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THEMA:   Zusammenhang zwischen Athismus und religiösem FanatismusWorin ähneln sich und worin unterscheiden sich Atheismus und religiöser Fundamentalismus?

 13 Antwort(en).

Marianne begann die Diskussion am 17.11.02 (12:50) mit folgendem Beitrag:

Worin ähneln sich und worin unterscheiden sich Atheismus und religiöser Fundamentalismus?

( Falls das Thema in eurer Runde schon behandelt wurde, ziehe ich es zurück.)




Ich glaube, dass es wenig Unterschiede gibt, vor allem im Individualbereich eines Menschen. Der ärgste Gottesleugner kann im Privaten Schaden anrichten – genau wie der einzelne religiöse Fundamentalist.
Genau so scheint es mir mit Staatssystemen zu sein. Die kommunistische Staatsform als atheistisch definiert, richtet Schaden an und nicht nur in den Seelen. Und wie das in der Vergangenheit so war mit Gottesstaaten, scheint ihr – wie ich beim Durchlesen eurer letzten Beiträge gelesen habe-, schon durchdiskutiert zu haben.
Was mich aber ziemlich beschäftigt, ist der Zusammenhang zwischen Einzelüberzeugungen und kollektiven Phänomenen.
Helft mir ein wenig beim Denken.


mechtild antwortete am 17.11.02 (13:40):

Ich denke, dass immer dann, wenn eine Ideologie einen Absolutheitsanspruch hat fundamentalistische Strukturen da sind. Dabei ist es gleich, ob es sich um eine der alten, bekannten Religionen handelt wie das Christentum, das Judentum, den Islam udgl. oder um den Atheismus oder eine der vielen Sekten.
für das Individuum hat seine Religion eine individuelle Bedeutung und jeder muss das respektieren und kein Fremder hat das Recht die individuelle Religion in Frage zu stellen.
Religion und Politik dagegen halte ich für gefährlich. Religion wird immer noch dazu benutzt um Menschen zu manipulieren. Es wurde und wird immer noch gemordet im Namen eines Gottes. Dieser Missbrauch von Religion muss bekämpft werden, im Interesse der Religionen und der Menschen.


Wolfgang antwortete am 17.11.02 (14:19):

Gläubige sind ein Problem... Nicht nur sind sie im Regelfall nicht zugänglich für rationale Argumente. Sie wollen in aller Regel, dass ihr persönlicher Glaube sich verbreitet und - wenn er's noch nicht ist - kollektiver Mehrheitsglauben wird. Also missionieren sie die aus ihrer Sicht Nicht- oder Anders-Gläubigen.

Bei allen grossen Glaubensgemeinschaften (das sind nicht nur die Kirchen) ist das Phänomen des Missionierens mehr oder weniger deutlich zu beobachten.

Was kann gegen die Gläubigen getan werden? Ich werde zusehends ratloser... Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und damit gesellschaftlicher Umbrüche schiessen die Gläubigen wie Pilze aus dem Boden und predigen und einige von ihnen schlagen anderen Menschen die Köpfe ein. Das Morden nennen sie dann 'Kreuzzug' oder 'Heiliger Krieg' oder 'Kampf gegen das Böse'...

Terroristen aus den Reihen der Gläubigen sind ein Problem. Das eigentliche Problem sind aber meiner nach die Glaubensgemeinschaften selbst... Sie sind der Nährboden, auf dem die terroristische Gewalt wächst.


Karl antwortete am 17.11.02 (14:40):

Ich glaube nicht, dass es richtig ist, Atheismus dem Fundamentalismus gegenüberzustellen. Denn wer nicht an Gott glaubt, ist noch lange kein Fanatiker. Fundamentalisten würde ich allerdings durch die Bank als solche bezeichnen, d.h. m.E. Bauch anstatt Gehirn, emotionale Denkblockaden anstelle von Rationalität.


Mit freundlichen Grüßen

Karl


Hanskarl antwortete am 17.11.02 (15:07):

Ich schließe mich der Meinung von KARL an.

