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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Der andere Widerstand

 30 Antwort(en).

mart begann die Diskussion am 18.07.04 (21:42) :

"Den ganz normalen Deutschen, die Juden versteckten und unterstützten, wird im Gegensatz zu den Männern des 20. Juli wenig Aufmerksamkeit zuteil.

"Die Retter von Juden während der Nazizeit kamen zwar aus allen Schichten. Doch Menschen aus den unteren Schichten halfen den Verfolgten viel häufiger als Angehörige des Bürgertums, sagt Professor Wolfgang Benz, Leiter des
Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin.

Der zweite Teil des Interviews erscheint morgen. Ab Dienstag veröffentlicht die Netzeitung eine Serie mit bisher größtenteils unveröffentlichten Geschichten von Rettern und Geretteten.

Internet-Tipp: https://www.netzeitung.de/spezial/deranderewiderstand/295945.html


Renate2 antwortete am 18.07.04 (23:09):

Ja, mart, das ist völlig aus den Veröffentlichungen verschwunden..

War aber nicht immer so: Ich kann mich an die ersten Zeiten des deutschen Fernsehens erinnern, wo in life - Aufzeichnungen gerade solche Fälle thematisiert wurden. In schwarz-weiß, klar.

Besonders ist mir in Erinnerung eine Sendung mit der großartigen Hilde Krahl als Metzgersfrau, die eine wahre Geschichte in Berlin nachspielte: Sie gab zwei jüdischen Jungen Hackfleisch unter der Theke weiter, wofür sie dann gehängt wurde.

Unsere Geschichte ist insgesamt nicht soooo vergeßlich, wie es die modernen Medien gerne wiedergeben....

Schon kurz nach dem Krieg gab es Fragen, die natürlich immer drängender wurden....wie anders ist die Bewegung der 68er sonst zu verstehen?? Und Tausende von Lehrern und Ausbildern haben die "Erbschuld" der damaligen Ideologie als Negativum inzwischen weitergegeben.

Die heutige Renaissance der öffentlich sehr wirksamen und mit moralischer Keule arbeitenden Publizität hat andere Gründe. Aber dazu lest Euch besser selbst durch die einschlägigigen Publikationen.

Gegenlesen ist angesagt. Mit besten Grüßen,

Renate.

Grüße, Renate.


ricardo antwortete am 19.07.04 (08:53):

"Die enteignete Tradition
Der konservative Widerstand gegen Hitler wird nach wie vor durch überzogene Kritik entwertet."

Unter dieser Überschrift gibt es einen Artikel in der "Welt" zum Thema des 20. Juli.


Ich werde diesen Tag im Jahr 1944 stets in Erinnerung behalten.
Es war in Dreden ein schöner Sommertag und alles schien friedlich.
Da kam mein Vater aufgeregt und mit strahlender Miene zu uns :" Hitler ist tot, gerade hab ich es im englischen Rundfunk gehört, ein Attentat!
Offiziell kam da noch nichts von deutscher Seite.
Und dann das Entsetzen, durch das Dementi des deutschen Senders und später die Stimme Hitlers im Radio.

Ich denke, daß diese Tat nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Sie gab nicht nur Hoffnung, sondern auch ein Stück neues Bewußtsein für die Menschen in einer Zeit, als der Krieg längst entschieden war.
Der"andere" Widerstand im stillen ist auch von Bedeutung, aber dieses Ereignis wird dadurch nicht im geringsten erreicht.
Der Artikel ist lesenswert.

Internet-Tipp: https://www.welt.de/data/2004/07/19/307099.html


Mulde antwortete am 19.07.04 (14:05):

Der 20. Juli 1944
ricardo wie nah standest du ?
"Der ander Widerstand ist auch von Bedeutung- dieses
Ereignis wird davon nicht im geringsten erreicht?
Meinstdu das wirklich?
Dann weiß du auch nicht die vielen Tausend die von Anbeginn
verfolgt wurden und gehängt. erschossen - in Strafkompien
gesteckt wurden.
Das alles zu einer Zeit wo die Leute des 20. noch brav und
artig den Parolen ihres Führes gefolgt sind!
Aus heutiger Sicht ist nur noch der Bürgelicher Widerstand wertvoll dagegen der Widerstand der anderen hat auch heute
noch den makel des Kommunismus an sich.
Daher sind die anderen Widerstandskämpfer aus heutiger
sicht in der BRD historisch nicht erwähnenswert.
Ricardo wurde dein Vater von braunen Massen wegen Widerstand halb blind geschlagen , glaube kaum.
Bitte nicht die vielen Tausende in Kz und Zuchthäusern
negieren nur weil sie bereits 1933 begannen Widerstand
zu leisten deren Blut ist genauso wertvoll.
Eines sei aber sicher geändert hätte sich bei einem Erfolg
nucht allzuviel-
Eines der Hauptziele war den Krieg nur eine ander Wende zu geben
das darf man nicht ausser achtlassen.
Jeden falls vergesse ich nicht die Nächte bei der Gestapo
als Kind und die Angst um meien Eltern!
So sehe ich das heute


