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THEMA:   Quatschige und okkulte Berufe – Wir stoßen an

 11 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 30.12.06 (20:30) :

Ich, Emil, sage immer alles graad heraus: Bündig, wahr und über jeden Zweifel erhaben: Sei nie kein Neidhammel nicht! Kümmere Dir nicht um andere, sondern sei zufrieden mit das, was Du ins Leben erreicht hast. Beruflich gesehen, meine ich. Ich weiß ja nicht, was der Einzelne in dies Forum für einen Beruf hat. Aber das ist auch egal. Sei zufrieden, ob Du Putze bist oder Schaffner oder Briefträger oder Kleingärtner oder Besenbinder oder ob Du Bratwürste auf ein Rumpelplatz verkaufst. Alles ist besser als HARTZ IV. Selbst Bettelmönch mit Halbglatze und Hungerbauch.
Wenn Du in einem schwachen Augenblick mal an Dir selbst verzweifelst, denn denk an Emil und Dir wird gleich wohler. Ich war nümlich damals gar nicht zu beneiden, als mir ganz mau zumute war und Beruf und Arbeit noch als Erbgut galten. Oder möchtest Du morgens um halb Fünf verkatert und vergrätzt aus dem warmen Bett gescheucht werden, über den verschneiten, vereisten oder morastigen Hof zum Stall taumeln, um Rosa und Nellie, die Kühe, zu melken? Nach verrichteter Arbeit gings dann nicht zurück in die Heia, wie es unter Beamten damals Sitte war, sondern in die ars… eiskalte Küche zum Einheizen. Das ging damals noch nicht automatisch sondern musste mit der Hand gemacht werden: mit Papier, Holz, Briketts und Braunkohle. Genau in die Reihenfolge. Und erst wenn man selbst schon fast ein Eisblock war, wurde es um einen herum etwas warm. Aber davon hatte man wenig, denn nun ging es wieder raus in die Kälte, wo man sich warm arbeiten oder erfrieren musste. Kälte ist wahrscheinlich die Urheberin jener Bewegungen, die mit der Zeit so koordiniert wurden, dass sie plötzlich in Arbeit ausgeartet sind. Evolutionsgeschichtlich gesehen, meine ich. Ohne Eiszeit kein Grund zu arbeiten.
Eigentlich hätte die ganze Schufterei der Knecht machen müssen und nicht sein zukünftiger Lehnsherr, Emil von Wachkopp. Aber der Knecht war zur kalten Jahreszeit, wenn er nicht die Grippe hatte, entweder erkältet oder sonst schlecht drauf. Die Magd war dann ebenfalls nicht disponibel, weil sie seine Krankenpflege übernehmen musste. Die kriegten keine zehn Pferde aus das Bett raus. So schob denn einer dem anderen den Schwarzen Peter zu und ich blieb damit zurück. Jedenfalls kann man nicht sagen, dass wir uns um die Arbeit gerissen haben. Das war früher auch nicht anders als wie heute. Drückeberger ist wahrscheinlich der älteste Beruf der Welt oder jedenfalls ebenso alt wie der erste Beruf, der mit Arbeit verbunden war. Ich bin kein Faulpelz, bloß einer von die aufgeklärte Sorte, der die Dinge unverfälscht, ohne mystifizierende Brille zu sehen wagt.

Edmund ist der Beweis dafür, dass der qualitative Sprung aus dem Schattendasein in die sozialen Oberschichten nicht nur – wenn auch meist – in Märchen stattfindet. Er war seines Zeichens Bierkutscher. Und das sogar – kann man sagen – aus quasireligiöser Überzeugung. Die Brauerei, die ewige, nie versiegende Geberin, war sein Schlaraffenland. Er hätte deshalb seinen Rausschmiss – oder sagen wir „die Vertreibung aus dem Lustgarten“ – fast nicht überlebt. Aber Sünden werden gnadenlos bestraft, ins Erwerbsleben beinahe noch härter wie im Himmel.


 emilwachkopp antwortete am 30.12.06 (20:34):