Außerdem glaube ich, daß erst ein möglichst weit verbreiteter Atheismus die Menschen frei
machen wird, denn, nicht militante Religiosität ist äußerst selten anzutreffen.

Mich stört, daß die meisten Menschen mit Ihren Göttern permanent Geschäfte abschließen
wollen, sie trauen ihnen nicht genug um "gut á conto" zu sein.

Nur der Gottlose verantwortet vor sich selbst.

Gruß Handkarl


Felix antwortete am 17.11.02 (20:13):

Vielleicht findet man in einem früheren Thema einige interessante Meinungen und Denkanstösse. Das von mir am 1.3.02 eröffnete Thema hiess "Religion als Kampfmittel". Darin findet man 82 Beiträge mit z.T. sehr unterschiedlichen Ansichten, die aber durchaus mit der neuen Fragestellung zu tun haben.

Schon zum Begriff Atheismus liesse sich sehr viel sagen. Im Zusammenhang mit dem realen Kommunismus z.B. bekam er eine andere Bedeutung als er z.B. während der Aufklärung hatte. Wer Atheismus (griechisch atheos = ohne Gott) mit Gottlosigkeit, Unglauben, Agnostizismus (Ablehnung des Glaubens an eine göttliche Macht, Sinn des Lebens, Leben nach dem Tode etc.).
Im engeren Sinne versteht man unter Atheismus eine aktive Verneinung eines Gottes und stellt sich dadurch in Opposition zur Meinung der Mehrheit und natürlich der Landeskirchen und Machtträgern. Auch hier können fanatisierte Formen entstehen, die durchaus wieder mit gläubigen Fundamentalisten in Gesinnung und Taten verglichen werden können.
Auch wenn das von religiösen Führern immer wieder verneint wurde gilt zwingend der Gegensatz zwischen GLAUBEN und GEDANKENFREIHEIT! Immer wieder höre ich so Paradoxes wie "Freiheit im Glauben". Glauben als demütige Bereitschaft religiöse Aussagen als nicht überprüfbare Wahrheiten von den Autoritäten zu übernehmen schliesst die eigene Reflexion wenigstens über diese Glaubensinhalte aus!
Deshalb sind ideologisch indoktrinierte Menschen ... und das ist die Mehrheit ... leichter für irgend Handeln zu bewegen als Menschen, die in Eigenverantwortung handeln.
Es gibt nicht nur einen Glauben an transzendente Dinge. Es gibt auch Glauben an einen Sendungsauftrag, an die Überlegenheit der eigenen Rasse oder Nation, Wissenschaftsgläubigkeit oder der Glaube ans Machbare.
Kollektive Aggression ist nur mit dem Glauben an eine gemeinsame Ideologie praktikabel. Das sollte eigentlich zu Denken geben!

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a230.html


Karl antwortete am 18.11.02 (00:01):

Hallo Felix,

ich sehe dass auch so, dass Fanatismus und Ideologie keineswegs auf das beschränkt sind, was wir gemeinhin als "religiös" bezeichnen. Auch der "Glaube" an andere "Führer" ist von dieser Art. Offensichtlich hat der Mensch als biologisches Erbe die heute zerstörerische Fähigkeit der bedingungslosen Selbstaufgabe in einer Gruppe mitbekommen - als Kampfinstrument. Zweifelsohne schafft der Fanatismus schlagfertige Krieger und wenn die Armee (oder soll ich sagen, die Horde) von einer Ideologie "beseelt" einen "Sinn" im Töten gefunden hatte, war sie nicht mehr aufzuhalten und siegreich.

Dieses furchtbare Erbe findet sich in den heutigen "Gotteskriegern", den Selbstmordattentätern wie in ihren Widersachern.

Gottesglaube muss aber nicht damit identisch sein, ebenso ist Atheismus natürlich kein Schutz davor.

Fundamentalismus, wie im Thema angesprochen, ist nach meinem Dafürhalten aber versteckt oder offen immer von dieser Art - über kurz oder lang; denn er beinhaltet Ausgrenzung nach außen, enormen Zusammenhalt nach innen und läuft deshalb Gefahr, die Kräfte des Fanatismus freizusetzen, die uns die bekannten Probleme bereiten.


