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THEMA: Ethische Fragen
47 Antwort(en).
DorisW
begann die Diskussion am 06.02.03 (07:58) mit folgendem Beitrag:
Ich zitiere einen Beitrag von Angelika aus dem Politikforum:
****************************************** "Angelika antwortete am 05.02.03 (12:27):
Ein sehr lieber Freund von mir ist bei einer Spezialeinheit der Bundeswehr (KSK) und schon seit Monaten in Afghanistan. Aus seiner Ausbildungs- und Prüfungszeit gab er mir einmal 2 Fragen, die die Soldaten zu beantworten hat:
1. Du bist Lokomotivführer und siehst plötzlich, dass wenige hundert Meter vor Dir auf dem Gleis eine Touristengruppe steht, die den bahnkörper unerlaubt betreten hat, nur um von dort eine Sehenswürdigkeit besser zu fotografieren. Du hast keine Zeit mehr, den Zug zu stoppen, alles was Dir noch bleibt ist die Möglichkeit, eine Weiche automatisch blitzschnell umzustellen und den Touristen auszuweichen. In diesem Falle rast Deine Lok in ein Gleis, auf dem ein Bahnarbeiter gerade seinen Dienst verrichtet. Wie entscheidest Du Dich ?
2. Du bist Chirurg und auf Deiner Station liegen 4 begnadete Wissenschaftler/Künstler, denen nur wenige Tage bleiben, wenn nicht schnell ein Spenderherz/ Niere und Leber da ist. Ein weiterer Patient ist ein kerngesunder Mann, der sich einer plastischen OP unterziehen will, damit er nicht mehr erkannt wird. Er hat eine lange Zuchthausstrafe abgesessen und soll Millionen aus seinen Erpressungen und Raubüberfällen beiseite geschafft haben. Wie der Zufall es will, passen alle seine Organe genau auf das Anforderungsprofil der 4 genannten schwer erkrankten menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Was machen Sie?
.... Antworten wie "das geht ja gar nicht oder ist praktisch unmöglich" gelten nicht.
........ Bestimmt sind auch diese Fragen zur Diskussion mit Schülern in Sachen deutsche Soldaten in Afghanistan nicht uninteressant.
Angelika"
******************************************
Ich persönlich finde solche Fragen äußerst spannend, weil sie zum Nachdenken über Werte führen und zum Abwägen, welchen Wert man im Zweifelsfall über einen anderen stellt.
Interessieren würde mich besonders, welche Antworten in dem ursprünglichen Zusammenhang (Bundeswehrausbildung) als "richtig" erachtet wurden. Wer ist wohl aus Sicht der Militärs ein "besserer" Soldat? Der Arzt, der auch in Ausnahmesituationen das Recht auf Leben und Unversehrtheit seiner Patienten achtet (also den Schwerverbrecher, der wohlgemerkt seine Strafe bereits abgesessen hat (!) und nur mutmaßlich (!) Diebesgut beiseite geschafft hat) operiert und die begnadeten Wissenschaftler über die Klinge springen lässt, oder derjenige, der skrupellos zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben entscheidet?
Mir selbst fällt die Antwort auf die zweite Frage relativ leicht: der Arzt handelt richtig, wenn er dem Gesunden seine plastische OP zuteil werden lässt und ihn dann unversehrt ziehen lässt, während die 4 anderen eben nicht gerettet werden können.
Die erste Frage dagegen gibt mir ganz schön was zu knabbern auf. Meine spontane Reaktion ist: Geradeaus weiterfahren. Aber hundertprozentig überzeugt bin ich von dieser Antwort nicht.
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WANDA
antwortete am 06.02.03 (08:57):
@DorisW, danke, dass Du das hier reingestellt hast. Im Politforum steht inzwischen so viel, dass ich überdrüssig bin, alles zu lesen. Ich muss über beide Fragen erst nachdenken, melde mich danach wieder, Angelika auch Dir danke.
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pilli
antwortete am 06.02.03 (10:36):
Angelika hatte m,ir diese frage telefonisch gestellt mit der vorgabe möglichst spontan zu entscheiden, ebenso wie es der geschilderten situation des lokführers entspricht...auch ihm bleiben gegebenenfalls nur sekunden.
an dessen stelle hätte ich mich für die rettung des bahnarbeiters und im zweiten falle für die des wissenschaftlers sehr schnell entschieden. dankenswerterweise bietet DorisW die frage an und ich habe nun die möglichkeit, meine reaktion zu prüfen; sie wäre auch jetzt genau so.
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DorisW
antwortete am 06.02.03 (11:01):
@Pilli
"Die Rettung des Wissenschaftlers?"
Da muss ich nachfragen. Zur Erinnerung noch mal die zweite Frage: "2. Du bist Chirurg und auf Deiner Station liegen 4 begnadete Wissenschaftler/Künstler, denen nur wenige Tage bleiben, wenn nicht schnell ein Spenderherz/ Niere und Leber da ist. Ein weiterer Patient ist ein kerngesunder Mann, der sich einer plastischen OP unterziehen will, damit er nicht mehr erkannt wird. Er hat eine lange Zuchthausstrafe abgesessen und soll Millionen aus seinen Erpressungen und Raubüberfällen beiseite geschafft haben. Wie der Zufall es will, passen alle seine Organe genau auf das Anforderungsprofil der 4 genannten schwer erkrankten menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Was machen Sie?"
Bedeutet deine Antwort, du würdest den gesunden Ex-Häftling opfern (also töten, denn es geht auch um das Herz) und als Ersatzteilespender für die 4 "begnadeten Wissenschaftler / Künstler" benutzen? Und wenn ja, aus welchen Erwägungen heraus? Oder habe ich dich falsch verstanden?
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pilli
antwortete am 06.02.03 (11:29):
@ DorisW
gerne antworte ich dir auf deine nachfrage. ich hatte die zur frage von angelika gehörende diskussion zu Afghanistan nicht gelesen als sie mir die frage stellte. ich habe eine gegenfrage gestellt, die Angelika aber nicht beantwortete. so war, wenn überhaupt möglich, die situation so, daß spontan entschieden werden sollte.
bei der zweiten frage ist mir beim telefonat nicht klar gewesen, daß es des todes des strafgefangenen bedarf um die wissenschaftler zu retten. ich bin davon ausgegangen, daß bei gleichen voraussetzungen nur einer überleben kann.
darum danke ich dir für das nachhaken und stelle nun klar, daß der strafgefangene gesundet. du hast mich nicht falsch verstanden; aber ich habe nicht richtig gelesen.
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Wolfgang
antwortete am 06.02.03 (12:36):
So lässt sich locker parlieren über Leben und Tod... Der Hintergrund, die Ausbildung bei 'Spezialeinheiten' (beliebtes. da verharmlosendes Wort für Killerbanden), spielt praktisch keine Rolle mehr.
Wenn Damen, die nie eine militärische Ausbildung mitgemacht haben, darüber reden, wird 's mehr als peinlich.
Ich war nicht bei einer "Spezialeinheit" (die gab es zu meiner Zeit noch nicht), nur bei einer "normalen" Kampftruppeneinheit. Fürs Töten ausgebildet wurde ich auch dort und ziemlich gut, wie ich meine, und ich denke, die Techniken habe ich heute noch drauf. Mit den unmöglichsten "Lagen" wurden wir konfrontiert... Immer waren es "Lagen", die, egal, wie man sich entschied, zu "Verlusten" (fremde, aber auch eigene) führten. Gelehrt wurde, dass wir uns innerhalb von Sekunden zum Handeln entschliessen und Tote und Verletzte dabei in Kauf nehmen.
