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THEMA:   Ich war Kronzeuge des Henkers

 11 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 17.02.07 (05:17) :


Der eine meiner Brüder – der ganz schön ältere – betrat frühzeitig die schiefe, aber lukrative Bahn und gründete ein unterirdisches Unternehmen; eine „Nacht und Nebel GmbH“, wie Mutter sich immer auszudrücken pflegte. Der andere meiner Brüder – der viel ältere – kam nach einigen bedenklichen Ausrutschern in früheren Jahren plötzlich unverhofft auf die gerade Bahn und ging zur Polizei. So etwas kann auf die Dauer in keiner Familie gut gehen. Das stört die innere Harmonie der Familie und zehrt böse an ihrer Substanz. Und das Nachsehen haben stets die, die sich weder für das eine noch für das andere Lager voll bekennen möchten. Nicht dass ich die Kriminalität mag, kann doch aber meinen eignen Bruder nicht der Polizei verraten, bloß weil ihm eine etwas radikalere Geschäftsidee in den Kopf gekommen ist: nümlich gleich alles, anstatt nur anerkannt Zweifelhaftes, zu verdunkeln.
Lasst Euch das von Emil gesagt sein: Wenn schon, denn ist das besser, jeder in Eurer Familie ist ein Gangster. Denn herrschen Eintracht und gegenseitiges Verständnis. Jeder gehört einer fest geschmiedeten Gemeinschaft an und keiner ist außen vor. Jeder kann jedem andren mit Rat und Tat zur Seite stehen und jeder kann für jeden mal einspringen, wenn das erforderlich ist. Unsere Familie aber glich ehrer einem Schlachtfeld. Der viel Ältere hat den ganz schön Älteren immerzu gejagt, und der ganz schön Ältere musste sich vor dem viel Älteren stets gut verbergen. Wir, die Neutralen, wurden von keiner Partei richtig anerkannt und waren auch in unserer Handlungsfreiheit arg beschränkt. Wir konnten dem viel Älteren bei seiner Jagd auf den ganz schön Älteren nie behilflich sein, weil wir es uns sonst mit dem ganz schön Älteren bös verdorben hätten. Wir konnten den ganz schön Älteren aber auch nicht bei uns verbergen, weil uns sonst der viel Ältere in den Knast gebracht hätte. Wegen Beihilfe. Außer der Pflicht kannte der nümlich gar nichts mehr.
Keinem konnte man es je ganz recht machen. Zu Geburtstagsfeiern musste man die Beiden immer getrennt, zu verschiedenen Zeitpunkten und den einen gar noch an einem geheimen Ort einladen. Bei Hochzeiten wusste man gar nicht, wie man es machen sollte. Man kann sich doch dieser verfeindeten Hornochsen wegen nicht zweimal trauen lassen. Die denken doch aufs Standesamt man hat einen Haschmich. Von Beerdigungen will ich gar nicht reden: Grab auf, Sarg noch mal hoch, wieder runter und Grab noch mal zuschütten.
Das war aber alles noch nicht das Schlimmste. Noch schlimmer war, dass ich manchmal zwischen die Frontlinien geraten bin und von beiden Seiten Saures gekriegt habe. Wie das Mal, wo der viel Ältere mir angebrüllt hat: „Jetzt sagst du mir unverzüglich, wo der Gauner sein unterirdisches Büro hat oder ich knall dir den Polizeiknüppel auf den Kürbis!“ „Das ist Zeugenbeeinflussung“, versuchte ich mir zu wehren, gleichzeitig da die Worte meines ganz schön älteren Bruders in meinem Kopf widerhallten: „ Wenn du mit bei den jemals verpfeifen tust, denn steck ich dir mit’n Kopp vorweg in Ofen.“ Erst dachte ich mir, dass man einen Polizeiknüppel ehrer mal überlebt als wie einen brennenden Ofen. Aber dann obsiegte meine utilitaristische Natur und ich sagte mir: besser ist, man geht jeglichem Übel konsequent aus dem Wege. Ich lock ihn auf eine falsche Fährte, denn ist er erst mal beschäftigt und ich habe meine Ruhe. „Ins Siel bei die Dorfapotheke. Da hat er sein Büro. Geh einfach runter, die Klingel ist außer Funktion.“ Ich wusste ja, dass mein ganz schön älterer Bruder aus dem Siel fortgezogen war, weil das Hochwasser im Frühling ihn von dort vertrieben hatte. Er hatte sein geheimes Büro jetzt im nur mäßig überschwemmten Keller der Kirche des Nachbardorfs. Mank de Wöhlers.


 emilwachkopp antwortete am 17.02.07 (05:21):

Aber wie das ins Leben manchmal so ist. Die Kirche musste wegen Einsturzgefahr geschlossen werden und mein Bruder wollte doch nicht unter den Trümmern einer unstandhaft gewordenen Kultur verschütt gehen. Deshalb hat er sein Büro und Empfangszimmer wieder ins Siel verlegt. Zehn Minuten nach meiner Vorstellung war er auch schon verhaftet.