Im Gegensatz zu mir – einem Bierkutscher der alten Schule – war Edmund ein Bierkutscher neuerer Prägung. Der Unterschied ist der, dass wir Alten unsere orale Triebhaftigkeit bis Feierabend zu beherrschen verstanden, wogegen die Neuen schon vor und während der Arbeitszeit immer kräftig hinzulangen pflegten. Das machte sich denn manchmal büschen an ihrem Fahrstil bemerkbar. Zun Beispiel als Edmund in die Lübecker Innenstadt mit seinem nagelneuen Lastwagen in einer Kurve umgekippt ist. Edmund ist nichts passiert. Er hatte den Sturz zuerst überhaupt nicht bemerkt sondern saß immer noch eisern am Steuer und hat sich nur darüber gewundert, wieso die ganze Innenstadt Schlagseite hatte. Wie soll denn in so einem vermurksten Stadtteil noch irgendwo ein Hinkommen sein? Die Frage beschäftigte ihn. Jedenfalls waren der Wagen und die Ladung natürlich im A. … im Eimer und Edmund hat sich deshalb von die Firmenleitung eine wuchtige Ermahnung eingefangen: „Noch so’n Zicken und du segelst raus. Mit’n A-tritt.“ Aber die Neuen lassen sich durch Drohungen nicht einschüchtern. Eine Woche später ist er mit dem nächsten Lastauto von der heutigen Kennedybrücke in Hamburg durchs Gelände durch runter in die Alster und da abgeblubbert. Wie Edmund aus der Fahrerhütte gekommen ist, war ihm und uns allen ein Rätsel. Ich nehme aber an, er war zum Zeitpunkt des Unfalls gar nicht mehr im Auto sondern ist schon vorher rausgefallen. Gefunden hat man ihn jedenfalls zwei Kilometer von der Unfallstelle. Im Schockzustand.
Jedenfalls hat Edmunds Firma Ernst aus der Drohung gemacht und ihn gefeuert.
„Denn arbeitest Du jetzt also gar nicht mehr als Bierkutscher?“ fragte ich Edmund.
„Nein, die haben mir gefeuert. Für nichts und wieder nichts.“
„Na, Du hast immerhin zwei von ihren Lastautos aufs Gewissen.“
„Das war doch nur, weil ich kurz die Kontrolle verloren hatte. Jedem unterläuft mal ein Patzer.“
„Hattest Dir wull wieder einen zuviel hinter die Binde gekippt.“
„Gar nicht. Mir ist plötzlich schwarz vor Augen geworden. Vor Schwäche. Ich kann diese Schufterei gar nicht mehr ab.“
„Und was machst Du jetzt?“
„Suppenmacher.“
„Suppenmacher? Was ist das denn für ein quatschiger Beruf?“
„Gar nicht quatschig. Hast Du noch nie Linsensuppe oder Erbsensuppe mit Speck in Dosen gesehen?“
„Pfui Teufel! Doch, habe ich.“
„Na siehste, die mach ich da rein.“
„Und wie machst Du das?“
„Mensch Emil, das weiß ich doch nicht. Denkst Du denn, ich kuck mir bei die Arbeit zu? Ich schmeiß den Mixer an. Dazu brauch ich nur auf einen Knopf zu drücken und denn geh ich erstmal einen ballern. Inzwischen wird das Gerümpel im Trog wull ordentlich durchmassiert.“
„Ach, so einfach ist das.“
„Gar nicht einfach. Man muss die Maschine auch rechtzeitig wieder abstellen. Wenn das Gerümpel nümlich zu lange umgerührt wird, kann man gar nicht mehr erkennen, was das ist. Das ist denn alles nur noch ein grauer Schleim, der...“
„Danke! Einzelheiten will ich gar nicht wissen.“


 emilwachkopp antwortete am 30.12.06 (20:37):

Wer Edmund kennt, der kann sich eigentlich den Rest der Geschichte selber erzählen. Wenn eine Geschichte sich logisch weiterentwickelt, ist sie trivial. Aber was soll ich machen? Ich muss hier alles haargenau so wiedergeben, wie es sich tatsächlich ereignet hat. Natürlich ist Edmund eines schönen Tages in den Trog gefallen. Edmund wäre nicht Edmund, wenn sich die Geschichte anders entwickelt hätte und ich wäre nicht ich, wenn ich sie anders erzählt hätte. „Ich war plötzlich bloß mal neugierig, wie die Maschine eigentlich funktionierte. Ich wollte mal sehen, was ich eigentlich beruflich gesehen so mach. Dabei muss ich mir zu weit vornüber gebeugt haben.“
Edmund ist nichts passiert, außer dass er nach das Malheur seinen Beruf noch mal wechseln musste. Der Mixer war nümlich mit einer Art von Notbremse versehen. Wenn ein Gegenstand von der Größe einer ausgewachsenen Ratte oder größer in den Trog fiel, schaltete er sich automatisch ab. Und das war, weil wenn der hineingefallene Gegenstand mit vermust wird, denn kann man doch den Brei nicht mehr einbüxen sondern muss ihn wegschmeißen. Aus eben diesem Grunde hat man auch Edmund aus dem Matsch herausgewühlt ehe weiter gemixt und eingebüxt wurde. Es wäre auch ein Verstoß gegen die Verbrauchergesetze gewesen, wenn man Edmund mit eingemacht hätte. Deshalb war das. Jedenfalls kann ich alle beruhigen, die in die 50-ger Jahre Suppe in Dosen gegessen haben. Edmund lebt noch und alles an ihm ist noch dran.

