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THEMA:   Edgar Reitz` TV-Saga »Heimat«

 20 Antwort(en).

DietrichStahlb begann die Diskussion am 16.12.04 (18:19) :

Ich habe Heimat 1 und 2 und nun den 1. Teil von Heimat 3 gesehen und sage es freimütig heraus: Dieses Filmepos berührt mich sehr. Es ist – hier folge ich meinen subjektiven Eindrücken – ein großes (Film-)Kunstwerk, eins der wenigen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Es überragt alles, was das Fernsehen sonst an „Heimat“filmen zu bieten hat; denn Heimat zeigt sich hier nicht in den folkloristischen Sonntagskostümen so genannter Volkssänger/innen und Heimatvertriebener oder womöglich als Blubo- (Blut-und-Boden)-Nostalgie, sondern als Metapher für die Suche nach dem Selbst in Zeiten, die sich rasend schnell verändern. Zeiten maßloser Gier und des Kalküls.

Sich seiner selbst zu vergewissern, ist angesichts der massiven Beeinflussung durch die Medien, ist heute in der Flut von Information und Desinformation, von Werbung, von Bildern und künstlich erzeugten Emotionen ein Akt der Emanzipation, sind doch die meisten von uns Industriemenschen sich selbst verloren gegangen.

Edgar Reitz ist sechs Jahre jünger als ich und gehört zu meiner Generation. Wir haben zumindest in den ersten Nachkriegsjahren und in den 68er Jahren die gleichen Erfahrungen gehabt. Deshalb verstehe ich sein Filmepos. Es weckt Empfindungen, die mir nicht fremd (geworden) sind. Wie es bei den Jüngeren „ankommt“, weiß ich nicht.
Heimat ist heute für mich kein geographischer Ort, sondern ein (innerer) Zustand:

Heimat ist nirgend woanders als in dir selbst.

Ist dies nicht auch die wesentliche Aussage des Films?

D. St.

Internet-Tipp: https://www.dietrichstahlbaum.de


 Miriam antwortete am 17.12.04 (09:28):

Hallo DietrichStahlb,

habe den ersten Teil des Filmes nicht gesehen, bin dir aber sehr dankbar, dass du darüber hier schreibs. Natürlich werde ich nun versuchen, die Folgen nicht zu versäumen.

Was mir überhaupt sehr gefallen hat in deinem Beitrag, ist die Idee der Heimat, die eigentlich nur in uns zu finden ist. Und dies, als Alternative, zu meinem persönlichen Umbehagen angesichts der Diskussionen über Heimat, Patriotismus, etc.., sei es hier in Deutschland oder auch in Frankreich und in anderen Ländern.

Denn die Idee der Heimat in uns, kennt ja keine feste Grenzen, die uns von aussen aufgezwungen werden. Sie zwingt überhaupt zu nichts, und das ist das richtig schöne daran.

Der Akt der Emanzipation aus den Zwängen unserer Zeit, und wie schwer und langwierig dieser sein kann, dieses Gefühl (eher als die Idee die dem entspricht), ist mir auch sehr bekannt, aus eigener Erfahrung.

Wenn der Film von Edgar Reitz alldies anspricht, ist er sicherlich sehenswert. Neugierig darf man auf eines sein: wie kann er dies in Bilder fassen?


 wanda antwortete am 17.12.04 (09:28):

"Heimat ist nirgendwo anders als in dir selbst"

darüber läßt sich sicher ausführlich diskutieren. Ich weiß genau, was Du damit meinst, ich würde es so sehen, dass ich in mir zuhause sein muss, um mich wohlzufühlen.
Und das ist der Fall. Aber Heimat, das ist für mich Schlesien, da gibt es gar keine Zweifel, und wenn ich auf diesem verlassenen Bahnhof, der immer noch so aussieht wie zu der Zeit, als ich dort zur Schule fuhr, ankomme, dann weiss ich, jetzt bin ich in der Heimat.
Und dieses Gefühl trägt mich solange, bis ich die Heimat wieder verlasse.


 rolf antwortete am 17.12.04 (11:39):

In der Volksschule hatten wir das Fach Heimatkunde, es sollte uns, als Vorstufe zur Erdkunde, die Gegend, in der wir wohnten bekanntmachen.
Heimat wurde also mit Wohngegend gleichgesetzt.


 iustitia antwortete am 17.12.04 (16:07):

