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THEMA: Stark wie der Tod ist die Liebe - II
36 Antwort(en).
hl
begann die Diskussion am 03.12.04 (19:48) :
Ein neues Kapitel eröffnet mit den letzten zwei Beiträgen.
"Still wie die Nacht und tief wie das Meer, soll deine Liebe sein! Wenn du mich liebst, so wie ich dich, will ich dein eigen sein. Heiß wie der Stahl und fest wie der Stein soll deine Liebe sein!"
(eingesetzt von pilli)
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Ludwig Verbeek
Dichterliebe
Ich baue ein Haus von Wörtern um dich
Wenn alles vermauert ist stehe ich draußen,
fällt mit dem Punkt die Tür ins Schloß.
Mach mich davon mit dem einzigen Schlüssel
(eingesetzt von Enigma)
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wanda
antwortete am 05.12.04 (07:12):
hl ich schätze Deine Bemühungen sehr, für mich sind sie zu offensichtlich und das hindert bei mir die Spontaneität. Und von Liebe zu sprechen steht mir hier im St jetzt nicht der Sinn. LG wanda
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Enigma
antwortete am 05.12.04 (08:33):
Gabriela Mistral Die Welt
Sie lieben sich nicht - heißt es - weil sie sich nicht suchen. Sie haben sich nicht geküßt, denn sie ist noch unberührt. Sie wissen nicht, daß wir uns hingaben in einem einzigen Blick! Deine Arbeit ist weit von der meinen, und mein Platz nicht zu deinen Füßen. Und trotzdem fühle ich, während ich arbeite, daß ich dich hineinwebe in die Kette der wollenden Fäden, daß du spürst, fern von mir, wie mein Blick über dein gesenktes Haupt fällt. Und vor sanfter Süße springt dir schier das Herz! Ist der Tag gestorben, treffen wir uns für ein paar Augenblicke. Liebesweh aber trägt uns bis zum nächsten Abend. Die sich in der Wollust verzehren, ohne eins zu werden, wissen nicht, daß wir durch einen einzigen Blick Gatten sind.
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/fremd/mistral.htm
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pilli
antwortete am 05.12.04 (23:48):
wer hat denn da meine geheim-tipp seite, die "deutsche-liebeslyrik" entdeckt?
:-)
... Ihr Bild Augen, die zu schlafen scheinen, Zwischen Träumen, zwischen Weinen, Um in plötzlichem Erwachen Morgenklar Dich anzulachen; Lippen, wie des Schweigens Schwelle, Dem gefangnen Seufzer wehrend, Plötzlich dann in Frühlingshelle Lieb' und Leidenschaft verklärend; Stirn, so schneeig rein und klar, Wie das Eis der Heimath war. Mit dem goldig hellen Bogen Diesen Lebensquell umzogen, Den der Wimper zarte Schatten, Hier und da zur Dämmrung matten; Fluthet Anmuth auf und nieder, Allbelebend Gang und Wesen, Kannst im Spiel der schlanken Glieder Allahs Schöpferwort Du lesen Wie im ersten Weltenjahr, Als die Erde Eden war.
(Adele Schopenhauer)
Internet-Tipp: https://www.wortblume.de/dichterinnen/schop147.htm
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Enigma
antwortete am 06.12.04 (09:13):
Ja, Pilli, so haben wir alle unsere Quellen....:-)
Hellmuth Opitz
Zwei oder drei Abende, an denen alles gelingt
Zwischen Küssen Knöpfen Küssen perlen meiner Geliebten die seltsamsten Worte aus dem Mund. Plüsch, sagte sie eines milden Abends als alle Bäume wie Ampeln auf Grün sprangen. Ein andermal: feucht. Oder: Raumpflegerin. Was weiß ich, woher das kam, woher sie das nahm, weiß Gott, es gibt schönere Worte. Wie Anorak. Oder April. Aber sie wollte es so und sie wartet nicht gern und schade wär`s um ihre Freude.