Keinen anderen Zweck haben solche "Lagen", als die natürliche Tötungshemmung von Menschen herabzusetzen. Wenn meine Mutter oder die Mütter der anderen Kameraden einen einzigen Tag solch einer Tötungsausbildung miterlebt hätten... Wenn sie hätten sehen können, wie wir wie die Bekloppten Strohpuppen Messer in den "Bauch" rammten... Wie wir gezielt auf "Pappkameraden" oder im Schiesskino auf "Menschen" schossen und für die "Abschüsse" belohnt wurden... Wenn ihnen zu Ohren gekommen wäre, wie stolz wir waren, zu den ganz "Harten" zu gehören... Wenn sie gewusst hätten, dass wir alles tun, um den Anstand wegzutrainieren, den sie uns mühselig und über Jahre beigebracht haben...
Aus Menschen werden nach allen Regeln der Psycho-Kunst (un-)menschliche Tötungsmaschinen gemacht... Angelika + Co.: Ist euch eigentlich bewusst, über welche Perversität ihr euch "unterhaltet"?
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Wolfgang
antwortete am 06.02.03 (12:42):
Hier noch ein Link zu einem Artikel heute in der "Zeit" über einen ehemaligen "Elitesoldaten", also über einen, der zum Killer ausgebildet wurde:
Spezialeinheiten Vollstrecker im Dienste der Queen Die 250 gefürchteten Elitesoldaten vom Special Air Service Regiment sind Großbritanniens geheimste Waffe im Krieg und im Antiterrorkampf. Ein Aussteiger bricht das Schweigegebot Von REINER LUYKEN https://www.zeit.de/2003/07/SAS_Text
Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/07/SAS_Text
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DorisW
antwortete am 06.02.03 (13:17):
@Wolfgang
Selbstverständlich ist mir das klar.
Deswegen meine interessierte Frage "Wer ist denn wohl der bessere Soldat?" Ich wüsste schon gerne, welche hehren oder zynischen Werte oder Nicht-Werte eine (unsere) Armee ihren Soldaten einimpft. Ich frage mich, ob es nur eine Befürchtung von mir ist, daß man sein Gewissen (auch in unserem ach so modernen, aufgeklärten, demokratischen Staat) am Kasernenhoftor abgeben muss, oder ob das wirklich so ist.
Pervers ist es - meiner Ansicht nach - allerdings nicht, solche Fragen zu diskutieren, sondern Menschen im realen Leben vor Entscheidungen dieser Art zu stellen. Pervers ist deswegen nicht der Lokführer, der zwischen Scylla und Charybdis entscheidet, sondern pervers ist jegliche Art von Kriegsvorbereitung und -handlung, die Menschen zum Abwägen zwischen fremdem und eigenem Leben zwingt.
Du legst den Fokus jetzt allerdings ausschließlich auf den militärischen Bereich. Solche und ähnliche Fragen existieren aber nun mal auch im zivilen Leben (siehe die gewählten Beispiele). Warum nicht darüber diskutieren? Haben wir nicht beim Thema "Todesstrafe" ähnliche Erwägungen angestellt?
Ich denke, beim Nachdenken über solche Fragen können wir viel über uns selber lernen. Und das möchte ich eigentlich mein ganzes Leben lang tun.
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Nuxel
antwortete am 06.02.03 (13:43):
sehr oft habe ich darüber nachgedacht,was ich tun würde,wenn irgendjemand direkt mein Leben bedrohen würde.
Wehren würde ich mich auf jeden Fall! Treten,hauen,fäusteln,kratzen,beissen,einen Stock nehmen..... aber nie-NIEMALS-den anderen töten!
Ausser -töten- gibt es doch sehr viele Möglickeiten,einen Angreifer oder Unhold abzuwehren. Sollte mir das nicht gelingen,würde ich Trotzdem NICHT einen Menschen töten! Denn diese Schuld würde mich,solange ich lebe,verfolgen. Und das ist genauso,als wäre ich getötet worden.
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Wolfgang
antwortete am 06.02.03 (13:59):
Bezeichnend ist, dass die verteufelte Lage des "Lokführers" nicht geübt wird während der Lokführerausbildung, sondern während der Ausbildung zum Killer in einer Killerbande.
Was ich über mich selbst gelernt habe und was mich damals ungeheuer erschreckt hat: Ich bin vermutlich fähig (unter bestimmten politischen von mir nicht bewusst eingegangenen und auch nicht von mir veränderbaren Bedingungen), rücksichtslos und grausam zu töten.
Ich wurde so nicht von meinen Eltern erzogen. Im Gegenteil... Ich wuchs auf in einem christlich ausgerichteten Elternhaus. Rücksicht, Verstehen, Toleranz, Hingabe, liebevolles miteinander Umgehen, Diskussion, Helfen... das sind nur ein paar Stichworte, für die meine Eltern standen und auch heute noch stehen. Sie haben diese Worte nie vor sich hergetragen, sondern deren Gehalt mir vorgelebt.
Jetzt ist es gang und gäbe, die Moral und das Recht in den Schmutz zu treten. Die "grossen" supermächtigen "Regierungen" (ich nenne sie lieber beim Namen... es sind Verbrecherbanden), machen es vor: Töten ist prima ratio.
Mir wird schon schlecht, wenn ich über den Zustand unserer "westlich" dominierten Welt nachdenke, über den global inszenierten Mord und Totschlag und seine dürftige intellektuelle Rechtfertigung. Du wirst sicher verstehen, Doris, dass sich mir die Nackenhaare stellen, wenn in einem Forum locker vom Hocker perverse Ausbildungsmethoden von Killerbanden zum Anlass genommen werden, über das Töten zu plaudern.
Töten ist zur "ehtischen Frage" geworden... Nichts könnte besser die Umwertung aller Werte beschreiben, als die Überschrift dieses Themas.
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DorisW
antwortete am 06.02.03 (14:45):
Wolfgang:
Ich stimme voll mit dir überein, was deinen Abscheu über die allzugroße Bereitschaft auch von westlichen Regimes betrifft, "die Moral und das Recht in den Schmutz zu treten". Aber was veranlasst dich zu der Vermutung, dass ich "locker vom Hocker" darüber "plaudere"? Wie kommst du dazu, mir die Ernsthaftigkeit abzusprechen, mit der mich dieses Thema beschäftigt?
Vielleicht ist es für dich persönlich ein solches Reizthema (aufgrund deiner Erfahrungen in der Ausbildung), dass du da einfach rot siehst. Ich nehme deinen Unwillen mit Bedauern zur Kenntnis und respektiere ihn. Allerdings bringst du selbst doch auch immer wieder Reizthemen hier ein, die andere zur Weißglut treiben, und bist dabei auch nicht zimperlich.
Ich wiederhole, dass die Ausbildung zum Töten nur *ein* Aspekt des Themas ist. Ich würde auch gerne über diesen Aspekt hinaus über ethische Fragen diskutieren. Die Diskussion über das Verkaufen eigener Organe, die gerade zeitgleich in einem anderen Forum geführt wird, ist für mich auch eine Variation dieses Themas.
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DorisW
antwortete am 06.02.03 (14:50):
P.S. @Wolfgang Töten - eine ethische Frage? Ja, was denn sonst? Wenn es zur ökonomischen oder finanziellen Frage wird, dann besteht Grund, sich Sorgen zu machen... Ich verstehe nicht ganz, warum du dich an dem Wort so stößt.