Wo man geboren wird, das ist zufällig. Die Bilder, die sich einprägen als Heimatort, sind natürlich emotinal und lokal entscheidend, werden aber meist ideologisiert; und das macht Reitz nicht. Jeder kann seine Heimat "einordnen".
Ich bin "oppe Vossenhei", hochdeutsch: auf der "Vossheide", irgendwo im Niederdeutschen, geboren. Dass es natürlich einen Ort gibt, wo das Elternhaus stand, wo noch Geschwister wohnen, wo Erinnerungen, Spielchen, Feuerchen, Doktorspielen - ach, das ist doch im Erzählen beheimatet - und nicht, dass ich dadurch strolchen muss. Natürlich kommen mir dort mehr Erinnerungen als hier an der Tastatur.
Das Wesentliche aber ist, welche Erfahrungen ich zu Lebensgefühl und -leistung verarbeitet habe, auch zu Verlieben und Verlusten. Sonst bleibt's bestenfalls Kitsch!
An hundert anderen Stellen hieß so ndtsch. der Übergang vom beackerten Ländlichen in die Heide- oder Waldlandschaft "Vosswinkel", "Vosslook", "Vosskeer", "Vosslack", "Vossbrook" - oder sonstwie - alles hatte die Sprache dem "Fuchs" abgekuckt.
Dass ich aber als kleiner Junge gesehen habe, wie einem Dachs nachgegraben wurde - in einem kleinen Wäldchen, 300 m von dem Bauernhof, wo ich geboren wurde, wie alle Kammern seines Baus systematisch aufgebrochen und ausgehoben wurden, die Ausgänge bewacht mit Flinten und Dackeln - und der Dachs erschossen - das habe ich als Zerstörung einer Wohnung eines eigentlich trägen Tieres empfunden, das uns auf dem Bauernhof mit abgeschlossenen Ställen nichts wegholte - das ist mir einmalig geblieben.
Aber der Förster war stolz!
(Solch einen Förster hat Loriot erlegen lassen von seiner Gattin. Ich hoff's.)
URL - ....

Internet-Tipp: https://home.snafu.de/l.moeller/Wild/dachs.jpg


 doris16 antwortete am 18.12.04 (02:10):

Sollte die Sendung auf DVD zu haben sein, werde ich sie hoffentlich bei meinem Besuch in DE im Mai kaufen koennen. Wenn wir die Heimat in uns tragen, warum leidet man dann an Heimweh (auch noch 45 Jahre nach Auswanderung)?


 wanda antwortete am 18.12.04 (07:30):

Heimweh ist eine Art von Sehnsucht, einer Sehnsucht, die sich noch stillen läßt. Denn irgendwo ist Heimat existent.
Mit Verstorbenen ist das anders, wir denken oft an sie und haben auch so etwas wie Heimweh, wir möchten sie oft zurückholen, aber hier wissen wir, es ist endgültig vorbei.

Auch wenn man die Heimat in sich trägt - und stückweise ist das doch der Fall - kann man sich nach der Heimat sehnen - ich sehe da nicht unbedingt einen Widerspruch.

@dorisl6 meine Cousine und deren Mann leben in Australien und je älter sie werden, desto mehr kommt das Heimweh. Sie sind beide über 7O und spielen mit dem Gedanken, nach Deutschland zurückzukommen.
Allerdings leben zwei ihrer Kinder hier und zwei in Australien.


 pilli antwortete am 18.12.04 (08:14):

Heimat ist jeweils da, wo ich bin!

nicht vom zufall lasse ich mir zeigen, ob nun der ort meiner geburt "meine" heimat sein sollte. zuhause fühle ich mich an vielen orten und wenn ich mich der wohligen gefühle erinnere, die ich immer wieder empfinde, wenn ich "zuhause" bin oder war an so vielen orten...sei es sitzend auf einem felsbrocken an dem kleinen bachlauf in der nähe von Touradant in Marokko mit nichts als der roten, steinigen erde anzuschauen oder auf der kleinen bank am Rhein mit dem blick auf den Dom und die brücken der großartigen stadt, die ich so mag.

...

