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THEMA:   Bhopal - die 20 jährige Katastrophe

 15 Antwort(en).

Felix begann die Diskussion am 06.12.04 (00:15) :

Am 3.12.2004 jährte sich die Bhopal-Katastrophe zum 20igsten Mal. Bei der schlimmsten Chemiekatastrophe aller Zeiten kamen in der indischen Millionenstadt Zehntausende von Menschen ums Leben, mehrere 100.000. leiden noch heute an Folgeschäden. Der amerikanische Chemiekonzern DOW CHEMICAL hat sich erfolgreich der Verantwortung entzogen, bis heute kämpfen die Opfer um eine angemessene Entschädigung.
Wenn ich diese rechtliche Schandtat mit den Milliardenforderungen der amerikanischen Rechtsverdreher an schweizerische Unternehmer z.B. durch Aspestgeschädigte vergleiche, kommt bei mir der Zorn hoch.
Die menschenverachtende Haltung der amerikanischen Unternehmer hat sich nicht nur darauf beschränkt gefährliche Fabrikationsbetriebe von ihrer eigenen Bevölkerung fernzuhalten und damit durch oberlausigen Sicherheitseinrichtungen die indische Bevölkerung zu gefährden, sondern weigert sich die Entsorgung der Werkruine zu veranlassen. Damit werden weiterhin tausende von Menschen der Vergiftungsgefahr ausgesetzt. Auch das Trinkwasser ist vergiftet!
Also eine ähnliche Schweinerei wie mit den Entlaubungsmitteln in Vietnam oder der urangehärteten Munition im Golfkrieg ... also symptomatisch für eine rassistische Denkweise.
Und das soll ein zivilisierter Rechtsstaat sein? Pfui!

Internet-Tipp: https://www.arte-tv.com/de/geschichte-gesellschaft/Vorsicht_20giftig_21/Die_20Bhopal-Katastrophe/712798.html


Vorlesefunktion  mart antwortete am 06.12.04 (01:32):

Und ähnliche Schweinereien wie die in Seveso - symptomatisch für eine rassistische Denkweise. Und da soll die Schweiz ein zivilisierter Rechtstaat sein? Pfui!


Vorlesefunktion  Karl antwortete am 06.12.04 (08:34):

Jeder Industriestaat hat gesündigt. Das Gewinnstreben hat in der Vergangenheit die gnadenlose Ausbeutung der Schwächeren verursacht. Die Auslagerung von Produktionsstätten fand gerade statt, weil Sicherheitsstandards in der dritten Welt nicht eingehalten werden mussten.

Jeder Staat, der der EU beitritt, muss sich verpflichten, die EU-internen Sicherheitsstandards zu akzeptieren. Dieses Modell muss weltweit angewandt werden. Jedes UNO-Mitglied muss verpflichtet werden (bei hohen Sanktionen), die Standards einzuhalten. Firmen, die gegen Sicherheitsstandards verstoßen müssen drakonisch bestraft werden.

Nicht nur der Arbeitsmarkt und der Gewinn müssen internationalisiert (globalisiert) werden, sondern auch die Rechtssysteme und die Politik. An der Stärkung der multinationalen Institution, der UNO, sollten deshalb alle interessiert sein. Ein einziger mächtiger Staat, der das Sagen hat, wird nicht für die Gerechtigkeit weltweit, sondern allein für das Wohl seiner Bürger sich verantwortlich fühlen.


Vorlesefunktion  schorsch antwortete am 06.12.04 (09:36):

mart, ich will die Vorkommnisse in Seveso nicht bagatellisieren. Möchte aber zu bedenken geben, dass Italien nicht ein Land im Fernen Osten ist, wo die Menschen noch keine Ahnung haben von der Gefährlichkeit von Chemie - oder so arm, dass sie keine Fragen stellen dürfen. Im Fernen Osten stampfen immer noch Tausende barfuss in Säuren herum um Leder zu gerben. Würde man das in Italien verlangen, gäbe es wohl einen Volksaufstand.

Überall auf dieser Welt gibts Unternehmer, die zum geringsten Preis und mit dem minimalsten Aufwand eine möglichst grosse Rendite herausholen wollen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, so lange dieser Preis nicht die Gesundheit und das Wohlergehen der Mitarbeiter bedeutet ....


Vorlesefunktion  BarbaraH antwortete am 06.12.04 (11:33):

Ob die EU als Musterschüler taugt, wage ich zu bezweifeln.

>>Die niederländische Polizei stieß vergangenes Jahr im Atomreaktor Petten auf katastrophale Sicherheitsmängel. Eine Strafverfolgung der Verantwortlichen aber unterblieb: Der Reaktor wird von der europäischen Behörde Euratom betrieben, deren Mitarbeiter strafrechtliche Immunität genießen.

