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THEMA:   Was verstehen Sie unter Ehre?

 31 Antwort(en).

frieder begann die Diskussion am 18.02.05 (11:44) :

Joachim Ringelnatz schreibt in seinem Gedicht: °Ehrgeiz° u.a.
< Mir selber ging jede Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden die jeder besitzt <

Was meint er mit den °zwei Orden°?

In meinem Synonym-Buch steht unter °Ehre°
z.B. Wertgefühl, Stolz, Würde, Ansehen, Selbstachtung etc.

Was stimmt hier nicht? .
<....sehr °geehrter° Herr Minister, Sie erhalten demnächst einen Strafbefehl wegen Falschaussage > (Finanzminster a.D. in Baden-Württbg.)

<...Tochter erstochen, wegen Verletzung der Familienehre >

Denken Sie an das Duellieren bei Verletzung der Ehre im vergangenen Jahrhundert.

Wer weiß noch andere Beispiele?
Gruß Frieder


 carla antwortete am 18.02.05 (11:58):

Ringelnatz meint wohl tatsächlich Orden, die ihm für irgendwelche "ehrenvollen" Taten verliehen worden sind.

Für mich persönlich gehört der Begriff "Ehre" eher nicht zum angewandten Wortschatz. Ich finde, es ist so viel Unfug und Schlimmes damit betrieben worden, daß ich diesen Begriff lieber ausklammere. - Auch die Soldaten sind in den Kriegen "auf dem Feld der Ehre" gestorben. Klingt zwar schön, aber es war eben trotzdem der Tod im Krieg, zum Teil unter furchtbaren Umständen und viel Leid für die Hinterbliebenen.


 Karl antwortete am 18.02.05 (14:21):

Für mich spielt die Ehre im herkömmlichen Sinn keine Rolle. Von der "Ehre eines Kriegers" halte ich schon gar nichts. Aber "Ehre" im Sinne von Selbstachtung sollte eine wichtige Rolle spielen. Dazu kann gehören, sich dem "Ruf der Ehre" zu verweigern. Wenn die Selbstachtung verloren ginge, wäre das schlimm. Jedem Menschen sei diese Selbstachtung vergönnt. Besitzt er sie nicht, hat er mit das wichtigste verloren oder - schlimmstenfalls - nie gewonnen, das man besitzen kann.


 trux antwortete am 18.02.05 (16:40):

Gängige Praxis sind Siegerehrungen mit Überreichen von Medaillen, Abspielen der Nationalhymne und Hochziehen der Nationalflaggen.


 schorsch antwortete am 18.02.05 (17:34):

Ich empfinde es als Ehre, mit euch diskutieren und disputieren zu dürfen. Aber ich erwarte nicht, dass jemand von euch sich geehrt fühlt, mit mir diskutieren und disputieren zu dürfen!


 martin7 antwortete am 18.02.05 (22:24):

Die Ehre ist das Mark der Treue.

Ehrenbezeugung, Gruß und Gegengruß sind der Ausdruck gegenseitiger Achtung und Kameradschaft und zugleich ein Grad der Mannezucht innerhalb der Truppe.

Hat man mir einmal eingebleut.

Nun arbeite ich heute ehrenamtlich frage mich aber warum ich das obenstehende lernen mußte.
Gruß

Martin


 julchen antwortete am 19.02.05 (06:21):

Seltener Besuch, ich mach's kurz.

Ringelnatz sagt:

"Mir selber ging jede Ehre vorbei"

Unbescholten von ererbten Schuldgefuehlen lese ich in diesem
Satz 2 Moeglichkeiten:

Entweder meint Ringelnatz, dass er persoenlich niemals
etwas getan hat, was ihm "Ehre" (seiner Zeit und
politischen Situation) einbrachte.
Oder er meint damit, er habe Dinge getan, die seiner Zeit und politischen Situation gerecht/notwendig waren (Ihm aber persoenlich keine Ehre einbrachten, weil er wusste, dass sie falsch waren und sie trotzdem tat).