"Heimat ist für mich überall dort, wo ein Mensch ist, zu dem ich kommen kann, ohne gefragt zu werden, weshalb ich da bin, der mir einen Tee anbietet, weil er weiß, daß ich Tee trinke, und wo ich bei dieser Tasse Tee schweigen darf."
Reiner Kunze


 schorsch antwortete am 18.12.04 (16:16):

Heimet

Heimet esch..... jo, was esch d`Heimet?
Säg mer, was macht d`Heimet us?
Esch es dört, wo du hesch g`cheimet?
Esch es dört, wo `du besch z Huus?
I meinti, si seig, wo du geborge,
zfride ond ou glöckli besch;
ou wenn du en Chorb vou Sorge
ond derför kei Batze hesch!
Heimet esch, wo di Familie,
d`Chinder send, ob gross, ob chlii,
ond dört, wo d unter Rose, Lilie
denn einisch möchtsch begrabe sii.

Juni 1995 Schorsch alias Georg von Signau


 Tobias antwortete am 18.12.04 (19:13):

Heimat ist wirklich dort wo man zufrieden und glücklich ist wie schorsch richtig schreibt.

Es gibt viele Leute die, die Jahre ihrer Kindheit in einer Gegend verbrachten und sich nach wie vor daran klammer. Diese Menschen finden selten eine Heimat denn die Alte ist es letzendlich auch nicht mehr. Für mich ist, nach langer hin und her Reiserei, die Stadt Bamberg zur Heimat geworden. Sicher besuche ich nach wie vor die Städte wo ich einen Teil meines Lebens verbrachte. Wenn ich aber dann die Altenburg hoch über der Stadt und die Türme des Kaiserdoms, Michaelsberg, und die der vielen Kirchen sehe, fühle ich micht überglücklich wieder daheim zu sein. Vor der Haustür sage ich mir immer, etzat bist du dahäm.


 schorsch antwortete am 19.12.04 (08:52):

"...Diese Menschen finden selten eine Heimat denn die Alte ist es letzendlich auch nicht mehr...."

Wie kann man nur sooo von seiner "Alten" reden, lieber Tobias! (;--))))


 chris antwortete am 19.12.04 (10:37):

Heimat,

das ist für mich die Geborgenheit meines Elternhauses,
die Familien meiner Geschwister, die Vertrautheit der
Leute hier im Ort, die man schon lange kennt. Das Wissen,
dort hast du deine Schulzeit verbracht und liebe Kindheitserinnerungen.

Was ich auch bei meinem Sohn erlebt habe, der fast 10 J.
in den Staaten gelebt hat, das Heimweh nach der Heimat.
Er war ein junger Mensch und trotzdem hatte er immer Heimweh.
Was ich auch bei Menschen kenne, die schon lange im
Ausland leben, ein Heimweh und ein Informationsbedürfnis
nach dem was in der Heimat Tradition ist.

Meine Heimat ist hier im Fränkischen und ich bin
stolz darauf eine "Heimat" zu haben.


 Rosmarie antwortete am 19.12.04 (15:09):

Hallo,

auch mich berühren diese Filme sehr. Ursprünglich habe ich sie gesehen, weil meines Vaters Vorfahren aus dem Hunsrück kamen. Aber dieses Epos hat eine Eigendynamik, die meine Seele berührt - und das, obwohl ich fast nie Spielfilme sehe.
Für mich ist Heimat dort, wo ich Wurzeln in die Erde treiben und meinen Kopf in den Himmel halten kann. Bei mir gibt es mehrere solcher Stellen.


 wanda antwortete am 20.12.04 (08:21):

mit der Heimat ist das so eine Sache, für mich ist Schlesien die Heimat, das sagte ich schon. Für meine Tochter, die in Italien lebt, ist Deutschland die Heimat.
Sie wird nach der Pensionierung auch wieder nach Deutschland zurückkommen, wobei sie an Hamburg oder Berlin denkt.
Sie liebt Italien und ist ja auch aus freien Stücken dort hingegangen, freut sich aber immer, wenn sie auf Anhieb Deutsche ausmacht - z.B. zwei Frauen Mitte vierzig allein im Auto mit Fahrrädern auf dem Dach - das können nur Deutsche sein usw.
Da, wo man aufwächst, wird man geprägt und diese Prägung hält ein Leben lang.


 Miriam antwortete am 20.12.04 (10:39):

Ich habe mich schon zu meinem Begriff der Heimat geäussert - bin mir bewusst, dass ich, in Vergleich zu anderen die hier schreiben, biographisch anders geprägt wurde - dadurch auch der Inhalt von "Heimat" für mich ein anderer ist. Es ist diese innere oder verinnerlichte Heimat, um nochmals darauf kurz zurückzukommen.