@Pilli: "bei der zweiten frage ist mir beim telefonat nicht klar gewesen, daß es des todes des strafgefangenen bedarf um die wissenschaftler zu retten. ich bin davon ausgegangen, daß bei gleichen voraussetzungen nur einer überleben kann." Da muss ich noch mal nachfragen. Bedeutet das, du würdest dich bei der Wahl zwischen dem Wissenschaftler und dem Ex-Häftling für das Überleben des Wissenschaftlers entscheiden? Und wenn ja, wieso?
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WANDA
antwortete am 06.02.03 (15:23):
musste dringend weg, habe aber unterwegs darüber nachgedacht. l. hier würde ich den Bahnarbeiter retten, der tut dort seine Pflicht, der ist von irgendjemanden, der auch verant-wortlich ist, dort eingesetzt worden. Die Touristen sind allesamt für sich selbst verantwortlich und müssen, wenn sie Risiken eingehen, auch dafür gradestehen. 2. die Frage stellt sich m.E. nicht. Von einem Lebenden kann ich keine Organe entnehmen. Da die anderen nur durch fremde Organe zu retten sind, aber diese nicht vorhanden, kann ich ohne weiteres eine Schönheitsop. durchführen.
PS. ich wusste nicht, dass es um Augenblicksentscheidungen gehen sollte, weiss aber, dass man diese für den Notfall trainieren kann - das ist ein weites Feld.
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Karl
antwortete am 06.02.03 (21:01):
Liebe Doris,
ich habe bereits unter Politik gesagt, dass ich diese Art von Fragen schlimm finde, besonders wenn sie von Militärs gestellt werden. Ich möchte hier aber doch noch etwas zu den Chirurgen sagen.
Ich habe den Medizinbetrieb bereits von vielen Seiten, leider auch von der des Patienten erlebt. Ich kann mich an eine Notaufnahme erinnern und daran wie radikal sich meine Behandlung zum Besseren änderte, als meine Frau meinen Titel fallen ließ. Wir haben längst eine Mehrklassenmedizin, deshalb kommt in mir der heilige Zorn hoch, wenn ich solche Testfragen lese. Wir haben gerade unter "Allgemeine Themen" das Thema "Körperteile gegen Geld" diskutiert. Einige sahen kein Problem dabei, Armen eine Niere abzukaufen. Dass die Armen dann irgendwann ausgeschlachtet werden, ohne gefragt zu werden ist auch klar.
Natürlich ist es ethisch richtig, den gesunden Menschen gesund zu lassen. Wenn wir die Gleichwertigkeit der Lebensrechte aller Menschen in Frage stellen, sind wir auf Abwegen (oder in China oder in den USA, aber nicht auf Kuba).
Mit freundlichen Grüßen
Karl
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DorisW
antwortete am 06.02.03 (21:34):
Ok, ich habe mich dem Thema in zu unsensibler Weise genähert.
Mit etwas Abstand sehe ich, dass - insbesondere den drohenden Irak-Krieg vor Augen - die Fragestellung schon zynisch wirken kann, also Entschuldigung an alle, denen ich etwa zu nahe getreten bin.
Trotzdem bleibe ich bei meinem "Ja, aber ...": Die Fragen stellt ja die Realität selbst. Z.B. in Form des Fortschritts der Medizin und der chirurgischen Möglichkeiten usw. usw.
Wenn die Fragen nicht - theoretisch - gestellt und diskutiert und im Sinne unserer Ethik beantwortet und die Antworten festgeschrieben werden, so wird die Realität selbst die Antworten geben und diese etablieren.
Und das sind ganz sicher meistens nicht die Antworten, die wir selber geben würden... :-(
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Felix
antwortete am 07.02.03 (01:33):
Entscheidungen zwischen Situationen, bei denen so oder so jemand zu Schaden kommt sind psychische Provokationen. Als ethische Entscheidungen kann ich mir nur Fälle vorstellen, wo es um mich ... oder den (die) Andern geht. z.B. Um einem Kind auf der Strasse auszuweichen nehme ich ein Risiko auf mich ... und fahre in einen Baum. - Ich befreie einen bewusstlosen Fahrer aus einem Fahrzeug, das jederzeit explodieren kann. - Ein Militärpilot lenkt seine abstürzende Maschine von einer Siedlung weg ... und verpasst dadurch die Selbstrettung durch den Schleudersitz.
Bei der militärischen Sanitätsausbildung und bei Katastrophen-Organisationen gibt es das heikle Problem der Triage, ein Ausleseverfahren. Wenn zuviele Verletzte gleichzeitig anfallen, kommt man nicht um ein Ausleseverfahren herum. z.B. werden aussichtlose Fälle lediglich ruhig gestellt und mit Schmerzmitteln versorgt, während Verletzte mit Heilungschancen ins nächste Spital oder Lazarett transportiert werden. Dies geschieht mit der Priorität, die von mezinischen Bedingungen abhängen. Wobei in diesem Fall eher die Vernunft und kaum die Ethik entscheidet! Schwere Entscheidungen sind auch bei Geburtskomplikationen zu fällen. Rettet man das Leben der Mutter auf Kosten des Kindes? Ethik ist nichts Vorausbestimmtes, Definiertes. Ethik braucht ein Abwägen und eine neue Entscheidung, die sicher auch vom Wertsystem einer Gesellschaft abhängt.
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pilli
antwortete am 07.02.03 (10:20):
@ DorisW
ich kopiere dir meinen o.a. beitrag der einfachheit halber nochmal ein: --------- darum danke ich dir für das nachhaken und stelle nun klar, daß der strafgefangene gesundet. ---------
Felix schreibt von den schweren entscheidungen, die menschen auch außerhalb militärischer ereignisse zu treffen haben. wie oft stellen sich menschen bei diesen entscheidungen nur der eigenen verantwortung und ihrem gewissen. eine Ethikkommission gibt die richtlinien vor; danach zu handeln wenn es tatsächlich um leben oder tod eines patienten geht, ist eine ganz andere sache. auch ob ein lebenspendendes medikament, daß aber noch nicht zugelassen wurde, eingesetzt wird, das kann zu den von DorisW angesprochenen ethischen überlegungen führen.
ein mutiges thema, liebe Doris...auch wenn wolfgang "Damen" abspricht, das überlegen zu können. nun, ich bin keine dame; darum weiß ich aber trotzdem, daß auch frauen zur bundeswehr einberufen werden können...
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UrsulaB
antwortete am 07.02.03 (10:54):
Ich finde die beiden konstruierten Fälle ausgesprochen geschmacklos (freundlich ausgedrückt), und mit Ethik haben beide absolut nichts zu tun.
Im ersten Fall könnte (und würde) der Zugführer nur noch reflexartig handeln - also ungezielt, ohne Überlegung. Das Ergebnis wäre immer ein schrecklicher Unfall.
