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THEMA:   ...Mengele...

 45 Antwort(en).

wolkenull begann die Diskussion am 31.01.04 (09:48) mit folgendem Beitrag:

ist das Thema -Mengele- beendet...?


webmaster antwortete am 31.01.04 (10:01):

@ wolkenull

der Name dieses furchtbaren Arztes fiel in diesen Foren bisher nur in der durch ST-Google ausgegrabenen archivierten Diskussion (s. Link). Hier unter Politik gab es dieses Thema meines Wissens (noch) nicht. Meinst Du ein anderes Forum oder fragst Du generell danach, ob dieses Thema vergessen ist? Vergessen sollte man es nicht. Nur die Erinnerung an die Vergangenheit kann uns vor Wiederholungen schützen.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a316.html


wolkenull antwortete am 31.01.04 (10:29):

Danke für den Link zum Archiv - ist wichtig nochmal nachzulesen!
Aber meine Frage war oder ist mir aufgrund des gestrigen TV-"Abends.." bitter aufgestoßen... Es war oder ist eine deutsche "Erzählung.." geworden, theatralisch, eindrucksvoll und könnte auch in den neuen Generationen -
...zum - Denken..? ... ich weiß nicht, mir fehlen dazu die Worte. Doch - es wäre zum Verhalten "Heimat, Vaterland - Deutsch-Sein etc pp" meiner Meinung nach für die neuen Generationen wichtig.-

Tja, das aber nur, wenn wir - die letzten Menschen der zweiten Hälfte des 20.Jhrhdrts. die noch bestehenden und offnenen Fragen zumindest bereden...
So ist meine Frage:
Was tun wir hier und heute, was ist - wie verhalten wir uns zu dem Landmaschinen-Unternehmen der Familie...?
Hat ein hier postender Senior eine Günzburg-Beziehung...?


eko antwortete am 31.01.04 (19:36):

Als ich den Eingangsbeitrag las, war mein erster Gedanke: "Schon wieder"!.

Schon wieder deshalb, weil man als 73-jähriger dieses Thema schon mehrfach behandelt hat und man auch nach noch so vielen Wiederholungen kein anderes Ergebnis heraus lesen kann als das, dass dieser "Arzt" Mengele ein Arzt des Teufels war und wir sehr wohl auf der Hut sein müssen, dass solche Dinge nicht wieder geschehen.

Keine 10 Minuten danach fiel mir ein Artikel in meiner Karlsruher Zeitung auf, in dem über Mengele, Auschwitz und damit verbunden eine neue Ausstellung berichtet wird.

Das Neue ( für mich! notabene ), das ich nun in diesem Artikel las, war, dass es wohl so nicht ist, dass diese Ärzte und damit auch Mengele, aus reiner Mordlust die Menschen umbrachten. Vielmehr haben diese Scheusale sie als Versuchskaninchen missbraucht, so z.B. in Eiswasser gesteckt, um dabei heraus zu finden, wie lange ein Mensch überleben kann. Die Erkenntnis, dass der Mensch stirbt, wenn seine Körpertemperatur unter 24° absinkt, steht heute in jedem Lehrbuch. Auch wurden Versuche mit Unterdruck gemacht, um heraus zu finden, wie lange ein Mensch dies aushalten bezw. überleben kann. Ebenso Versuche mit Fleckfieberimpfstoffen etc.

Und alles im Auftrag der Wehrmacht!!

Dahinter steckt aber auch ein völlig übersteigerter Wunsch nach Erkenntnisgewinn und in den KZ-Häftlingen sahen diese so genannten Ärzte "Material", das sie nach Belieben verheizen konnten.

Natürlich ist damit die Grausamkeit und Unmenschlichkeit dieses Vorgehens in absolut keinster Weise abgemildert oder gar entschuldigt. Daran ändert sich nichts, aber auch gar nichts.

Gewiss, die Erkenntnis für mich, dass da Experimente durchgeführt wurden, hilft mir höchstens, ein bisschen Licht hinter die Frage zu bringen, warum diese Leute das gemacht haben. Aber es zeigt mir, dass man nicht aufhören kann und aufhören darf, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Was wolkenulls Frage anbetrifft, so bin ich der Meinung, dass so etwas mit Sicherheit heute nicht mehr möglich ist, dazu ist unsere Demokratie zu offen und durchsichtig. Dennoch ist Aufmerksamkeit sehr wohl am Platze.

Ich meine auch, dass man Nachkommen, die für diese Verbrechen nichts können und sie auch nicht verhindern konnten, nicht in Sippenhaft nehmen sollte. Aber dies ist nur meine eigene persönliche Meinung.