Mein Bruder bekam 12 Jahre Knast. Natürlich besuchte ich ihn im Bau, wo ich mittlerweile fast schon genau so bekannt war wie er. „Emil, wenn ich rauskriege wer mir verpfiffen hat, den verarbeitete ich zu Gulasch.“ Darauf bekam ich einen garstigen Schluckauf, den mein Bruder zum Glück nicht mit seiner Drohung in Verbindung brachte. Stattdessen fuhr er mich an: „Hick hier doch nicht so vulgär rum, Emil. Die Leute gucken ja schon. Hast wull wieder gesoffen.“ „N..icks.., nein, ich habe die Salmies verschl..icks..uckt.“ „Ja, so’n Mist frisst ja auch kein normaler Mensch. --- Sag mal: Kannst du nicht mal büschen rumhorchen? Du steckst doch sonst auch deine Nase immer in alles.“ „Salmies sind ges..icks…gesund. Hick.“ „Hörst du mir überhaupt zu?“ „Ja, ich soll rumhorchen. Aber was soll ich denn raus … kricks … kriegen?“ „Wer mir verpfiffen hat, was denn sonst? Horch doch mal unseren Bruder, den Bullen, aus. Der muss doch wissen, welcher krumme Hund ihn den Tipp gegeben hat.“ „Das ja, aber der darf doch die Zeugen nicht an dich ausliefern.“ „Du musst ihn dazu bringen, dass er sich verplappert. Mach ihn doch einfach besoffen. Schnaps macht redselig.“
Ich trottete müde nach Hause und tat genau wie mein ganz schön älterer Bruder es mir aufgetragen. Es brauchte nur ein paar Schlückchen seines hausgemachten Rums (99,8 %) in den Tee des viel Älteren, um diesen böse zum Lallen zu bringen: „Emil, du krochst den testen Bee … den beschten Tee, den man in Leutschdant je geschlunken hat. Ein feidraches Hoch auf Emil!“
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen (fast schon überschritten), da ich die schicksalsschwere Frage zu stellen hatte. Wie bang mir auch ums Herz war. Meiner Wahrheitstreue zuliebe ins Reich der Toten: war das mein Schicksal? Na denn, wohlan: „Sag mal, wer hat dir eigentlich diesen Tipp gegeben?“
„Telschen Wipp? --- Welschen Tipp?“
„Na, wo unser Bruder sein geheimes Büro hatte.“
„Hahahahaha, hihihihihi… Emil, du Klapperschlange! Waschragsuenscho blöd?“

Auf dem Weg zum Gefängnis war mir als wäre mir das Herz zu Kopfe gestiegen, so pochten mir die Schläfen. Auch spürte ich schon – wenn auch wohl nur in meiner überreizten Einbildung – die Hitze des Ofenfeuers. So wie ich mein Leben bis dahin gelebt hatte, konnte man gar nicht ausschließen, dass mein Abgang durch den Ofen meines Bruders geradewegs in das ewige Feuer führen würde. Dass mein Nachleben heißer werden würde als es mein Leben je gewesen ist! So darf ein Leben nicht enden. Fand ich.


 emilwachkopp antwortete am 17.02.07 (05:24):