Das Bild, das sich den Polizisten bei ihrer Razzia in Petten bot, war verheerend, wie die niederländische Tageszeitung de Volkskrant berichtet. Radioaktives Material wurde in einfachen Frachtcontainern gelagert, hochgiftige Substanzen standen ungeschützt herum oder waren in beschädigten Holzkisten untergebracht. Gasflaschen lagen kreuz und quer auf dem Gelände. Es bestand Explosionsgefahr. Das erste, an das die Beamten dachten, als sie das abgeschirmte Terrain betraten, war die Explosionskatastrophe von Enschede, bei der im Mai 2000 durch Brandstiftung und auf Grund unsachgemäßer Lagerung von Feuerwerkskörpern ein ganzes Stadtviertel verwüstet wurde, 22 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt.<<

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 6.12.04
Die Umweltsünder von Petten genießen Immunität
VON JÖRG RECKMANN
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten/?cnt=601075

Internet-Tipp: https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten/?cnt=601075


Vorlesefunktion  Felix antwortete am 06.12.04 (14:59):

@ mart

Dein Retourschuss geht voll daneben!

- Seveso liegt in Norditalien ... also auch in Europa!
- Im Gegensatz zu Bhopal war der Schaden an Menschen bedeutend geringer. Keine Tote, 447 Fälle von Hautverätzungen dazu mussten viele Haustiere geschlachtet werden.
Ich will diese Auswirkungen nicht verniedlichen ... aber sie gleichzusetzen ist tendenziös!
- Im Gegensatz zur US-Firma hat das Basler Unternehmen Hoffmann-La Roche, dere Tochterfirma betroffen war, die Verantwortung übernommen und über 350 Mill. CHF eingesetzt, um Schäden zu entgelten und vorallem eine gründliche Dekontamination des Fabrikgeländes durchzuführen.
Die tausenden von Fässern mit der dioxinverseuchten Erde lagerten damals einige 100m von meiner Wohnung im Kleinbasel entfernt, bevor sie in einem speziell dafür konstruierten Hochtemperaturofen entsorgt wurden!
- Die Schweiz ist eben ein Rechtsstaat und ist in dieser Hinsicht mit den USA nicht gleichzusetzen!

Merkst du nun mart, dass dein Schnellschuss nicht traf!


Vorlesefunktion  mart antwortete am 06.12.04 (16:58):

Ich will mich mit dir nicht über die Sauereien dieses Konzerns streiten. - über 70.ooo Tiere sind kein Klaks und die paar Abtreibungen sind auch nicht nichts, und es gibt wohl keine gesundheitlichen Probleme bei den betroffenen Menschen - oder sind es für dich zu wenig Menschen, um darüber zu sprechen

- erst nach einer Woche, als die Tiere tot auf der Weide umfielen, wurde zugegeben, daß hier Gröberes passiert sei - na,ja - da konnte man den Unfall auch nicht mehr kleinreden und verharmlosen.

Die Europairrfahrt der Sevesofässer war auch ein klassisches Beispiel für erfolgreiches Projektmanagement;-))

Und der Seveso-Prozess 1983 sorgte für weltweites Interesse. Nur nicht bei den angeklagten Verantwortlichen der Schweizer Firma. Die waren nicht erschienen. Ihre Strafe haben sie bis heute nicht verbüßt. "Die Firma verbot mir, nach Italien zu reisen", sagt technische Direktor heute.

Sollte die unerhörte und immens viel größere Sauerei in Bhopal plötzlich den Rechtsstaat Schweiz und seine so erfolgreiche Chemieindustrie in einen Glorienschein hüllen?

Frage, wird nicht noch immer DDT produziert - zum Nutzen der 3.Welt?


 BarbaraH antwortete am 06.12.04 (22:10):

Zu den Ursachen dieser Katastrophe las ich in der Frankfurter Rundschau:

>>Betrug der Umsatz 1981 noch 2700 von 5000 geplanten Tonnen Sevin, so sank dieser 1982 auf 2300 Tonnen. Der bisherige Direktor Warren Woomer wurde durch einen Sanierer ersetzt, der 500 Arbeiter entließ und die Sicherheitsvorschriften lockerte. Fortan musste ein Mitarbeiter 60 Monitore im Kontrollzentrum überwachen. Rajkumar Keswani, Journalist einer Lokalzeitung, erfuhr von den Missständen und berichtete über die Gefahren: "Wir sitzen auf dem Krater eines Vulkans", lautete der Titel eines Artikels am 30.9.1982. Das half ebenso wenig wie der energische Protest von Gewerkschaftern, die einfach entlassen wurden.<<

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 6.12.04
So harmlos wie Schokolade
Vor zwanzig Jahren töteten die Giftgaswolken der chemischen Fabrik in Bhopal Tausende von Anwohnern
VON RUDOLF WALTHER
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/kultur_und_medien/das_politische_buch/?cnt=600996&

Was zählen Menschenleben, wenn es um den Profit der Multis geht? Nichts!

