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THEMA:   Wer schildert uns Erfahrungen mit Synästhesie?

 48 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 20.06.02 (21:36) mit folgendem Beitrag:

Unter dem Thema "Schade" bin ich zum ersten Mal auf das Phänomen "Synästhesie" aufmerksam geworden. Dort hat DorisW einen interessanten Link zum Thema angegeben, den ich hier nochmal wiederhole (s. unten).
Aus dem Artikel: "Betroffene verknüpfen automatisch die Eindrücke unterschiedlicher Sinne miteinander. Manche sehen zum Beispiel als Farben und Formen, was andere Menschen nur hören; andere können auch tasten, was Nicht-Synästhetiker nur schmecken."

Unter dem irreführenden Titel "Schade" haben sich zwei Teilnehmer an der Diskussion als Betroffene geoutet und ich wurde gebeten, dieses Thema doch neu zu eröffnen. Ich denke, dass viele an Erfahrungsberichten interessiert sind. Als Neurobiologe interessieren mich persönlich die neurologischen Grundlagen und Erklärungsmodelle. Ich werde hierzu aber noch lesen müssen. Der Spiegelartikel ist ein Einstieg.

Grüße, Karl

(Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,74451,00.html)


Carola antwortete am 21.06.02 (07:53):

Ergänzung.
Kürzlich erschienen:
EMRICH*SCHNEIDER*ZEDLER: "Welche Farbe hat der Montag?" - Synaesthesie: das Leben mit verknüpften Sinnen. (Hirzel-Verlag). --- Das Buch ist mehr eine Beschreibung der Synaesthesie als eine Darlegung von Ursachen, die man eben noch nicht kennt.

Meine Kinder und ich wußten - bis die Medien das Thema aufgriffen - nichts von dieser seltenen Veranlagung; wir hielten es für normal, daß man Zahlen, Wörter usw. farbig "sieht".

Meine Tochter merkt sich Telefonnummern über ihre Farben der Zahlen.


Eric antwortete am 21.06.02 (11:59):

Ich kann da leider nicht mitreden, sehe immer schwarz.

Aber ich finde es spannend, daß für jemanden Nürnberg grün, Hildesheim gelb und Kassel weiß ist.


Ursula antwortete am 21.06.02 (12:59):

Hallo Carola,

mich würde interessieren, ob diese Besonderheit der Wahrnehmung von Dir als angenehm empfunden wird. Ich könnte mir vorstellen, dass die gleichzeitige Aktivierung verschiedener Sinnesfunktionen auch recht anstrengend sein kann - zumindest zeitweilig.

Gruß
Ursula


Carola antwortete am 21.06.02 (15:48):

Hallo Ursula,
ich finde es wunderbar, Synaesthetikerin zu sein.
Da das Ganze ein Automatismus ist, befindet sich nichts Anstrengendes dabei. Deswegen dachten wir ja bis vor einiger Zeit, das sei bei allen Menschen so.
Man hat auch schwarze oder weiße Buchstaben, aber eben nur manche.

"Ursula" ist für mich etwas dunkler als enzianblau. Hoffentlich kannst Du diese Farbe ertragen :-))


Carola antwortete am 21.06.02 (15:53):

Nachtrag:
Anstrengend ist nur, wenn ich im Fernsehen beim Anblick eines Feuers intensiven Kokelgeruch wahrnehme und doch lieber mal in der Küche nachsehe, ob ich eine Herdplatte angelassen habe. Also "anstrengend" ist dabei der Weg in die Küche :-))


DorisW antwortete am 21.06.02 (16:02):

Carola,
steht für dich die Farbe im Mittelpunkt deiner Sinnesverknüpfungen oder gibt es auch "Querverweise", will sagen: wenn beispielsweise "Berlin" dunkelrot ist und die Zahl "Sieben" ist auch dunkelrot, denkst du dann bei Berlin auch an die "Sieben" o.ä.?

Sind auch Gerüche, Töne oder taktile Empfindungen bei dir mit Farben verknüpft?

Gibt es jemanden unter euch, der auch Emotionen mit Farben verbindet? Ich bin sehr gespannt.


Ursula antwortete am 21.06.02 (19:32):

Liebe Carola,

danke für Deine Antwort.

"Etwas dunkler als Enzianblau" finde ich super, ist eine meiner favorisierten Farben ;-). Ertragen könnte ich sie auch - wenn ich Synaestetikerin wäre, was ich aber leider nicht bin ;-((
Aber wenn Du mit meinem Namen eine für Dich angenehme Farbe verbinden kannst, würde mich das freuen ;-).