"Bis auf zwei Orden die jeder besitzt"

..geboren werden und sterben muessen...???

keine Ahnung. - Nur ne Idee.


 Graugans antwortete am 19.02.05 (10:05):

Hallo,

für mich hat das Wort "Ehre" etwas Negatives, wie mit
Ausnutzen und Übervorteilen zu tuen. Dazu zähle ich auch
viele, aber nicht alle Ehrenämter, weil manche Ehrenämter
auf dem medizinischen Sektor fürstlich entlohnt werden.
Auf so etwas kann ich gut verzichten.

Viele Grüße
Graugans


 trux antwortete am 19.02.05 (11:34):

martin7
Dein Beitrag regt zum Nachdenken über die Soldaten der Bundeswehr an. Der Soldat braucht Gewissheit, dass die Gesellschaft hinter ihm steht. Ich kann Deinen Beitrag gut verstehen und denke dabei besonders an die Soldaten im Auslandseinsatz.


 Burebueble antwortete am 19.02.05 (11:44):

Anspielend auf Hitlers beschwichtigende Reden (heute würde er wohl auf Bushs beschwichtigende Reden anspielen) schrieb Bertolt Brecht:

Wenn die Oberen vom Frieden reden
Weiß das gemeine Volk
Daß es Krieg gibt.

Wenn die Oberen den Krieg verfluchen
Sind die Gestellungsbefehle schon ausgeschrieben.

(Bertolt Brecht: Die Gedichte [BBG], S. 636)

Die Oberen
Haben sich in einem Zimmer versammelt.
Mann auf der Straße
Laß alle Hoffnung fahren.

Die Regierungen
Schreiben Nichtangriffspakte.
Kleiner Mann
Schreibe dein Testament.

(BBG, S. 636)

Die Oberen sagen:
Es geht in den Ruhm.
Die Unteren sagen:
Es geht ins Grab.

(BBG, S. 637)

Weiter ist bei Brecht zu lesen:

Deutsches Lied (heute würde er es sicher Amerikanisches Lied nennen)

Sie sprechen wieder von großen Zeiten
(Anna, weine nicht)
Der Krämer wird uns ankreiden.

Sie sprechen wieder von Ehre
(Anna, weine nicht)
Da ist nichts im Schrank, was zu holen wäre.

Sie sprechen wieder vom Siegen
(Anna, weine nicht)
Sie werden mich schon nicht kriegen.

Es ziehen die Heere
(Anna, weine nicht)
Wenn ich wiederkehre
Kehr ich unter andern Fahnen wieder.

(BBG, S. 641)


 Karl antwortete am 19.02.05 (13:15):

@ martin7,

ich verstehe, dass du hinterfragst, warum du "Mannezucht innerhalb der Truppe" lernen musstest. Töten erfordert äußerste Disziplin. Manneszucht heißt hier wohl vor allem Unterordnung und blinden Gehorsam ausüben.

Übrigens trux, würden deutsche Soldaten in einen Angriffskrieg ziehen, ich würde nicht hinter ihnen stehen.


 schorsch antwortete am 19.02.05 (14:09):

@ Karl: "...Übrigens trux, würden deutsche Soldaten in einen Angriffskrieg ziehen, ich würde nicht hinter ihnen stehen..."

Brauchts auch gar nicht Karl; denn schon anno 1939 verstanden es die Generäle, kritische Menschen VORNE als Kanonenfutter zu platzieren!


 wanda antwortete am 19.02.05 (18:17):

@Graugans - wenn "Ehrenämter" fürstlich entlohnt werden, dann sind es keine Ehrenämter mehr. Das widerspricht sich.

Ich sehe auch das Wort Ehre nicht so negativ. Wer sich im Ehrenamt ausnutzen lässt ist selber schuld. Auch hier gilt, bis hierhin und nicht weiter.


 Karl antwortete am 19.02.05 (18:31):

Ehre ist ein Begriff, der wie so vieles von den Nazis besudelt worden ist, weshalb ich persönlich ihn ungern gebrauche. Hier einige Beispiele.

