist von Goethe:

Das Alter ist ein höflich Mann,
Einmal übers andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: Herein!
Und vor der Tür will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißt’s, er sei ein grober Gesell.
*
Bei seiner Veröffentlichung in "Lichte Gedichte" hat Gernhardt diesen Hinweis nicht gegeben.
*
In der FAZ, in der "Frankfurter Anthologie" hat Klaus Cäsar Zehrer das dargestellt in seiner Interpretation, unter dem Titel "Jungbrunnen des Nonsens".


 Marina antwortete am 08.05.05 (16:50):

Hallo, hier bin ich wieder. Mit dem Raten lag ich ja wohl ganz schön daneben, allerdings meine ich, das Goethe-Gedicht hätte tatsächlich durchaus auch von Gernhardt sein können. Ja, und mit dem anderen, dass ich dir, iustitia, zugeordnet hatte, bist du ja vielleicht etwas überschätzt, aber ich nehme an, du nimmst mir das nicht übel. :-) Auf alle Fälle lag ich insofern nicht ganz und gar falsch, als ich das von dem bedeutenderen Dichter verfasste Gernhardt und nicht dir zugeordnet habe.
Gestern war ich in der Ausstellung, die ich am 05.05.05 (13:23)erwähnt habe und möchte sie unbedingt denen empfehlen, die nicht weit von Düsseldorf wohnen (noch bis zum 22.5.zu sehen). Es gibt auch eine Führung mit vielen Infos über Gernhard und Lichtenberg und Gernhardts Bezügen zu Lichtenberg. Ich habe bei dieser Ausstellung festgestellt, das er noch viel vielseitiger ist als ich wusste. Er hat ja in den 60er Jahren bei "Pardon" mitgewirkt und manche seiner Karikaturen mit prägnantem scharfsichtigen Sprachwitz erinnern auch ein wenig an Klaus Staeck, wie ich finde. Es gibt da z.B. ein Bild mit der Überschrift "Neues aus der rechten Ecke", das nichts als einen dampfenden Scheißhaufen rechts unten im Bild zeigt. Treffender kann man es ja kaum darstellen.

Die Aphorismen von Lichtenberg hat er mit witzigen oder ironischen Karikaturen versehen und aktuelle Bezüge hergestellt. Ein Beispiel ist ein Aphorismus von Lichtenberg: "Mancher Deutsche ist stolz auf Vorbilder, die sich seiner schämen würden" oder so ähnlich (den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr). Den hat Gernhardt illustriert mit der Schiller/Goethe-Doppelstatue aus Weimar und darunter drei Neonazis mit ausgestrecktem Arm.
Überhaupt ist er ein großer Zeichner und Maler; uns wurde erzählt, dass er als Maler in Italien, wo er eine lange Zeit des Jahres in der Toskana lebt, viel berühmter ist als in Deutschland, da gegenständliche Kunst zur Zeit in diesem unserem Lande nicht gefragt ist. Ja, die deutschen Fundamentalisten! Gedichte, die sich reimen und Kunst, die gegenständlich ist, sind verpönt eigentlich (ein Wunder, dass Gernhardt mit denen hier trotzdem Erfolg hat!), dabei steckt da oft 100 mal mehr Kunst drin als bei den Möchtegern-Pseudo-Neutönern oder -schmierern (s. auch Enigmas letzter Prosabeitrag, der die oft auf dem Gebiet der Kunst stattfindende "Verar(nein, keine Angst)-mung" trefflich darstellt.
Ich komme immer mehr, auch jetzt nach der Ausstellung, zu dem Ergebnis, dass Gernhard einer der größten lebenden deutschen Künstler ist. Was mich wundert, ist, dass er noch nicht den Büchner-Preis gekriegt hat; m.E. ist er dafür der nächste Aspirant, immerhin hat er ja schon den Heine-Preis.
Also hingehen, Enigma und iustitia!


 Marina antwortete am 08.05.05 (17:19):

P.S. Es gibt ja nicht zuletzt die große Heine-Ausstellung im gleichen Museum, so dass sich ein Besuch auf jeden Fall lohnt.


 iustitia antwortete am 09.05.05 (08:12):

Robert, der Dich gern hardt...:
FOLGENDER TRUNKSUCHT

Seht ihn an, den Texter
Trinkt er nicht, dann wächst er.
Mißt nur einen halben Meter -
weshalb, das erklär ich später.

