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THEMA:   Leerstehede Landarztpraxen

 11 Antwort(en).

Mulde begann die Diskussion am 05.03.06 (12:25) :

Immer mehr Landärzte werden ausscheiden !
Aus unterschiedlichsten Gründen!
Neue kommen kaum hinzu.
Mein Vorschlag wäre wenn ein junger befähigter Arzt
sich bereit erklärt auf dem Lande / Kleinstadt sich niederzulassen bzw.dort eine Praxis zu übernehmen.
Dem sollte , das Barfög teilweise oder ganz erlassen werden.
Oder jeder Jungmediziner bekommt eine Pflicht auferlegt
zu erst erst in diesen Regionen zu praktizieren!
Das ist aber wieder eine Art Gewalt, die nicht von hohen
Wert sein dürfte!


 Arno_Gebauer antwortete am 05.03.06 (14:21):

Hallo, Mulde,

5,7 Milliarden Euro haben die ca. 400 Krankenkassen in 2004
und 2005 an Überschüssen erhalten und nicht erwirtschaftet.
Mit diesem Vermögen werden die Patienten nicht entlastet,
sondern höchstwahrscheinlich werden damit wieder die
ohnehin satten Vorstands- und Aufsichtsratgehälter
der viel zu vielen Krankenkassen aufgestockt.

Die Patienten müssen für Medikamente schon sehr tief in die
Taschen greifen.
Es ist doch klar, daß bei diesen steigenden Zuzahlungen in
den Apotheken immer weniger Menschen in die (Land)-
Arztpraxen gehen, um sich ein Rezept verschreiben zu lassen.

Viele Grüße
Arno Gebauer


 helmutalfred antwortete am 05.03.06 (15:28):

Arno

es gab 2001 insgesamt 389 Krankenkassen, 2003 waren es nur noch 320 (Quelle DESTATIS). Die Tendenz ist weiter abnehmend.

Die Kassen hatten 2003
50,7 Millionen Mitglieder
140,7 Mrd Einnahmen
145,1 Mrd Ausgaben

Deine Zahl sagt ohne Relation zu irgend etwas nichts


 schorsch antwortete am 05.03.06 (16:27):

So lange noch sooo viele kleine und mittlere Krankenkassen einen grossen Teil der Mitgliederprämien dazu verwenden, ihre Vorstände zu finanzieren, so lange wird sich auch anderweitig nichts ändern. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum nicht eine grosse, vom Staat kontrollierte KK, die effizienter mit ihren Mitteln umgehen kann, die vielen kostenintensiven Kässelchen ablösen soll.


 elena antwortete am 05.03.06 (16:27):

Es ist viel mehr als Rezepte verschreiben zu lassen. Bei einer Landpraxis hat der Arzt seine Patienten rund um die Uhr zu betreuen. Das heißt nachts raus und viele Kilometer fahren, und morgens dann in der Praxis sein.

In der Stadt gibt es Notdienste, die das übernehmen. Der Landarzt kann auch keinen Urlaub machen, ohne für eine Vertretung gesorgt zu haben, die kaum noch zu finden sind.

Seit vielen Jahren gehen die Honorare zurück und die jungen Ärzte sind nicht mehr bereit dafür zu arbeiten.

Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass viele Doktores inzwischen in andere Länder gehen, wo für sie die Bedingungen besser sind, insbesondere England profitiert von davon. Die Ausbildung ist sehr gut in Deutschland und heutzutage gibt es keine Sprachbarrieren mehr.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es für die alten Menschen und multimorbide Kranke auf dem Land immer schwieriger wird. Die Kassen zahlen kaum noch für Taxis und somit sind sie auf Fahrhilfe von Nachbarn oder Kinder angewiesen, sofern diese nicht woanders leben.


 helmutalfred antwortete am 05.03.06 (18:15):

Das Problem in Absurdistan ist nicht die Zahl der Aerzte mit 340 je 100.000 Einwohner, sondern die Aufgaben die sie neben dem eigentlichen Zweck zu erfuellen haben.

Ich kenne den Aufwand fuer die Buerokratie nicht, nur der ist enorm hoch. Ausserdem hat der Arzt keinen Ueberblick ueber sein Einkommen, er rechnet an die KV nur Punkte ab deren Anzahl ausserdem noch gedeckelt ist. Nicht umsonst kann in Absurdistan eine Arzt ohne Helferin nicht mehr existieren, in vielen anderen EU Laendern geht das bestens. Das alles bedingt staendig steigende Patientenzahlen, wobei mit vielen Hausbesuchen schnell die Grenze der Arbeitszeit erreicht und ueberschritten ist.