"Meine Ehre heißt Treue" war die Losung der SS. Wie ähnlich klingt das doch dem obigen. "Die Ehre ist das Mark der Treue."
"Ruhm und Ehre der Waffen-SS", was für ein Ruhm, was für ein Ehrbegriff???
Auch die Flagge, trux, ist eben von den Nazis missbraucht worden, weshalb sensible Deutsche hier sehr zurückhaltend sind: "Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert..." Horst Wessel Lied.


 schorsch antwortete am 19.02.05 (18:52):

Statt SS und SA singen nun andere Horden:

"Das Banner hoch, den Euro statt die Ehre,
so ziehen wir im Taktschritt durch das Land.
Wir wollen nicht, dass einer sich da wehre;
wir schnüren ihm die Luft ab mit der Hand!"


 frieder antwortete am 19.02.05 (18:55):

Nochmals zu Ringatz Gedicht „Ergeiz“

<Mir selber ging jede Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.
Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.
Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,
Daß man nach meinem Tod
Ein Gäßchen nach mir benennt, .....>

Schorsch schreibt: Ich empfinde es als eine Ehre mit Euch zu diskutieren und zu disputieren zu dürfen.
Bei ihm hat der Begriff noch einen runden Klang. Es kann mit seiner Herkunft zu tun haben. Stammt er doch aus einem einst °gehobenen° Hause.

So schreibt Martin7: Er arbeitet gar °ehren-amtlich° . D.h. er hilft anderen ohne Gegenleistung - sonst ist es nicht °ehrenamtlich°. Dabei könnte man das Teilwort °amtlich° durch °dienlich° ersetzen. Hier höre ich eine vernünftige Gesinnung - °dienen° - mitbestimmen.

Wie bekannt, kommt Präsident Bush demnächst nach Europa. Es ist sicher, daß sich Leute finden, die es als einen Vorzug, als eine Ehre erleben würden, mit ihm reden zu dürfen. Aber genau das Gegenteil ist auch sicher. Viele würden sich freuen, wenn sie ihn mit faulen Eiern bewerfen dürften. Hier sehen wir, °Ehre° setzt Anerkennung voraus. Einen Soldatenfriedhof für einen Ehrenplatz zu halten, dazu muß man den Krieg als ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung anerkennen. Darüber wurde schon viel nachgedacht.
Also, ich würde den Begriff auch gerne mit Anerkennung und Wertschätzung ersetzen.
Last not least:
Was mich besonders freut, Julchen wußte eine Antwort auf meine Frage nach den °zwei Orden°.:
°Geboren werden und sterben°.
Gruß Frieder


 rolf antwortete am 20.02.05 (10:00):

Wenn wir alle Wörter, die von den Nazis – oder auch von anderen - mißbraucht wurden, auf den Index setzen, ist dieser bald länger als die Liste der „erlaubten“ Wörter.
Genauso sehe ich die Verwendung von Ausdrücken nur noch in einem Zusammenhang.
Holocaust bezeichnet beispielsweise lt. Fremdwörterduden Zerstörung, Verwüstung, (Massen-)Vernichtung.
Ohne die Fokussierung auf die Naziverbrechen wäre der Eklat der NPD-Rede ins Leere gelaufen, da dann einfach ein Fremdwort statt eines deutschen Wortes benutzt wurde. Und das sollte doch dem „Deutschtum“ der NPD widersprechen.


 Tobias antwortete am 20.02.05 (10:19):

Auf meinem Fahrtenmesser, das ich nach bestandener Pimpfenprüfung 1943 erhielt, standen die Worte " Blut und Ehre ". Dies aus meiner Erinnerung.


Im östlichen Teil Oberfrankens und in großen Teilen der Oberpfalz begrüsst man sich mit den Worten " Habe die Ehre ". Dies ist auch heute noch als Begrüssung üblich ,auf der Strasse und auch am Telefon.