Seht ihn an, den Schreiner.
Trinkt er, wird er kleiner
Schaut, wieflink undfrettchenhaft
er an seinem Brettchen schafft.

Seht ihn an, den Hummer.
Trinkt er, wird er dummer.
Hört, wie er durchs Nordmeer keift,
ob ihm wer die Scheren schleift.

Seht sie an die Meise.
Trinkt sie, baut sie Scheiße'
Da! Grad rauscht ihr drittes Ei
wieder voll am Nest vorbei.

Seht ihn an den Dichter.
Trinkt er, wird er schlichter.
Ach, schon fällt ihm gar kein Reim
Auf das Reimwort „Reim“ mehr eim.
*
URL.: R.G...

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/RoCg9bRZh


 Enigma antwortete am 09.05.05 (08:38):

@Marina
Danke für die Information!

aus: Robert Gernhardt: Wörtersee, Haffmans/Zweitausendeins, '81

Robert Gernhardt: Deutung eines allegorischen Gemäldes

Fünf Männer seh ich
inhaltsschwer -
wer sind die fünf?
Wofür steht wer?

Des ersten Wams strahlt
blutigrot -
das ist der Tod
das ist der Tod

Der zweite hält die
Geißel fest -
das ist die Pest
das ist die Pest

Der dritte sitzt in
grauem Kleid -
das ist das Leid
das ist das Leid

Des vierten Schild trieft
giftignaß -
das ist der Haß
das ist der Haß

Der fünfte bringt stumm
Wein herein -
das wird der
Weinreinbringer sein.


 Marina antwortete am 14.05.05 (13:07):

My Generation

Wir werden nicht schöner.
Wir werden nur böser.
Spielen nicht mehr Erobrer.
Hoffen nicht mehr auf Jünger.

Wir werden zwar klüger,
doch wir werden nicht weiser.
Werden älter und lauter
und uns fortwährend fremder.

Wir mögen vergessen,
doch niemals vergeben.
Uns eint eins: Ein Sterben.
Das ist unverzeihlich.

Robert Gernhardt


 Enigma antwortete am 14.05.05 (16:50):

Robert Gernhardt: Ein Sonntagnachmittag bei Strindbergs

Wahnsinn, Schreie, wildes Fluchen:
"August, da ist Gift im Kuchen!"

Irrsinn, Funkeln, Widerworte:
"Harriet, iß jetzt deine Torte!"

Keuchen, Stöhnen, hartes Zischen:
"August, dich wird's auch erwischen!"

Schrecken, Schwanken, grelles Lachen:
"Harriet, halt! Sonst sinkt der Nachen!"

Wellen, Spritzen, wirre Stimmen:
"August, tritt mich nicht beim Schwimmen!"

Gurgeln, Schnappen, heis'res Beten:
"Harriet, du hast mich getreten!"

Aufschaun, Aufstehn, bleiche Rufer:
"Schaut, da ringt ein Paar am Ufer!"

Stutzen, Setzen, leises Lachen:
"Ach, die Strindbergs! Weitermachen!"


 Enigma antwortete am 16.05.05 (18:12):

aus: Robert Gernhardt: Wörtersee, Haffmans/Zweitausendeins, '81

Robert Gernhardt: Tagesbefehl

Leute, bitte geht nach Haus,
hier bricht um zwölf der Friede aus,
dann wird nicht mehr geschossen.
Dann hat es sich mit dem Bummbumm,
wer tot ist, falle sofort um,
der Krieg wird gleich geschlossen.

Leute, bitte gebt jetzt Ruh.
Ich mach schon mal den Krieg hier zu,
man kann nicht immer meucheln.
Nein, Bäcker, jetzt wird Brot gemacht,
jetzt wird kein Feind mehr totgemacht,
jetzt heißt es Freundschaft heucheln.

Leute, bitte macht jetzt Schluß,
der nächste ist der letzte Schuß.
Nein, seid nicht gleich beleidigt.
Hört auf, sonst gibts eins vor den Bug,
ihr habt hier wirklich lang genug
das Abendland verteidigt.


 Marina antwortete am 16.05.05 (21:13):

Mein Stil

Es ist nicht mein Stil, zu hassen
und anderen böse zu sein.
Mein Stil ist vielmehr, Haß zu lassen,
zu lieben und zu verzeihn.