Aber ernsthaft: Ich habe mit "anstrengend" eigentlich mehr störend im Sinne von Zuviel an Sinnesreiz gemeint. Dabei hatte ich eine Assoziation, die Dich wohl weniger betrifft. Vielleicht kannst Du trotzdem etwas dazu sagen?

Ich habe mir vorgestellt, wie es sein könnte, wenn bei einem Menschen die visuelle Wahrnehmung mit akustischen Phänomenen gekoppelt ist. Was ist, wenn dieser Mensch ein besonders farbenprächtiges Bild anschaut und gleichzeitig - den vielen Farben entsprechend - eine Vielzahl mehr oder weniger angenehmer Töne empfindet?

Kann das nicht sehr unangenehm sein?

Übrigens würde mich auch die Antwort auf die Frage von DorisW interessiern. Ein wirklich interessantes Thema!

Viele Grüße
Ursula


schorsch antwortete am 22.06.02 (15:28):

Welche Farbe hat das Staunen?


DorisW (Mono-Ästhetikerin) antwortete am 22.06.02 (15:47):

Staunen hat keine Farbe, sondern eine Form.

Welche?

Na, die von Bauklötzen :-)


Tessy antwortete am 22.06.02 (18:20):

Hallo Carola,
auch von mir eine Frage: haben Deine Eltern, oder Geschwister auch diese Veranlagung?


Carola antwortete am 22.06.02 (18:52):

Hallo Tessy,

wie schon irgendwo erwähnt: ja meine beiden Kinder

2 Brüder: weiß nicht, die reden nicht mehr mit mir

Eltern: kann ich nicht mehr fragen


sofia204 antwortete am 22.06.02 (21:15):

Liebe Carola,
ich bin wirklich sehr erleichtert,
und verstehe jetzt besser.
Jetzt weiß ich, daß ein "Nichtsynästhetiker"
das ja gar nicht nachvollziehen kann, und es als überflüssigen Schwulst bewertet, ja als Störung oder Beeinträchtigung.Doch glaube ich, daß ein schöpferischer Mensch es in sich *hat* ,und da kommt doch Neid auf zuweilen, gelinde gesagt.
Ich zieh mich aus Vorführungen lieber zurück, und "spinne" weiter.
Trotzdem interessiert mich jetzt bei neuem Lichte besehen, alles vielfach mehr.
Ist das jetzt falsch gedacht?
(Denn hier im Forum erlebe ich glücklichmachende Zuwendung)
:-/


Carola antwortete am 23.06.02 (09:22):

Liebe Interessierte,
Ihr habt eine Menge auch für mich interessanter Fragen gestellt.

@ DorisW: zu den "Querverbindungen" würde ich sagen: in Wörtern zeigen sich meist die Farben der einzelnen Buchstaben, wobei die Farben der Vokale Vorrang haben. "Berlin" ist im ersten Wortteil grau wie mein e, im zweiten Wortteil giftgrün wie mein i. Aber bei "Berlin" denke ich nicht an e und i.
"Gerüche, Töne oder taktile Empfindungen": Das sind Dinge, über die ich noch nie nachgedacht habe, also steht da wohl auch nichts im Vordergrund. Manchmal verbinde ich Bilder mit den dazu passenden Gerüchen, die mir dann wie in meiner Wohnung befindlich vorkommen. Ob das zur Synaesthesie gehört, weiß ich nicht.

@ Ursula: "Töne": In einem psychiatrischen Forum hat 'mal jemand mitgeteilt, das Töne-Hören beim Sehen von z.B. starkem Auto-Verkehr, mache ihn wahnsinnig. Meine Tochter und ich glauben, daß der maßlos übertrieben hat. Allerdings ist es für Synaesthetiker, die Töne "sehen", einigermaßen vorgegeben, daß sie gelegentlich wegen "Stimmen-Hörens" in der Psychiatrie landen. Wahrscheinlich sprechen sie nicht darüber.

@ DorisW: "Emotionen" vom Wort her (nicht vom Gefühl) werden mit den Farben der Buchstaben verbunden. Aber wenn ich liebe, empfinde ich nichts (*grins*).

@ Schorsch: Aus diesen Erklärungen ergibt sich: "Erstaunen" ist bei mir im ersten Wortteil fast weiß, im zweiten dunkelgrau.

