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THEMA:   Schillers Ode sentimentaler Ideologieschrott?

 16 Antwort(en).

neffets begann die Diskussion am 23.04.05 (10:07) :

Grüß euch miteinander,
(bin neu hier und muss doch gleich mal probieren einen eigenen Thread auf zu machen)
in wenigen Tagen steht uns das diesjährige Schillergedenken bevor.

Auch um hier gleichmal von einer einigermaßen überschaubaren Textgrundlage auszugehen, würde es mich mal interessieren, wer hier überhaupt noch etwas mit einem von Schillers polulärsten Geistesblitzen anfangen kann.

Ich meine hätte Beethoven (wie beim Löschen der Napoleon-Widmung in der Eroica) nicht auch längst die Schiller-Ode gegen ein Loblied des Individualismus wo nicht der Ich-AG umgetauscht, hätte er auch nur miterlebt, wie die Deutschen Nachfahren auf dem Nürnberger Parteitag das "Seid umschlungen Millionen" so ausdeuten, die Ode in ihrem "Kraft durch Freude" Projekt verwursten.

Ich meine ich könnte genausogut zum anderen ideologischen Lager sehen, bei denen Schiller in genau den selben Massenaufmärschen, Parolen von der internationalen Solidarität und was weiß ich nicht wieder auftaucht.

Und mal ernsthaft, auch wenn die Ode nun auch noch als Europahymne herhalten muss, gibt es irgendeinen, der wirklich in dieser Verbrüderungseuphorie von irgendwelchen vereiniigten Staaten von Europa denkt, etwa was die Aufnahme weiterer Mitgliedsländer angeht und da nicht vielmehr in "das Boot ist voll" Mentalität gegen Billiglohnkonkurrenz versucht abzuschotten, was abzuschotten ist? Von der politischen Beschluss- und Handlungsfähigkeit einer derart umfassenden Bruderschaft mal ganz zu schweigen.

Gehört Schillers Ode nicht eigentlich spätestens seit dem Zusammenbruch der letzten idealistischen Ideologien durch den Mauerfall endgültig in die Mottenkiste moralischer Massenautosuggestion.

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/schiller/gedichte/freude.htm


 Medea. antwortete am 23.04.05 (11:25):

Schiller hin - Goethe her -

einer Verbrüderungseuphorie war ich nie zugeneigt, mögen da noch so schöne Oden erklingen. :-)

Allerdings bezweifle ich, daß Friedrich von
Schiller die jetzige Entwicklung der EU im seherischen Fokus hatte, ;-) -

seine "Räuber" , dieser leidenschaftliche Protest gegen den Mißbrauch der Gewalt durch die Herrschenden
würde wohl heute andere Züge tragen.


 neffets antwortete am 23.04.05 (12:59):

Naja wahrscheinlich schon eher die vier Jahre nach der Ode losbrechende französische Revolution. Da hätte er eigentlich schon zu lebzeiten bekanntlich die erste ERnüchterung bekommen müssen.
Das Problem scheint mir aber weniger, ob er die EU-Erweiterung im Visier hattte oder nicht, sondern meiner Meinung nach 1) wer so alles (und zwar zu welchem eigentlichen Zweck) die schöne Ode so ins Visier nimmt und 2. Ob das Abblasen des Projektes "Verbrüderung" nun die tatsächlich seligmachende Alternative ist (Stichwort Harz4 statt Verbrüderung, Handelsbarrieren und Auslutschen der 3.Weltländer statt Verbrüderung, Das Leben als eine ununterbrochene Casting-Show, statt Verbrüderung, "Geiz ist geil" statt Verbrüderung. etc
Kurz mir ist persönlich nicht ganz klar wer der naivere von beiden ist, der altbackene Idealist oder die freigesetzte Ich-AG in der "freien" Marktwirtschaft.