Internet-Tipp: https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/kultur_und_medien/das_politische_buch/?cnt=600996&


 Felix antwortete am 06.12.04 (23:08):

@ mart

Solche zynische Formulierungen:

- "... - oder sind es für dich zu wenig Menschen, um darüber zu sprechen .."
"... Sollte die unerhörte und immens viel größere Sauerei in Bhopal plötzlich den Rechtsstaat Schweiz und seine so erfolgreiche Chemieindustrie in einen Glorienschein hüllen? "

weisen auf die bösartige Absicht hin, mich lächerlich und unglaubwürdig zu machen.
Du weisst ganz genau, dass ich dir in ethischen Fragen, die sich auf die rücksichtslose Gewinnoptimierung von Industriebetrieben beziehen, kaum nachstehe!

Wenn du aber die Schwere des Verschuldens dieser beiden Unternehmen mit einander vergleichst, steht der US Konzern sehr viel schlechter da. Die Gefährdung, die aus der nicht dekontaminierten Fabrikruine bis heute und auch weiterhin ausgeht wird rücksichtslos und menschenverachtend in Kauf genommen.
Dass ich dem Schweizerunternehmen Absolution erteilen möchte, ist eine freche Unterstellung. Ich weiss, dass auch diese Geldsäcke nur auf Druck reagieren.


 mart antwortete am 06.12.04 (23:38):

Ich stimme mit deiner Darstellung vollkommen und in allem überein.

Und wenn wir uns auch noch einig wären, daß in Indien fast die ganze Schadenersatzzahlung nicht an die Betroffenen gekommen ist, sondern vor allem in der Bürokratie hängen geblieben ist, können wir über die grausame organische Chlorchemie und die Tatsache diskutieren, daß gefährliche Produktionen "ausgelagert" werden.

(Übrigens wird Contergan immer noch als Medikament in der Südamerika unter anderem Namen und ohne Warnhinweise verkauft.)

Ich entschuldige mich, daß du dich durch mein posting so angegriffen gefühlt hast. Aber auch dieses war eine Reaktion auf angreifbare Positionen deines Eingangberichts.


 mart antwortete am 07.12.04 (00:04):

Und wir könnten darüber sprechen, daß die Verbraucher (auch derjenige, der seinen unkrautfreien Rasen hegt und pflegt) zu den Verursachern dieser gefährlichen Auslagerungspolitik gehören.


 Felix antwortete am 07.12.04 (00:10):

Danke mart ... wir haben uns verstanden ... nun kann ich ruhig schlafen!

Gute Nacht ...


 Felix antwortete am 10.12.04 (01:55):

Ergänzend zu diesem Thema noch einige persönliche Erfahrungen:

Jahrzehnte lang war ich Dienstchef für AC Schutz im Stab verschiedener Regimenter. Am Schluss meiner Dienstzeit war ich AC-technisch verantwortlich für den Mobilmachungsplatz Basel.

Es ging vorallem um die Ausbildung des Kaders und der AC-Spezialisten für den Fall eines Atomkrieges oder Einsatz chemischer Waffen im Kriegsfall oder einer Verstrahlungslage noch einem Reakterunfall oder einer Vergiftungslage nach einem Chemieunfall.
Theoretisch oder in grossangelegten praktischen Uebungen wurden solche Katastrophen geprobt.
Zum Ernstfall kam es im Nov. 1986 durch einen Grossbrand in einem Sandoz-Werk in Schweizerhalle wenige km von Basel entfernt.
Ich werde diese Nacht niemehr vergessen. Telefonisch stand ich mit dem Kantonschemiker von Basel und dem Einsatzleiter der Feuerwehr in Kontakt.
Lange war unklar, ob die Bevölkerung gefährdet sei. Am Rundfunk und mit Lausprecherwagen wurde die Bevölkerung aufgefordert Fenster und Türen zu schliessen und auch Lüftungssysteme auszuschalten.
Ich eilte mit umgehängter Schutzmaske herum, um alle zu warnen. Dabei achtete ich auf das Verhalten der zahlreichen Vögel am Rheinufer. Bioindikatoren sind oft schneller und überzeugender als chemische Luftanalysen!
Ueber die Stadt verbreitete sich ein unangenehmer Geruch, den ich als Merkaptan, einer Schwefelverbindung, zuordnete.
Der Rhein war blutrot verfärbt. Es seien harmlose Markierungsstoffe, die mit dem Löschwasser in den Rhein gelangt seien ... beruhigte ein Radiosprecher.
Mich beunruhigte die Meldung des Einsatzleiters, dass auch mit Schutzmaske ausgerüstete Feuerwehrmänner erbrechen mussten. Ich wusste auch, dass ein grosses Lager an hochgiftigem Phosgen in der Nähe des Brandes eingelagert war.
Ständig flogen explodierende Fässer hoch in die Luft und zeugten davon, dass der Brand nicht unter Kontrolle war.