ricardo antwortete am 19.07.04 (16:11):

Während des ganzen Krieges war in Dresden kein einziges Mal etwas von einen anderen Widerstand zu hören oder zu sehen.
Es mag sein, daß Kommunisten sich engagiert haben, allerdings hat man bei ihnen nie vermutet, es könne sich um demokratische Bestrebungen handeln.
Ich spreche gerne vom selbst Erlebten, da die Historiker das Thema noch kontrovers diskutieren.
Die Offiziere des 20. Juli haben unbestritten ihr Leben in die Waagschale geworfen, um im letzten Augenblick noch die Katastrophe zu vermeiden.
In der Nazipropaganda hieß es, ein Staatsstreich sei von einer"verantwortungslosen und ehrgeizigen Clique von Offizieren und Junkern" verübt worden.
Wir wollen doch diese Einschätzung nicht etwa übernehmen?


Miriam antwortete am 19.07.04 (18:30):

Ricardo,

Du sagst es ja selber : der 20.Juli, dieser Widerstand, fand statt als der Krieg schon längst entschieden war. Ich würde keinen Augenblick seine Verdienste in Frage stellen. Aber Du machst einen Vergleich, Du bringst doch eine Wertung ins Gespräch - und dies kann ich so nicht stehen lassen.

Nocheinmal : der 20 Juli hat sicherlich seine Bedeutung, hauptsächlich für "ein Stück neues Bewußtsein", wie Du es nennst. Aber den "anderen Widerstand" als geringfügiger in seiner Bedeutung zu nennen? Keinesfalls! für mich ist dies der wahre Widerstand.

Der 20 Juli ist eher ein sehr später Umsturzversuch - Widerstand hätte es früher geben müssen. Auch findet der 20. Juli statt, einige Wochen nach der Landung der Allierten. Dies isr kein Zufall.

Nun zum anderen Widerstand - und zur Studie von Prof. Wolfgang Benz. für mich ist auch die ungleiche Art wie man diese beiden Formen des Widerstandes als der Aufmerksamkeit würdig erachtet hat, sehr problematisch. Erst sechzig Jahre nach Ende des Krieges, erinnert man sich tatsächlich, dass da wahre Helden während der Naziherrschaft existiert haben. Was bis jetzt bekannt wurde, waren eher "Fallberichte" - keine systematische Studie oder Aufarbeitung. Wäre nicht Yad Vashem gewesen, hätte man nicht 400 Deutsche als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet, wüssten wir noch viel weniger über diese wahren Helden.

Und was tut es zur Sache, ob ein Teil derer, die unter einer ständigen Bedrohung sich für Gerechtigkeit eingesetzt hat, was tut es zur Sache, ob sie Kommunisten waren oder nicht ? Es ist als würde man sagen : die Leute vom 20 Juli waren eigentlich in der NSDAP; oder in sonst einer Organisation, die doch dem damaligen Regime nahe standen.
Wieso sollte man Menschen, die unter Lebensbedrohung, menschliches Leben gerettet haben aberkennen, dass sie Demokraten waren, welcher Partei sie auch immer damals angehört haben?

Wir waren eine sehr bürgerlich geprägte Familie, Ricardo. Mein Bruder aber, war seit 1943 in der kommunistischen Partei. Also als so genannter "Illegalist". Es ging ihm und der ganzen Gruppe nur um eines : gegen jedwelche faschistische oder nazistische Ideologie zu kämpfen. Und das war damals die einzige Hoffnung, um zu überleben.


Tobias antwortete am 19.07.04 (19:43):

Siehe Archiv ---- Stauffenberg ---- 05.08.03 17:40 mit 112 Antworten.