Felix antwortete am 18.11.02 (01:05):

Während meiner militärischen Ausbildung ... Schande über mein Haupt ... habe ich auch Kurse in Wehrpsychologie ... auch das gibt es ... belegen müssen.
Da gibt es eine Feststellung, die vielleicht am Rande auch mit unserem Thema zu tun haben könnte.
Beim ersten Feindkontakt haben die meisten Soldaten noch eine gesunde Hemmung ... auf andere Menschen zu schiessen. Sie schiessen trotz Befehl nicht einfach los.
Erst wenn der erste Kamerad der Gruppe getroffen wird ... kommt so etwas wie Zorn und Wut hoch ... und löst die Blockade.
Es ist nicht die gemeinsame Aggression, die enthemmend wirkt, sondern die Solidarität mit den Kumpanen. Das Wir-Gefühl wird im Militär gezüchtet. Gemeinsames Absingen patriotischer Lieder, Uniformierung, Feldgottesdienst, Fahnenrituale, gemeinsames Leben und Leiden. Man käme sich als Schweinehund vor, wenn man die Kameraden im Stich liesse.
Wenn dann noch fanatische Gefühle dazukommen ... lässt sich der Menschen wie ein williges Werkzeug für jede Schandtat missbrauchen.
Helm ab zum Gebet!


Ursula Trautmann antwortete am 18.11.02 (01:37):

Meiner Meinung nach unterscheidet sich der Atheismus doch schon durch die Freiheit des Denkens vom religiösen Fundamentalismus.Als Atheist kann ich mich mit allen Themen des Lebens auseinandersetzen, ohne in ein Denkschema einer Religion eingezwängt zu sein.Die Zugehörigkeit zu einer Religion zwingt das Individuum gewisse Glaubenssätze ohne Hinterfragung zu akzeptieren, auch wenn die Wissenschaft längst zu anderen Erklärungen gekommen ist!!( Entstehung des Lebens und der Menschheit, unbefleckte Empfängnis Mariens, leibliche Aufnahme in den Himmel nur eine kleine nachdenkenswerte Auswahl.)Ich glaube, die großen Kirchen verleiten die Menschen sehr leicht zum religiösen Fanatismus, weil weniger der Geist als die Phsyche angesprochen wird, weil mit Ängsten gespielt wird. Wenn ich mir überlege, wie verheerend das OPUS DEI ( eine religiöse Gemeinschaft innerhalb der kath. Kirche,sein Gründer soll sogar seelig geprochenwerden?????)auf begeisterungsfähige junge Menschen wirkt, kann ich mir leicht vorstellen, das sie dann zu allem manipuliert werden können.Ich glaube kaum, das der Atheismus zu solchen Auswüchsen fähig wäre. Dem Hinweis, das der Komunismus ebensolche Manipulationen möglich macht kann ich nur mit dem Argument entgegentreten, das es sich dabei dann in seinen Strukturen auch schon wieder um eine religionsähnlche Gemeinschaft handelt.


Marianne antwortete am 18.11.02 (09:45):

Darf ich kurz zusammenfassen, was ich mit eurer Hilfe „herausgedacht“ habe.
Atheismus im engeren Sinne ist eine zunächst individuelle geistige Haltung, die möglicherweise sogar mehr Freiheit ermöglicht, nämlich die Freiheit, das eigene Ich ohne internalisierte Vorschriften zum Handeln zu bewegen,
Wenn persönlicher Atheismus missionarisch und gegen einzelne oder alle Religionsgemeinschaften gerichtet wird, dazu noch eine gleich gesinnte Gemeinschaft zur politischen Verwirklichung dieser atheistischen Ideen gefunden wird, kann man füglich von einer fundamentalistischen Gruppe reden.
Atheismus ist aber nur eine von fundamentalistischen Grundhaltungen, die zwanghafte Beherrschung eines Staates unter der Berufung auf Gott (Iran) eine ebensolche.
In beiden Fällen spricht man von totalitären Staaten, da das gesamte gesellschaftliche Leben unter dieses „Ideal“ gestellt wird und Zuwiderhandlungen von Staatsbürgern gesetzlich geahndet werden .Terror ist also ein Mittel staatlicher Sicherheitspolitik in diesen Staaten ,ebenso wie es ein Mittel noch nicht staatstragender fundamentalistischer Gruppen ist, um auf sich und ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Hitlers Staat war ein ebensolcher totalitärer Staat, seine Hauptideologie – möglicherweise durch seinen starken Antisemitismus geboren- , die Überlegenheit der arischen „Rasse“ ,der fundamentalistische Motor seiner Politik.
Danke derweilen für eure Hilfen .Sicher habe ich den einen oder anderen Denkanstoß nicht richtig einbauen können, aber _500 Worte sind kurz, oder sie sind zu lang, um gelesen zu werden.