Es ist nicht mein Stil, zu nehmen.
Schon gar nicht, was andern bestimmt.
Mein Stil ist vielmehr, mich zu schämen
für den, der sich so etwas nimmt.

Es ist nicht mein Stil, zu lügen
und die Wahrheit zu verdrehn.
Mein Stil ist vielmehr, sanft zu rügen,
die den Weg zur Wahrheit nicht gehn.

Es ist nicht mein Stil zu quälen
und Menschen Leides zu tun.
Mein Stil ist vielmehr trösten, heilen
und manchmal auch beides zu tun.

Es ist nicht mein Stil, zu klagen,
das käme mir nie in den Sinn.
Mein Stil ist vielmehr, still zu tragen,
daß ich vollkommen bin.

Aus: Robert Gernhardt, Im Glück und anderswo


 Enigma antwortete am 17.05.05 (07:36):

Robert Gernhardt: Der Bund

Dichter Dorlamm stiftet einen Bund
zwischen sich und seines Nachbarn Hund.

Einen Bund, der ungefähr besagt,
daß ein jeder tut, was ihm behagt.

Daß der Nachbarhund zum Beispiel bellt,
wie und wo und wann es ihm gefällt.

Wobei Dorlamm ihn wo, wie und wann
jederzeit um Ruhe bitten kann.

Kann, nicht muß. So, wie des Nachbarn Hund
weiterbellen darf, auch ohne Grund.

Ähnlich klärt der Bund die Punkte Beißen,
Klauen, Betteln, Indengartenscheißen.

Fragt man Dorlamm, ob das denn was bringe,
gibt er sich erstaunlich guter Dinge.

Alles, meint er, bleibe zwar beim alten,
doch es sei nun schriftlich festgehalten.

Und daß er das schwarz auf weiß besitze,
fände er in jeder Hinsicht Spitze.

Spitze - mehr ist leider nicht zu hören.
Plötzlich bellt da wer. Der Rest ist Stören.


 Enigma antwortete am 03.07.05 (18:10):

Robert Gernhardt:
Siebenmal mein Körper

Mein Körper ist ein schutzlos Ding,
wie gut, daß er mich hat.
Ich hülle ihn in Tuch und Garn
und mach ihn täglich satt.
Mein Körper hat es gut bei mir,
ich geb' ihm Brot und Wein.
Er kriegt von beidem nie genug,
und nachher muß er spein.
Mein Körper hält sich nicht an mich,
er tut, was er nicht darf.
Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,
ihn machen Körper scharf.
Mein Körper macht nur, was er will,
macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn.
Ich wasche und beschneide ihn
von hinten und von vorn.
Mein Körper ist voll Unvernunft,
ist gierig, faul und geil.
Tagtäglich geht er mehr kaputt,
ich mach ihn wieder heil.
Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank,
er tut mir manchmal weh.
Ich bring ihn trotzdem übern Berg
und fahr ihn an die See.
Mein Körper ist so unsozial.
Ich rede, er bleibt stumm.
Ich leb ein Leben lang für ihn.
Er bringt mich langsam um.


 Enigma antwortete am 04.07.05 (07:12):

Mann, dein Pferd
ist nichts wert.
Hier: das Bein
ist zu klein.
Dort: das Ohr
steht nicht vor.
Da: der Gaul
hat kein Maul.
Schau: der Schwanz
fehlt ihm ganz.
Und es trabt
nicht so recht,
denn das Pferd
ist ein - Specht!
Du viel dumm,
ich viel klug.
Hugh!
(Robert "Winnetou" Gernhardt)


 Enigma antwortete am 06.07.05 (08:44):

Chefs Ende
Robert Gernhardt

Als einmal der Vorgesetzte
sich am Nasenbein verletzte,
rief er durch den Großbetrieb:
"Helft mir doch - ich hab euch lieb!"
Schmerzen von dem hohen Herrn
sahen die Arbeiter gern;
und nur Karlchen war's, der sachte
ihn zur Leichenhalle brachte.
"Aber ja, es ist ein Jammer!"
Karlchen seufzt' und griff zum Hammer,
schloß dann leis die Türe zu,
Vorgesetzte brauchen Ruh.
Keiner hat den Chef vermißt,
keiner fragte, wo er ist,
Karlchen meinte: "Sei'n wir ehrlich,
dieser Chef, der war entbehrlich."

Etwas böse, denn es soll ja auch nette Chefs geben, hin und wieder....
:-))