Karl antwortete am 19.07.04 (19:49):

Nach dem, was ich gelesen habe, die direkte Erfahrung fehlt mir, war Stauffenberg zu Beginn durchaus angetan von dem "nationalen Neubeginn". Die Inhaftierung der Sozis und Kommunisten hat er gut geheißen. Erst allmählich hat sich bei ihm die Erkenntnis durchgesetzt, dass Hitler ein Psychopath war, der Deutschland zugrunderichten würde . Es ist ihm allerdings hoch anzurechnen, dass er dann den Mut hatte, aufgrund seiner Erkenntnis und unter dem Einsatz seines Lebens zu handeln.
Der Widerstand der SPD und der Kommunisten gegen den Nationsozialismus war aber prinzipieller und systemischer.


Medea. antwortete am 19.07.04 (20:15):

Mir fällt spontan dazu ein:

"Die rote Kapelle" - Widertandsgruppe (1933-1939), antifaschistisches Netzwerk mit Zentrale in Berlin;

Die weiße Rose (1942-1943) Studentengruppe Uni München;

Kreisauer Kreis/Helmuth Graf von Moltke;

Bischof von Galen, Münster

und viele andere mutige Frauen und Männer aus der Sozialdemokratie, dem Kommunismus, der beiden Kirchen, aus dem Volk. Sie alle leisteten den "anderen Widerstand" .


Karl antwortete am 19.07.04 (20:34):

@ Tobias,


und hier ist der Link dazu:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a1134.html


Mulde antwortete am 19.07.04 (20:41):

Miriam - Medea- Karl - Tobias
Richtig was jeder hier einbringt
Der eine durch eigenes erleben
Der andere hat es erlernt oder durch andere Menschen
erfahren
oder hat das sogar im Geiste registriert was die Medien
spärlich gebracht haben.
Freund ricardo hat das alles nicht gewußt!
Er meint heute Anno 2004 "es mag sein................."
finde das sind beschämende Wissenslücken.


dutchweepee antwortete am 19.07.04 (20:42):

ich finde das theater um die offiziers-wiederständler auch übertrieben. diese aristokraten haben einfach gewusst, dass sich die schlinge um ihren hals zuzieht. darum hofften sie den krieg, den sie selbst angezettelt haben, durch die tötung hitlers einzufrieren. keiner der allierten wäre zum glück, auf dieses manöver eingegangen.


Miriam antwortete am 19.07.04 (21:00):

Medea,

es waren noch so viele andere, die Widerstand leisteten, unter Einsatz ihres Lebens. Es sind nur 400 in Yad Vashem vermerkt und als "Gerechte unter den Völkern" geehrt. für viele aber fehlten die nötigen Informationen.
Hätte man viel früher mit einer minutiösen Recherche angefangen, es wären nicht so zahlreiche erst postum geehrt worden.

Die Studie von Prof. Wolfgang Benz wird da eine wichtige Informationsquelle sein - und es wird vielleicht manches in einen etwas anderen Licht erscheinen lassen.
Ich möchte hier nur drei Namen von fast unbekannt gebliebenen Helden erwähnen.

Josef Heinen.
Er lebte in Bad Neunahr - Ahrweiler. Bekannt mit einer jüdischen Familie Sonnenfeld, die in Köln wohnte und von der Deportation bedroht war, versteckte er sie alle in sein Wochenendhaus. Und zwar vier Jahre lang. Er ging sie jedes Wochenende besuchen und versorgte sie. In Yad Vashem wurde Heinen bereits 1969 geehrt; der Fall wurde da sehr früh bekannt durch die Bemühungen der Sonnenfelds.

Käthe Becker

Sie war eine einfache Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamtes der Stadt Ahrweiler. Die Akte einer jüdischen Familie, die zur die Deportation vorgesehen war, liess sie einfach verschwinden und rettete ihr das Leben.

Prof. Dr.Konrad F.Ziegler

Als Professor bereits 1933 entlassen - da entschiedener und offener Gegner des Nationalsozialismus. Er leistete lebensrettende Hilfe für jüdische Mitbürger.
Nach dem Krieg Professor in Göttingen, blieb er Zeit seines Lebens ein Streiter für Menschenrechte und Menschenwürde.