Bei Doppellauten (z.B. 'au') kommt das Sehen von Farben erst zustande, wenn sie für sich stehen, innerhalb eines Wortes haben sie keine Farbe, auch nicht die der beiden einzelnen Buchstaben.
---------------------------------
Die alles betrifft nur mich. Wie das bei meiner Tochter ist, die die Farben noch intensiver sieht, kannn ich nicht sagen. Bis vor kurzem haben ja Synaesthetiker sich auch nie darüber ausgetauscht, weil sie dachten, das Farbensehen hätten alle Menschen. Uns fiel eben vor ca. 20 Jahren nur auf, daß jeder von uns jeden Buchstaben andersfarbig sieht als der andere. Damit "spielten" wir dann manchmal.


Carola antwortete am 23.06.02 (09:29):

Liebe sofia204,

anstatt Dich fertig machen zu lassen, müßtest Du denken, daß Du etwas Besonderes bist.

Das Farbensehen von Buchstaben soll den geringsten Prozentsatz unter den Synaesthetikern ausmachen.

Also: etwas Besonderes unter den Besonderen :-))


schorsch antwortete am 23.06.02 (11:53):

Ich beneide jede(n), der/die solche Farben sehen kann. Da ist das Leben doch gleich bunter.

Noch etwas zu den Stimmen: Ich höre seit meiner Kindheit solche - meist im Dämmerzustand, aber auch den ganzen Tag über. Manchmal sind es nur einzelne Worte, vielleicht durch einen Laut - z.B. ein Vogellaut - ausgelöst. Manchmal sind es aber auch ganze Sätze. Diese verbleiben aber nur einen kurzen Moment lang im Gedächtnis. Natürlich habe ich mich schon immer gefragt, woher denn diese Stimmen kommen. Die mir am wahrscheinlichsten erscheinende Möglichkeit: Durch unseren Körper strömen Millionen von elektrischen Schwingungen (z.B. die von den Handys!), wie sonst wäre es denn möglich, dass wir über Radio und das Handy auf jedem Punkt unseres Planeten erreichbar sind. Wenn sie nun im Körper auf eine "Antenne" stossen, die auf der gleichen Frequenz empfängt wie der Sender sendet, schnappe ich einen Teil dieser Meldung auf.
Wer in der Nähe eines starken Senders wohnt, kann buchstäblich ein Lied darüber singen. Da tönen nämlich aus Backöfen und anderen Apparaten, ja sogar aus der Dachtraufe Töne, sogar ganze Melodien.


DorisW antwortete am 23.06.02 (11:57):

@sofia204 antwortete am 22.06.02 (21:15):
"Jetzt weiß ich, daß ein "Nichtsynästhetiker" ... es als überflüssigen Schwulst bewertet, ja als Störung oder Beeinträchtigung."
-- Nein, wie kommst du darauf?

"Doch glaube ich, daß ein schöpferischer Mensch es in sich *hat*..."
-- Hat die Veranlagung zur Synästhesie etwas mit schöpferischen Fähigkeiten zu tun, vielleicht weiß Carola aus ihrer Lektüre etwas darüber?

"... und da kommt doch Neid auf zuweilen, gelinde gesagt."
-- ja :-))) würd ich auch gerne können

"Ich zieh mich aus Vorführungen..."
-- was für Vorführungen?

"... lieber zurück, und "spinne" weiter."
-- :-( nein, bitte nicht - es interessiert bestimmt viele Leser!

"Trotzdem interessiert mich jetzt bei neuem Lichte besehen, alles vielfach mehr. Ist das jetzt falsch gedacht?"
-- Nö

"(Denn hier im Forum erlebe ich glücklichmachende Zuwendung) :-/ "
-- :-))))))))))))))))))))))))


Carola antwortete am 23.06.02 (13:01):

Habe gerade mit meiner Tochter telefoniert, was jetzt kommt stammt von ihr.

Der eine meiner Brüder ist kein Synaesthetiker (sie hat Kontakt mit ihm).

Daß sie nach meinem Eindruck intensiver mit den Farben lebt, könne dran liegen, daß sie so viel jünger ist als ich.

Sie "sieht" auch G e f ü h l e (unterschiedlich) farbig.
---------------------------
Betr.: "Stimmen hören": ich schrieb, solche Menschen landen leicht in der Psychiatrie, das Symptom gehört in den schizophrenen Formenkreis. Aber bei diesen "Hörern" gibt es welche, die durch ihre Stimmen nicht belastet werden oder dadurch zum Suicid tendieren *). Das ist dann ein Nebengleis, das nicht behandelt werden muß.
Lt. Aussage meiner Tochter gäbe es Foren zum Interessenaustausch und Selbsthilfegruppen für "Stimmenhörer" im Internet.