In Spanien bekommt man vom Arzt ein Rezept, ist die Medizin alle holt man sich in der Apotheke neue (ausser Narkotika). Ich war 1 Mal beim Arzt und inzwischen 30 Mal in der Apotheke. Eine enorme Einsparung fuer das System, unsere Krankenkasse kostet 35 €/Monat/Person.

Es gibt noch viele solche Aspekte der aerztlichen Versorgung. Wieso braucht man in der BRD um 1000 Krankenbetten auf 100.000 Einwohner, waehrend der EU-Durchschnit mit etwa 600 auskommt. (EUROSTAT)

Das System der Krankenversorgung in Deutschland ist der wohl krankeste Patient von allen. Es ist aber nicht zu erwarten das Leiden in absehbarer Zeit zu beheben. Man wird das System kaputtsparen wie bereits in England vorher. Deutschlands medizinische Versorgung entwickelt sich in Richtung US-System. Ein 3-Personenhaushalt braucht im Monat ca. 900 US$ fuer die Krankenversicherung, davon werden 30% in der Verwaltung verbraten. Nur 45 % der US-Buerger koennen sich eine Krankenversicherung leisten.

Als Resultat ist es fuer unseren Zahnarzt lohnend jede Woche 2 Tage von Gerona nach London zu fliegen und dort zu praktizieren.


 navallo antwortete am 05.03.06 (21:23):

@mulde,
"jeder Jungmediziner bekommt eine Pflicht auferlegt
zu erst erst in diesen Regionen zu praktizieren!"

Das würde noch mehr abhalten, sich für dieses Studium zu bewerben. Übrigens gab es in der DDR die Verpflichtung, 3 Jahre nach dem Medizinstudium dort zu arbeiten, "wo der Staat dich hinstellt" (1955). Gebracht hat das nichts. Bis 61 sind sie weiterhin massenhaft gen Westen geflüchtet.

"Barfög teilweise oder ganz erlassen" ist kaum ein geeigneter Anreiz, solange z. B. Ostärzte auch 15 Jahre nach der Wende für die gleiche Leistung wesentlich weniger erhalten, als ihre westlichen Kollegen. Hinzu kommt, daß auch insgesamt die abrechenbaren Punktwerte so erheblich gesunken sind, daß es - verglichen mit Arbeitsaufwand und Verantwortung - günstiger ist, einen Schlüsseldienst zu eröffnen.

Das Problem betrifft übrigens nicht nur die Landärzte! Bei diesen wird es nur zuerst sichtbar. Kliniken haben Probleme, leere Stellen zu besetzen, bestimmte Facharztpraxen dümpeln ohne ausreichenden Gewinn dahin. Die Flut an bürokratischen Repressionen wächst EDV-gestützt ins Unermeßliche. Lebenslänglich zu erbringende überaufwendige amtlich bestätigte Weiterbildungsnachweise (jeder Arzt hat sich auch in der Vergangenheit schon ohne das weitergebildet)und zahllose andere Gängeleien (z. B. KV-Prüfungen) machen die Sache nicht eben attraktiver. Die von Medien oft geschürte Diskriminierung des Berufsbildes und juristisches Glatteises haben in der Bevölkerung vielfach zur Umkehr der sozialen Achtung des Arztberufs geführt. Hinzu kommt, daß den Ärzten die Schuld am Versagen des Gesunheitssystems in die Schuhe geschoben wird. Sie werden zum Beispiel für das Verschreiben von Medikamenten finanziell bestraft, sobald ihr Budget überschritten wird. Man fordert quasi, daß kostenintensive Patienten möglichst nicht behandelt werden. Dazu eine unfähige Gesundheitsministerin, die sich mit unfähigen Beratern umgibt.

Resumé: in den nächsten Jahren werden wir noch einiges Schlimmes erleben. Ob die Verantwortlichen irgendwann von selbst aufwachen? Ich glaube es nicht; denn sie müssen ja nur die nächste Wahlperiode überstehen.


 Roby antwortete am 06.03.06 (08:09):

Gesund ist nur, wer nicht gründlich untersucht wurde. Ich denke, unser Gesundheitswesen ist bisher nicht gründlich untersucht worden. Soll es wohl auch nicht.