juttam antwortete am 19.11.02 (04:23):

Atheisten und Religioese Fundamentalisten (egal Welche Religion), haben absolut NICHTS miteinander
gemein.

Atheisten glauben an nichts weiter als ihre eigene
Faehigkeiten.
Gelegentlich "verbieten" sie Religion, aus Selbsterhaltungstrieb (sprich politischen Gruenden).

Doch meist stehen Atheisten abseits und verstehen
das Breite Konzept "Glauben" nicht!

Daher muss man sie als das Kleinere von 2 Problemen ansehen!

Religioese Fanatiker sind aber genau das: Fanatiker!

Sie glauben NUR ihre Ueberzeugung ist die Richtige.
Und machen praktisch vor NICHTS halt, sich und ihren
Glauben zu etablieren und/oder zu verteidigen!
- Und vor allem zu Verbreiten!

Andre werden Unglaeubig oder Gottlos genannt.
Wer nicht in's Schema passt ist dem Teufel verfallen,
oder wertlos!

Wer sich nicht ueberzeugen laesst ist der Erzfeind.

Atheisten Leben und lassen Leben.

Religioese Fanatiker MUESSEN und WERDEN mit allen Mitteln versuchen andre zu ueberzeugen.

Das macht Religioese Fanatiker zum groesseren
Problem!


Felix antwortete am 20.11.02 (20:28):

Hallo juttam ...
endlich einmal ein Beitrag, dem ich zupflichten kann. Du glaubst mir vielleicht nicht, aber das hat mich zufrieden und hoffnungsvoll gestimmt.


juttam antwortete am 21.11.02 (07:06):

Felix,

du darftst mir ruhig glauben dass ich weiss von was
ich rede, denn ich lebe im "Bibel Guertel" der USA
und habe am eigenen Leibe erlebt wie "Fundamentalisten" reagieren auf "Andersglauebige"
oder "Unwillige".

Sei es Athisten oder Agnostiker (oder Juden, oder
Moslems, oder Bhudisten)....es macht keinen Unterschied fuer "Fundamentalisten".

Wie zufrieden und hoffnungsvoll Dich das stimmen
sollte weiss ich allerdings noch nicht!

Die Welt is voller Fundamentalisten von 2 grossen
Religionen (Momentan und Politisch gesehen).
Christentum und Islam, welche beide eine lange Geschichte haben von NICHT "Leben und Leben lassen"!
Christentum weisst dabei eine Geschichte auf von
wesentlich mehr "UEBERZEUGEN" zu jedem Preis!

Dabei gingen Voelker und Kulturen drauf!
Die Kreuzzuege in den Nahen Osten nur ein Beispiel.
Von Mexico usw. wollen wir gar nicht anfangen!

Nun, scheint es mir, ist es am Islam den Spiess
umzudrehen und alle anderen "ueberzeugen" zu wollen.

Damals wie heute: Der Fanatismus ist und bleibt der Gleiche!

Fanatismus ist in sich selber ist mit Vorsicht zu geniessen.
Aber Religoeser Fanatismus/Fundamentalismus ist
"Vorsicht zu Geniessen - Hoch Zehn"!

Es darf NIEMALS unterschaetzt oder abgetan werden!