*) Beispiel aus eigenem Erleben: Eine Sekretärin will sich umbringen, weil sie immer wieder ihren Chef nebenan 'hört', der sich mit jemandem über sie unterhält und sie dabei schlecht macht. Recherschen - auch technischer Art - ergeben, daß dies nicht stimmen könne, weil man aus dem Nebenraum nichts hören kann.


Carola antwortete am 23.06.02 (13:10):

Hallo DorisW,
ein von Dir angesprochener und irgendwo erwiesener Zusammenhang zwischen Synaethesie und Talent zum Schöpferischen ist mir nicht bekannt. Ich glaube es nicht, da zwar meine Tochter und ich mit allerhand schöpferischen Talenten ausgestattet sind, jedoch nicht in der geringsten Weise mein Sohn oder andere Synaesthetiker, die wir kennen.


sofia204 antwortete am 23.06.02 (14:03):

@ Doris und die 7 Absätze.

1) ich war einmal verheiratet,
und da wurde mir ein Trauma erfüllt,
er konnte halt nicht zu mir stehen.
2) ein schöpferischer Mensch erlebt die Begrenzung einer
Entwicklungsweise. Komprimierte Vielschicht.
3) Wenn Du es auch "gerne können" würdest,
anerkennst (nicht bekämpfst) Du sehr.
4) Daß man zur Tuoristenattraktion für Psychologen wird.
5) wissenschaftlich seziert wird wie ein Frosch-Chamäleon.
6) So was geht im realen Leben selten,
im virtuellen wird Unüberbrückbares zum Netz.
7) Soo ist es !!!


Karl antwortete am 23.06.02 (14:16):

Lieber Schorsch,

"Stimmenhören" hat nichts mit elektromagnetischen Wellen von Sendeanlagen zu tun. Wenn wir "Stimmen hören" entspricht dies immer einer speziellen Aktivität in unserem Gehirn, welche normalerweise durch Stimmen in der Aussenwelt über den Gehörnerv kommend induziert wird. Dass das aber nicht immer so sein muss, erleben wir im Traum, in dem wir uns trefflich mit anderen streiten können. Ich erwachte einmal ganz verwundert, weil ich mit einem Lehrer Englisch gesprochen hatte und das doch eigentlich nicht sein durfte, da er Deutscher war.
Bei manchen Menschen gibt es auch im Wachzustand das virtuelle Erlebnis des Stimmenhörens (früher waren das meist die Propheten und Offenbarungsempfänger). In diesen Fällen handelt es sich offenbar um Aktivitätsmuster im Gehirn, die eben nicht durch Gehörtes in der realen Aussenwelt ausgelöst werden. Wie diese Muster entstehen, ist aber wohl noch unbekannt. Eventuell liegt durchaus eine gewisse Verwandtschaft mit dem Phänomen der "Synästhesie" vor.
Offenbar stört Dich diese Fähigkeit seit Deiner Kindheit nicht sehr. Es gibt aber unglücklichere Fälle, wie von Carola schon angesprochen, die sich von "unfreundlichen" Stimmen verfolgt fühlen, was ein sehr ernstes Krankheitssymthom ist.
Jedenfalls zeigen diese Phänomene, wie spannend die Hirnforschung ist und dass vieles noch völlig im Dunkeln der Aufklärung wartet.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


sofia204 antwortete am 23.06.02 (14:22):

@ Carola,

ich glaube es hängt mit dem Erfolgreich-sein-wollen zusammen
daß man einen rationalen Beruf zum Geldverdienen hat .


DorisW antwortete am 23.06.02 (14:22):

Danke, Sofia.
Ich hoffe, du fühlst dich hier bei uns nicht "seziert".

Einen schönen Tag noch
Doris

P.S. Ich bin durch das Phänomen Synästhesie durch einen Zeitschriftenartikel aufmerksam geworden, den ich einmal in einem Arzt-Wartezimmer las. In unserer Zeitung war neulich ein ausführlicher Artikel in der Wochenendbeilage.
Ich interessiere mich dafür, weil meine Schwester mir einmal erzählt hat, wie sie die Zahlen sieht: nicht farbig, aber auf einer diagonal aufsteigenden Linie bis zur 6 (glaube ich mich zu erinnern), dann etwas weiter unten ansetzend und wieder diagonal aufwärts bis zur 12, danach auf einer geraden Linie weiter (oder so ähnlich). Möglicherweise hat das auch etwas mit Synästhesie zu tun.