Miriam antwortete am 19.07.04 (21:07):

Dutchweepee,

dies ist eine vereinfachende Wiedergabe der historischen Fakten, und wird den Menschen um den 20.Juli nicht gerecht. Es geht aber in diesem Thread um den "anderen Widerstand".
Deswegen habe ich in meinem zweiten Beitrag den Kreis um Staufenberg nichtmehr erwähnt.


ricardo antwortete am 19.07.04 (22:42):

Miriam
Ich hatte nach dem Kriege auch Kontakt zu Kommunisten, darunter auch Widerstandskämpfer.
Aber sie hatten weder Macht noch Einfluß um einen Putsch zu organisieren.
Wenn das auch weh tut, nur die Wehrmacht hatte die Kapazität für einen erfolgreichen Kampf, keine andere Gruppe wäre damals dazu in der Lage gewesen.
Die Geschwister Scholl und ihre Freunde an der Uni hatten nicht den Hauch einer Chance, trotzdem ist ihr Einsatz sehr wertvoll gewesen.

Eigentlich bin ich dankbar dafür, das die Linksradikalen ohnmächtig waren,ihr Erfolg hätte doch bedeutet, daß ganz Deutschland in eine neue Diktatur geraten wäre.
Ich selbst habe den Russeneinmarsch in Dresden und das Aufkommen der Roten dort miterlebt, das war schlimm genug.
Von einem Schlamassel ins nächste getaumelt!!

Die Offiziere hatten eine Militärdiktatur angestrebt, demokratische Kräfte gab es schließlich überhaupt keine. Aber sie strebten auf längere Sicht eine Demokratie ähnlich der Weimarer Verfassung an.
Man soll diese Bemühung nicht entwerten
Ich nenne die Namen Eugen Gerstenmaier. Jakob Kaiser. Ludwig Erhard, Fritz Erler, Emil Henk, Andreas Hermes.
Und die Offiziere von Treskow. Stauffenberg, Moltke. Beck nebst dem Bürgermeister Gördeler,
Julius Leber und Mierendorf.Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp.
Manche dürften den meisten hier kaum bekannt sein.
Ihr Andenken soll nicht untergehen.


Medea. antwortete am 20.07.04 (06:52):

Oh, ricardo -
es geht doch nicht darum, ob diese vielen Menschen, in denen sich Widerstand gegen das Hitler-Regime rührte, Erfolg hatten oder nicht ....
Es geht darum, wie mächtig eine Idee werden kann - und das sie aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten kam, das sind die Frauen und Männer um Stauffenberg genauso wie die Studenten, die Arbeiter, die Kirchen, die vielen namentlich unbekannt gebliebenen, die Hingerichteten, all diese, die Du auch nennst - sie alle haben neben ihrer großen Angst, entdeckt zu werden bewiesen, daß sie ihrer inneren Stimme gemäß in ihrem Rahmen helfen und eingreifen wollten.


Medea. antwortete am 20.07.04 (07:08):

Da fällt mir gerade ein, wie auch meine Mutter auf ihre Art 'Widerstand' zeigte. Sie ließ sich die angeordneten "Eintopfsonntage" nicht vorschreiben -
'wo kommen wir denn da hin, wenn auch noch in die Kopftöpfe der Familien hineingerochen wird' sagte sie
und
es gab sonntags die geliebten Fleischbrotel (Frikadellen) ;-))


Karl antwortete am 20.07.04 (08:09):

@ Medea,

die Verschwörer vom 20. Juli und andere Regimegegner riskierten ihr Leben, Frikadellen sind wohl von einer anderen Qualität. Nichts für ungut.

Gestern sah ich, wie viele andere wohl auch, in der ARD eine Sendung zum Gedenktag. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, welchen Heldenstatus Hitler heute bei vielen Deutschen haben würde, wenn das Attentat gelungen wäre. Der Krieg wäre verloren gegangen. Die Schuldigen hätten festgestanden, natürlich die Attentäter. Wie beim Ersten Weltkrieg, wahrscheinlich viel stärker, hätte sich eine Dolchstoßlegende festgesetzt. Allerdings wären vielleicht Millionen an der Front und in den Konzentrationslagern am Leben geblieben, die so noch sinnlos sterben sollten.

Sehr wichtig ist auch, dass es ein Attentat gab, denn dies demonstrierte vor der Welt, dass es einen deutschen Widerstand gab, womit die pauschale Verteufelung aller Deutschen erschwert wurde.


mart antwortete am 20.07.04 (08:50):

Mich interessiert besonders ein Aspekt der Forschungsarbeiten von Prof. Benz:

Der Anteil der Retter in den Unterschichten sei unverhältnismäßig größer gewesen als unter den Gebildeten.

