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THEMA:   Thomas Kling gestorben

 9 Antwort(en).

tiramisusi begann die Diskussion am 07.04.05 (11:31) :

nachdem sich die Todesfälle prominenter Menschen des Zeitgeschehens in den letzten Tagen so gehäuft haben, möchte ich an Thomas Kling erinnern, den Hardcore-Lyriker und Spracharchäologen, der letzten Freitag im Alter von 47 Jahren verstarb.

Hohe und zahlreiche Auszeichnungen erhielt er - wie zB den
1. Preis beim NRW-Dichtertreffen in Düsseldorf 1986, den Förderpreis für Literatur der Stadt Düsseldorf 1987, den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen 1989, das Rolf Dieter Brinkmann- Stipendium der Stadt Köln 1990, den Förderpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie 1991 sowie den 1. Else Lasker-Schüler-Preis für Lyrik der Else Lasker-Schüler- Gesellschaft Wuppertal 1993. Aber einen Dichter kann man nicht an seinen Auszeichnungen messen sondern wohl nur daran, wie er auf einen selbst wirkt, mögen andere ihn noch so hochjubeln oder niedermachen. Kling ist keine gefällige Lyrik und keine leichte Kost und seine Bücher faszinieren und stossen gleichermassen ab aber man legt sie auch nicht wieder aus der Hand. Die Faszination Sprache dieses Lyrikers springt auf jeden über, der sich über die ersten schweren verbalen Stolpersteine hinübergemüht hat, die er jedem Lesewilligen in den Weg legt.

Die "Neusser Gesamtzeitung" schreibt:
Bei aller Trauer über den Verlust eines der größten deutschen Lyriker tröstet es gleich in zweifacher Hinsicht, dass derzeit ein wunderbares Buch von ihm im Handel ist und Thomas Kling zudem die Aufnahme diese letzten Werkes in den Medien und unter Kollegen mit großer Befriedigung wahrgenommen konnte. „Auswertung der Flugdaten“ ist dabei nicht nur ein lyrisches Vermächtnis, das noch einmal die ganze Bildkraft des überaus sprachverdichtenden und zugleich -spielerischen Mannes widerspiegelt, sondern im Sinne des Wortes auch ein Abbild des Menschen Thomas Kling vermittelt. Nicht nur, weil er seine Krankheit in dem Zyklus „Gesang von der Bronchoskopie“ thematisierte, sondern auch, weil er leibhaftig das Cover des Buches ziert
-------
Thomas Kling starb an Lungenkrebs.

Veröffentlichungen:
Seine ersten Gedichte veröffentlichte der in Bingen geborene Thomas Kling bereits 1977 als Abiturient in Düsseldorf. Sein erster Gedichtband mit dem Titel „Erprobung herzstärkender Mittel erschien 1987. Danach folgten unter anderem: „geschmacksverstärker 1985-1988“ (1989); „brennstab“ (1991), „nacht.sicht.gerät“ (1993), „wände machen“ (1994) und „wolkenstein.mobilisierun“ (1997) zusammen mit Ute Langanky, „das haar der berenice“ (1997), „Fernhandel“ (1999), „Botenstoffe“ (2001), „Sondagen“ (2002), „Auswertung der Flugdaten“ (2005); außerdem die Anthologie „Sprachspeicher“ (2001).


Ein Interview in der FAZ ist hier nachzulesen:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/p8hDu8Qd2


 Marina antwortete am 07.04.05 (12:41):

Ich kann die Lyrik Th. Klings nicht beruteilen, da ich ihn bisher nur dem Namen nach kannte. Aber folgende Antwort in dem von dir eingestellten Interview, bezogen auf Robert Gernhardt, hat mich doch ziemlich sauer gemacht und nimmt mich nicht gerade für ihn ein:
"Wenn jemand so etwas behauptet, handelt es sich meistens um einen Alles- und Nichtskönner. Man kann in allem handwerksmeisterlich herumpfuschen. Aber wirklich einen Personalstil zu entwickeln, das bedeutet vor allen Dingen, dass man früh seinen Beruf ernst nimmt."

Ist das Eifersucht auf einen Kollegen, der sehr viel berühmter und erfolgreicher ist? So ein Vorwurf an Robert Gernhardt, der viel, viel mehr beherrscht als epigonale Pfuscherei und ausgesprochen vielseitig, für meine Begriffe sogar ziemlich "genial" ist, ärgert mich sehr.


 tiramisusi antwortete am 07.04.05 (13:16):

Es ist der pure Schlagabtausch, Marina - auch der sehr geschätzte Robert Gernhardt liess kein gutes Haar an Thomas Kling :-)

Klar ausgedrückte Antipathie ist sicher ehrlicher als gekünzelte Sympathie oder gar Anerkennung. Man sollte als Leser nicht in die Fussfalle treten und "Partei" ergreifen sondern wirklich jeden für sich beurteilen - egal, ob die beiden sich mochten oder nicht.

https://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=316

https://literaturbeilage.zeit.de/show_article?ausgabe_id=12&artikel_id=200151_L-Anthologien&rubrik_id=152


 iustitia antwortete am 07.04.05 (15:03):

Hier auf Klingelinge-Klings Tod hinzuweisen, war mir nicht in den Sinn gekommen.
Jetzt ist sein verhaltensgestörter Verbalismus ausgesungen.
Im Krach seiner Vorträge, unterjohlt von Jüngern, war nichts von seinen Aussagen verständlich.
Dass er einmal den Lasker-Schüler-Preis erhielt, war ein Missverständnis der Wuppertaler "Macher".
*
Auf Gernhardt
kann man bau'n, schaun, vertrau'n.