 Enigma antwortete am 23.04.05 (13:36):

hallo neffets,

schön, dass Du einen Thread eröffnet hast.
Kürzlich habe ich in einem Artikel von Gernhardt etwas zum "Idealisten Schiller" gelesen, das ich - zumindest auszugsweise - (Rest-Text kann über die URL abgerufen werden)
hier wiedergeben möchte:

"....Volltreffer! Präzis anvisiert und eiskalt platziert – wie verträgt sich dieser coole Friedrich mit dem erhitzten Pathetiker Schiller? Beide sind die zwei Seiten einer Medaille, auf der das verbindende Credo eingraviert ist: Wirkung. Wirkung setzt Publikum voraus, und das braucht Schiller nicht nur aus hoch künstlerischen, sondern auch aus finanziellen Gründen.

1784 gründet er seine erste Zeitschrift, die Rheinische Thalia, die er so ankündigt: »Das Publikum ist mir jetzt alles, mein Studium, mein Souverain, mein Vertrauter. Ihm allein gehör ich jetzt an. Dieses nur fürchte ich und verehr ich.«

In diesem publikumsfreundlichen Organ erscheint 1786 eines der publikumswirksamsten Gedichte Schillers, die Ode an die Freude. Ein hochgestimmter Gesang und zugleich ein Gelegenheitsgedicht, erlebt und verfasst im Loschwitzer Landhaus des Freundes Körner und in weinfroher Runde. Schiller habe derart heftig angestoßen, dass sein Rotweinglas zersplittert sei, berichtet Körners Ehefrau Minna, worauf der Dichter die Anwesenden aufgefordert habe, ihre Gläser als Gabe an die Götter auf das Tischtuch zu entleeren und sie sodann über die Gartenmauer zu werfen. Jedenfalls wird in den 18 Strophen so viel weggetrunken, dass man sie auch Ode an die Freude an mehr als nur ein Viertele überschreiben könnte:

Freude sprudelt in Pokalen

In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmut Kannibalen,

Die Verzweiflung Heldenmut –

Brüder, fliegt von euren Sitzen,

Wenn der volle Römer kreist,

Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:

Dieses Glas dem guten Geist.

Fortsetzung!

Internet-Tipp: https://zeus.zeit.de/text/2005/02/Schiller_gernhardt


 Enigma antwortete am 23.04.05 (13:45):

Fortsetzung!

Wieso aus weingefüllten Römern bierbedingter Schaum sprützen kann, wird ebenso Schillers Geheimnis bleiben wie die Begründung seiner Behauptung, Menschenfresser seien ausgerechnet durch Alkohol zu besänftigen. 1797 beklagt sein in Frankfurt weilender Freund Goethe die dortige »Scheu gegen poetische Produktionen«. In einem Antwortbrief erklärt Schiller, wie man den trägen Lesern beikommen kann: »Man muß sie inkommodieren, ihnen ihre Behaglichkeit verderben, sie in Unruhe und Erstaunen setzen. Eins von beiden, entweder als ein Genius oder als ein Gespenst muß die Poesie ihnen gegenüber stehen.«

Genius oder Gespenst – das meint: Poesie, die wirken will, hat extrem zu sein. Bye bye Harmonie, Reinheit, Ideal und Klassik, hello Reiz, Kick, Mischung und Moderne. In seiner berühmten Marburger Rede über Probleme der Lyrik wird Gottfried Benn dem Kollegen vorbehaltlos zustimmen: »Lyrik muß entweder exorbitant sein oder gar nicht.«....

Zu der Europa-Hymne können wir uns ja nochmal Gedanken machen. :-))

Gruss Enigma


 Enigma antwortete am 23.04.05 (13:52):

Und jetzt nochmal ganz ernsthaft zu Deinen Fragen:

Nein, ich persönlich glaube nicht an die Solidarität oder Verbrüderung im "Neuvereinten Europa", sondern eher an die massive Vertretung eigener Interessen des jeweiligen Mitgliedslandes.
Wie sich täglich feststellen lässt. Leider!!


 neffets antwortete am 23.04.05 (14:45):