So ist sie, meine Geliebte. Sie mag Hymnen, die ich nicht mag und liebt Helden, die ich nicht liebe. Aber wenn sie mich küßt, so heftig wie jetzt, könnte ich sterben für ihre Ungeduld. An einem Abend wie diesem, der uns sanft in Gewalt hat wo sie nackt durch das gebändigte Licht geht und ich sie frage: Wo steht denn das, daß ich nicht hinschauen darf? Hier, sagt sie und lächelt wie der Frühling, wenn er Narzissen sprengen geht.
Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/autoren/opitzhellmuth.htm
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pilli
antwortete am 07.12.04 (00:33):
fein, daß nicht auch hier "Knecht Rupprecht" bei den "Liebesgedichten" seinen knüppel schwingt :-)
oder sollte er ein guter liebhaber gewesen sein und ich weiß nix davon?
:-)
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Wir saßen am Feldrand und sahen ins Land, die Erde schien ausgestreckt wie eine schwielige Hand, in ihren Runzeln und Hügeln ein Haus manchmal stand. Die letzte Sonne sah uns ins Gesicht, sie färbte uns bräuner mit bronzenem Licht; wir wurden wie Köpfe, die man auf Münzen sticht. Dann versanken die Bäume und wichen aus, die Felder verlöschten, es schwand Dorf und Haus, und die Mondsichel wuchs aus den Ähren heraus. Es raschelt im Korn und knirscht noch ein Stein, es fielen noch Rufe ins Dunkel hinein, – dann durften wir Schulter an Schulter im Endlosen sein.
Max Dauthendey
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Enigma
antwortete am 07.12.04 (08:58):
Ich weiss auch nichts davon, Pilli. Ob es das Geheimnis von Knecht Ruprecht bleiben wird..??:-)
Max Dauthendey Im Küssen fanden wir noch kein Wort....
Die Raben schreien wie verwundet und prophezeihen Nacht und Not, der Frost hat jede Tür umstellt, und der Hungerhund bellt. Wir halten uns immer noch eng umschlungen, im Küssen fanden wir noch kein Wort, die Lerchen haben sich tot gesungen, und Wolken wälzten den Sommer fort. Doch dein Haupt, das in meinen Armen sich wiegt, weiß nicht mehr, wo die Erde liegt.
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pilli
antwortete am 08.12.04 (20:13):
Enigma :-) ist es nicht interessant, wie lange schon die rechte art zu küssen, anlass zu mancherlei überlegungen gab?
:-)
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Wie er wolle geküsset seyn
Nirgends hin / als auff den Mund / da sinckts in dess Hertzens Grund. Nicht zu frey / nicht zu gezwungen / nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig / nicht zu viel! Beydes wird sonst Kinder-spiel. Nicht zu laut / und nicht zu leise / Beyder Mass' ist rechte Weise.
Nicht zu nahe / nicht zu weit. Diss macht Kummer / jenes Leid. Nicht zu trucken / nicht zu feuchte / wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte / nicht zu weich. Bald zugleich / bald nicht zugleich. Nicht zu langsam / nicht zu schnelle. Nicht ohn Unterscheid der Stelle.
Halb gebissen / halb gehaucht. Halb die Lippen eingetaucht. Nicht ohn Unterscheid der Zeiten. Mehr alleine denn bei Leuten.
Küsse nun ein Jedermann / wie er weiss / will / soll und kan. Ich nur und die Liebste wissen / wie wir uns recht sollen küssen. Paul Fleming (1609-1640)
Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de
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Enigma
antwortete am 10.12.04 (07:26):
...völlig richtig, Pilli. Sie wird aber auch weiterhin noch Anlass zu Überlegungen sein, denke ich. Aber jetzt kann ich auch nicht widerstehen .... :-)
Franz Grillparzer Kuß
Auf die Hände küßt die Achtung, Freundschaft auf die offene Stirne, auf die Wange Wohlgefallen, selge Liebe auf den Mund; aufs geschloßne Aug die Sehnsucht, in die hohle Hand Verlangen, Arm und Nacken die Begierde, überall sonsthin Raserei.
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marie2
antwortete am 10.12.04 (11:49):
Schneezeitslied
Jetzt komm schnell Schnee fällt und bleibt liegen Zwei gehören zusammen den Weg zu stapfen. Nimm
mich bei der Hand und mach den Schirm zu der nächste Schritt ist doch klar Mann:
Zwei Flocken ein Paar weißes Hochzeitsgetümmel Es schneit es schneit und der Schnee bleibt liegen!