 Karl antwortete am 20.02.05 (11:57):

@ rolf,

es ist sicher richtig, dass wir nicht alle Vokabeln, die je von Nazis benutzt wurden, nun ächten könnten. Wir stünden sprachlos da. Andererseits können wir es uns leisten, die symbolträchtigsten Wörter zu ersetzen und es damit vermeiden, uns Missverständnissen auszusetzen, gerade weil nun einmal ihr Missbrauch in der Nazizeit ihrer Bedeutung einen Dreh gegeben hat.

Der Begriff "Holocaust", selbst von den Nazis wohl nicht gebraucht, hat - ungeachtet dessen was in einem Wörterbuch stehen mag - keine doppelte Bedeutung mehr. Dieser Begriff ist auf immer die Beschreibung des schlimmsten Verbrechens zu dem Menschen bisher je fähig waren.


 Mechtild antwortete am 20.02.05 (13:18):


@schorsch
Kompliment zurück! Auch für mich ist es eine Ehre Dich zu kennen und mit Dir zu reden.
Mechtild


 iustitia antwortete am 20.02.05 (13:59):

"Holocaust" bedeutet, aus dem Hebräischen übersetzt, natürlich noch immer "Ganzbrand": "holocautomata" (griech.); also, was geopfert wurde, musste ganz verbrennen; da durfte nichts abgezweigt werden, für Priester oder Bedürftige.
Dieses und andere Opfer-Rituale wurde von den Juden schon nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer - und die dadurch erfolgte Diaspora der Juden in die ganze Welt - nicht mehr praktiziert.
Erst die US-TV-Serie, die ja vor einigen Wochen wiederholt wurde und mich wieder überrascht hat in ihrer Ästhetik, Fülle und historischen Genauigkeit, hat den Begriff aufgenommen; da wurde er so als Fremdwort auch ins Deutsche übernommen.
Die anderen Versuche, den Inhalt des Genozids - "Shoah" oder "Churban" - zu vermitteln, haben sich nicht durchgesetzt.
Dass Nazis den "un-deutschen" Begriff mit "Bomben-Holocaust" übernehmen wollten, hat mich überrascht.
Sie können sich also den grundlegenden Tatsachen der christlich-jüdischen-deutschen Geschichte nicht entziehen; wollen den eigentlichen Völkermord und den begeonnenen Weltkrieg aber nicht thematisieren oder zur Kenntnis nehmen, sondern ihn nur für ihre angebliche Verfolgungstheorie ("Vernichtungsstrategie" der Alliierten gegen das deutsche Volk...) missbrauchen.
(Selbst von Stalins Befehlen im Endkampf um Berlin her können die Nazis das nicht belegen; aber da wird es eben noch lange verschwiegen. Vordringlich für den Antisemitismus der Undeutschen ist die Lüge gegen Jüdisches, das Verleugnen...)
Aber sie verraten immer nur ihre eigenen dummen, psychischen Störungen, ihre psychosozialen, religiösen und historischen Komplexe.
*
URL: In vielen Nazi-Klamotten wird der Begriff aber schon als Sensation angeboten... Es scheint dort so zu wirken, dass sie sich über die Reaktionen als Aufmerksamkeit freuen.


 tiramisusi antwortete am 20.02.05 (22:07):

schade, dass der Begriff schon wieder einmal nur auf "Nazis" reduziert wurde...
Manche Diskussionm die so "endet" erinnert mich immer an einen Sketch, den dieser zauberhafte rundliche Rumäne mit dem Knautschgesicht .. Misha..? des öfteren spielte und in dem er es immer verstand, jedes Thema auf Vergleiche mit der Kartoffel und Nachtschattengewächse zu bringen ....


Karl Kraus schrieb einmal "Die Ehre ist der Wurmfortsatz der Seele. Gerade denen, die dazu inklinieren, sich in ihr verletzt zu sehen, soll man sie getrost beschneiden."