„Na los mal, Emil, raus mit die Sprache! Was hat der Bulle gesagt?“
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Wahrheit musste (so gut wie) gesagt werden, kostete es mich auch das Leben. Für seine Taten wie für seine Untaten hat der Mensch gerade zu stehen. Das war die Haltung, die mir zusagte und die ich oftmals gern eingenommen hätte.
„Er sagte wortwörtlich: ‚Hahahahaha, hihihihihi. Emil Klapperschlange! Waschragsuenscho blöd’?“
„Was fürn Ding?“
„Hahahahaha, hihihihihi. Emil Klapperschlange! ‚Was fragst du denn so blöd?’, in eine nüchterne Sprache übersetzt.“
„Emil Klapperschlange? Das ist verschlüsselt. Dieser Lump! Hast du ihm denn auch genug zu saufen gegeben?“
„Und ob!“
„Warum hast du Trottel denn nicht noch mal genauer nachgefragt?“
„Weil er gleich nach die Antwort seitlich vom Sessel gekippt und bis zum nächsten Abend um 19 Uhr so liegen geblieben ist. Geschlagene 20 Stunden.“
„Denn hast du Torfkopp ihm viel zuviel eingetrichtert!“
„Ich kann ja nicht wissen, wie man deine Hexenbrühe optimal dosieren muss. Für verhörstechnische Zwecke, mein ich.“
„Wenn man nicht alles selber macht! --- Emil Klapperschlange. Da dämmert mir doch etwas. Sag mal, Emil, kennst du einen gewissen Emil Wucht?“
„Nein, ich verkehr doch in deinen Kreisen nicht. Ist der auch ein Unternehmer wie du?“
„Nicht nur das. Der ist mein größter Konkurrent um Marktanteile. Dem Hund wäre das zuzutrauen.“
„Aber was hat denn das mit Klapperschlange zu tun?“
„Er ist bekannt dafür, dass er leicht kalte Füße kriegt. Und denn klappert er. Genau wie eine Klapperschlange. So wird das sein. Emil, besuch mir morgen um dieselbe Zeit. Bis dahin denk ich mir was aus.“


 emilwachkopp antwortete am 17.02.07 (05:28):

„Hör jetzt genau zu, Emil, und mach alles haargenau wie ich es dir auftrage, wenn du dem Ofen entgehen willst. Mein Schicksal liegt jetzt in deinen Händen, was heißt, dass der Galgen mir schon mal gewiss ist. Ich schieb dir gleich einen kleinen Zettel zu, den du unauffällig im Ärmel verschwinden lässt und den du unserer Schwester übergibst, und zwar ohne ihn vorher zu lesen. Weil uns aber beiden bekannt ist, dass du es gar nicht unterlassen kannst, deine Nase in alles zu stecken, kann ich dir ebenso gut gleich sagen, was auf dem Zettel steht. Sie soll etwas aus meinem unterirdischen Büro abholen.“
„Aber da hat die Polizei alles beschlagnahmt.“
„Quatsch, das war doch bloß eine unbedeutende Zweigstelle. Wo meine unterirdische Hauptfiliale liegt, vertrau ich doch einer Sabbeltasche wie dir nicht an.“
„Was soll unsere Schwester denn aus deinem Büro abholen?“
„Emil, das geht dir gar nichts an. Aber da es selbstverständlich auf dem Zettel steht, werde ich es dir ebenso gleich sagen können. Drei Geldscheine von einem Raubüberfall auf eine österreichische Länderbank. Wenn du’s genau wissen musst. Alle Scheine bei die Polente registriert.“
„Aha, steckst du da auch hinter?“
„Emil, das geht dir gar nichts an! Wer zuviel fragt, der landet leicht mal im Ofen. Diese Scheine soll sie in das Büro von Emil Wucht schmuggeln. Adresse steht auf dem Zettel. Das ist alles. Damit ist ihre Mission erfüllt.“
„Unter welchen Vorwand soll sie denn da hin? Sie kann doch nicht mir nichts dir nichts…“
„Offiziell kommt sie als meine Chefsekretärin mit einem Fusionsangebot meinerseits.“
„Und wenn Emil Wucht sie gar nicht in sein Büro rein lässt?“
„So wie unsere Schwester aussieht, lässt der scharfe Hund sie rein.“
„Ach so, ist das einer von der Sorte. Und wenn er sie andaddelt?“
„Das lass man ganz beruhigt ihre Sache sein. Du konzentrierst dir allein auf deine Aufgabe oder...“
„Aber ich will gar keine Aufgabe haben, weil ich doch …“
„… oder du kannst dir schon mal auf den Ofen vorbereiten, wenn ich von hier raus bin.“
„Darf ich wählen? – Denn nümm ich die Aufgabe.“
„Ich schiebe dir jetzt gleich noch einen Zettel zu, auf dem du Tag und Uhrzeit findest, wann du die Polizei anzurufen hast.“
„Ja aber, ich will die Polizei gar nicht anrufen, weil …“
„Weiter findest du auf dem Zettel eine haargenaue Personenbeschreibung von Emil Wucht. Du stellst dir als Augenzeuge vor, der bei dem Banküberfall zugegen war. Deine Beschreibung ist so genau und Emil Wucht ist so bekannt bei die Polizei, dass die sofort wissen um wen es sich handelt.“
„Aber über diesen Banküberfall stand doch schon vor fast einem Jahr etwas in die Zeitungen. Wieso ruf ich jetzt erst an?“
„Weil du einen Schock erlitten hast und durch die Gegend geirrt bist.“
„Fast ein Jahr lang?“
„Emil, es gibt auf diesem weiten Erdenrund nur einen, dem man eine solche bescheuerte Erklärung abkauft. Und derjenige bist zum Glück du.“
„Aber die nehmen mir doch mit so eine dusselige Erklärung gar nicht für voll.“
„Das brauchen sie auch nicht. Deine Aussage reicht aber für einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl.“
„Ja ja, wenn das bloß gut geht. Aber ich will nicht, dass unsere Schwester wegen deine Gaunergeschichten vielleicht auch noch angedaddelt wird.“
„Emil, konzentrier dir ganz auf deine Aufgabe. Und nu zieh Leine! Hier gibt’s gleich Mittag. Danach ist Mittagsschlaf und denn Tischtennis und Sauna.“
„Ihr habt hier ein Leben!“
„Wollen wir tauschen?“
„Bin schon weg.“