Ulla Hahn
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pilli
antwortete am 11.12.04 (08:25):
Der Gattenmörder
Vater und Kind gestorben ruhen im Grabe tief, die Mutter hat erworben seitdem ein andrer Lieb.
Da droben auf dem Schlosse da schallt das Hochzeitsfest, da lacht's und wiehern die Rosse, durchs Grün ziehn bunte Gäst'.
Die Braut schaut ins Gefilde noch einmal vom Altan, es sah so ernst und milde sie da der Abend an.
Rings waren schon verdunkelt die Täler und der Rhein, in ihrem Brautschmuck funkelt nur noch der Abendschein.
Sie hörte Glocken gehen im weiten tiefen Tal, er bracht der Lüfte Weben fern übern Wald den Schall.
Sie dacht: "O falscher Abend! wen das bedeuten mag? wen läuten sie zu Grabe an meinem Hochzeitstag?"
Sie hört im Garten rauschen die Brunnen immerdar und durch die Wälder Rauschen ein Singen wunderbar.
Sie sprach: "Wie wirres Klingen kommt durch die Einsamkeit, das Lied wohl hört ich singen in alter, schöner Zeit."
Es klang, als wollt sie's rufen und grüßen tausendmal - so stieg sie von den Stufen, so kühle rauscht das Tal.
So zwischen Weingehängen stieg sinnend sie ins Land hinunter zu den Klängen, bis sie im Walde stand.
Dort ging sie, wie in Träumen im weiten, stillen Rund, das Lied Klang in den Bäumen, von Quellen rauscht der Grund.
Derweil von Mund zu Munde durchs Haus, erst heimlich sacht und lauter geht die Kunde: die Braut irrt in der Nacht.
Der Bräut'gam tät erbleichen, er hört im Tal das Lied, ein dunkelrotes Zeichen ihm von der Stirne glüht.
Und Tanz und Jubel enden, er und die Gäst' im Saal, Windlichter in den Händen, sich stürzen in das Tal.
Da schweifen rote Scheine, Schall nun und Roßehuf, es hallen die Gesteine rings von verworrnem Ruf.
Doch einsam irrt die Fraue im Walde schön und bleich die Nacht hat tiefen Grauen, das ist von Sternen so reich.
Und als sie war gelanget zum allerstillsten Grund, ein Kind am Felsenhange dort freundlich lächelnd stund.
Das trug in seinen Locken einen weißen Rosenkranz, sie schaut es an erschrocken beim irren Mondesglanz.
"Solch Augen hat das meine, ach meines bist du nicht. und ruht ja unterm Steine, den niemand mehr zerbricht.
Ich weiß nicht, was mir grauset, blick nicht so fremd auf mich! ich wollt, ich wär zu Hause." "Nach Hause führ ich dich."
Sie gehn nun miteinander, so trübe weht der Wind, die Fraue sprach im Wandern: "Ich weiß nicht, wo wir sind.
Wen tragen sie beim Scheine der Fackeln durch die Schlucht? O Gott, der stürzt vom Steine sich tot in dieser Kluft!"
Das Kind sagt: "Den sie tragen, dein Brräut'gam heute war, er hat meinen Vater erschlagen, 's ist diese Stund ein Jahr.
Wir alle müssen's büßen, bald wird es besser sein, der Vater läßt dich grüßen, mein liebes Mütterlein."
Ihr schauert's durch die Glieder: "Du bist mein totes Kind! Wie funkeln die Sterne nieder, jetzt weiß ich, wo wir sind." -
Da löst sie Kranz und Spangen, und über ihr Angesicht Perlen und Tränen rannen, man unterschied sie nicht.
Und über die Schultern nieder rollen die Locken sacht, verdunkeln Augen und Glieder, wie eine prächtige Nacht.
Ums Kind den Arm geschlagen, sank sie ins Gras hinein - Dort hatten sie erschlagen den Vater im Gestein.