Hi Enigma,
wow das ist natürlich wirklich ein Volltreffer mit dem Gernhardt-Aufsatz!!!
Passt wahrscheinlich ganz gut zu Schillers Odendichtervorbild Klopstock, der ja auch mitunter in so leidenschaftlicher bis exaltierter Weise seine Oden extemporiert haben soll, dass die anwesenden Damen immer wieder zum Riechsalz greifen mussten.
Allerdings scheint der abgeklärt idealistischere Schiller, wie ihn offenbar Beethoven gelesen hat durch den alles übertönenden Schlusschor geradezu im Bewusstsein zementiert zu sein. Und Exaltiertheit hin Publikumswirkung her, erziehen wollte Friedrich S. die seinen auch nach eigenen Aussagen.
Apropos Europa, Es gibt Stimmen die Behaupten Schiller habe als geistiger Europäer mit seinen dramen systematisch den Europäischen Kontinent überzogen. Zumindest hat er mit Spanien, Italien, Frankreich, England, Deutschland und die Schweiz schon einmal einen nicht geringen Teil davon abgedeckt.
Apropos Interessen: Sorry aber wenn es wirklich unter Brüdern zugehen soll, wird man nich umhinkommen, die jeweiligen Interessen mit einander zu verhandeln.
Da gefällt mir der Staatenbund schon besser als die Epoche der Nationalstaaten mit ihren verqueren bis brutalen Nationalinteressen.
Ich denke dabei aber eher daran, wie man denn die Grenzen der Brüderlichkeit rechtfertigt.

Ja - wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund

Kurz: Dabai sein ist alles, und den Rest beißen die Hunde, zu blöd, dass man derlei nur zu gut im Umgang der EU mit dem Rest der Welt übertragen kann, wer schon alles hat der soll auch unser Freund sein, aber wen interessieren schon, Beitrittsaspiranten oder gar Entwicklungsländer.
Dann lieber noch ein bischen freudig gebechert....


 iustitia antwortete am 24.04.05 (10:53):

"Glühend für die Idee der Menschheit, gütig und menschlich gegen den einzelnen Menschen, und gleichgültig gegen das ganze Geschlecht, wie es wirklch vorhanden ist - das ist mein Wahlspruch." (Schiller!)

*

Vor vierzig Jahren, in meiner Buchhändler-Zeit, hat ein Klischee-Meister namens "hans magnus enzensberger" (ja, kleingeschrieben, wie er es damals wollte...) in einer Werkausgabe Schillers ("Insel-Schiller", drei Bände) das "Lied von der Glocke" weggelassen. Das empfand der Revoluzzer (damals Castro-high!) als zu bürgerlich-spießig, zu banal.
Da hat er Prügel bezogen - von Reich-Ranicki bis zum eigenen Verlag, dem der Zensur-Quatsch nicht aufgefallen war - und der ein Reclam-Heft "Schillers Gedichte" kostenlos zur Ausgabe beilegen ließ.
Haben wir Buchhändler gerne gemacht.
*
Dank für das Thema!


 Marina antwortete am 24.04.05 (12:13):

Es geht zwar hier nicht um Enzensberger, aber ich möchte doch ergänzend hinzufügen, dass der "Revoluzzer" inzwischen ein ziemlicher Kriegstreiber geworden ist,s. Irak-Krieg, den er schwer verteidigt hat. Wie übrigens auch Biermann. Ja, ja, wie sagt letzterer doch so schön? Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Wie wahr!
Entschuldigung für das eröffnete Nebengleis.


 neffets antwortete am 24.04.05 (17:56):

@iustitia
Bei Schiller, war wenn ich mich nicht irre das "bürgerliche" ja gerade das "revolutionäre". Kurz die Übersetzung Kants Selbstverantwortung in die Sprache der Dichtung.

Ich habe Schiller eigentlich immer sehr gemocht, weil mir alles superspannend und kraftvoll vorkam, für meine Begriffe oft viel erwachsener als der manchmal viel betulichere Goethe.

Zugleich war er mir aber auch etwas ungeheuer, weil ich immer den Eindruck hatte, er zwinge sich seinen Idealismus tatsächlich selbst mit jener Gewalt ab, von der er in der "Erziehung" (wenn ich mich recht erinnere) behauptet in der Kunst müsse der Künstler die Gewalt, die er zur Erreichung seines ästhetischen Ideals anwende, gleichzeitig restlos verbergen, damit alles als vollkommenes Spiel "erscheine". Der Politiker dagegen müssten seiner Meinung nach wirklich auf diese Gewalt verzichten.

