Archivübersicht |
Impressum
THEMA: Tell Laura I loved her
8 Antwort(en).
emilwachkopp
begann die Diskussion am 04.11.06 (23:37) :
Das ist eine richtige Weingeschichte. Ich meine nicht so eine, wo man sich zum Lesen besüffeln muss (das nicht), sondern eine, wo man leicht das Heulen von kriegen kann. So mein ich das. Ich habe schon an die sechzehn Mal versucht diese Geschichte zu erzählen, aber ich konnte immer schon bald durch meine vertränten Augen gar nichts mehr richtig erkennen. Und was ich mir trotzdem zusammengetippt hatte, das hätte kein Schw…, das hätte gar keiner lesen können. Dass ich von der Geschichte weiß, das liegt daran, dass ich im jungen Alter eine zeitlang immer viel rumgeschnüffelt habe. Manchmal habe ich Leute beobachtet, beschattet oder sogar ausgequetscht. Mit meiner nervigen Fragerei. Bis sie schlapp gemacht und gestanden haben. Ich war wohl in meiner Vorstellung eine Art von Ordnungsmann: einer der immer schön zusehen musste, dass seine Mitmenschen keine krummen Dinger drehen. Und wenn doch, denn wollte ich gern alles darüber wissen. Darum habe ich eine zeitlang viel rumgeschnüffelt.
Er war Amerikaner und sprach und dachte deshalb auf Englisch. Auch was er dachte weiß ich, weil er die Angewohnheit hatte, seine Gedanken immer laut auszusprechen. Er dachte dann besser. Leise konnte er nur triviales Zeug denken. Alles was darüber hinausging konnte er zwar denken, aber nicht verstehen. Deshalb musste er sprechen, obwohl er auf der andren Seite sehr grobschlächtig und stotterig sprach. Aber für die Art von Gedanken, die er im Kopf zu haben pflegte, reichten seine verbalen Fähigkeiten meistens aus. Wenn er sich aber flüssig oder poetisch oder sonst stilistisch höherwertig ausdrücken wollte, dann musste er singen. Singend konnte er sich richtig gut ausdrücken. Ein etwas komischer Kauz war er schon. Ich traute zuerst meinen Ohren nicht: Da stand er auf der Wiese am Dorfrand und sang seine poetischen Gedanken laut heraus. „Ja, hat der denn eine Meise?“ dachte ich. Aber dann hörte ich ihm aufmerksam zu.
Laura and I are lovers. I’d like to give her everything: Flowers, sweeties, a hamster and, most of all, a wedding ring.
Aber ein goldener Ehering kostete zweihundert Mark und er hatte nur eine Mark und fünfzehn Pfennig im Portemonnaie. Es gab zwar durchaus passable Blechringe, mit silberner Farbe bestrichen, für nur 50 Pfennig. Aber einen Blechring hätte seine Laura ihm an den Kopf gepfeffert, sich ihn aber nicht auf den Finger streifen lassen. Das war wahrscheinlich eine ganz Verwöhnte. Eine wo der Mann sich leicht finanziell mit überwuchten tut. Das kann ihn denn dazu treiben, ein Gangster zu werden. Nicht bei uns, aber in Amerika. Da ist das so. Ich weiß das vons Fernsehen her. Jedenfalls fand er seinen kleinen Vers so toll, dass er seine Zukünftige sofort anrufen und ihn ihr vorsingen musste. Er ging zur Telefonzelle am Marktplatz. Allerdings konnte er seine Laura deshalb nicht erreichen, weil sie gar nicht zuhause war, sondern gerade mit einem andren Mann rumtollte. Außerhalb. Das wollte ihm Lauras Mutter, die den Anruf entgegennahm, aber nicht unbedingt auf die Nase binden, warum sie sagte: „Laura is alreets to Bett gahn. --- Laura in bed.“ Was ja wahrscheinlich auch der Wahrheit entsprach. „Se hett sik hatt verköhlt. --- Laura bad cold.“ Das aber war gelogen, denn sie war in Wahrheit nicht erkältet sondern ehrer schon überhitzt. „Oh, I’m terribly sorry. I ... eh … hope eh … I hope she’s not afflicted with illness.” Dann wurde ihm klar, welch einen Unsinn er da wieder mal redete. Aber er besann sich darauf, dass hier gesungen werden musste.
|
emilwachkopp
antwortete am 04.11.06 (23:41):
Laura and I are lovers. I’d like to give her everything. Flowers, sweeties, a hamster and, most of all, a wedding ring. Tell Laura I love her. Tell Laura I need her. Tell Laura I may be late, I have something to do that cannot wait.