Die Hochzeitsgäste riefen im Walde auch und ab, die Gründe alle schliefen, nur Echo Antwort gab.
Und als sich leis erhoben der erste Morgenduft, hörten die Hirten droben ein Singen in stiller Luft.
(Joseph Freiherr von Eichendorff)
Internet-Tipp: https://www.gutenberg.de
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Enigma
antwortete am 11.12.04 (08:28):
Heinz Kahlau Das Paar
Sie lagen Bein an Bein, wie sie gestorben waren,
bis man sie fand.
Sie lagen so seit sechzigtausend Jahren.
Man löste seine Hand aus ihrer Hand.
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pilli
antwortete am 12.12.04 (11:25):
"Now Winter Nights Enlarge"
Now winter nights enlarge The number of their hours, And clouds their storms discharge Upon the airy towers. Let now the chimney blaze And cups o'erflow with wine, Let well-tuned words amaze With harmony divine. Now yellow waxen lights Shall wait on honey Love, While youthful revels, masques, and courtly sights Sleep's leaden spells remove.
This time doth well dispense With lovers' long discourse; Much speech hath some defense, Though beauty no remorse. All do not all things well: Some measures comely tread, Some knotted riddles tell, Some poems smoothly read. The Summer hath his joys, And winter his delights; Though Love and all his pleasures are but toys, They shorten tedious nights.
(Thomas Campion 1617)
...
lesenswert fand ich dazu eine interpretation von Jürgen Meyer; mehr davon im u.a. link
:-)
Internet-Tipp: https://www.anglistik.uni-halle.de/elit/readme/winter02.htm
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Enigma
antwortete am 13.12.04 (09:12):
Danke für das Gedicht und den Link mit den Erläuterungen dazu. :-)
Ulla Hahn
Bildlich gesprochen
Wär ich ein Baum ich wüchse dir in die hohle Hand und wärst du das Meer ich baute dir weiße Burgen aus Sand.
Wärst du eine Blume ich grübe dich mit allen Wurzeln aus wär ich ein Feuer ich legte in sanfte Asche dein Haus. Wär ich eine Nixe ich saugte dich auf den Grund hinab und wärst du ein Stern ich knallte dich vom Himmel ab.
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pilli
antwortete am 14.12.04 (22:04):
Körper in Cafès
Körper in Cafés verstehn es, nicht zu sagen, was sie meinen. Trinken cool aus großen Gläsern, statt vollrohr in sie zu weinen.
Haben kein Problem mit Gesten, das sie quasi null bedeuten: Sich umarmen geht ganz easy, man umarmt sich ja vor Leuten.
Aber dann in den vier Wänden müssen Körper Flagge zeigen. Voll hängt er in ihren Sielen und die Hölle voller Geigen. (Robert Gernhardt)
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Enigma
antwortete am 15.12.04 (19:34):
Hans Kruppa Freiheit
Freiheit, erkauft durch Oberflächlichkeit in der Liebe, ist zu teuer bezahlte Freiheit.
Liebe, erkauft durch den Verlust der Freiheit, ist zu teuer bezahlte Liebe.
Liebe, die keine Freiheit kostet, und Freiheit, die keine Liebe kostet, ist das Ziel.
Der Weg dorthin, ein Seiltanz, mit verbundenen Augen.
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pilli
antwortete am 18.12.04 (09:32):
DIE SCHWARZEN Locken ringeln sich Auf rote Rosen, Rosen rein, Die blauen Augen heften sich Auf schmale Wege, Wege klein. Mein Liebling, komm, wir wollen gehn Zum Tannenhügel, Tannenhain.
Schenk ein, ich trink aus deiner Hand, Vergessen möcht ich den Verstand, Ich möchte ziehn in manches Land, In fernes Land mit dir allein. Mein Liebling, komm, wir wollen gehn Zum Tannenhügel, Tannenhain.
Der Liebe Buch, du liest es auch, Du tust nicht, was des Freundes Brauch, Du ließest fließen aus dem Aug' Der Tränen lange lange Reihn. Mein Liebling, komm, wir wollen gehn Zum Tannenhügel, Tannenhain.
