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THEMA:   Tod durch übermüdete Ärzte immer noch ein Kavaliersdelikt?

 10 Antwort(en).

Arno_Gebauer begann die Diskussion am 13.12.06 (09:30) :

Hallo, Forumsbeteilgte,

jedes Kind weiß, daß durch übermüdung vermehrt Unfälle
verursacht werden.
Als sensationelles Ergebnis verkauft diese Erkenntnis
eine Gruppe um Charles Czeisler von der Harvard Medical
School in Boston (US-Staat Massachusetts) im Journal "PLoS
Medicine! Unter den Händen übermüdeter Mediziner sterben
bis zu drei Mal mehr Patienten als bei der Behandlung durch
ausgeruhte Kollegen!
Ingenieure würden bei einer durch Übermüdung verursachten
Arbeitsleistung mit Todesfolge für viele Jahre im Gefängnis
einsitzen müssen!
Bei Ärzten scheint dies immer noch ein Kavaliersdelikt zu
sein!

Viele Grüße
Arno

Internet-Tipp: https://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=1030486


Vorlesefunktion  Gerdi antwortete am 13.12.06 (12:51):

Vermutlich ist bei Ärzten
der Nachweis schuldhaften Verhaltens schwieriger als bei Ingenieuren.


Vorlesefunktion  navallo antwortete am 14.12.06 (17:50):

Es gibt zum Ingenieur kleine Unterschiede. Kommt ein Notfall (Blutung, Erstickungsgefahr, lebensbedrohlicher Unfall, komplizierte Geburt ...) in die Klinik, dann haben schlaftrunkene Ärzte alternativlos die Wahl, wegen unterlassener Hilfeleistung oder wegen eines Übernahmeverschuldens infolge Übermüdung vor den Kadi gezerrt zu werden. Für welche Variante würden Sie sich entscheiden? Keines von beiden ist erstrebenswert, aber ein Drittes gibt’s nicht. Die Chance, zu sagen „ich geh jetzt erst mal ein Nickerchen machen“, haben Ärzte in solchen Situationen nicht! Bei Dienstantritt ist nicht abzusehen, wieviel Mützen Schlaf während der Zeit möglich sein werden. Auf Ärzte einzuprügeln, weil sie ihrer Pflicht zu helfen nachkommen, ist nicht fair. Sie entscheiden weder über die Anzahl der Planstellen noch können sie vorhersagen, was sie erwarten wird und sich aus unangenehmem Dienst rechtzeitig ausklinken. Ärztliche Arbeitsplätze werden von Krankenhausleitungen nach Sparsamkeitsprinzipien belegt. Die Mittel, bei zeitweilig überbeanspruchter Mannschaft eine Ersatztruppe abrufen zu können, sind nicht vorhanden.

Der Widerstreit der Pflichten gegenüber ihren Patienten ist einer der wesentlichen Gründe, warum Ärzte neuerdings auf die Straße gehen. Es genügt einfach nicht zu sagen „du darfst in dieser Situation den Dienst nicht fortsetzen“ und dem Arzt Schuld zuzuweisen, sondern es muß gleichzeitig dafür gesorgt werden, daß ausreichend ausgeruhte und qualifizierte Mediziner einspringen können. Aber selbst, wenn die finanziellen Mittel bereitstünden, gäbe es nicht genügend Doktors, weil in der Vergangenheit das sich schon vor 15 Jahren abzeichnende Dilemma von der Politik sträflich vernachlässigt wurde – beispielsweise mit überzogen schwierigen Zugangsbestimmungen zum Medizinstudium oder den Arbeitsbedingungen in Deutschland (Bürokratisierung, Rechtsunsicherheit, ungerechte Leistungsbewertung...) sowie praxisfremden, unfähigen Politikberatern (Beispiel der Rhön-Klinik-Lobyist Lauterbach bei Ulla Schmidt). Inzwischen wandern besonders junge Nachwuchskräfte reihenweise ins Ausland (Frankreich, England, Skandinavien, Australien ...) ab. Den Verbliebenen macht das die Sache nicht leichter. Öffentlich wahrgenommen wird zur Zeit erst die Spitze des Eisberges. Trotz allen Wehgeschreis wird sich die Situation in absehbarer Zeit weiter zuspitzen.


Vorlesefunktion  Gerdi antwortete am 14.12.06 (18:45):

"Kommt ein Notfall (Blutung, Erstickungsgefahr, lebensbedrohlicher Unfall, komplizierte Geburt ...) in die Klinik, dann haben schlaftrunkene Ärzte alternativlos die Wahl, wegen unterlassener Hilfeleistung oder wegen eines Übernahmeverschuldens infolge Übermüdung vor den Kadi gezerrt zu werden." (navallo)

Insbesondere diesen Satz kapiere ich nicht :-(


Vorlesefunktion  navallo antwortete am 18.12.06 (17:07):

@Gerdi
Es ist kein anderer da, der helfen kann! Der Arzt macht sich so oder so strafbar, was immer er entscheidet!