Etc .... das zog sich bis in den frühen Morgen hinein. Eine Meldung kam nach der andern. Die Sicherheit nahm zu, dass die Luft in Basel zwar schlecht roch ... aber keine Gefahr darstelle.
Dann kam ein sehr unglückliches Hin- und Her mit der Meldung über den Ausfall der Schulen. Es war ein Samstagmorgen, für die Schulen eines Vorortes, für die ich als Rektor zuständig war, hatte ich bereits beschlossen, dass kein Unterricht stattfinde.
Das Regionalradio hatte auch ein entsprechende Meldung für die Stadt Basel verbreitet. Dann meldete sich aber der Erziehungsdirektor von Basel persönlich und verlangte, dass der Unterricht normal stattfinden solle.
Die Folge war eine heilose Verwirrung, die diesem Magistraten politisch geschadet hat.

Wir waren nochmals mit dem Schrecken davongekommen. Nur die Fische und Kleinlebewesen im Rhein wurden auf eine weite Strecke vergiftet.
Viele Umweltschützer wollten im folgenden Frühjahr die Fasnacht verbieten. So weit kam es zwar nicht. Man sah viele Züge mit schwarzen Gewändern und Totenmasken.
Das Sujet hiess: Bho(p)bâle (Bâle franz. für Basel)

Die Sandoz hat Riesenanstrengungen unternommen, ihre Sicherheit zu verbessern und den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. (Absaugen der Giftstoffe im Staubecken von Birsfelden, Wiederansiedlung des Rheines etc.)


 schorsch antwortete am 10.12.04 (10:31):

Ja, wir hören und sehen in den Nachrichten fast jede Woche von einer Kathastrophe - und essen dazu ein paar Snaks. Dazu denken wir: Gottlob kann das bei uns nicht passieren. Wenn es dann eben doch mal passiert, wie damals in Basel, sind wir ein paar Tage lang verschreckt, verdrängen das Passierte aber wieder in Rekordzeit. Ich als Solothurner denke mir erleichtert: Wir haben ja keine Chemischen in der Nähe wie die Basler - und das A-Werk, das mir in einer Distanz von 1 km vor den Augen steht, wird hoffentlich nicht gerade exlodieren...

PS: Diese Woche haben wir ja vom Staat die neuen Jodtabletten per Post erhalten. Die sollen uns schützen im Falle, dass doch........


 mart antwortete am 10.12.04 (10:59):

Jodtabletten sind für dein/unser Alter im Falle eines Falles schädlicher als nützlicher:-)

und ich würde sie auch in 1 km Entfernung für junge Leute zwar als psychologisch beruhigenden Schutz im Medikamentenschrank, aber im Fall der Fälle als, na ja, ein wenig zu optimistisch einschätzen:-)


 Felix antwortete am 10.12.04 (17:06):

Mit der Einnahme dieser Kaliumjodid-Tabletten kann im Falle einer Verstrahlung nur ein geringer Teil der gesundheitlichen Gefährdung verringert werden.
Die Tabletten sollen die menschliche Schilddrüse so mit nicht-radioaktivem Jod sättigen, damit das bei einer Atom-Katastrophe freigesetzte radioaktive Jod-Isotop 131 nicht mehr aufgenommen werden kann. Bei bestimmten Allergien und Empfindlichkeiten allerdings dürfen die Jodtabletten nicht eingenommen werden.
Empfohlen werden die Pillen zudem nur für Personen bis 45 Jahre, weil das Gesundheitsrisiko für schwerwiegende Schilddrüsenerkrankungen bei älteren Personen durch die Tabletteneinnahme höher sei als das Risiko einer Krebserkrankung.
Die weiteren Schäden, die durch ionisierende Strahlen bewirkt werden, werden durch die Einnahme dieser Tabletten nicht verringert.
Es darf also schon gar nicht zu solchen Katastrophen kommen!