Karl antwortete am 31.01.04 (23:38):

Lieber eko,

Sippenhaft kann es tatsächlich nicht sein. Denn Sippenhaft war eines der Kapitalverbrechen der Nazis.


Wolfgang antwortete am 01.02.04 (00:50):

Es sei noch erwaehnt, dass sich Dr. phil. Dr. med. JOSEF MENGELE nie in persona vor einem Gericht verantworten musste. Seine Verbrechen blieben ungesuehnt. Ich zitiere:

"Kurz vor der Evakuierung des KZ Auschwitz-Birkenau kehrte Mengele nach Guenzburg zu seiner Familie zurueck, wo er sich, ungehindert von der Justiz, beim Wiederaufbau der durch Bombeneinwirkung zerstoerten "Landmaschinenfabrik Carl Mengele und Soehne", dem groessten Arbeitgeber am Ort, beteiligte."

"In dem 1946/1947 stattfindenden Nuernberger Aerzteprozess gegen 23 Aerzte wurde Mengele in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde erstaunlicherweise aber nicht zur Fahndung ausgeschrieben. Als Mitte der 1950er Jahre der Schriftsteller Ernst Schnabel (1887-1966) durch seine Veroeffentlichungen zu Anne Frank auf Mengele aufmerksam machte, hatte der sich bereits nach Suedamerika abgesetzt. Bis zum Ende der 1970er Jahre konnte er sich, trotz weltweiter Fahndung und zahlreicher Auslieferungsbegehren, einer Festnahme entziehen und war ueberdies mit Hilfe unbekannter Protektoren mehrmals zu Besuch bei seiner Familie in Bayern."

"Mengele starb vermutlich im Jahr 1979 bei einem Badeunfall in Brasilien. "

Quelle... Medicine-Worldwide: Mengele, Josef, https://www.m-ww.de/persoenlichkeiten/mengele.html

Internet-Tipp: https://www.m-ww.de/persoenlichkeiten/mengele.html


wolkenull antwortete am 01.02.04 (17:13):

tja.. Senioren sind die einzigen, die die begangenen Taten, die Geschichte "weitergeben können...
Mengeles Familie, wie auch die Bürger der Stadt Günzburg, haben dem Dr. Josef Mengele die ganze Zeit nach dem Krieg sozusagen "beigestanden.." nicht nur Asyl-Recht gewährt, sondern auch "gedeckt" und Nicht-Wissen geheuchelt..
Niemand aus der Stadt Günzburg will sich dazu äußern.
Eine Reihe von Straßennamen, die Firma - alles mit dem Namen Mengele...

Wie sollen die neuen Generationen das "verstehen.." damit umgehen??
Oder sind nur die deutschen neuen Generationen gefragt - französische, algerische, Roma und Sinti-Nachkommen, russische... Sind die zukünftigen Besucher, jung oder alt, alle alle davon abzuhalten, die Stadt Günzburg zu besuchern, oder wie....

Und wie ist dem sogenannten weltweiten Geschehen, dem Terrorismus "der Boden unter den Füßen zu entziehen" - das Wasser abzugraben, wenn das Lebend-schweigen die Antwort auf Verbrechen ist..?
Ist der irische, der baskische, der indische und chinesische "Terrorismus" eine Rede, eine Betrachtung - oder gar eine Beurteilung der Mütter, Väter und Angehörigen wert, die ja "nur die ihrigen", Söhne, Cousins, Vettern und Onkel, die Bombenleger, Entführer und Mörder decken und schweigen...?

Hat denn niemand von den Senioren diesen Abend in Vox das grausam-deutliche Theater gesehen - sehen wollen..? Schweigen...?

Guten Abend - gute Ruh´

Nur wir Senioren können etwas für die nächsten Generationen vorbereiten - nicht vergessen, nicht schweigen - immer wieder ans Tageslicht und die Öffentlichkeit - zumindest der Familie, dem Bekanntenkreis - bringen... Diskussion... die einzige Möglichkeit um zur eigenen "Ruh´.." zu finden... R.P.


Karl antwortete am 01.02.04 (17:43):

Lieber wolkenull,

nein, ich habe die Sendung in Vox nicht gesehen. Ich gebe Dir aber vollkommen Recht, dass über die Vergangenheit geredet werden muss. Die Geschichte muss detailliert aufgeklärt und verstanden werden, um daraus zu lernen. Sonst wiederholt sie sich und das darf nicht sein.


Wolfgang antwortete am 01.02.04 (18:00):

Auch GuenzburgerInnen sind offensichtlich lernfaehig (wenn auch erst Menschen aus der Generation der Kinder und EnkelInnen). "In Guenzburg wird kuenftig eine Mahntafel an die Opfer des beruechtigten KZ-Arztes Dr. Josef Mengele erinnern.", steht in der Guenzburger Zeitung vom 10.12.2003 (s. Link).