 emilwachkopp antwortete am 17.02.07 (05:29):

Mein Bruder wurde aus dem Knast entlassen, weil man jetzt aus guten Gründen Emil Wucht der Tat verdächtigte, wegen der mein Bruder verurteilt worden war. Drei kleine Beweisstückchen, drei Geldscheine aus dem großen Raubüberfall auf eine österreichische Länderbank von vor fast einem Jahr, waren die Bananenschale, die Emil Wucht zu Fall brachte. Nur über eines rätselte die Polizei nach: Wer denn wull den Emil Wucht so zugerichtet und sein ganzes Büro so bös verwüstet hatte. Die Antwort erhielt ich später indirekt, als meine Schwester mir Bericht erstattete: „Und weißt du was, Emil? Der geile Bock wollte mir andaddeln!“
Schon auf der Schwelle, wandte meine Schwester sich noch einmal zu mir um und sagte: „Ich soll dir auch noch von deinem ganz schön älteren Bruder ausrichten, dass er dir das nächste Mal nicht so glimpflich davonkommen lässt. Was meint der denn damit?“
Darüber grübele ich heute manchmal noch nach. Sein größter Konkurrent war dank meiner Hilfe eliminiert und seine Marktanteile riss mein Bruder sich unter den Nagel. Waren wir denn am Ende alle nur seine Werkzeuge?


 schorsch antwortete am 17.02.07 (11:33):

Oh Emil, in welch böse Familiengeschichte hat dich denn der Herrgott nur geboren werden lassen ):-(


 elena antwortete am 17.02.07 (13:42):

@ Hallo Emil,

wat für eine Familie und Geschichte...mal wieder herrlich zu lesen.

Hat dich die Muse des nachts geküßt? Um diese Zeit 'fünf-uhr-und-ein-bischen' liege ich noch in Morpheus Armen und geniesse mein Kuschelbettchen, während du hier schon fleissig schreibst.

Hast du denn kein Mädelchen, dass dich ausbremst? Aber fein für uns, dass du dich nicht hast abhalten lassen:-)

Grüsse für ein schönes Wochenende
von Elena


 hafel antwortete am 17.02.07 (18:03):

Einfach herrlich zu lesen!!! Große Klasse, da ist "Emil und die Detektive" gar nichts dagegen.

Wann kommt die Fortsetzung??


 mea antwortete am 17.02.07 (19:27):

"Schöne Geschichten* schreibst Du für uns , Emil , Danke!
..wunderbar und fantastisch erzählt!

..und grüble nicht so lange...freue mich schon auf die nächste ....


 emilwachkopp antwortete am 18.02.07 (07:44):

"Hast du denn kein Mädelchen, dass dich ausbremst?" (Elena)

Das ist jetzt schon paar Jahre her. Aber die hat mir nicht ausgebremmst sünnern ehrer noch angefeuert. Meist zu grober Arbeit, wie Knechte sie verrichten. Davon erzähle ich aber das nächste Mal.


 schorsch antwortete am 19.02.07 (09:30):

Emil, gibts denn deine Geschichten schon gesammelt?


 emilwachkopp antwortete am 20.02.07 (10:53):

Hallo Schorsch,

erstmal nur in meinem Kopf. Aber ich habe schon vor, sie irgendwie anders zu sammeln. Von der Anzahl her reichts wohl bald.
Ich muss nur noch mit dem Jugendschutz reden, ob die ab 18 oder erst ab 21 zugelassen sein dürfen.