Das drückt´s ziemlich gut aus, was mir "Ehre" bedeutet. bei der Suche nach diesem Spruch stiess ich auf eine lesenwerte Webseite zum Thema Ehre - nicht unwitzig, dass das Thema gerade auf der Seite einer Sadomasochistin so ausführlich behandelt wird ..:-)

Internet-Tipp: https://www.bdsm.at/helene/cyber/Ehre.htm


 schorsch antwortete am 21.02.05 (09:33):

Oft ist, was des einen Ehre, des anderen Schmach! Beispiel aus der Gegenwart gefällig? Bush schickt seine Soldaten nach Badad auf das Schlachtfeld der Ehre. Für die Irakis aber ists das Schlachtfeld der Schmach.....

.....und er sitzt mit seiner Cowboyausüstung im Weissen Haus und merkt nicht mal, dass das, was er als Ehre vorgibt, schon auch für ihn längst zur Schmach geworden ist!


 ina antwortete am 23.02.05 (00:39):

Nur einen Spruch zum Thema Ehre:
wenn mancher Mann wüßte,wer mancher Mann wär`,tät mancher
Mann manchem Mann, manchmal mehr Ehr.


 schorsch antwortete am 23.02.05 (08:43):

@ ina

Oder auch umgekehrt: wenn mancher Mann wüßte,wer mancher Mann wär`,tät mancher Mann manchem Mann, manchmal KEIN Ehr.


 Marina antwortete am 23.02.05 (12:54):

Im Zusammenhang mit der „Ehre“ gibt es ein ganz besonders trauriges Kapitel, das sind die Ehrenmorde an türkischen Frauen. Vielleicht haben einige von Euch gestern Abend die Sendung „Maischberger“ gesehen, dort hat eine Türkin, Serap Cileli, in beeindruckender Weise von ihrem eigenen Schicksal und ihrem Kampf gegen Zwangsverheiratungen berichtet.
Sie wurde als 15-Jährige von ihren in Deutschland lebenden Eltern mit einem ungeliebten Mann zwangsverheiratet und floh nach sieben Jahren aus der Ehe. Solche Handlungsweisen türkischer Frauen haben Konsequenzen: In vielen Fällen werden sie von den eigenen männlichen Familienangehörigen ermordet, damit die Familienehre wiederhergestellt ist.
Serap Cileli ist es gelungen, nach Deutschland zu fliehen und einen Mann ihrer Wahl zu heiraten. Nun macht sie es sich zur Aufgabe, gegen Zwangsverheiratungen türkischer Mädchen und Frauen zu kämpfen; u.a. engagiert sie sich bei Terre des Femmes. Zu den Ehrenmorden gehören auch die Steinigungen, die bereits hier einmal Thema waren. Ich stelle einen Artikel der Süddeutschen mit einem Bericht hier ein.
Wer nun meint, einen Widerspruch in meinem Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und dem Anprangern dieser schrecklichen Menschenrechtsverletzungen zu erkennen, sei prophylaktisch folgendes gesagt: Ich verurteile nicht global die ganze türkische Gesellschaft, schon gar nicht die hier lebenden türkischen Frauen, die die Opfer dieser Missstände sind. Die Missstände betreffen eine unterdrückte Minderheit in der eigenen patriarchalischen Gesellschaft und werden von Mitgliedern dieser eigenen Gesellschaft (z.B. Serap Cileli) angeprangert und bekämpft. Auch in Deutschland finden Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde statt, und es gilt die Augen aufzumachen, wenn türkische Mädchen mit einem Mann aus einem Türkei-Urlaub zurückkommen.
Zuletzt: Es handelt sich hier nicht um einen konstruierten Einzelfall, der nicht nachweisbar ist, sondern um nachweislich stattfindende unmenschliche Praktiken.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/biOIDE1VY


 Karl antwortete am 23.02.05 (15:59):

Ich habe diese Sendung auch gesehen und danke dir, dass du das hier aufgreifst. Es zeigt, wohin der Ehrbegriff führen kann. Er hat etwas sehr Archaisches an sich. Die mutige Türkin aus der Sendung verdient alle Unterstützung.