Im zweiten Fall wird unterstellt, dass die Chirurgen einen völlig gesunden Menschen ermorden, um über dessen Organe zu verfügen. Das wäre ein brutales Verbrechen. Was hat das mit Ethik zu tun? ;-((((
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (10:58):
Offen gestanden bin ich etwas erstaunt, meinen Beitrag aus einem anderen Forum hier unter der Headline ETHISCHE FRAGE wiederzufinden, denn Denkschematas, die einem Nahkämpfers beigebracht werden, haben sicher sehr wenig mit Ethik zu tun - vielleicht viel eher mit der den "kämpfenden Truppen" eigenen "Gerechtigkeit´" vor der "Mann" im Ernstfall selbst bestehen kann und muss. Wer zu einer solchen Truppe geht, will sicher keine Friedenstauben füttern und sie alle werden so gedrillt, dass sie jederzeit bereit sind, sofort zuzuschlagen. "Ethischer Krieg" oder "ethises Töten" sind menschenverachtene Pleonasmen, wie sie wohl schlimmer nicht sein können. Stellt man sich vor, das Soldaten moralisch so verroht werden, um überhaupt fähig zu sein, in einen Krieg zu ziehen und zu töten und stellt man sich weiter vor, wie diese Männer wieder kommen, kann man nur ahnen, was für ethische Krüppel wir dann zurückbekommen. Aber mit dem orden an der Brust werden dann wieder kleine seelische Wunden zusammengenadelt. Nachsorge durch die Bundeswehr? Die kümmern sich ja nicht mal um die Männer, die physischen schaden genommen haben.
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (11:01):
nachtrag: ich konnte meinen letzten Beitrag nicht korrigieren - nur das hier noch: Ich begrüsse natürlich, dass über die Fragen diskutiert wird, distanziere mich aber von der Überschrift "Ethische Fragen". (Nur für den Fall, dass sich gewisse ForenteilnehmerInnen wieder ermüssigt fühlen, mir Emails mit Verbalinjurien zu schicken)=.
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Johannes Michalowsky
antwortete am 07.02.03 (11:37):
"Wer zu einer solchen Truppe geht, will sicher keine Friedenstauben füttern und sie alle werden so gedrillt, dass sie jederzeit bereit sind, sofort zuzuschlagen."
... oder aber auch, um eine Schutzfunktion auszuüben, in Katastrophenfällen da zu sein und Einsätze zu leisten, für die die Nation dankbar ist, oder für Friedensmissionen zur Verfügung zu stehen.
Wozu waren denn z.B. die Soldaten gedrillt, die einem Agressor Hitler entgegengetreten sind? Was hätten wir heute für eine Gegenwart, wenn sich die nationalsozialistische Angriffsmaschinerie ungehindert hätte ausbreiten können?
" ... das Soldaten moralisch so verroht werden, um überhaupt fähig zu sein, in einen Krieg zu ziehen und zu töten und stellt man sich weiter vor, wie diese Männer wieder kommen, kann man nur ahnen, was für ethische Krüppel wir dann zurückbekommen."
Also, da möchte ich weiter protestieren: Mein Vater war Soldat im 1. und 2. Weltkrieg, er ist weder verroht noch ein ethischer Krüppel, und das gilt für die weitaus größte Mehrheit aller Männer in allen Staaten der Welt. Andernfalls hätte die Welt nach Ende der beiden Weltkriege überwiegend aus solch ethischen Krüppeln bestanden.
Daß bei uns und in vielen anderen Ländern Wehrpflicht besteht und die jungen Leute nicht gefragt werden, sollte ebenfalls bedacht werden. Die "gehen nicht zur Truppe", sondern sie w e r d e n gegangen und, wie man weiß, tun sehr Viele alles, um diesem Zwang zu entgehen. An die Tatsache, daß sich einige Frauen bei uns geradezu danach drängeln - verfassungsmäßiger Gleichheitsgrundsatz! - , auch mit von der Partie sein zu dürfen, wäre auch zu erinnern.
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (12:02):
Ja Johannes - vielleicht ist die Wehrpflicht noch ein bisschen eine Garantie dafür, dass die Bundeswehr nicht zu einem Sammelbecken von Leuten wird,die wo anders keinen Job bekommen (wie es oft in der US-Army) der Fall ist oder von ramboähnlichen Charakteren unf Rechtsradikalen untrwandert wird.
Mein Beitrag bezieht sich vor allem auf die "Eliteeinheiten" wie zb der KSK- Truppe, die nur knapp 100 Mann stark ist und mit der normale Wehrdienstleistende auch nichts zu tun haben. Du kannst mir nicht erzählen, das diese Männer nicht zu Killern "erzogen" werden. Das wird höchstens noch von der Fremdenlegion getoppt.
Ich kenne übrigens keinen einzigen ehem.Soldaten aus dem Weltkrieg oder aus Korea oder Vietnam, der Menschen getötet hat und keine Macke zurückbehalten hat. Wenn Dein Vater als Soldat getöte hat und so unbeschadet da herausgekommen ist, würde ich mir Gedanken darüber machen, ganz ehrlich ...oder hat er gegen die Nazis gekämpft? So verstehe ich Deinen Beitrag jetzt ...
Und Frauen bei der Bundeswehr - wenn es sie denn geradezu an die Waffen drängt, wie Du schreibst ... findest Du das nicht bedenklich?
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (12:33):
sorry: sollte heissen "1000 Mann"
Zu der KSK (Kommando Spezialkräfte" gibt es hier auf der offiziellen Seite der Bundeswehr etwas mehr zu lesen. Die Einheit ist in Calw beheimatet. Hier ein Textausschnitt:
.....paste.... Soldaten des KSK durchlaufen einen Ausbildungsgang, der in der Bundeswehr einmalig ist. Am Anfang steht ein dreiwöchiges Auswahlverfahren, dem eine dreimonatige Kommandoausbildung folgt. Bewerber werden während einer fünftägigen Durchschlageübung bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit gebracht. Erst nach weiteren drei Jahren Ausbildung und Training hat der Soldat die vollständige Einsatzbereitschaft erlangt. In diesem Zeitraum kann er an 20 Lehrgängen in weltweit 17 Schulen und Ausbildungseinrichtungen teilnehmen. Allein während der Schießausbildung wird jeder künftige Kommandosoldat an allen gängigen Waffen geschult und gibt in dieser Zeit durchschnittlich 20000 Schuss Munition ab. Seit Oktober können neben Offizieren und Unteroffizieren auch Mannschaftssoldaten und Bewerber ohne militärische Vorkenntnisse an dem Auswahlverfahren teilnehmen. Diese Kandidaten nehmen zunächst am dreitägigen Auswahlverfahren an einem der Zentren für Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr teil. Bestehen sie dieses, werden sie in den Ausbildungszug KSK an der Inter-nationalen Fernspähschule in Pfullendorf eingestellt. Dort durchlaufen sie einen 18 Monate dauernden Lehrgang. Danach nehmen die Bewerber am eigentlichen Eignungsfeststellungsverfahren beim KSK in Calw teil. Schließen sie dieses erfolgreich ab, können sie mit der drei Jahre dauernden Ausbildung zum Kommandofeldwebel in der Graf-Zeppelin-Kaserne beginnen.
.... paste ende .....
liest sich nicht wie Friedenstauben füttern ...
Internet-Tipp: https://www.bundeswehr.de/forces/021112_ksk_pressetag.php
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DorisW
antwortete am 07.02.03 (12:35):
Hilfe, bin ich denn wirklich so falsch verstanden worden?
Ok, ich habe die Fragen aus dem Zusammenhang gerissen. Trotzdem schwebt der Zusammenhang (Aberziehen von Tötungshemmungen beim Militär) weiter darüber und wirft seine Schatten. Dagegen kann man wohl nichts machen (trotzdem vielen Dank auch für alle diesbezüglichen Antworten). Eigentlich zielte meine Fragestellung darauf nicht ab - deswegen habe ich ja auch ein eigenes Thema eröffnet. Muss ich extra hinzufügen, dass ich sowas ebenfalls verabscheue?
@Angelika: Überschrift "Unethische Fragen" - ok?
@Pilli: Gut, ich habs endlich verstanden.