Vorlesefunktion  Gerdi antwortete am 19.12.06 (06:24):

Na, wie Du meinst.
Ich war in meinen Nachtdiensten auch manchmal müde. Das heißt aber nicht, ich hätte mich bei meinen Handlungen grundsätzlich strafbar gemacht.

Sorry, ich finde, Du übertreibst - oder, dann noch einmal sorry, ich verstehe Dich immer noch nicht :-(


Vorlesefunktion  schorsch antwortete am 19.12.06 (08:22):

Gerdi, Pflege-Berufe sind von der Wachsamkeit mit den Chauffeuren zu vergleichen: Man glaubt, dass man noch fit genug ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Dann aber kommt eine Situation, die mehr als Wachsamkeit auf Sparflamme bedarf. Und schon ists passiert....


Vorlesefunktion  Gerdi antwortete am 19.12.06 (08:56):

O je, nach dem Ge-Unke kann man dann ja wohl froh sein,
damals dem Kittchen entgangen zu sein :-))


Vorlesefunktion  pilli antwortete am 19.12.06 (09:24):

vielleicht hat sich die situation Gerdi

von der navallo schreibt, zwischen "damals" und heute verändert?

von "damals" auf "heute" zu schliessen zeigt m.e., wie wenig du über heutige zustände in den krankenhäusern tatsächlich informiert bist!

:-)


Vorlesefunktion  navallo antwortete am 20.12.06 (12:37):

@Gerdi
Fachärzte für leichtere Erkrankungen leiden sicher selten an Übermüdungserscheinungen und wenn gelegentlich doch, dann entspringen daraus keine Risiken. Folgenschwere ärztliche Kunstfehler entstehen überwiegend durch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Übermüdung allein reicht dazu nicht aus und ist nur ein winziger Teilaspekt. Zur Übermüdung gesellt sich beispielsweise ein Massenunfall. Die anfallende Arbeit ist weder aufschiebbar noch vorausschauend ausreichend planbar. Wenn dann bei einem der Unfallopfer eine falsche Bluttransfusion angehängt wurde, kommt hinzu, daß entweder die Anforderung falsch ausgefüllt wurde, nicht ausreichend nachgeprüft wurde, bei der Dienstübergabe der Übernehmende den Vorarbeiten zu sehr vertraut oder im Blutspendezentrum oder wo auch immer eine Verwechslung der Röhrchen stattfand. Die Fehlermöglichkeiten sind vielgestaltig.

Daß solche Situationen immer wieder stattfinden ist traurige Wahrheit, auch wenn du, Gerdi, das für übertrieben hältst. Hierzu beispielhaft unten stehender Link, in welchem eine tödliche Blutung bei einem 6-jährigen Kind aus Sicht des Vaters geschildert wird. Auch hier spielten zahlreiche Teilursachen für den fatalen Ausgang eine verbindende Rolle. Müdigkeit der Akteure kam dabei im Gerichtsprozeß - ich saß unter den Zuschauern - zwar nicht zur Sprache, dürfte jedoch nicht ganz zu verneinen sein. Im Budget des Krankenhauses war und ist nicht vorgesehen, einen Arzt zusätzlich für derartige Situationen im Hause nächtigen zu lassen.

Internet-Tipp: https://www.cornelia-b.de/


Vorlesefunktion  newcomer antwortete am 20.12.06 (13:19):

Hier wird ganz viel diskutiert über ärztliche Fehler bei "Massenunfällen", "Verkettung unglücklicher Umstände", "zahlreiche Teilursachen", bei denen "Müdigkeit der Akteure im Gerichtssaal nicht zur Sprache kam", über falsch ausgefüllte Formulare, falsche Transfusionsflaschen, "Verwechslung von Röhrchen" usw.

In der Überschrift steht aber etwas von "Tod durch Übermüdung eines Arztes". Einige der eben bezeichneten Punkte sind unter Umständen gar nicht dem Arzt anzulasten. Und wieso diese Pauschalierung "Der Arzt macht sich so oder so strafbar, was immer er entscheidet!"?

Auch noch eine Frage hierzu:
"Fachärzte für leichtere Erkrankungen leiden sicher selten an Übermüdungserscheinungen und wenn gelegentlich doch, dann entspringen daraus keine Risiken."
Was sind "Facharzte für leichtere Erkrankungen", aus deren Übermüdung keine Risiken entspringen?

Mag es sein, daß hier oben eigentlich nur über schwerst belastete Unfall-Chirurgen in Ausnahmesituationen diskutiert wird?


In der Überschrift wird gefragt, ob der durch einen Arzt verschuldete Tod eines Menschen ein "Kavaliersdelikt" sei.
I s t das denn so?
Man sollte sich einmal bei den Haftpflichtversicherungen der Ärzte erkundigen.