 Marina antwortete am 23.02.05 (16:35):

Ja, und umso erschütternder die Diskussionen über türkische "Sozialschmarotzerinnen", weil ihre Wohnung vielleicht ein paar Meter größer ist, als ihnen eigentlich zustehen sollte.
Was ich auch nicht wusste - dass die Frauen nicht verhüten dürfen, wenn ihre Männer es nicht erlauben, weil Kinderkriegen auch zur türkischen Familienehre gehört. Da erübrigt sich wohl weiteres Diskutieren über die Unfähigkeit türkischer Frauen zu verhüten.


 BarbaraH antwortete am 23.02.05 (16:48):

In der taz vom 22.02.05 zum Thema "Ehrenmorde":

Wenn das Familiengericht tagt

Das Phänomen der Ehrenmorde hat man in Deutschland zu lange ignoriert. Obwohl sie mit den Grundwerten einer westlichen Gesellschaft kollidieren. Nach dem Mord an einer türkischstämmigen Berlinerin regt sich endlich öffentlicher Protest

VON MARTIN REICHERT
https://www.taz.de/pt/2005/02/22/a0164.nf/text

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2005/02/22/a0164.nf/text


 Irwisch antwortete am 24.02.05 (06:24):

Moin allerseits,


Ehre, wie sie wohl von den meisten Menschen verstanden wird, hat viel mehr mit äußerer Anerkennung und der Angst vor Gesichtsverlust zu tun als mit dem tatsächlichen Bewahren innerer Werte. Die Doppelmoral unserer bürgerlichen Gesellschaft hat es inzwischen geschafft, einen Großteil ähnlicher Begriffe in seiner Bedeutung soweit abzuschwächen, daß man sie im Grunde nicht mehr verwenden kann, ohne ganz genau zu definieren, was man darunter versteht.


 BarbaraH antwortete am 24.02.05 (22:43):

Wenn wir ehrlich sind, gibt es auch in unserer Gesellschaft "Ehrenmorde"; wir nennen sie jedoch "erweiterter Suizid". Dabei geht es gleichfalls um Gesichtsverlust, um Schulden, die zum Verlust von Statussymbolen führen oder aber um Partnerschaftsprobleme. Ein Artikel in der Frankfurter Rundschau regt zur Nabelschau an:

>>Es gibt allerdings ein Pendant zum Ehrenmord der anderen, weil untergründig Fremden. Es ist die Familientragödie, die immer dann angezeigt wird, wenn der hiesige Mann seine Frau und/oder Familie auslöscht, bevor es ihn ins Jenseits zieht.
(...)

Man könnte (...) - wie im Falle des Ehrenmordes - nach Strukturen und Bedingungen hiesiger Männlichkeit fragen, statt das Geschehene allein im Bereich des ominös Schicksalhaften zu belassen, wo sich sein Schrecken gefahrlos konserviert. Doch scheint sich hier das öffentliche Interesse in Grenzen zu halten, wohl auch, weil man die so tätig Gewordenen nach unseren Vorstellungen nicht mehr verurteilen und gegebenenfalls auch nicht bestrafen kann. Ein Preis, den wir für die Ausrichtung unserer Wertesystems bezahlen müssen: dass eine Tat ohne Urteil keine ist.<<

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 25.02.2005
Ehrenmord
VON FRANK KEIL
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/kultur_und_medien/
feuilleton/?sid=97aac17397da7022d3a28645239e83d9&cnt=637303

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/9vrqMyUwj


 TouchMe antwortete am 26.03.05 (14:44):

Ehre hat für mich auch etwas mit der Tradition und mit Kompetenz zu tun. Auf Ehr und Glauben bedeutet, dass alles hinter dem wir ehrlichen Herzens stehn zu unserer Basis und unserem Erfolg (wo auch immer) führt. Aber wie bei allen Tugenden dreht es sich ins Gegenteil um, wenn wir es nicht jeden anderen auch zugestehen.

Würde das jeder anerkennen, wäre das Leben auf Erden das reinste Paradies.

Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu! - brauchen wir mehr?