@alle
Warum wird so hartnäckig behauptet, dass es hier nicht um Ethik geht? Das "Lexikon der Philosophie" im Internet (https://www.phillex.de/index.htm) sagt dazu folgendes:
"Die Ethik oder Moralphilosophie befasst sich mit Aussagen über moralische Werte und moralische Handlungsnormen.
Hare unterschied zwei Ebenen des moralischen Denkens: die intuitive und die kritische Ebene.
Wer theoretisch die möglichen Umstände betrachtet, unter denen man moralisch handelt und auch hypothetische Fälle betrachtet, befindet sich auf der kritischen Ebene.
Wer alltägliche Entscheidungen trifft, kann bei seinen moralischen Überlegungen nicht alle Alternativen und Folgen berücksichtigen. Das alltägliche moralische Denken muß daher vorwiegend intuitiv sein. Hare spricht von moralischem Denken auf intuititiver Ebene. Aus diesen Gründen schlägt Hare vor, wir sollten für unser alltägliches Moralleben einige weitgefaßte moralische Prinzipien übernehmen und nicht von ihnen abweichen. Zu solchen Prinzipien gehören etablierte Moralprinzipien (nicht lügen, Versprechen halten, nicht töten usw.). Es ist sinnvoll sich an solche Prinzipien zu halten, auch wenn man auf kritischer Ebene bisweilen bessere Lösungen finden wird. ..." (Quelle: https://www.phillex.de/ethik.htm)
Ist es "unethisch", sich auf der "kritischen Ebene" zu bewegen? Verurteilt ihr die Fragen, weil ihr euch vor den Antworten fürchtet?
Wie aber werden die Antworten ausfallen, wenn niemand die Fragen stellt?
Internet-Tipp: https://www.phillex.de/ethik.htm
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DorisW
antwortete am 07.02.03 (12:40):
Angelikas Beiträge haben mich während meiner Schreiberei überholt, sorry, ich wollte natürlich diesen Diskussions-Teilstrang nicht abwürgen.
Den Internet-Tipp der Bundeswehr werde ich mir näher anschauen (so wie ich das auch mit Wolfgangs Link zur "Zeit" getan habe). Obwohl einem eigentlich bei der Überschrift schon schlecht wird: "Spezialkräfte sind wie scheue Rehe" Geht's noch zynischer?
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Wolfgang
antwortete am 07.02.03 (12:45):
@Johannes... Ich weiss nichts über die Ausbildungsmethoden, die dein Vater über sich ergehen lassen musste. Ich weiss auch nichts über die Einsätze deines Vaters im Krieg und die Einheiten, zu denen er gehörte. Deshalb werde ich mir auch kein Urteil anmassen über den Fall deinen Vaters. Ich weiss aber - aus Büchern und aus Erzählungen -, dass es schlimme Einheiten und noch schlimmere Einsätze dieser Einheiten im Verlaufe des Angriffskrieges der Hitler-Bande gab.
Ich erinnere an das hamburgische Reserve-Polizeibataillon 101 und an deren "Endlösung" in Polen. Angehörige dieser Einheit - "ganz normale Männer" nennt sie CHRISTOPHER R. BROWNING, der ein gleichnamiges Buch über sie geschrieben hat -, diese ganz "normalen" Männer ermordeten grausam und mitleidlos zehntausende jüdischer polnischer Menschen, ohne Ansehen der Person, egal ob Mann, Frau oder Kind. Sie taten das völlig freiwillig (ihr Kommandeur bestrafte niemanden der Wenigen, die sich vor einem Tötungseinsatz aus Gewissengründen abmeldeten) und ohne irgendeine erkennbare Emotion.
Diese Einheit und ihre Angehörigen - eine Einheit der Ordnungs-(sic!)polizei - steht stellvertretend für hunderte von Einheiten und für zehntausende von Soldaten, die nichts anderes waren als Killerbanden bzw. Killer - wie gesagt, ganz "normale" Männer.
Persönlich möchte ich noch etwas anfügen: Ich habe viele interessante Dinge getan und vieles gelernt bei der Bundeswehr... Ich war, da es sich zufällig so ergab, auch in einem Katastrophenfall dabei und hatte das gute Gefühl, ich darf helfen und Gutes tun. Aber ausgebildet wurden wir nur zu einzigem Zweck: Zum möglichst effizienten Töten oder Verwunden (in der Fachsprache heisst das verharmlosend "kampfunfähig machen"). Das macht aber kein vernünftiger und ehrbarer Mensch... Deshalb trieb man uns die Vernunft und die Ehrbarkeit nach allen Regeln der Psyccho-Kunst aus. Einen psychischen Schaden haben wir dabei alle mitbekommen. Den, dass wir nach einer gewissen Zeit der verlängerte unkritische, ja bewusstlose "Arm" einer auf Töten angelegten Maschinerie wurden.
Soldaten sind militärische Instrumente der wirtschaftlich und politisch Mächtigen!
Soldaten sind zum Töten da!
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (12:54):
@DorisW: Liebe DorisW, nein, ich finde es schon ok was Du hier reingestellt hast - nur reagieren einige LeserInnen schon beim Lesen meines Namens wie die Meute auf den Fuchs, deshalb wäre es schade, wenn das Thema zu personenbezogen diskutiert wird. :-)
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DorisW
antwortete am 07.02.03 (13:07):
Alle Stinke-Emails bitte diesmal an mich ;-)
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mechtild
antwortete am 07.02.03 (19:11):
Die Diskussion erinnert mich an die Gewissensprüfungen für Kriegsdienstverweigerer. „Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihrer Freundin im Wald spazieren und jemand will ihre Freundin überfallen. Sie haben zufällig eine Maschinenpistole dabei. Was machen sie?“ Jeder, der versuchte diese Frage zu beantworten hat schon verloren. Solche Fragen sind nicht erlaubt. Darüber muss man sich auch keine Gedanken machen. Jeder wird intuitiv reagieren, so wie in jeder schlimmen Situation, bei einem Unfall, Tod eines nahen Verwandten usw.. Die Reaktion in Extremsituationen hat nichts mit den Werten eines Menschen zu tun. Über solche Situationen sollte man sich keine Gedanken machen, sondern auf sich zu kommen lassen. Es gibt lohnendere Themen zum philosophieren.
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Marianne
antwortete am 07.02.03 (19:40):
eder, der versuchte diese Frage zu beantworten hat schon verloren. Solche Fragen sind nicht erlaubt. Darüber muss man sich auch keine Gedanken machen. Jeder wird intuitiv reagieren, so wie in jeder schlimmen Situation, bei einem Unfall, Tod eines nahen Verwandten usw.. Die Reaktion in Extremsituationen hat nichts mit den Werten eines Menschen zu tun. Über solche Situationen sollte man sich keine Gedanken machen, sondern auf sich zu kommen lassen. Es gibt lohnendere Themen zum philosophieren. ( Mechthild)
Diesen Worten kann ich 100prozentig zustimmen.Ich möchte sie sogar noch verschärfen, indem ich mal so in den Raum stelle, dass sie sogar in gewisser Weise unmoralisch sind, denn - so wie Hare formuliert- diese Art der Fragestellung kann sogar Unsicherheit im intuitiven Handeln erzeugen. Wie ein Mensch in seelischen Ausnahmezuständen reagiert, hängt von der Art seiner ganz persönlichen Gewissensbildung ab. Und die erfolgt wohl kaum in der militärischen Ausbildung.