Den Liebenden neigt man sich zu, Ich trieb Askese ohne Ruh' Medschnun will ich und Leila du In Wüsten, Wüsten irrend sein. Mein Liebling, komm, wir wollen gehn Zum Tannenhügel, Tannenhain.
Köroglu sagt: Das ist mein Schmerz! Gelb ward mein Antlitz, allerwärts Fiel nun in jedes, jedes Herz Dies Leid, mein heimlich Leid, hinein. Mein Liebling, komm, wir wollen gehn Zum Tannenhügel, Tannenhain. (Köroglu 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts)
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/fremd/turk.htm#ged11
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Enigma
antwortete am 18.12.04 (10:16):
Anna Achmatowa Liebe
Mal rührt sie mit Zaubergewalt die Herzen, zum Schlänglein gewunden, mal gurrt sie in Taubengestalt am Fenster unzähliger Stunden.
mal strahlt sie im glitzernden Eis, mal scheint sie im tropischen Schlummer, doch verführt sie verläßlich und leis die Menschen zu Trauer und Kummer.
Wie klagt sie so süß im Gebet der Geige, wie flehend und schüchtern, doch fürchtet sich, wer sie errät im Lächeln von fremden Gesichtern.
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Achmatowa
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pilli
antwortete am 20.12.04 (01:33):
Die Liebe blickt zu niemandem bewundernd hinauf, sie schaut auch auf niemanden verächtlich hinab. Sie betrachtet alle als gleich, die einander vollkommen lieben. Sie gleicht durch sich selbst hoch und niedrig aus. Sie macht nicht nur alle gleich, sondern sie macht auch alle eins.
(Bernhard von Clairvaux)
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Enigma
antwortete am 20.12.04 (08:00):
Albert Ostermaier Kalligraphie
müsste ich deinen Körper in eine blindenschrift übersetzen auf weiches papier oder in das wasser eines flusses am abend wäre es eine linie die nie aufhört als kreiste meine fingerspitze auf der innenfläche deiner hand über den puls in deine armbeuge hinauf zu deinen schulterblättern bis zu deinem nacken wo sie unter deinen haaren verschwindet und sich fast verliert bevor sie hinabgleitet an deinem schlüsselbein zu dem punkt der keinen namen kennt nur wege so dass sie wieder kreisen muss bis dein atem schneller wird deine haut sich spannt wie ein fell und ich zittere als würde es perlen unter meinem rücken regnen das ist dein herz das ich in meiner hand bis in die augen schlagen höre und ich tauche wieviel zeit ist vergangen meine fingerspitze in deinen bauchnabel drücke dich leicht und sammle einen tropfen schweiss auf dem ich meine spur weiter ziehe und je ferner ich auf deine schenkel ausweiche desto tiefer berühre ich dich und erkunde dein knie das auf und ab den horizont deiner beine hinter dem ich mich wie eine sonne ausstrecken möchte ein glas milch das über die tischkante kippt über deine zehen die buchten zwischen ihnen das bett deiner sohle jetzt musst du lachen und ich bin blind vor glück lege meinen finger auf deine lippen doch nur um dich danach zu küssen und zu wissen dass wenn ich die augen öffte meine blicke die reise von neuem beginnen
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Medea.
antwortete am 20.12.04 (17:51):
An Gabrielle
Meine Herrin, ich bin um drei Uhr an diesem Ort hier angekommen, ohne Nachricht von jenem vorzufinden, den ich hierherkommen lassen möchte. Givry hat sich aufgemacht, um Erkundigungen einzuholen. Man spricht hier über nichts anderes als über diese neue Schönheit. Meine Gegenwart hier war von großer Bedeutung. Ich werde das Nachtmahl einnehmen und mich dann schlafen legen; aber zuerst bezahle ich Euch diesen Tribut, denn Ihr führt als erste den Reigen meiner Leidenschaften an. Gewiß müßt Ihr, meine schöne Geliebte, weit mehr fürchten, ich könnte Euch zuviel als zu wenig lieben. Dieser Fehler ist Euch angenehm, und mir soll er es auch sein, denn ich begehe ihn für Euch. Ihr seht, wie ich mich allen euren Wünschen gemäß verwandle. Ist das nicht der Preis für die Liebe? Und ich glaube auch, daß Ihr denselben bezahlt; und da die Seele zufrieden ist, schließe ich und küsse Euch eine Million Male die Hände.