Carola antwortete am 23.06.02 (14:30):

Wer sich - wie offensichtlich Karl - für Hirnforschung interessiert, dem empfehle ich dieses Buch:

Antonio R. Damasio : "Ich fühle also bin ich ... Die Entschlüsselung des Bewußtseins", List-Verlag.

(Original-Ausgabe 1999 unter "The Feeling of What Happens" in New York erschienen.)


Carola antwortete am 23.06.02 (14:37):

Hallo Karl von 14:16,

es gibt auch - für Außenstehende - Komisches bei den Stimmen-Hörern.
Ich kenne eine Frau, die immer wieder anfängt, von Herzen zu lachen. Man m u ß mitlachen, so ansteckend ist das.
Fragt man sie, sagt sie, der Teufel erzähle ihr schmutzige Witze.


Ursula antwortete am 23.06.02 (16:54):

Liebe sofia204,

ich kann mir gut vorstellen, dass man als SynaesthikerIn auch sehr unerfreuliche Erfahrungen machen und beispielsweise schnell in einer "psychiatrischen Ecke" landen kann, wenn man an Ignoranten gerät.

Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ungewöhnliche Sinneswahrnehmungen bei Gesunden relativ selten sind oder die Betroffenen nur ungern darüber sprechen (verständlicherweise) und weil die Hirnforschung eben doch noch in den Kinderschuhen steckt.

Außerdem (und das ist wohl besser bekannt) können ähnliche Phänomene auch durch Drogen oder Krankheiten induziert werden. (Dies nur als ein vorsichtiger Erklärungsversuch.)

Als ich, durch die Diskussion hier angeregt, mal im Internet gestöbert habe, war ich dann auch ziemlich erstaunt, dass das Forschungsprojekt "Synaesthesie" der Medizinischen Hochschule Hannover unter Prof. Dr. Emrich von der dortigen Psychiatrischen Klinik ausgeht und nicht - wie ich sicher erwartet hätte - von der Neurologie und/oder der Abteilung für Hirnforschung etc..

Synaesthesie hat mit einer psychiatrischen oder sonstigen gesundheitlichen Störung aber nicht das Geringste zu tun!

Lass Dich nicht irritieren, sondern freue Dich über diese besondere Art der Wahrnehmung. Sie ist eine Bereicherung und kein Mangel.
Ich würde auch gerne die Welt etwas bunter sehen, kann aber leider nicht einmal farbig träumen ;-((((

Viele Grüße
Ursula


WANDA antwortete am 23.06.02 (17:07):

Ich lese alles mit Interesse, finde das Thema "Stimmen hören" aber zu delikat oder auch brisant um mich so global darüber äussern zu können.


Ursula antwortete am 23.06.02 (18:32):

Hallo WANDA,

ich bin ganz Deiner Meinung:

"Stimmen hören" sollte man unbedingt aus dieser Diskussion heraushalten, da sonst unweigerlich Mißverständnisse entstehen.

Mit "Stimmen hören" meint man üblicherweise Sinnestäuschungen, die keinen Bezug zur Realität haben und in den Bereich der psychiatrischen Störungen gehören.

Bei der Synaesthesie dagegen handelt es sich um eine REALE Wahrnehmung, bei der andere Sinnesqualitäten - in nicht krankhafter Weise - miterregt werden.

(Der Synaesthetiker hört keine Stimmen und verliert NIE den Bezug zur Realität!)

Ursula





Karl antwortete am 23.06.02 (19:55):

Liebe Ursula,

ich möchte aber doch gern deinen Satz "Bei der Synaesthesie dagegen handelt es sich um eine REALE Wahrnehmung" hinterfragen, und zwar nicht, weil ich anzweifle, dass Synaesthesie real wahrgenommen wird, sondern weil Du zu glauben scheinst, dass es auch unreale Wahrnehmungen gibt.

Unsere primäre Realität ist die subjektive Wahrnehmung. Jede Sinnestäuschung ist real und ihr entspricht ein entsprechendes Gehirnaktivitätsmuster. Was Du meinst, ist wohl, dass einige Wahrnehmungen eher einen Bezug zur erschlossenen Realität der Aussenwelt haben, andere weniger.