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Angelika
antwortete am 07.02.03 (23:39):
Oh Marianne, ich denke, es sagt sehr viel über einen Menschen aus, wie er in Extremsituationen regaiert! jedes Element, jedes Mineral wird am genauesten an seinen Schmezl und Siedepunkten beschrieben und auch über Menschen sagt es sehr, sehr viel aus, wenn man weiss, wie sie in Extremsituationen reagieren. Im Alltagsgeschehen zu bestehen und ein netter Mensch zu sein, ist nicht schwer - aber wie reagiert der selbe Mensch, wenn in seiner Nähe ein Ausländer zusammengeschlagen wird, wenn es gilt, Gesicht zu zeigen und aufzustehen, wenn er Zeuge eines Autodiebstahl wird, wenn sein Freund schwer belastet wird und dieser Freund Hilfe bei ihm sucht, oder wenn es einen Unfall gab usw usw ... wie ist es mit den "mildernden Umständen" weil ein braver Beamter plötzlich seine Frau erschlagen hat, weil er von Kollegen gemoppt und verhöhnt wurde .. ja oder wie ist es, wenn man am Wochenendausflug im netten Lokal auf dem lande Zeuge antisemitischer und ausländerfeindlicher Parolen wird und nur ganz leise "Nazischeisse" murmelt aber am nächsten Wochenende doch wieder hinfährt? Die Kette liesse sich fortsetzen.
Du schreibst "Die Reaktion in Extremsituationen hat nichts mit den Werten eines Menschen zu tun" und ich denke, dass er sich eigentlich nur da messen wirklich lässt.Bei ruhiger See ist auch der morscheste Kahn nicht wirklich in gefahr, aber wehe es kommt ein Sturm auf.
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DorisW
antwortete am 08.02.03 (13:47):
Was du schreibst, macht mich nachdenklich, Angelika...
Mein Alltag ist durch fast 100%ige Abwesenheit von Extremsituationen gekennzeichnet. Vielleicht neige ich deswegen so sehr zum Grübeln und dazu, meine Werte und mein Verhalten mit theoretischen Situationen zu konfrontieren. Im "normalen Leben" erfahre ich eigentlich kaum etwas darüber, wer und wie ich "wirklich" bin... Nun gut, das ist die eine Seite der Geschichte.
Die andere ist es, Probleme zu thematisieren, die nur "kritisch" und nicht "intuitiv" gelöst werden können. Beispiele gibt es reichlich, etwa die Präimplantationsdiagnostik (PID), Verkauf eigener Organe u.ä. Die Entscheidung über solche Fragen wird ja in der Regel nicht intuitiv gefällt. Oder... krankt vielleicht gerade hieran unser Wertesystem? Wäre vielleicht auch bei solchen Fragestellungen sogar die "intuitive" Antwort die bessere? Oder unterscheidet sich die Intuition von Mensch zu Mensch viel zu sehr, um sie als Maßstab gelten zu lassen?
Es gibt Fragestellungen, bei denen stimmen meine intuitive (spontane) und meine kritische (sorgfältig abgewogene) Antwort völlig überein. (Z.B. finde ich es verbrecherisch, mit Organen lebender Menschen zu handeln - die einzige Organspende zu Lebzeiten, die ich gelten lassen würde, wäre die aufgrund persönlicher Bindungen.)
Es gibt aber auch Fragen, bei denen die "kritische" Antwort anders ausfällt als die "intuitive"... wie ist das bei euch?
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sofia204
antwortete am 08.02.03 (16:07):
wenn die Intuition vom Kalkül bestimmt werden soll, entzieht sie sich, weil 'Kritik' der Intuition DIENT
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Marianne
antwortete am 08.02.03 (17:00):
@ Sofia 4
Stimme voll zu.Wenn ich dazu sagen darf: die Kritik erfolgt sicher im Augenblick, in dem das spontane Handeln in Grenzsituationen nicht gefragt ist. Das, was sich das Ich aber mithilfe kritischer Hinterfragung als Gewissensanteil erworben hat,setzt es dann auch im spontanen Handeln ein.
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DorisW
antwortete am 08.02.03 (17:02):
Die Intuition ist also manipulierbar?
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Barbara
antwortete am 08.02.03 (17:05):
Liebe DorisW,
als ich Deine Worte "Es gibt aber auch Fragen, bei denen die "kritische" Antwort anders ausfällt als die "intuitive"... wie ist das bei euch?"
wurde ich an eine sehr kontrovers geführte Diskussion hier im ST erinnert.....
Das Thema lautete "Grenzenlose Selbstbestimmung" und ist archiviert unter:
/seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a325.html
Es ging um ein lesbisches Paar, das taub war und sich Nachwuchs wünschte, der ebenfalls gehörlos sein sollte. Das Paar hatte den Wunsch nach Kindern, die sich IHRER Welt zugehörig fühlen würden und nicht der Welt der Hörenden.
Als ich den zur Diskussion gestellten ZEIT-Artikel das erste Mal las, war ich sicher: diese Menschen muss ich verurteilen. Erst als ich mich näher mit den Problemen befasste, kam mein Urteil extrem ins Schwanken. Obwohl ich die Entscheidung dieses Paares nie gutgeheißen, sondern lediglich um Verständnis gebeten habe, wurde ich sehr stark angegriffen. Gerade habe ich nochmal nachgelesen und bemerkt, dass Du, liebe Doris, damals mit mir auf einer Linie lagst ;-)))
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a325.html
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Marianne
antwortete am 08.02.03 (17:45):
@ Doris
Wenn Du so willst, ist auch meiner Meinung nach intuitives Handeln manipulierbar. Aber vor allem geschieht das in der handelnden Person selbst durch intrapersonelle Interdependenz. Spontanes Handeln erfolgt ,m.E. ,nicht als Handeln von "außen" motiviert. Genetische Gründe, Erziehung und eigene Gewissensbildung , nicht zuletzt als Auseinandersetzung mit solch kritischer Hinterfragung nichtaktueller Handlungsfelder,von der Du ausgegangen bist, Adrenalinspiegel oder andere hormonelle Bedingungen werden auch das aktuelle Handeln des Menschen als spontanes oder eben intuitives kennzeichnen. Und so manipuliert sich das Ich eben selbst. Kann man wahrscheinlich sagen, aber ich bin nicht vom Fach und kann sicher angegriffen werden- von Fachleuten. Aber in einem bin ich voll Sofias Meinung: Dem aktuellen spontanen Handeln kann keine kritische Hinterfragung des Tuns voraus gehen.
@ Angelika: Ich habe in meinem, von Dir angesprochenen Beitrag v.a. diese Art der Fragestellung in der militärischen Ausbildung gemeint und glaube, dass mit diesem Beitrag hier von mir an Doris auch einige Zweifel bei Dir ausgelöscht sind.
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DorisW
antwortete am 08.02.03 (22:35):
Barbara, ja, das ist ein gutes Beispiel dafür!
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Ernst
antwortete am 09.02.03 (15:59):
Fragen, wie sie in der Ausgangssituation geschildert sind, werden doch nicht gestellt, um wirklich eine ethisch unanfechtbare, verbindliche Antwort von den Kandidaten zu erfahren! Sie täuschen dem Prüfling eine Gewissensentscheidung vor, erforschen aber versteckt dessen Gewissenlosigkeit. Geht es den Urhebern derartiger Fragebögen - vielleicht sind es Militärpsychologen - nicht eher darum, die psychische Bereitschaft zum Töten zu trainieren und zugleich gewissermaßen die geborenen Killer für die weitere Ausbildung auszuwählen? Minuspunkte bekommt, wer die Fragen nicht beantwortet, Pluspunkte bekommt, wer sich zum Töten entschließt, höhere Punktzahlen erreicht, wer mehr Menschen umbringt?