Wenn man daran denkt, was Safranski über die Gesundheit Schillers berichtete, die so hinüber war, das er eigentlich ohnehin schon 10 Jahre länger gelebt habe, als es ein solcher Körper überhaupt zulassen dürfte, habe ich immer das Gefühl, der Preis von Schillers Ideen, auch jener Freude und Verbrüderungsutopie der Ode, sei in Wirklichkeit viel höher und verleite nur zu leicht in der Begeisterung, diese auch mit aller Willensmacht durchsetzen zu wollen, wobei sich dann aber eben immer die frage stellt, wie lange die Puste reicht.

(Ich fand es zum Beispiel nicht wirklich überraschend, dass es der sog. "real existierende Sozialismus" auch nicht länger als Schiller auf deutschem Boden durchgehalten hat!)

Auch Beethoven ist ja so ein Kraft- und Willensmensch und seine 9. nicht der geringste Beweis dafür.

Kurz, ich hätte die Ode ehrlich gesagt lieber von jemandem wie Jean Paul bekommen, der sich nicht zu retten weiß vor wunderbaren Einfällen, und trotzdem in aller Gemütsruhe bei täglich einem Viertele Frankenwein in seiner Bayreuther Stammschänke alt werden kann.

(@marina: Ich weiß nicht was Enzensberger dazu gesagt hätte, und was er jetzt dazu sagen würde. Meinetwegen darf sich jeder 100 Mal völlig neu entwerfen, solange er einigermaßen nett den anderen gegenüber bleibt.)


 Enigma antwortete am 25.04.05 (09:58):

...
Wir können ja auch was von Bettina Wegner nehmen. Das kann man auch mitsingen. Und sie hat es schon vor über 20 Jahren gesungen: :-)
aus: Bettina Wegner: Von Deutschland nach Deutschland ein Katzensprung, Rowohlt '86

"Bettina Wegner: Wo Gewalt herrscht, wird Widerstand zur Pflicht

Wir haben geschrien und laut protestiert
daß wir keine Raketen im Lande wolln
und obwohl wir viele warn, ist es passiert
daß wir heut dieses Land mit Raketen teiln solln
Warum teilen wir nicht mit der Dritten Welt
damit keiner, der dort lebt, verhungern muß
Warum geben wir nicht von unserem Geld
für den Mangel, denn hier herrscht Überfluß
Den stecktet ihr frech in die Rüstung rein
und ihr habt euch gedrückt um den Volksentscheid
auch gegen unser lautstarkes Nein
Es kann sein, daß ihr bald am Ende seid
Denn ihr dürft nicht denken, das wär euer Sieg
es wär schön, wenn ihr bald die Rechnung bekämt
für die Angst der Menschen vor eurem Krieg
wir sind traurig und wütend, doch sind nicht gelähmt
Ich will es nicht dulden, Herr Feldmarschall
denn ich bin ein Mensch und kann Angst verstehn
diese Angst vor dem atomaren Knall
ich will einfach noch meine Enkel sehn
Eine Welt will ich, wo man leben kann
und die Kindeskinder der Enkel auch
und zu essen für jede Frau, jeden Mann
eine Welt, die euch Generäle nicht braucht
Ihr seid die Macht und die hat stationiert
ihr habt nicht nach unseren Wünschen gefragt
unsere Meinung hat euch einen Dreck interessiert
darum wird sie euch deutlich und laut gesagt
wir machen weiter, denn wir sind noch nicht quitt
wir wolln eure Scheißraketen nicht
Schrottet ein oder nehmt sie wieder mit
Wo Gewalt herrscht, wird Widerstand zur Pflicht!"


 hansmann antwortete am 26.04.05 (06:16):

Beiläufig gesagt:
mir wäre nie in den Sinn gekommen,
bei echter Literatur nach
"sentimentalem Ideologieschrott"
zu fragen.

:-)


 mart antwortete am 26.04.05 (09:52):

"seid umschlungen Millionen --- diesen Kuß der ganzen Welt"

Es wäre doch sinnvoller anstelle dessen zu singen.