Und

Bei den Bücherverbrennungen (die im Abendland seit den Griechen immer wieder veranstaltet worden sind) waren die deutsche Studentenschaft mit Unterstützung ihrer Professoren die Organisatoren der «Aktion wider den undeutschen Geist»

Ist also unter den weniger Ge- und Verbildeten einfach mehr Herz, mehr Denkvermögen zu finden gewesen, prallte die Verhetzung unter diesen „einfacheren“ Menschen eher ab?

Und wie ist das heute?


Wolfgang antwortete am 20.07.04 (09:34):

Der '20. Juli', also der Versuch weniger Mitglieder der (gross-)buergerlichen Klasse, wieder zu Moral und Recht zurueckzukehren, kam politisch gesehen viel zu spaet. Das waren "Todeskraempfe", die "[...] durch nichts als den Tod enden [koennen], weil es eben Todeskraempfe sind.", wie damals der Tscheche PROKOP DRTINA in einer Sendung der BBC am 23. Juli 1944 korrekt feststellte.

Einige Menschen, viel zu wenige, zeigten per Opfer des eigenen Lebens das Scheitern der nationalsozialistischen Anmassung. Das ist ihnen hoch anzurechnen. Ihr Manko: Sie waren selbst tief verstrickt in den nationalsozialistischen Mord- und Unterdrueckungsapparat. Ein Blutopfer als Politikersatz... So gut wie wirkungslos verpuffte der Putsch.

Wie gesagt, politisch gesehen kam der Widerstand zu spaet. EDVARD BENES sagte am 24. Juli 1940 (nach der Anerkennung der tschechischen Exilregierung, aber noch bevor er auch als Praesident anerkannt war): "Es waere einfach unsinnig und naiv zu glauben und zu denken, dass der Krieg nach den Wuenschen der Deutschen enden kann."

So ist es dann auch gekommen. Die bedingungslose und vollstaendige Kapitulation Deutschlands (die die Putschisten vermeiden wollten) war eine notwendige Voraussetzung fuer eine friedliche Entwicklung Europas.

P.S.: Die Zitate, die ich verwendete, stammen aus dem m. E. nach lesenswerten Referat "Der 20. Juli 1944 - fuer Tschechen ein widerspruechliches Datum: Die deutsche Widerstandstat in tschechischer Perspektive" von JAROSLAV SONKA (s. Link).

Internet-Tipp: https://www.zeitgeschichte-online.de/


ricardo antwortete am 20.07.04 (09:39):

Medea
Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg, man sollte den konservativen Widerstand nicht deswegen mißachten, weil das Militär maßgeblich war und tatsächlich ein Machtkampf entstand.
Das ist nicht eine Abwertung anderer Initiativen, aber für UNS damals war Erfolg oder Mißerfolg von entscheidender Bedeutung.
Du siehst das jetzt im Nachhinein, da spielen andere Kriterien eine Rolle, für damals war das anders!

Mart
Bei den Bücherverbrennungen waren es weniger die Profs als die Studenten, die schon vor dem Machtwechsel 1933 in Scharen zu Hitler gelaufen sind. Die Profs hatten Angst vor der Menge, so wie 1968 auch, vor den Linken.
Die Historiker sind sich in der Frage uneinig, welcher Anteil der Bevölkerung mehr oder weniger im Widerstand war.
Man mußte den ohnehin mit der Lupe suchen, da die Begeisterung für das Regime überall und in allen Schichten groß war und das noch bis in die Mitte des Krieges.
Von "Herz und Denkvermögen der weniger Gebildeten" ist mir nichts in Erinnerung geblieben.
Dagegen von verstecktem Groll gegenüber den Bessergestellten und der Bereitschaft zum Denunzieren!
Den Gebildeten bleibt allerdings der Vorwurf nicht erspart, sie hätten mehr Bereitschaft zur Verantwortung zeigen müssen.

Wahrscheinlich ist die Schuld aber gleichmäßig verteilt.


mart antwortete am 20.07.04 (10:00):

Ricardo, Ich habe einfach die Ergebnisse der Forschungsarbeit von Prof. Benz rezipiert und dort wird das so dargestellt.

Er spricht allerdings nicht von "Herz und Denkvermögen der weniger Gebildeten", sondern nur davon, daß in unteren Schichten die Bereitschaft verfolgten Juden zu helfen einfach größer war.