Was ich mich aber schon immer frage, warum ist rot rot? Könnte es nicht doch auch "grün" wahrgenommen werden, vielleicht von Dir? Wir beide haben aber gelernt die entsprechende Wahrnehmung (für Dich "grün", für mich "rot"?) mit dem Wort rot und der entsprechenden spektralen Zusammenseztzung des Lichtes und den charakteristischen Reflexionseigenschaften der Gegenstände zu assoziieren, so dass wir beide beim Gespräch die gleichen Dinge als "rot" bezeichnen. Dass (angenommen) Du aber "rot" nicht magst, während ich es toll finde, hängt vielleicht damit zusammen, dass Du es "grün" empfindest???

Ich vermute, dass es nicht so ist, dass unsere Empfindungen auch vergleichbar sind, weil die Informationsverarbeitungsprozesse beim Farbensehen bei Menschen vergleichbar ablaufen. Letztlich wissen können wir die subjektiven Eindrücke anderer aber nicht, weil wir nur unser eigenes subjektives Erleben kennen.

Wie unsere Wahrnehmungen entstehen und in unser Bewusstsein gelangen (was Bewusstsein ist?), das sind absolut faszinierende (und weitgehend) ungelöste Fragestellungen. Das unser Bewusstsein, unsere Persönlichkeit im Extremfall mit dem Skalpell in zwei Persönlichkeiten zerschnitten werden kann, zeigt aber wie wichtig das Gehirn und dessen Aktivität auch für diese subjektive (virtuelle) Realität ist.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv7/a42.html)


sofia204 antwortete am 23.06.02 (20:39):

Liebe Ursula,
ich danke Dir für die fachliche Klärung
mit beruhigender Umsicht.
Auf weitere Varianten sehr gespannt
hier im Forum mit dem "goldenen Boden"


Ursula antwortete am 23.06.02 (23:25):

Lieber Karl,

danke für Deine Antwort.

Wie ich sehe, habe ich mich wohl nicht ganz korrekt ausgedrückt, zumindest aber missverständlich:

Mit meiner Feststellung, dass es sich bei der Synaesthesie um eine "reale" Wahrnehmung handelt, habe ich gemeint, dass das wahrgenommene Objekt real ist, weil es tatsächlich existiert – im Gegensatz zum „Stimmenhören“ und anderen Halluzinationen, wo dies nicht der Fall ist.

Keinesfalls wollte ich ausdrücken, dass es auch „unreale Wahrnehmungen“ gibt
Natürlich stimme ich mit Dir vollständig überein, dass alle Wahrnehmungen real sind – also auch die große Gruppe der Sinnestäuschungen, zu denen die Synaesthesien, wenn man so will, ja auch gehören und dass allen Wahrnehmungen eine bestimmte (meßbare) Aktivität des Gehirns entspricht.

Gruß
Ursula


Ursula antwortete am 23.06.02 (23:42):

Hallo Karl,

gerade als ich meinen Beitrag abgeschickt hatte, habe ich Deinen Verweis auf eine frühere Diskussion zu neurowissenschaftlichen Fragen entdeckt, die ich damals leider verpaßt habe (schade!).

Ich werde mir das Thema, das mich sehr interessiert, und alle Beiträge vom Januar in Ruhe einmal durchlesen.

Danke für den Hinweis.

Gruß
Ursula


Carola antwortete am 24.06.02 (07:15):

Ich glaube, daß wir (alle) rot als rot und grün als grün empfinden, ist reine Erziehungssache. Würde man - auf einer einsamen Insel - Kinder entsprechend erziehen, würden sie alles Rote als grün bezeichnen usw.

Äußerst interessant finde ich, was Ursula schreibt. Gibt es unter Euch noch andere, die n i c h t farbig träumen?


schorsch antwortete am 24.06.02 (09:04):

Heute Nacht ewachte ich und hatte das Wort "Kirchenrodel" im Kopf. Als ich das nächste Mal erwachte, war das Wort "Homosexualität" da. Weder das eine noch das andere ist normalerweise in meinem Sprachgebrauch. "Kirchenrodel" weiss ich zwar, was das ist, habe es aber weder je gesprochen, gebraucht, noch geschrieben.


Carola antwortete am 24.06.02 (09:49):

... aber gelesen oder gehört.


sofia204 antwortete am 24.06.02 (13:46):

Lieber Schorsch,

schläft ein Lied in allen Dingen (?)
die da träumen fort und fort
und die Welt fängt an zu singen
"triffst" du nur das Zauberwort
(Dichter momentan vergessen)
es heißt doch: alles ist Schwingung


Joseph von Eichendorff antwortete am 24.06.02 (14:46):

Mit Verlaub, das ist von mir :-)

Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.