Am 12. Juli 1593, aus Saint-Denis Henri Quatre
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Enigma
antwortete am 21.12.04 (09:00):
Nelly Sachs Geschirmt sind die Liebenden
Geschirmt sind die Liebenden unter dem zugemauerten Himmel. Ein geheimes Element schafft ihnen Atem und sie tragen die Steine in die Segnung und alles wächst hat nur noch eine Heimat bei ihnen.
Geschirmt sind die Liebenden und nur für sie schlagen noch die Nachtigallen und sind nicht ausgestorben in der Taubheit und des Waldes leise Legenden, die Rehe, leiden in Sanftmut für sie.
Geschirmt sind die Liebenden sie finden den versteckten Schmerz der Abendsonne auf einem Weidenzweig blutend - und üben in den Nächten lächelnd das Sterben, den leisen Tod mit allen Quellen, die in Sehnsucht rinnen.
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pilli
antwortete am 23.12.04 (08:55):
Laß mich mit glühnden Zangen kneipen, Laß grausam schinden mein Gesicht, Laß mich mit Ruten peitschen, stäupen - Nur warten, warten laß mich nicht!
Laß mit Torturen aller Arten Verrenken, brechen mein Gebein, Doch laß mich nicht vergebens warten, Denn warten ist die schlimmste Pein!
Den ganzen Nachmittag bis Sechse Hab gestern ich umsonst geharrt - Umsonst; du kamst nicht, kleine Hexe, So daß ich fast wahnsinnig ward.
Die Ungeduld hielt mich umringelt Wie Schlangen; - jeden Augenblick Fuhr ich empor, wenn man geklingelt, Doch kamst du nicht- ich sank zurück!
Du kamest nicht - ich rase, schnaube, Und Satanas raunt mir ins Ohr: Die Lotosblume, wie ich glaube, Mokiert sich deiner, alter Tor! (Heinrich Heine)
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Enigma
antwortete am 24.12.04 (08:27):
Karl Kraus Dein Fehler
Dein Fehler, Liebste, ach ich liebe ihn, und er ist eine deiner liebsten Gaben. Seh`ich an andern ihn, so seh`ich fast dich selbst und sehe nach dem Fehler hin, und alle will ich lieben, die ihn haben!
Fehlst du mir einst und fehlt dein Fehler mir, weil du dahin, wie wollt`ich, Liebste, lieber dich ergänzen als durch den Fehler? Ach ich liebe ihn, und seh`ich ihn schon längst nicht mehr an dir, die Häßlichste wird mir durch ihn erglänzen!
Doch träte selbst die Schönste vor mich hin, und fehlerlos, ich wäre meines Drangs zu dir kein Hehler. Ihr, die so vieles hat, fehlt eines bloß und alles drum - ach wie vermiss`ich ihn - ihr fehlt doch, Liebste, was mir fehlt: dein Fehler!
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Medea.
antwortete am 24.12.04 (09:35):
An Henriette
Mein liebes Herz, ich kam zwischen elf und zwölf Uhr an, erschöpft und mit einer üblen Magenverstimmung. Meiner Frau und meinem Sohn geht es, Gott sei Dank, gut. Er ist um die Hälfte größer und dicker geworden in den fünf Tagen, da ich ihn zuletzt gesehen habe. Was mich angeht, so habe ich wohlgeruht und fühle mich frei von jedem Schmerz, außer jenem, von Euch getrennt zu sein, der, obgleich er mich sehr quält, doch sehr gemildert wird von der Hoffnung, euch bald zu sehen. Ich habe die Angelegenheiten Monsieur de la Ch´`atre betreffend bereits in Angriff genommen. Ihr werdet zufrieden sein. Bonjour, meine inngist Geliebte, bewahrt vieltausendmal die Liebe für Euer Schäfchen, das Euch eine Million Male die Hände und den Mund küßt.