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Angelika
antwortete am 09.02.03 (17:06):
@marianne: du schreibst aber "Jeder wird intuitiv reagieren, so wie in jeder schlimmen Situation, bei einem Unfall, Tod eines nahen Verwandten usw.. Die Reaktion in Extremsituationen hat nichts mit den Werten eines Menschen zu tun. Über solche Situationen sollte man sich keine Gedanken machen, sondern auf sich zu kommen lassen" Das hat doch nichts militärischer Ausbildung zu tun?
Ich bleibe dabei, dass man einen Menschen wohl eher doch genauer einschätzen kann, wenn man weiss wie er in Exremsituationen reagiert. Sowas einfach auf sich zukommen zu lassen, fänd ich schon sehr blauäugig.
Ich glaube auch nicht, dass jeder mensch, wie Du schreibst, intuitiv reagiert. Ich habe in den vielen Jahren Auslandsarbeit sehr oft Menschen die Nachricht vom Tod eines Partners, Freundes oder Angehörigen berichten müssen. Interessanter weise haben Frauen dabei fast immr sehr rationell regagiert, hingegen waren Männer eher völlig hilflos. Beispiel: Spontan kamen Fragen von Frauen wie "Was mach ich jetzt mit dem Rückflugticket, krieg ich das Geld wieder?" oder "Ziehen Sie meinem Mann bitte den Ring vom Finger, die Spanier klauen den bestimmt" oder "das war bestimmt eine Vergiftung, ich verlage den Reiseveranstalter!" (der mann hatte tatsächlich eine Vergiftung - eine Alkoholvergiftung...). Männer habe ich in solchen Situationen viel öftr fassungslos, hilflos und einfach nur trauernd erlebt.
Aber das sind nicht die Situationen, die ich wirklich meine - viel eher trifft es schon das Thema Zivilcourage im Alltag.
@ernst: genau das ist der Punkt, deshalb auch mein Einwandt, so eine Frage ethisch diskutiren zu wollen. Danke
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Felix
antwortete am 09.02.03 (20:30):
Stimmt Angelika ... wenn meine Frau auf einer Reise sterben würde ... käme ich nie auf Fragen ... nach dem Retourticket, nach ihrem Schmuck oder ob Klagen gegen den Veranstalter anzustrengen sind! Meine Gefühlswelt wäre dermassen in Aufruhr ... mein Leid so gross, dass ich völlig ausserstande wäre, an so triviale Dinge zu denken! Aber ... ist das nun typisch männlich ... oder einfach menschlich? Diese Gefühlskälte ist zum Glück nicht bei allen Frauen anzutreffen!
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Barbara
antwortete am 09.02.03 (22:32):
Ich habe ähnliches Verhalten wie das von Angelika geschilderte erlebt. Ein junger Familienvater verunglückt tödlich und die Frau kommt noch am gleichen Tag mit ihren Kleinkindern zur Bank, um sich zu erkundigen, wieviel Geld vorhanden ist oder aber wie der Kredit zurückgeführt werden kann.
Ich meine nicht, dass man dadurch eine rationellere Reaktion von Frauen ableiten kann. Vielmehr erlebte ich, dass diese Frauen unter Schock standen. In dieser Panik-Phase versuchten sie zu klären, wie sie allein weiterleben konnten und hatten Angst, etwas falsch zu machen. Um die finanziellen Angelegenheiten hatte sich bisher allein der Mann gekümmert. Sie sahen den riesigen Berg von Problemen vor sich und suchten Hilfe bei ihrer Bank.
Manche Frauen hatten noch nie selbst Geld abgehoben. Sie kannten weder die Höhe der Gehaltseingänge noch die Summe der monatlichen Abbuchungen und hatten furchtbare Angst, nicht allein klar zu kommen.
Vielleicht fühlen sich Männer nicht so leicht durch anstehende Aufgaben überfordert und geben sich daher eher den Gefühlen der Trauer hin.
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WANDA
antwortete am 10.02.03 (08:37):
plötzliche Todesfälle lösen oftmals einen Schock aus, der als solches nicht erkennbar ist. Oft kommt es dadurch zu den eigenartigsten Situationen. Ich erinnere mich an einen Patienten, der bei der Mitteilung, dass sein Bettnachbar gestorben sei, Purzelbäume im Bett schlug, von oben nach unten und umgekehrt, ca. 6 mal, erst dann hielt er inne und begriff, was ich gesagt hatte.
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Marianne
antwortete am 10.02.03 (10:58):
Die Beispiele aus der Berufswelt von Barbara und Wanda lassen sich sehr gut in meine „Theorie“ verwursten und ich bemächtige mich ihrer, ohne zu fragen und danke im Vorhinein für die ( angenommene) Bereitschaft dazu. Zu Barbaras Beispiel: Ihr erlebtet auf der Bank die Frau zwar noch in kopflosem Schock, verwirrt und ängstlich, noch unfähig, echte Trauerarbeit zu leisten – aber im Augenblick , als sie vom Tod ihres Mannes erfuhr, war niemand von Euch dabei. Und nur solche absolut plötzliche Ereignisse setzen im Menschen die kritische Handlungsfähigkeit außer Kraft. Diese hatte die Frau bereits wieder, als sie zu Euch kam. Solchem Vorgehen, zu der Institution , die Hilfe leisten kann, zu gehen Habgier, Kälte oder Ähnliches zu unterstellen , ist m.E unrichtig.
Wandas Beispiel hingegen zeigt uns einen Menschen in einer oben erwähnten Ausnahmesituation. Der purzelbaumschlagende Patient handelte völlig spontan, intuitiv .Er hätte sich seines Verhaltens sicher geschämt, wäre es ihm bewusst geworden. Konstruieren wir noch einen Bettnachbarn dazu und lassen diesen seinen toten Nachbarn wüst beschimpfen. Beide handeln intuitiv spontan. Der Eine mag durch die von mir weiter oben im Thread erklärten Vorgänge ein lebensbejahender Mensch sein – er „ freut sich“, dass er davongekommen ist; der Andere ist ängstlich, furchtsam und diese Verhaltenseigenschaften lassen ihn eben so handeln wie er es tut .Er empfindet den Tod des Bettnachbarn als einen persönlichen Angriff auf sich selbst. Beide haben ihre kritische Handlungsfähigkeit ausgesetzt und werden sich schämen, wenn sie von ihrem Verhalten hören, beide werden ganz artig den Angehörigen des Verstorbenen kondolieren. Ich begebe mich hier auf das Feld der Tiefenpsychologie und bin möglicherweise ganz leicht widerlegbar – aber Gedanken darf sich auch ein Nichtfachmann machen. Ich denke also, dass auch spontanes / intuitives Handeln Blicke auf den Handelnden zulässt. Auch dieses ist, wie Doris sagt, manipuliert, aber eben durch den Handelnden selbst.
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sofia204
antwortete am 10.02.03 (17:23):
ist schämen die Empörung über die Mißachtung der eigenen Art/Wahrheit? die Schamesröte steigt einem ins Gesicht vor der Verurteilung des Kollektivs. Das Kollektiv braucht Meinungen und keine intuitiven Wahrheiten. Ein Soldat will einfach nur gebraucht werden. Er akzeptiert die Todesstrafe. Das Kollektiv hat aber die Wahrheit des Individuums schon nötig ! Oder?
Beispiel dies Gedicht:
Wir sind Weltzerstreute, schwarzer Magier Beute, rot mit Haß besudelt und mit Blut. Bei den Ungerechten, die die Seele knechten, schwand dahin das eingeborene Gut.