Dann legte er auf. Um seine „Besorgung“ machen zu können, zog er sich den Mantelkragen bis zur Nasenspitze rauf und die Wollmütze bis zur Nasenspitze runter. Sehen konnte er aber deshalb noch, weil er zwei Löcher in die Wollmütze geschnitten hatte. Da wo die Augen sitzen. Er wollte die Kasse im Dorfbäckerladen ausrauben. Dazu musste er aber vorher der Bäckerin Ludmilla Krause eins über die Birne zwiebeln. Nicht dass er besonders erpicht auf Gewalttaten war. Er wollte bloß bei der Arbeit nicht gestört werden. Die Bäckerin wohnte nämlich oberhalb der Bäckerei im selben Haus. Weil der Fremde den Safe mit Hammer und Meißel aufzukloppen beabsichtigte, bestand die Gefahr, dass die Bäckerin von dem Krach vielleicht aufwachen und sich eventuell wundern würde. Deshalb war das. „Night time is the right time“, sang er vor sich hin. Heute war die Bäckerin allein zu Hause, denn ihr Mann, der Bäckermeister Fridolin Krause, spielte dienstags immer Skat im Dorfkrug. Wie man eine Ladentür mit dem Dietrich öffnet, das war ihm schon geläufig. Bloß in diesem Fall machte er sich vergebliche Mühe mit seinem Gefummel, denn die Tür war noch gar nicht abgeschlossen. Die Bäckerin putzte gerade die Regale als der Fremde durch die Tür eintrat. „Hier ist Feierabend“, rief die Bäckerin, mit dem Rücken dem Fremden zugewandt. „I know, but I … I … I…” „Eier gibt’s nebenan beim Lebensmittelhändler. Aber da ist auch schon Feierabend.” „I know, but I … I … I.” „O Gott, ein Bekloppter!” rief die Bäckerin und drehte sich um. Da war der Fremde so verdattert, dass er gar nicht mehr wusste, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte. Doch sah er ein, dass man so fummelig und unentschlossen keinen Raubüberfall durchführen konnte. Darum besann er sich darauf, dass jetzt gesungen werden musste, obwohl er damit natürlich seine Identität preisgab.
The best things in life are free But you can tell me ‘bout the birds and bees Now give me money (that’s what I want) A lot of Money (that’s what I want) That’s what I wa..wa..want ye-ye-yeh That’s what I want.
Doch zu seiner großen Überraschung fand die Bäckerin seine Nummer lustig und fing nun ihrerseits zu singen an und tänzelte sogar noch ein wenig dazu.
I know you’d like to buy her fancy clothes and diamond rings But after all she would be happy with you without those things Still you intend to steal my money, oh But I won’t let my money go You better move on
|
emilwachkopp
antwortete am 04.11.06 (23:43):
Da war der Fremde geplättet und trottete hängenden Kopfes von dannen. Am nächsten Tag fuhr er nach Hamburg rein und ging zur Autorennbahn. Da sollte ein Rennen veranstaltet werden und es winkte dem Sieger eine große Belohnung. Darum stahl er sich in die Kabine des bekannten Rennfahrers Toni Kuhschacher, knallte ihm eins auf den Kürbis, zog sich seinen Rennfahreranzug an, setzte sich seinen Rennfahrerhelm auf und klemmte sich hinter das Steuer seines Rennwagens. Er wollte die Belohnung einstreichen und der Laura dann sofort einen Hamster und einen Ehering kaufen. Beides aus Gold, nicht aus Blech. Da er noch nie ein Autorennen gesehen hatte, konnte er nicht wissen, dass man auf den Startschuss zu warten hatte, sondern raste sofort blindlings los. Er kam aber, ungeübt wie er war, nur bis zur ersten Kurve und dann krachte es. Die herbeigeeilten Funktionäre fanden, dass Toni Kuhschacher sein Leben an einem weniger profanen Ort, als eine Autorennbahn es war, verhauchen sollte. Darum trug man ihn eiligst in die nächste Kirche. Auf dem Boden der Kirche liegend spürte er, dass sein Leben wie ein Ei aus seiner Schale kleckerte. Ihm blieb nicht mehr die Zeit, sich eine würdige Abschiedsrede zusammen zu stottern. Es musste ein letztes Mal gesungen werden.
Laura and I were lovers. I wanted to give her everything. Flowers, sweeties, a hamster and, most of all, a wedding ring. Tell Laura I loved her Tell Laura I needed her My love for her, you see, will surely die with me.
|
wanda
antwortete am 05.11.06 (08:14):
danke emil, für mich bist Du ein Philosoph - schönen sonntag.
|
Karl
antwortete am 05.11.06 (08:23):
Den wünsche ich dir auch Emil. Eine schön-traurige Geschichte, eigentlich zu schade für die Diskussionsforen, du solltest mir erlauben, sie im Autorenteil unterzubringen.
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/autoren/index_autoren.html
|
schorsch
antwortete am 05.11.06 (08:43):
Schmunzel !
|
eleisa
antwortete am 05.11.06 (09:06):
Die Geschichte paßt so gut zum traurig - trüben Novembertag.
|
emilwachkopp
antwortete am 05.11.06 (17:08):
Ja Karl, das ist eine gute Idee. Bring sie gerne im Autorenteil unter. Ich wusste gar nicht, dass es hier so etwas gab. Das ist heute tatsächlich ein trüber Tag. Jetzt fällt mir das auch auf. Man könnte fast glauben, wir hätten schon November. Ich wünsche Euch allen ebenfalls einen schönen Sonntag.
|
schorsch
antwortete am 05.11.06 (17:18):
Bei uns war ein herrlich sonniger Nachmittag.
Aber:
Manchmal ist ein total nebliger Tag - aber in meiner Seele scheint die Sonne.
Und manchmal scheint zwar draussen die Sonne - aber in meiner Seele herrscht grauer Alltag....
|
|