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THEMA: Medikamente: Milliarden auf den Müll
7 Antwort(en).
DietrichStahlb
begann die Diskussion am 11.11.05 (16:34) :
Gesundheitswirtschaft: Milliarden in den Müll
Das Szenario scheint sich Jahr für Jahr zu wiederholen: Die Kosten für Arzneimittel steigen, und die Politik versucht gegenzusteuern. Zuletzt berichteten die Verfasser des Arzneimittelverordnungsreports davon, dass allein in der ersten Hälfte dieses Jahres die Kosten für Medikamente um knapp 20 Prozent zugelegt haben.
Angesichts dieser Entwicklung rückt der Umgang mit nicht verbrauchten Medikamenten verstärkt in den Blickpunkt von Gesundheitsexperten und Juristen. Durchschnittlich jede fünfte Medikamentenpackung landet in Deutschland im Abfall. Meist ist sie originalverpackt und könnte noch jahrelang verwendet werden. Doch das Gesetz schreibt vor, dass Arzneimittel, die ein Patient nicht mehr benötigt, an keinen anderen Patienten weitergegeben werden dürfen. "Das sind 4 Mrd. Euro, die da in den Müll wandern", schätzt der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach. Ein Teil dieses Verlustes sei unumgänglich, aber etwa 2 Mrd. Euro könnten mit Sicherheit eingespart werden. Martin Riemer, ein Rechtsanwalt aus Brühl, will sich mit dem Weitergabeverbot ebenfalls nicht abfinden. Er wandte sich an den Petitionsausschuss des Bundestages und forderte eine Änderung des Arzneimittelgesetzes. Der Ausschuss folgte seinem Ansinnen und empfahl dem Bundesgesundheitsministerium zu prüfen, wie die Regelung gelockert werden könnte. Im Frühjahr 2005 hieß es daraufhin aus dem Ministerium, eine Medikamentenweitergabe in Hospizen und Heimen sei realisierbar. "Die Pflicht zur Vernichtung unverbrauchter Arznei- und Betäubungsmittel ist unsinnig", schreibt dazu die Enquêtekommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" in einem Zwischenbericht. Durch die kontrollierte Weitergabe von nicht verbrauchten Medikamenten verstorbener Patienten könnten in einem Zehn-Betten-Hospiz etwa 26.000 Euro pro Jahr eingespart werden, rund 2 Mio. Euro insgesamt in stationären Hospizen. (...)
Das ist jedoch nur ein Teilsieg für die Gegner der Weitergabebeschränkungen. Diese Praxis geht ihnen nicht weit genug. Sie fordern auch für Hausärzte die Erlaubnis, nicht genutzte Medikamente weiter zu verwenden. Für Anwalt Riemer liegen die Vorteile auf der Hand: Die Kranken würden unangebrochene Kapseln und Tabletten "quasi als Gratismuster" kostenlos bekommen, der Arzt könnte sein Arzneimittelbudget schonen, und auch die Krankenkassen würden entlastet. (…)
"Da spielen nur rein ökonomische Gründe eine Rolle", sagt Franz Daschner, Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene der Universität Freiburg. Je mehr weggeworfen werde, desto mehr könnten die Apotheken schließlich nachliefern. Vor der Markteinführung würden Medikamente unter extremer Hitze und Kälte auf ihre Haltbarkeit getestet. (…) In vielen anderen Ländern werde die Weitergabe bereits ohne Probleme praktiziert. "Das Ganze ist eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen. Das muss endlich aufhören."
[Quelle: Financial Times Deutschland, 09.11.05]
Der ganze Artikel: Link unten
Anmerkung:
Hier sind meiner Meinung nach zuerst einmal die ÄrzteInnen in der Verantwortung. Sie sind es, die die Medikamente verabreichen und verschreiben. Stichwort: «Übermedikation». Und die hat nicht nur finanzielle Nebenwirkungen.
Was Gesundheit bedeutet, woran unser Gesundheitssystem krankt und was verändert werden muss, das sind Fragen, die mich seit langem beschäftigen. Nachzulesen auf der Seite «Gesundheit» im ZEITFRAGENFORUM I: www.dietrichstahlbaum.de
dst.
Internet-Tipp: https://www.boerse-online.de/tools/ftd/805054.html
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rolf
antwortete am 11.11.05 (16:42):
Ich habe vor kurzem Sortis für 80 Tage geerbt, allerdings ohne den Umweg über den Doc.
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uul
antwortete am 12.11.05 (02:03):
Die Verantwortung für diese ganze Verschwendung und Verschleuderung von Millarden Euros an Mitgliedsbeiträgen liegt einzig und allein bei der Pharmaindustrie! Als Gerhard Schröder immer wieder gebetsmühlenhaft "Innovationen" forderte, hat natürlich diese Industrie gern reagiert - aber meist mit Scheininnovationen! Medikamente, die schon viele Jahre von den Ärzten verordnet wurden, kamen unter anderem Namen als "neu" auf den Markt. Aufwendige "Studien" sollten beweisen, dass diese (natürlich teureren) Medikamente besser wären, ist aber nur "alter Wein in neuen Schläuchen"! Ergebnis für die Krankenkassen: Eine Milliarde Euros jährlich sinnlos vergeudet! Da wären wir also schon bei mindestens 3 Mrd. Einsparvolumen. Dazu kommt noch der auch bei den Kassen bekannte Betrug mit den Chipkarten - auch mindestens 1 Mrd. € jährlich! So ergeben sich bereits 5 Mrd. Euros! Das ist alles bekannt - aber nichts geschieht!
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uul
antwortete am 12.11.05 (02:07):
Dazu noch untenstehender Link zur Sendung "Plus Minus" vom 8.11.2005 im Ersten Programm.
Internet-Tipp: https://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,o0fei1y2vvsu237k~cm.asp
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seniorin
antwortete am 12.11.05 (08:36):
Was ich an Medikamenten nicht verbrauche, gebe ich in meiner Apotheke ab. Die Apotheken schicken noch nicht verfallene Medikamente (angeblich) in die Dritte Welt.
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angelottchen
antwortete am 12.11.05 (08:39):
schon vor 30 jahren war es unter anderem in spanien und im ehem. jugoslawien so, dass man mit einem rezept vom arzt in die apotheke kam und drot wurden dann genau so viele tabletten aus der originalpackung genommen, wie auf dem rezept standen und dem patienten zusammen mit einer "gebrauchsanweisung" übergeben. es wurden nie mehr medikamente als für 2 wochen mitgegeben. in deutschland, so sagte man mir, ginge das aus hygienischen gründen nicht... dabei könnten mit solch kleinen massnahmen sicher viele chemiemüllberge vermieden werden.
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uul
antwortete am 12.11.05 (11:04):
Seniorin, dann hast Du wenigstens ein "reines Gewissen" - aber die Apotheken müssen zurückgegebene Medikamente als Sondermüll entsorgen - "nix is" mit Dritter Welt! Dorthin kommen nur die von den Pharmawerken direkt!
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angelottchen
antwortete am 12.11.05 (11:28):
ja, uul - und die konzerne schicken dann auch gleich genau das richtige: zb appetitzügler in gebiete mit grosser hungersnot. das ist kein scherz. weiss ich von einem verwandten, der als arzt einige jahre für eine caritative einrichtung vor ort gearbeitet hat. und leider verschicken die auch immer noch medikamente mit abgelaufenem verfallsdatum :-(
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