Internet-Tipp: https://www.netzeitung.de/spezial/deranderewiderstand/295945.html


Tobias antwortete am 20.07.04 (11:30):

Der andere Widerstand so das Thema, begann mit der Abstimmung im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz. Sozialdemokraten Kommunisten USPDler haben einheitlich gegen dieses Gesetz gestimmt und wurden nach der Abstimmung zum großen Teil in sogenannte Arbeitslager eingewiesen. Die Konservativen, Liberalen ( unter ihnen auch Th. Heuss ) waren mit den Nazis für das Gesetz.

Die großen NS - Verführer unter ihnen auch Stauffenberg haben zugeschaut wie die Synagogen brannten, die sogenannte „ Reichskristallnacht „ über die Bühne ging. Haben zugeschaut wie ihre Nachbarn die Juden von Haus und Hof geprügelt wurden und haben es in Kauf genommen als deren Ausrottung beschlossen wurde. Sie haben mit angestiftet und zugeschaut wie aufrechte Demokraten von den NSDAP Horden auf den Strassen zusammen geschlagen wurden. Es waren doch kluge und hochbebildete Menschen die das Kommende voraus sehen mussten.

Die Militärs hatte am SIEGEN Spaß und das zeigten sie mit ihren Auszeichnungen. Diese uniformierten, hoch im Rang stehnden Herren, meist vom Adel, haben nach den Niederlagen in Afrika Russland und an vielen anderen Stellen das Unabwendbare gesehen und wollten ihr eigenes Süppchen kochen.

Diese feinen Herrn hatten es nach all den Vorkommnissen bereits 1938 in der Hand den Größenwahnsinn Hitlers Einhalt zu bieten. Nein, sie haben Angestimmt : Führer befiehl, wir folgen dir.


Medea. antwortete am 20.07.04 (14:37):

Mein kleines "Eintopfessenmüssen-" oder "Frikadellenschmausendürfen"-Beispiel ist leider nicht verstanden worden - es erhebt auch nicht den Anspruch, maßgebend am "anderen Widerstand" beteiligt worden zu sein ....
Dennoch - und daran werden sich nicht gerade die nach 1945 Geborenen erinnern können :-) - wurde während des Krieges von "oben angeordnet" und die Hausfrauen hatten es zu befolgen, daß es sogenannte Eintopf-Sonntage zu geben hatte.
Bei Zuwiderhandlung würde es Unannehmlichkeiten geben .....

Und meine Mutter widersetzte sich und ließ sich eben nicht in die Kochtöpfe gucken und kochte das, was sie für richtig ansah, ließ sich nicht reglementieren vom Blockwart oder wie diese Späher hießen ....

Jeder Widerstand beginnt wohl ganz, ganz zuerst einmal im Kleinen.


dutchweepee antwortete am 20.07.04 (15:30):

kein mensch ist, weil er seine suppe nicht gegessen hat, ins KZ verschleppt worden. da könnte auch der bäckermeister in chemnitz behaupten, er habe die "mauer" zum einsturz gebracht, weil er heimlich westfernsehen geguggt hat. das ist eine verhöhnung der abertausenden sozialdemokraten und kommunisten, die wegen sabotage und widerstand jahrelang im zuchthaus waren, oder ermordet wurden.


ricardo antwortete am 20.07.04 (18:41):

Korrektur:
Nur die SPD hat gegen das Gesetz gestimmt, die KPD war bereits verboten.
Hätte sie damals die Oberhand gewonnen, dann hätte die SPD, so hoffe ich, auch gegen eine kommunistische Diktatur gestimmt.

Mart
den Artikel von Wolfgang Benz habe ich mir durchgelesen, seine Einschätzung beruht wohl mehr auf Sympathien und Vermutungen, nicht auf einer genaueren Analyse.
Andere Forscher kommen auf weniger eindeutige Ergebnisse.
Ich selbst habe nur Bekannte meiner Eltern und eigene Freunde erlebt. vielleicht fehlte mir der andere Einblick.
Bei der Situation in der H-jugend war es so, daß nur die Oberschüler kritisch eingestellt waren.
Allerdings gab es in meiner Klasse auch bis zuletzt noch Freiwillige.
Mit meinem besten Freund habe ich mich darüber zerstritten.