Carola antwortete am 25.06.02 (08:54):

Da sich sonst niemand zur Synaesthesie outet, sollte man das Thema noch einmal nach den Urlaubs-Monaten eingeben.
Oder gibt es wirklich so wenige S.?


e k o antwortete am 01.07.02 (16:34):

Nachdem ich mich durch alle Beiträge hindurchgelesen habe, möchte ich doch auch noch gerne meinen "Senf" dazu geben.

Ich weiß zwar nichts mit dem Begriff Synästhesie anzufangen, doch aus einigen Beiträgen habe ich vom Farben sehen gelesen.

Ich kann in Farben sehen. Bei Zahlen ist z.B. die 5 gelb, die 8 ist blau, die 3 grün, die 1 schwarz.

Ursula ist bei mir blau, Gudrun grün, Beate etwa hellblau.

Manches Mal, aber nicht immer, träume ich auch farbig.

Ganz besonders intensiv wird bei mir das Farben sehen beim Musik hören. Sehr deutlich ist das bei der New Age - Musik. Das gibt es Stücke, die in mir das Gefühl wecken, irgendwo im endlosen Raum zu schweben und dabei sehe ich ein intensives rotgelbes Licht.

Glaubt Ihr mir das ? Bin ich jetzt schizophren ? Ich glaube nicht, aber es ist wirklich so - und es ist etwas ganz Wunderbares.


sofia204 antwortete am 01.07.02 (17:59):

@ eko !

hallihallohallei
jetz sind wir DREI !

(für mich ist 3 altrosa, wer mag seinen Farbton sagen?)


Carola antwortete am 02.07.02 (09:40):

Komm rein, tritt ein, eko, in den Synaesthetiker-Verbund des ST.
Daß Du auch Farben siehst beim Musikhören, stellt Deine noch über meine Fähigkeiten. Bei Musik sehe ich nur Bilder (die allerdings sehr intensiv, gehört aber wohl nicht zur Synaesthesie)

(Meine 3 ist grauweiß)


mario antwortete am 27.08.02 (11:25):

Ich höre sehr gerne psychedelische elektronische Musik. Dabei ist es mir schon mehrfach gelungen, diese Musik nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Die besten Ergebnisse habe ich erreicht, nachdem ich längere Zeit nicht geschlafen hatte. Die visualisierten Töne lassen sich nur schwer beschreiben. Es sind meist zweidimensionale, spiegelsymmetrische Farbmuster. Die Farben sind frequenzabhängig. Die Form dagegen wellenformabhängig. Tiefe Frequenzen erzeugen blau-grüne Muster, die höheren Töne erzeugen eher warme Farben. Sägezahnschwingungen ezeugen polygonale Muster. Sinusschwingungen eher fleckenförmige. Selten habe ich dreidimensionale Effekte erzielt. Diese bestanden meist aus mehreren Ebenen der beschriebenen zweidimensionalen Bilder. Interessant ist auch, dass die Visionen noch einige Sekunden nach dem Abschalten der Musik anhielten und sozusagen langsam verschwanden oder abebbten.


Karl antwortete am 27.08.02 (11:55):

Klone gelöscht, Karl


sofia204 antwortete am 27.08.02 (13:11):

hallo mario,
Deine zartmutige Beschreibung ist ja traumhaft.
die Gleitfähigkeit von Tönen
erspüre ich als Raumgeschehen dreidimensional.
basierend aus den zweidimensionalen Formen...
die Feinwahrnehmung für diese Substanzen
könnte wohl noch in weitere Dimensionen gehen,
wenn ich nicht abgestumpft wäre von Schadstoffen und Verhaltensweisen


angelika antwortete am 27.08.02 (15:37):

Also für mich haben bestimmte Dinge, ja sogar Musik, auch eine bestimmte Farbe und sogar Düfte ordne ich bestimmten Dingen oder Ereignissen, Gefühlen, zu. Beethoven ist dunkelblau, Mozart violett.

Ein für mich schönes und irgendwie tröstendes Erlebnis habe ich fast jeden Tag, an dem ich hier durch Holsteun fahre. Ich bin hier geboren, aber wir zogen früh weg und so lebte die Landschaft und die vielen ortsnamen vor allem durch die Erzählungen meiner Mutter, der ich in tiefer, inniger Liebe verbunden war und die ich bis an .. die Ziellinie begleiten durfte.