Henri Quatre 16. Oktober 1601
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pilli
antwortete am 27.12.04 (01:52):
Nur die Liebe vermag den Wandel vom Dunkelsein zur Lichtwerdung zu vollbringen. Die Liebe will immer Weihnachten feiern, will anzünden und angezündet werden, beschenken und behangen werden mit bunterlei Sternen. Störe die Weihnacht nicht - über sie leuchtet der Engel der Liebe ... Trenne Liebende nicht - über sie leuchtet der Stern der Weihnacht. Es erlöschen so bald die Lichte der liebenden Herzen, sie werden - wie vom Wehen - über Nacht ausgeblasen. Die Liebe ist der holde Baum der Weihnacht; er ist - in Wahrheit nicht käuflich noch umzupflanzen. Er ist unser aller Liebesgut. Immer neigt er seine strahlenden Zweige - uns Liebe zu pflücken. Sein leuchtendes Ebenbild zu werden, möchte ich mir wohl wünschen, immer wieder aufzuerstehen.
Else Lasker-Schüler (aus: Der Weihnachtsbaum)
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/weihnachten/weihnachten.htm
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Enigma
antwortete am 27.12.04 (09:10):
...danke, Pilli. Wann schläfst Du bloss?? :-))
Christa Kozik Jahrhundertelang
Jahrhundertelang wählten Männer sich Frauen aus. Die warteten demütig sanft senkten sie scheu den Kopf. die Lider, den Blick. Ich habe meinen Nacken erhoben, die Augen weit geöffnet. Nicht ohne Staunen sehe ich mich um. Und wenn mir einer so gefällt, daß mir der Atem stockt in seiner Nähe, dann sag ich`s ihm vor allen - oder nie.
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pilli
antwortete am 27.12.04 (09:51):
:-)geschlafen und auch geträumt habe ich heute fast sechs stunden, ich frühstücke soeben und freue mich, dir nach den feiertagen...hoffentlich gesund und munter?...wieder bei diesem thema begegnen zu dürfen. :-)
ich liebe es, des nachts zu werkeln, alles ist so still; sicher noch ein überbleibsel aus berufstätigen zeiten :-) da blieb oft nur die nacht mal abzuschalten und andere angenehme dinge zu tun. ein bissi aber wollte ich dich auch heute morgen mit lesestoff überraschen.
:-)
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Enigma
antwortete am 28.12.04 (07:39):
Irmela Brender Wir...
Ich bin ich,und du bist du. Wenn ich rede, hörst du zu. Wenn du sprichst, dann bin ich still, weil ich dich verstehen will. Wenn du fällst, helf ich dir auf, und du fängst mich, wenn ich lauf. Wenn du kickst, steh ich im Tor, pfeif ich Angriff, schießt du vor. Spielst du pong, dann spiel ich ping, und du trommelst, wenn ich sing.
Allein kann keiner diese Sachen, zusammen können wir viel machen. Ich mit dir, und du mit mir - das sind wir.
Internet-Tipp: https://members.aol.com/JakobsKH1/gespr16.htm
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marie2
antwortete am 28.12.04 (10:56):
SEIN LASSEN
Du musst mich mich sein lassen.
Ich muss dich dich sein lassen.
Nur das Miteinander, das dürfen wir nie sein lassen.