Ich wage es nun etwas zum Filmepos von Edgar Reitz zu sagen. Es ist halt nicht meine Wellenlänge, seine Art der visuellen "Erzählung" und nicht das, was ich unter einen Film, als Kunstgenre, verstehe. Zu sehr vertreten sind Banalitäten, zu sehr sichtbar durch Längen, der Versuch dem Reellen nahezukommen.
Nein, es ist vielleicht ein Dokument, aber - für mich - kein Film dieses Kunstgenres.

Auch Filme mit starken Dokumentaranteil, können wahre Kunstschöpfungen sein.
Zum Beispiel sind dies die Filme von Heinrich Breloer.


 wanda antwortete am 21.12.04 (07:25):

@Miriam, da bin ich deiner Meinung, das ist auch der Grund, warum ich auf den Film nicht eingegangen bin.


 schorsch antwortete am 21.12.04 (09:01):

Schön, wenn man sich auf einem Stück Erde in der Heimat fühlt.

Aber unschön, wenn man meint, die anderen Stücklein - und ihre Bewohner - seien unwerter.......


 Rosmarie antwortete am 21.12.04 (17:10):

Hallo Miriam und Wanda,

leider bin ich nicht so in der Filmkunst bewandert wie ihr beiden.

Aber mir gefällt diese Serie ausnehmend gut und das nicht nur, weil meiner Meinung nach Gefühle intensiv und authentisch dargestellt werden, sondern auch deshalb, weil ich die Filme als künstlerisch ausgezeichnet empfinde. Ich sehe in der scheinbaren Einfachheit des Dargestellten, in der undramtischen Vorgehensweise, dem Verzicht auf Effekte und dem oft gleichbleibendem Fließen des Geschehens bewusst gesetzte Mittel, um durch Schlichtheit und Substanz den Begriff "Heimat" zu untermauern.

Übrigens hörte ich im Radio, dass diese Serie die einzige deutsche sei, die in den USA liefe und dort großen Anklang fände.
Das wundert mich insofern nicht, da sicher viele Amerikaner deutsche Wurzeln haben, sich über ihre Vorfahren Gedanken machen und manche vielleicht auch Sehnsüchte nach Heimat haben.

Ob man diese Filmserie als künstlerisch gelungen empfindet oder nicht, liegt meiner Meinung nach auch daran, ob man sich mit dieser Heimatvorstellung anfreunden kann oder nicht. Denn hier passen Form und Inhalt meiner Meinung nach genau zusammen. Das ist für mich Kunst.


 wanda antwortete am 22.12.04 (08:42):

@Rosmarie - natürlich ist das Kunst - Kunst ist viel öfter vorhanden, als die Menschen es wahr haben wollen.
Ich spreche diesem Film ja auch überhaupt nicht die Kunst ab - Längen, die ich als solche empfinde - sind berechtigt, wenn sie denn bewusst gewählt wurden.
Und das scheint hier tatsächlich der Fall zu sein. Denn in Pausen - also Denkpausen, wie sie bei Filmlängen entstehen - hat das Gefühl Zeit, sich breit zu machen.


 Rosmarie antwortete am 22.12.04 (11:36):

Hallo Wanda,

vermutlich habe ich dich missverstanden.
Ich wollte auch nur meinen eigenen Eindruck von dem Film widergeben und dass er mir auch künstlerisch hochwertig erscheint. Ich verstehe allerdings nicht allzu viel von Filmen.
Dass dieses Epos Längen hat, die manchen vielleicht langweilen, sehe ich natürlich ein.

Dir und allen hier ein frohes Fest!


 schorschie2 antwortete am 23.12.04 (00:07):

Der Sender 3 SAT hatte vor kurzem die erste Verfilmung von Heimat nochmal wiederholt und es waren 10 Folgen.Meine Frau und ich kamen nicht mehr vom Fernseher weg und wir haben in 2 Tagen 10 Folgen gesehen.Es ging uns dabei weniger um die Gegend am Hunsrück sondern wie das Leben der Menschen über Jahrzehnte verlief und das war schon beeindruckend und anrührend.Ich glaube aber das Jüngere Menschen dies nicht so empfinden und mit dem Film nicht viel anfangen können.Ich hoffe,dass die 6 neuen Folgen genauso großartig sind,da ich 4 Folgen bereits aufgezeichnet habe.aufgezeichnet habe.