"Kling" war
Geratter, Geknatter,
Gebatter,
Getatter.
**
Oder welches Gedicht würdest Du hier vorstellen, Angelika?
*
URL - Die Zigaretten assonierten schon mit.

Internet-Tipp: https://www.gezett.de/autoren/1998006705.jpg


 Marina antwortete am 07.04.05 (15:20):

Herrlich, deine Wortmalerei dazu!


 tiramisusi antwortete am 07.04.05 (16:58):

zB dieses:
funde von bildchen am rand, die ramponierten idole.
verlautbarungen aus der idyllenanstalt. bildfunken eines
angeschlagenen römischen reliefs, gewaltdarstellung.

hier hat natur in abgelegenem gelände ein kunstwerk
hingeklotzt. Dianas täuschend echte badegrotte, aus der,
durchsichtig bis zum grund, die quelle klingelt, plot.

wo D., nackt, von A. ertappt, nicht lange fackelt, wenig
worte macht: was mit tabubruch, poren, haarigem tod.
rasant führt das zu sprachverlust, hirschzellen, hornschwer

wird sein kopf. ein röhren-echo, keine stille, da bis zum
schluß ja dieser hirschprojektor schnurrt. dann riß. antike,
beschleunigt, als jagdstück. wie schlafstörungen das licht.
....

wie gut, dass die Geschmäcker so verschieden sind, es wäre sonst ja nicht auszuhalten :-) Ob er denn einen Preis zu recht oder unrecht erhalten hat, dürfte auch dir, iustitia, nicht wirklich zustehen. was Kling schon wieder wirklich sympatisch macht ist die Tatsache, dass ihn Verstehens- und Verständigungskulte genau so angeödet haben wie "Publikumsnähe" - und er hat die Geduld des Publikums in seinen Lesungen sicher ähnlich ausgereizt wie Kerkeling mit seinem "Hurz" - und schwupps, wurde alles mögliche hinein- und herausinterpretiert. Gefällig wollte er nie sein, auch nicht authentisch. Irgendwer schrieb es in einem Nachruf: Er war ein grossartiger Profi der Inszenierung, nicht der Selbstdarstellung. ...und gefallen wollte er nicht wirklich - allein das macht ihn sympatisch.
Aber Robert Gernhardt liebe ich trotzdem ;-)


 Marina antwortete am 07.04.05 (18:39):

Kerkelings "Hurz" gefällt mir besser. :-))) Der hat wenigstens Humor, so wie auch Gernhardt und unser über alles geliebter Loriot (krawehl, krawehl, was man von vielen ernsthaften Lyrikern leider nicht behaupten kann.
:-)


 tiramisusi antwortete am 07.04.05 (19:49):

da liegt der witz auch erkennbar näher :-)


 iustitia antwortete am 07.04.05 (21:45):

Natürlich sag ich meine Meinung über die Angemessenheit von Klingelei in Verbindung mit Ernst, Humor, Zoff, Tinnef und wunderbarster Methaporik und einer ungeheuren Tragik bei der Lasker-Schüler, der Geschundenen.
Davon hat ein "Kling"el garnix gehabt!

Und es gibt in der Kunst nix anderes als begründete und vergleichende Urteile - s. in dem nächsten Beitrag, da hat ein Mann sich mit der "ELSE" liebe- und kunstvoll beschäftigt - und etwas überliefert, was für ihn und die Jüdin ELSCH relevant war:
*
URL: Die Else, die Blüte der Lyrik!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/q7MJXzYBd


 lola antwortete am 10.04.05 (08:44):

Naja nun "garnix gehabt" scheint mir doch ein bisschen übertrieben.
OK, Kling muss ja nun wirklich nicht jedermans Sache sein (dafür gibt es ja noch genug andere Lyriker für alle Lebens- und Geschmackslagen), aber so unverständlich "klingt" das folgende Liebesgedicht für meine Ohren dann nun auch wieder nicht.

braue

dann: du, unverwandt, mit ganz unaus-
sprech, mit den ganz unaussprechlichen
augen und namen das alles geht unter
dem schutz unserer hände vor sich. lippen,
und denen ablesen: nachtübung auch dies. die nacht-
namen, im o-ton, haben ähnlichkeit das geb ich zu:
wie aber wir sie handhabten mit unseren, ähnlich-
machten in unserer zunge war irgendwann keine
frage (»mehr!«). kein aber bleibt unter
unverwandt staunenden brauen

(T.Kling, aus: brennstabm Gedichte 1988-1990)