"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" - und vor allem "liebe und achte dich selbst"



Davon hätte Milliarden Menschen mehr als von der Umschlingung und von einem Kuß:-)))


 mart antwortete am 09.05.05 (08:02):

"Schillers Ode sentimentaler Ideologieschrott?"


Und Vernebelungstaktik autoritärer Systeme -

Im Herbst 1945 wurde Schillers Ode von einem eingeflogenen Sowietchor zur Feier der Russischen Oktoberrevolution im besetzten Wien aufgeführt -

Das Ziel "Seid umschlungen, Millionen,..."wurde zum Glück zumindest in Österreich nicht dauerhaft erreicht:-)


 iustitia antwortete am 09.05.05 (08:27):

Ziemlich liebloser Unsinn, Schiller vorzuschreiben, was er damals, noch zu der "Räuber"-Zeit in Mannheim in Metaphern ausdrücken wollte.
Dass es bei mart die "Selbstliebe" sein muss (oder verscheibt er sich noch mehr Auto-Medizin ob Bedürftigkeit..?) ist schon verräterisch, individualistisch.
*
Rp.: Vielleicht noch ein bisschen "Feindesliebe", wenn der Feind das Selbstische ist.
*
"Rp. Tolerantia normalis dosim repetatur."
*
URL.: Rezept, auch für Nicht-Hühner.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/vBEo5mpt1


 mart antwortete am 09.05.05 (10:17):

iustitia,

Wie so oft weiß ich nicht, was ich mit deinem Beitrag anfängen soll.


"Ode an die Freud
O Freunde, nicht diese Töne! // Sondern lasst uns angenehmere anstimmen
Und freudenvollere!

Freude schöner Götterfunken, // Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken, // Himmlische dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder, // Was die Mode Streng geteilt;
Alle Menschen werden Brüder, // Wo dein sanfter Flügel weilt.

[...]
Froh, wie seine Sonnen fliegen // Durch des Himmels prächt'gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn, // Freudig, wie ein Held zum Siegen

Seid umschlungen, Millionen // Diesen Kuss der ganzen Welt!
Bruder! Über'm Sternenzelt // Muss ein lieber Vater wohnen
Ihr stürzt nieder, Millionen? // Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such' ihn über'm Sternenzelt! // Über Sternen muss er wohnen."


Ich persönlich finde die Beethovens 9.Symphonie großartig und sie hat mich schon als Jugendliche zu Tränen gerührt. (Das schreibe ich wohlwissend mich hier vielfältigen Spott auszusetzen.)


Trotzdem fasziniert mich die Möglichkeit des Mißbrauchs
der Schillerschen Euphorie durch autoritäre Systeme.

Ich finde es durchaus interessant, daß Schillers Ode an die Freude sowohl im Kommunismus der Sowjetunion als auch in der EU Verwendung finden konnten/können.

»Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!«:-)))


 Marina antwortete am 09.05.05 (10:53):

"Ich persönlich finde die Beethovens 9.Symphonie großartig und sie hat mich schon als Jugendliche zu Tränen gerührt"

Ging mir genauso, und ich habe den Schlusschor selber mal im Konzert mitgesungen und habe eine Aufnahme mit Furtwängler, die einem wirklich sehr unter die Haut geht. Auch der hat ja einige dunkle Flecken in seiner Vergangenheit.
Ich möchte aber trotzdem dafür plädieren, die Schuld für den Missbrauch großer Kunst nicht bei den Künstlern zu suchen. Kunst kann immer missbraucht werden, daran sind nicht die Künster, sondern die jeweils am Missbrauch Beteiligten schuld. Wenn Schiller die NS-Herrschaft oder den Stalinismus damals gekannt hätte, hätte er das sicher nicht so formuliert. Jedes Kunstwerk steht in der Tradition einer Epoche. Schiller hat mit diesem Text eine völkerversöhnende Freundschaft beschwören wollen und ihn sehr idealistisch gemeint, meine ich (auch Nietzsche ist im 3. Reich missbraucht worden). Ich bin da aber auch keine Expertin, vielleicht hat iustitia eine genauere Interpretation mit Hintergrundinformationen zu diesem Gedicht?