Ernst Ferstl
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pilli
antwortete am 28.12.04 (18:10):
Neue Liebe, neues Leben Herz, mein Herz, was soll das geben? Was bedränget dich so sehr? Welch ein fremdes, neues Leben! Ich erkenne dich nicht mehr. Weg ist alles, was du liebtest, weg, warum du dich betrübtest, weg dein Fleiß und deine Ruh' — ach, wie kamst du nur dazu! Fesselt dich die Jugendblüte, diese liebliche Gestalt, diese Blick voll Treu' und Güte mit unendlicher Gewalt? Will ich rasch mich ihr entziehen, mich ermannen, ihr entfliehen, führet mich im Augenblick, ach, mein Weg zu ihr zurück. Und an diesem Zauberfädchen, das sich nicht zerreißen läßt, hält das liebe, lose Mädchen mich so wider Willen fest: muß in ihrem Zauberkreise leben nun auf ihre Weise. Die Verändrung, ach wie groß! Liebe! Liebe! laß mich los! (J.W. Goethe)
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Enigma
antwortete am 29.12.04 (08:10):
Jakob Michael Reinhold Lenz Aus ihren Augen lacht die Freude
Aus ihren Augen lacht die Freude, auf ihren Lippen blüht die Lust, und unterm Amazonenkleide hebt Mut und Stolz und Drang die Brust. Doch unter Locken, welche fliegen um ihrer Schultern Elfenbein, verrät ein Seitenblick beim Siegen den schönen Wunsch besiegt zu sein :-))
Internet-Tipp: https://www.weltchronik.de/bio/cethegus/l/lenz.html
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Enigma
antwortete am 07.01.05 (18:07):
Halina Poswiatowska ich brach einen Zweig der Liebe
ich brach einen Zweig der Liebe tot begrub ich ihn in der Erde und siehe mein Garten erblühte
man kann die Liebe nicht töten
wenn du sie in der Erde begräbst wächst sie nach wenn du sie in die Lüfte wirfst treibt sie Flügel wenn ins Wasser blinkt sie in den Kiemen wenn in die Nacht leuchtet sie
also wollte ich sie in meinem Herzen begraben aber das Herz war meiner Liebe Zuhause mein Herz öffente seine Herzenstür und ließ seine Herzenswände in Liedern erklingen mein Herz tanzte auf Zehenspitzen
also begrub ich meine Liebe im Kopf und die Menschen fragten warum mein Kopf die Form einer Blume hat warum meine Augen wie zwei Sterne leuchten warum meine Lippen röter sind als das Morgenrot ich packte die Liebe um sie zu zerbrechen doch sie war biegsam umschlang meine Hände und meine Hände sind von Liebe gefesselt die Menschen fragen wessen Gefangene ich bin
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/fremd/halina.htm
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Enigma
antwortete am 09.01.05 (11:11):
Michail Lermontow An.....
Wir sind uns von neuem begegnet und schauten uns ungläubig an.... Wie eilig die Härte des Lebens, wie eilig verändern sie kann! Ich suche in dir jenes Feuer, in mir jenen Rausch, jenes Glück. Wie hat eine traurige Reihe von Jahren uns beide erdrückt!...
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pilli
antwortete am 19.02.05 (22:14):
Weil nun die Nacht kommt bleib' ich bei dir. Was ich dir sein kann gebe ich dir! Frage mich niemals woher wohin - nimm meine Liebe, nimm mich ganz hin! Sei eine Nachtlang zärtlich zu mir, Denn eine Nacht nur bleib' ich bei dir.
(Wolfgang Borchert)
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marie2
antwortete am 19.02.05 (23:47):
ICH WILL DU SEIN
Ich will leise Träume träumen und mit ihrem Glanz wie mit Ranken meine Stube schmücken zum Empfang. Ich will den Segen deiner Hände auf meinen Händen und meinem Haar in meine Nacht mitnehmen. Ich will nicht zu den Menschen reden, damit ich den Nachklang deiner Worte, (der wie ein Schmelz über den meinen zittert und ihren Klang reich macht), nicht verschwende, und ich will nach der Abendsonne in kein Licht mehr sehen um am Feuer deiner Augen tausend leise Opfer zu entzünden...
Ich will aufgehen in dir, wie das Kindergebet im lauten, jauchzenden Morgen, wie die Rakete bei den einsamen Sternen.
Rilke
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Enigma
antwortete am 20.02.05 (08:37):
Johannes Becher Hoch über der Stadt
In dem Cafe "Hoch über der Stadt", nahe dem Turm mit dem goldenen Zifferblatt,
saß ein Liebespaar, Hand in Hand, und er schwieg und er sah, und sie sah und verstand.
In dem Cafe hoch über der Stadt, wo es Wolken und Sonne hat,
ziehen die Wege fort über Land, Pappeln stehn am Wegesrand,
und die Welt ist wehend und weit! Nahe dem Turm mit der goldenen Zeit
saß ein Liebespaar, Hand in Hand, und sie sah und sie schwieg - und er schwieg und verstand.
Internet-Tipp: https://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BecherJohannes
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