Wenn ich jetzt Orts- oder Stassennamen hier oben in Holstein lese (ich wohne erst seit 3 Monaten wieder hier) dann höre ich sie meine Mutter sagen - so nahe war sie mir seit ihrem Tod vor 10Jahren noch nie, es gab in den letzten Jahren auch keine Anknüpfpunkte. Ich empfinde das als sehr tröstend und schön.

Zahlen haben keine Bedeutung bei mir - höchstens auf dem Bankkonto und da hoffe ich, dass sie nie rot sind .-)

Aber ich ordne sehr schnell Abkürzungen zu - zu Städten und dann ob ers die Innenstadt oder Peripherie, der Airport oder der Bahnhof ist. Auch Speisen und Personen werden abgeürzt - das muss aber mit meinen Jahren bei der Airline zu tun haben, als alles noch über Fernschreiber in einer Codiersprache mit Abkürzungen des sog. AIR-IMPEX geschrieben wurden. Die 3-Letter-Codes der Flughäfen stammen zB aus dieser Zeit. Es gibt oder gab für alles 2-3-4 und 5-Letter codes, alle aus dem Englisch. Wer von den Senioren mit der Funkerei zu tun hat oder hatte, der wird viele der Begriffe kennen. Sie werden im Amateurfunk immer noch benutzt.


Zu Marios Erfahrung möchte ich das Buch "Nada Brahma" - die Welt ist Klang - von JOACHIM-ERNST BERENDT.(Sein "Jazzbuch" gilt mit einer Gesamtauflage von fast zwei Millionen als meistverkauftes Musik-Buch überhaupt)
Dabei geht es um die wissenschaftliche Grundlage der Sonologie (im Gegensatz zur Synästhesie)
Es geht darum, einzelnen Tönen bestimmte Inhalte zuzuordnen, so hat jeder Grashalm, jeder baum, seinen eigenen Klang, der wiederum mit dem menschlichen Körper in Beziehung gebracht wird.
So entsteht das Wissen um
den Aufbau des menschlichen Körpers aus harmonikaler Sicht
die Bedeutung des persönlichen Grundtons
die Wirkungsweise bestimmter Klänge, Rhythmen und Tonfolgen
verschiedene Singweisen und die dadurch entstehenden unterschiedlichen Wirkungen
die positiven Kräfte von Visualisationen und Bewusstseinsübungen
und vieles mehr.


schorsch antwortete am 28.08.02 (09:53):

./../-././/..././..../.-.//--./..-/-/.//./.-./-.-/..-./.-/./.-./..-/-./--.// liebe Angelika. Ich habe sogar noch das Morsealphabeth anwenden müssen.
Wer kanns lesen?


mario antwortete am 28.08.02 (10:02):

eine?sehr?gute?erkfaerung


angelika antwortete am 28.08.02 (19:48):

-../.-/-./-.-//.-../.././-..././.-.//.../-.-./..../---/.-./.../-.-./....


:-)

Angelika


mario antwortete am 30.08.02 (11:35):

@ursula

Liebe Carola,

danke für Deine Antwort.

"Etwas dunkler als Enzianblau" finde ich super, ist eine meiner favorisierten Farben ;-). Ertragen könnte ich sie auch - wenn ich Synaestetikerin wäre, was ich aber leider nicht bin ;-((
Aber wenn Du mit meinem Namen eine für Dich angenehme Farbe verbinden kannst, würde mich das freuen ;-).

Aber ernsthaft: Ich habe mit "anstrengend" eigentlich mehr störend im Sinne von Zuviel an Sinnesreiz gemeint. Dabei hatte ich eine Assoziation, die Dich wohl weniger betrifft. Vielleicht kannst Du trotzdem etwas dazu sagen?

Ich habe mir vorgestellt, wie es sein könnte, wenn bei einem Menschen die visuelle Wahrnehmung mit akustischen Phänomenen gekoppelt ist. Was ist, wenn dieser Mensch ein besonders farbenprächtiges Bild anschaut und gleichzeitig - den vielen Farben entsprechend - eine Vielzahl mehr oder weniger angenehmer Töne empfindet?

Kann das nicht sehr unangenehm sein?

Übrigens würde mich auch die Antwort auf die Frage von DorisW interessiern. Ein wirklich interessantes Thema!

Viele Grüße
Ursula



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Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass der synästhetische Eindruck in seiner Wirkung (angenehm oder unangenehem) sich ähnlich anfühlt, wie der Auslöser (das Original der Empfindung). Ist es ein angenehmer Farbklng, ist auch der daraus resultierende synästhetische Reiz angenehm. Ebenso umgekehrt.