Hugo hatte einen okkulten Beruf. Zuerst aber nicht, da hatte er bloß den falschen Beruf. Er wollte partu Tierarzt werden. Aber 68 Verletzungen – alles Biss- und Kratzwunden – belehrten ihn eines besseren. Nach dem zweiten Pferdetritt gab er auf. Dann las er das Buch von dem Mann, der mit Pferden sprechen konnte. (Mit Menschen auch noch graad eben, aber mit Pferden besser.) Das war sein Glück und der Schlüssel zu einer glänzenden Karriere. Kann man mit Pferden reden, dann kann man auch mit Hunden und Katzen reden, sagte er sich. Hugo wurde Tierpsychologe. Meinen Hund, Mighty Quinn, hat er ebenfalls erfolgreich behandelt. Er gehorchte mir zwar nicht mehr, war aber auf der anderen Seite nicht mehr so paranoide, dass er sich von seinem Schatten verfolgt fühlte. Jedenfalls ist das der Grund dafür, dass ich mich an Hugo noch erinnere. Eines Tages, als wir uns auf der Straße begegneten, haute er mir ganz unvermutet einen Kinnschieber. Erst Jahre später wurde ich über den Grund dieser Handlung aufgeklärt. Ich hatte seiner jüngsten Tochter einmal einen kleinen Kuss gegeben. Und das hat mein Hund gepetzt. Es war nur ein kleiner unschuldiger Kuss auf die Nasenspitze, aber ich weiß ja nicht, was mein Köter noch alles dazugesponnen hat.


 emilwachkopp antwortete am 30.12.06 (20:39):

Jetzt geht das alte Jahr ins Grab und ein neues röchelt schon heran, ebenso altersschwach wie das alte, aber immerhin neu. Und ich hab mir deshalb überlegt, worauf wir alle in dies Forum zu Jahresbeginn anstoßen könnten. Etwas, dass uns über alle Parteigrenzen hinaus miteinander verbindet. Außer mit die richtig Arbeitswütigen und die Puritaner. Und jetzt bin ich darauf gekommen. Wir alle stoßen an auf:

Die Zentralheizung, die uns viel Bewegung erspart.
Die Achtstundenwoche, die uns das zeitgemäße Arbeitspensum angibt.
PROST UND PROSIT NEUJAHR!


 schorsch antwortete am 31.12.06 (09:37):

PROST UND PROSIT NEUJAHR auch dir lieber Emil. Mögen dir deine Ideen nie ausgehen - und sie dann auch gelesen werden (;-)

Übrigens: Mancher, dem seine Ideen ausgegangen sind, ist dann auch ausgegangen - und hat sie in seiner Lieblingsbeiz wieder angetroffen!


 angelottchen antwortete am 31.12.06 (11:25):

emil, du hast den tag für mich gerettet. hab dank für deine herrlichen blödeleien und mach weiter so!


 eleisa antwortete am 31.12.06 (14:30):

deine " Dönekes " lieber Emil lese ich auch immer gerne...


 emilwachkopp antwortete am 31.12.06 (21:54):

Ich wünsche Euch allen ein frohes, erfolgreiches und -vor allem - gesundes neues Jahr. Da wir nicht mit einem gesunden Jahr rechnen dürfen, hängt so vieles von der Gesundheit einiger Menschen ab.

Die Ideen werden mir wahrscheinlich nie ausgehen. Die Gefahr lauert woanders: Der Zeitgeist kann theoretisch so verrückt werden, dass ich plötzlich klug wirke. Möge das nie eintreffen.


 pilli antwortete am 31.12.06 (22:07):

" Der Zeitgeist kann theoretisch so verrückt werden, dass ich plötzlich klug wirke. Möge das nie eintreffen."


hihi...

und jetzt komme ich und schwupps, ist er da, der moment, der "nie eintreffen" sollte...egal :-) ich hebe jedenfalls mein glas und verkünde lautstark:

watt klügeres habe ich selten, so weise verpackt, gelesen und es hatte geschichten, da war mir nicht klar, ob ich nun lachen oder eher weinen sollte...

möge der wache kopp nicht müde werden!

:-)


 Vera antwortete am 01.01.07 (17:04):

"watt klügeres habe ich selten, so weise verpackt, gelesen und es hatte geschichten, da war mir nicht klar, ob ich nun lachen oder eher weinen sollte...

möge der wache kopp nicht müde werden!"

Also mein Gedanke -noch wirr in meinem Kopf- danke Pilli, wenn Du erlaubst schließe ich mich Deiner Aussage voll an.

Danke Emil!


 nasti antwortete am 01.01.07 (18:31):

Und so bin ich dazu gekommen, /durch die kurze Texte der anderen/ das ich durchlas den langen Text von emilwachkopp,
kann ich nur staunen über das genial geschriebene, wäre hier nicht eine online "klassenlosigkeit" angesagt, dann schreibe ich nie mehr ein Wort hier.

Ich sage mit zitternden Hand auch ein Prost für das Neujahr und Emil.


 Lissi antwortete am 01.01.07 (19:07):

emil-wachkopp
Du hast Dein Herz am rechten Fleck.
Wie Du liest bringt es Menschen zum Lachen und Weinen zugleich.Laß diese kostbare Gabe nicht verkommen,sie wird heutzutage dringend gebraucht.
Ein -kreatives-Jahr 2007 wünsch ich Dir !