Wolfgang antwortete am 21.07.04 (21:38):

Webtipp(s)...

jW - 20.07.2004
Der buergerliche Widerstand
Der 20. Juli 1944 - Teil I: Militaerputsch oder Revolution ?
Von KURT FINKER
https://www.jungewelt.de/2004/07-20/004.php

jW - 21.07.2004
Mythos vom besseren Deutschland
Der 20. Juli 1944 - Teil II und Schluss: Spiegelungen im deutsch-deutschen Geschichtsbild
Von KURT FINKER
https://www.jungewelt.de/2004/07-21/005.php

Internet-Tipp: https://www.jungewelt.de/


Wolfgang antwortete am 21.07.04 (21:55):

Unfasslicherweise hat es sich ereignet, dass ein ganzes zivilisiertes Volk, das die schoepferische kulturelle Bluete der Weimarer Zeit gerade hinter sich gelassen hatte, einem Hanswurst folgte, der einen heute nur noch zum Lachen bringt. Und dennoch gehorchte man ADOLF HITLER und bejubelte ihn bis zur Katastrophe. Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen [...].

Es kann geschehen, ueberall. [...] Daher muessen wir unsere Sinne schaerfen, den Propheten, den Zauberern und all denen misstrauen, die 'schoene Worte' sprechen und schreiben, die durch keine guten Gruende gestuetzt sind.

Quelle... Die Untergegangenen und die Geretteten (von PRIMO LEVI), Carl Hanser Verlag, München Wien 1990 (die Originalausgabe erschien 1986 unter dem Titel 'I sommersi e i salvati' bei Einaudi in Turin), Schlusswort, S. 205


antek antwortete am 23.07.04 (12:13):

Den Offizieren des 20.Juli 1944 gebührt höchste Achtung und Anerkennung.
Man muß aber bedenken,daß die meisten von ihnen bis dahin bedingungslos dem Führer gefolgt sind und von den Kriegsverbrechen zumindest gewußt haben.
Durch die Politk und die Medien entsteht leider der Eindruck als ob dies die einzigen Widerstandskämpfer waren.
Besser wäre es dem gesamten Widerstand zu gedenken,also dem sozialdemokratischen,kommunistischem,bürgerlichem,jüdischem
und anderer Formen des Widerstandes.
Eine gemeinsame Würdigung,auch am 20.Juli,bei Nennung und Würdigung von besonderen Persönlichkeiten des Widerstandes aus allen Lagern wäre das Beste.
Die jetzige Form des Gedenkens spaltet und bringt die Offiziere de 20.Juli eigentlich zu Unrecht in eine etwas eigenartige Situation.


ricardo antwortete am 23.07.04 (13:06):

<Die jetzige Form des Gedenkens spaltet und bringt die Offiziere des 20.Juli eigentlich zu Unrecht in eine etwas eigenartige Situation>

Wieso?
Der 20. Juli ist nun mal das Datum eines offenen Widerstandes gewesen, das einzige DATUM dieser Art während des Krieges.
Der einzige Tag, an dem die Gegner Hitlers gehofft haben.
Schließlich war die Wehmacht die einzige Institution, deren Widerstand Aussicht auf Erfolg gegen SS und Parteiapparat hatte.

Ich sehe keine Notwendigkeit, die Gestaltung des Tages zu ändern.
Dagegen scheint es doch notwendig, für mehr Geschichtskenntnis zu werben, um die Tradition der deutschen Heeres nicht ganz abzutun.
Unmittelbar nach dem Krieg, ich kann mich erinnern, galten die Offiziere immer noch als Vaterlandsverräter!

Hitler sprach von einer verantwortungslosen Offiziersclique.
Er war es auch, der statt des militärischen Grußes in den letzten Kriegsmonaten den Hitlergruß bei der Truppe einführte!


Wolfgang antwortete am 24.07.04 (10:19):

Webtipp(s)...

FREITAG 31 - 23.07.2004
Den Namenlosen ein Denkmal setzen
WIDERSTAND GEGEN HITLER - Die Protagonisten, die im Juli 1944 Bomben gegen Hitler legten, werden derzeit medial vermarktet. Viele andere jedoch, die im Kampf gegen das NS-Regime ihr Leben liessen, sind vergessen. Hilde Meisel war eine von ihnen
Von KNUT BERGBAUER
https://www.freitag.de/2004/31/04311801.php

Internet-Tipp: https://www.freitag.de/2004/31/04311801.php