„Facharztpraxen dümpeln ohne ausreichenden Gewinn dahin“, schreibt Navallo. In der Tat – hier liegt das Problem. Nicht weil kein oder zuwenig Gewinn gemacht wird, sondern weil überhaupt Gewinn gemacht werden muss, Gewinn gemacht werden soll und Gewinn gemacht wird. Alles, auch der Einzelne mit seinem Leiden, hat sich dem unterzuordnen.

Eine Gesundheitspolitik, die den Maximalgewinn zum Ziel hat, ist m. E. krank. „Ein Krankenhaus kann doch nicht wie eine Bockwurstbude funktionieren?!“ rief einmal ein empörter Politiker in den fast leeren Plenarsaal des Bundestages. Mein Hausarzt sagte mir im traurigen Ton „Früher war ich Arzt – heute bin ich mehr Kaufmann“. Mit früher meinte er: vor 1989.

Was hat Hippokrates eigentlich zum Verdienen am Patienten gesagt?

Die Rückkehr zu einem staatlichen Gesundheitswesen ist nicht möglich ohne gleichzeitige Änderungen bei den Zulieferer des Gesundheitswesen. Heraus käme ein noch weniger funktionierendes Gemisch aus staatlich finanzierten Krankenhäusern einschließlich Personal und privatwirtschaftlichen Zulieferern (insbes. Pharmakonzerne) nach dem schlechten Vorbild von England.

Meine Stadtväter verkauften vor 2 Jahren ihr schwarze Zahlen schreibendes Klinikum mit 2500 Angestellten, Ärzten und Schwestern. Die Stadt brauchte die 160 Millionen dringend. Nach etwa 30 Monaten verkaufte der Käufer das Klinikum an den nächsten Interessenten... Ob das eventuell ein Fall für den Staatsanwalt wäre? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß:

Wirtschaftskriminalität wird in Deutschland verfolgt .... mit Spannung.

Tja, Mulde - solange gewinnorientiert praktiziert werden soll und muss, solange nicht der Patient sondern das Geld im Mittelpunkt aller Bemühungen steht, solange bleibt das Problem der Landärzte und viele andere Probleme im Gesundheitswesen bestehen.

meint
Robert


 schorsch antwortete am 06.03.06 (08:46):

@ helmutalfred: "...Ich kenne den Aufwand fuer die Buerokratie nicht, nur der ist enorm hoch..."

Dafür, dass du den Aufwand nicht kennst, bist du aber sehr gut informiert (:-)

In der Schweiz ist das Problem noch nicht so gravierend. Aber trotzdem lässt das Interesse am Medizinstudium kontinuierlich nach.

Als ich noch ein Kind war, hatte unsere engere Region (ohne Stadt) etwa 10`000 Einwohner. 1 (ein) Hausarzt alleine versorgte sie alle - Tag und Nacht. Die Einwohnerzahl hat sich inzwischen verdreifacht - und die Ärztezahl verzwanzigfacht! Notfallbesuche macht nur noch der durch Ratationsprinzip zuständige Notfallarzt..... Als ich vor ein paar Jahren wegen einer Blutleere etwas unglücklich auf eine Holzkante fiel und eine etwa 4 cm lange Wunde am Kopf hatte und eine Hirnerschütterung, telefonierte meine Frau in die Praxis meines Hausarztes. Die Sprechstundenhilfe sagte: "Er soll in die Praxis kommen - wir haben ab nächsten Montag Ferien!"


 Literaturfreund antwortete am 06.03.06 (12:04):

Wer Ärzte bedauert, die streiken können und 30 % mehr Honorare fordern und die sich beschweren, dass sie Gutachten schreiben, für die sie gut bezahlt werden... - hat der Angst, alt und/oder krank zu werden?

Ich gehe zu keinem Arzt mehr in die Praxis, von dem ich erfahre, dass er Zeit und Lust hat zu streiken.

Das kann ich mir in einer Großstadt leisten...


 schorsch antwortete am 06.03.06 (17:27):

Literaturfreund, ich prophezeihe dir ein kurzes Restleben - so ohne Arzt!


 Mulde antwortete am 06.03.06 (18:07):

Hier hat man nun einiges geschrieben
Sinnvoles aber eine Menge am Thema vorbei.
zb die unmenge der Kassen das ist doch, zwar richtig
und auch Diskutierbar aber eben am Thema vorbei!
Wie löst man das Problem?
Ist es eine Hilfe - Anreiz für einen jungen Arzt
bei erlassen des Barfög solch eine verwaiste Praxis
zu übernehmen?
oder gibt es einen anderen machbaren Weg?
Das ist das Thema!