Friedrich Schnack
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Angelika
antwortete am 10.02.03 (19:08):
Marianne, bei Todesfällen, die einen selbst so unmittelbar betreffen, sind die meisten sicher nicht "zurechnungsfähig" - unterscheiden sich aber auch in "wie kannst du MIR das antun" und "warum hab ich bloss nicht auf DICH aufgepasst" ...
aber wichtig ist doch, wie Menschen reagieren, wenn sie Zeugen von Unrecht und Gewalt, Unglück und Gefahr werden. Ich habe zB in meinem Freundeskreis einen eigentlich sehr lieben Menschen, bei dem ich aber froh bin, ihn einschätzen zu können - über 20 Jahre Freundschaft weiss ich, dass er nur ein Schönwettersegler ist, er aber ausserhalb des nördlichen und südlichen Wendekreises seines "Alltagslebens" weder belastbar noch loyal ist. Ich habe erlebt, wie er wirklich nette Kollegen, die sich nur einmal im Sinne der Firmenpolitik einen Ausarutscher geleistet hatten, denunzierte, obwohl er ihnen aus seiner Position heraus ohne weiteres hätte helfen können, ich hab erlebt, wie er entsetzt war, dass ich einem ohnmächtigen Heroinsüchtigen, der zitternd auf dem kalten Boden lag, in meinen Mantel hüllte und Hilfe holte, wie er bei einem Autounfall panikartig davonlief und nicht mal den Feuerlöscher seines Wagens zur Verfügung stellte und wie er sich selbst bedauerte und sich bei mir wie ein Kind ausheulte, weil er mir aus einer damals sehr schlimmen Lage nicht helfen konnte (es war nach dem Tod meiner Mutter, der mich in tiefe Trauer stürzte). Ich würde ihn als "Freund für schönes Wetter" trotzdem nicht missen wollen und ich bin froh, seinen Siede- und Schmelzpunkt zu kennen - ich lasse ihn zurück, wenn ich mal wieder seinen Schönwetterwendekreis verlasse und ihn mit bestimmten Dingen auch nicht konfrontieren würde, weil ich weiss, dass er überfordert ist. Und ich denke, auch das macht eine Liebe zu einem Freund oder einer Freundin aus: dass man seine Stärken und Schwächen einzuschätzen weiss und bestimmte Dinge von ihm/ihr fernhält und Probleme mit anderen löst.
Was ich sagen will: Es geht mir mit meiner Frage nicht darum, ob die einen schlecht und die anderen gut sind - wichtig ist nur, andere richtig einschätzen zu können und dazu muss man ihre "Extremwerte" kennen. Wie gesagt ... bei schönem Wetter und wenn keine besonderen Vorkommnisse vorliegen, ist doch jeder "ein netter Mensch" - aber ist das nicht ein bisschen wenig?
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Marianne
antwortete am 10.02.03 (19:24):
Sophia, ich finde, dass Deine Gedanken, die Du uns zur "Hausaufgabe" gibst, ganz genau die Intentionen des Gedichts von Schnack ausdrücken. - übrigens, ich kannte diesen Autor nicht, werde ihn aber kennenlernen aufgrund der Textprobe .
Wir sind Weltzerstreute, schwarzer Magier Beute, rot mit Haß besudelt und mit Blut. Bei den Ungerechten, die die Seele knechten, schwand dahin das eingeborene Gut.
Friedrich Schnack
Das Einzelindividuum schämt sich primär -glaube ich, wenn es erkennen muss, dass seine Sicht der Dinge, nach denen es handelt, belacht werden und empfindet das Lachen als Missachtung seines selbsts.
Größer aber scheint mir die Scham, wenn ich im spontanen Handeln gegen die Normen der Gruppe verstoße, der ich mich zugehörig fühle. "Ich habe mich ungehörig" verhalten. Das konnte ich mit der Zeit beherrschen, das Handeln nach Gruppennormen.
Wir sind schließlich alle " Weltzerstreute", d.h. für mich in vielen Gruppen daheim.
Das Ganze wird aber gefährlich, wenn die "schwarzen Magier" uns mit Hass und Blut beschmieren, d.h. im Namen der Macht uns - die Soldaten- zu Taten zwingen, die mit dem persönlichen Wertekodex des Einzelnen , seiner ganzen Anlage, was das Ich ja schließlich kritisch und spontan handeln lässt, was also das Ich im Auftrag der Mächtigen zu Taten zwingt, die uns zutiefst zuwider sind. Denn:
Bei den Ungerechten, die die Seele - uns- knechten, verschwand das angeborne Gut. Die Mächtigen laufen in Gefahr, keinerlei Werte als Basis für ihr Handeln vorauszusetzen. Sie brauchen die hirn und herzlose Masse.
Dann müsste man sich alledings fragen: Hilft Schämen? Nutzt Anpassen an Gruppennormen?
Verzeih, wenn ich wieder oberlerinnenhaft war, schließlich war ich ja so etwas Ähnliches vor 100 Jahren und aus seiner Haut kommt keiner heraus. Mir macht eben die Diskussion über theoretische Fragen sehr viel Spaß und wir leben ja in einer Spaßgesellschaft.
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Marianne
antwortete am 10.02.03 (19:25):
Sophia, ich finde, dass Deine Gedanken, die Du uns zur "Hausaufgabe" gibst, ganz genau die Intentionen des Gedichts von Schnack ausdrücken. - übrigens, ich kannte diesen Autor nicht, werde ihn aber kennenlernen aufgrund der Textprobe .
Wir sind Weltzerstreute, schwarzer Magier Beute, rot mit Haß besudelt und mit Blut. Bei den Ungerechten, die die Seele knechten, schwand dahin das eingeborene Gut.
Friedrich Schnack
Das Einzelindividuum schämt sich primär -glaube ich, wenn es erkennen muss, dass seine Sicht der Dinge, nach denen es handelt, belacht werden und empfindet das Lachen als Missachtung seines selbsts.
Größer aber scheint mir die Scham, wenn ich im spontanen Handeln gegen die Normen der Gruppe verstoße, der ich mich zugehörig fühle. "Ich habe mich ungehörig" verhalten. Das konnte ich mit der Zeit beherrschen, das Handeln nach Gruppennormen.
Wir sind schließlich alle " Weltzerstreute", d.h. für mich in vielen Gruppen daheim.
Das Ganze wird aber gefährlich, wenn die "schwarzen Magier" uns mit Hass und Blut beschmieren, d.h. im Namen der Macht uns - die Soldaten- zu Taten zwingen, die mit dem persönlichen Wertekodex des Einzelnen , seiner ganzen Anlage, was das Ich ja schließlich kritisch und spontan handeln lässt, was also das Ich im Auftrag der Mächtigen zu Taten zwingt, die uns zutiefst zuwider sind. Denn:
Bei den Ungerechten, die die Seele - uns- knechten, verschwand das angeborne Gut. Die Mächtigen laufen in Gefahr, keinerlei Werte als Basis für ihr Handeln vorauszusetzen. Sie brauchen die hirn und herzlose Masse.
Dann müsste man sich alledings fragen: Hilft Schämen? Nutzt Anpassen an Gruppennormen?
Verzeih, wenn ich wieder oberlerinnenhaft war, schließlich war ich ja so etwas Ähnliches vor 100 Jahren und aus seiner Haut kommt keiner heraus. Mir macht eben die Diskussion über theoretische Fragen sehr viel Spaß und wir leben ja in einer Spaßgesellschaft.
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