Webtipp...

cellarius.de
Guenzburg und der Fall Josef Mengele
Die Heimatstadt und die Jagd nach dem NS-Verbrecher
Von SVEN KELLER
https://www.cellarius.de/content/buch_mengele.php

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?Q1D735347


BarbaraH antwortete am 01.02.04 (18:45):

Aus dem von Wolfgang genannten Link der Günzburger Zeitung vom 10.12.2003:

>>Von Jean Amery stammt der Ausspruch „Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten.“ Daher solle und dürfe keiner die Vergangenheit auf sich beruhen lassen. Amery warnte schon 1975, sonst könnte die Vergangenheit „auferstehen und zu neuer Gegenwart werden“. Diese ernsten Zeilen schlug Stadtarchivar Walter Grabert in der Sitzung für eine Gedenktafel „Zur Erinnerung an die Opfer des KZ-Arztes Josef Mengele“ vor.<<

Die Auswahl des Textes halte ich für gelungen. Es genügt ja nicht, auf die grauenhaften Taten inzwischen Verstorbener aufmerksam zu machen... wir alle müssen wachsam sein, damit sie sich nie wieder ereignen können.


eko antwortete am 02.02.04 (16:54):

Es ist leicht, aus dem Abstand von mehr als 50 Jahren und als damals noch nicht Geborener den Günzburgern großzügig zu bescheinigen, dass sie "offensichtlich lernfähig" seien.

Ich halte das für sehr hochnäsig. !

Günzburg gab es nach dem Krieg in ganz Deutschland!

Wenn man nach den Gründen forschen will und nicht nur Urteile vergeben, dann muss man sich schon auch die Mühe machen, sich in die damalige Zeit hinein zu versetzen.

Heute, im Jahr 2004, wissen wir alle, was damals geschah. Es soll mir jetzt niemand kommen und behaupten wollen, die Menschen damals hätten das auch gewusst. Na, so an Schmarrn!!

Die spärlichen Informationsmittel Zeitung und Radio waren gleichgeschaltet und das seit '33 andauernde Trommelfeuer der Nazi-Propaganda war auch nicht ganz umsonst.

Doch zu Mengele: Auch Mengeles gab es damals zuhauf in Deutschland, will sagen, Leute, die Dreck am Stecken hatten. Aber unter der akademischen Schicht herrschte noch so etwas wie "Korpsgeist", das hatten sie wohl noch aus ihrer Studentenzeit und so verhalfen sie sich gegenseitig, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Nur so konnte es passieren, dass viele Ärzte, Juristen, Rechtsanwälte und Richter aus der Nazizeit fast übergangslos in neue Ämter gleiten konnten. Eines der prominentesten Beispiele ist der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Hans Filbinger. Als Nazi-Richter sprach er politisch gefärbte Todesurteile aus und konnte dennoch später dieses hohe Amt bekleiden.

Es wäre blauäugig, sich vorzustellen, mit dem Einmarsch der Alliierten oder spätesten am 8.Mai 1945 sei der Nazispuk beendet gewesen.

Das ging nicht von heute auf morgen!

Ich kann mich noch gut an eine Szene erinnern, als ich 1946 zur Berufsschule ging und ein Mitschüler den Lehrer verprügelte, weil der sich kritisch über die Nazis äußerte.

Jahrelang war das Kapitel NS-Zeit tabu, man sprach nicht darüber, schwieg es tot.

Wer vom NS-Geist infiziert war und seine Begeisterung dafür hingegeben hatte, tat sich schwer, diesen seinen Idealismus nun verraten zu sehen.

Es gab gewiß noch viele solcher unpolitischen Familien wie meine Kindfamilie, die zudem nur aus der Mutter und drei Geschwistern bestand. Meine Mutter hat bis zu ihren Tod 1991 den Spruch drauf gehabt: "Ja, aber er (A.H.) hat ja auch viel Gutes getan, er hat die Autobahnen gebaut" !!!!
Der Frau war nicht beizukommen!

Gewiß gab es auch "Widerstandskämpfer", aber diese Zahl war wesentlich kleiner, als uns so manche heutzutage weismachen wollen. Wendehälse gabs nicht erst in der DDR, sondern schon 1945.

Und Günzburg wurde von Krieg weitgehendst verschont, als die Amerikaner nach Günzburg kamen, was der Krieg praktisch aus.

All das muss man mit in seine Überlegungen mit einbeziehen, will man diese Vorgänge der damaligen Zeit richtig einschätzen.

Und ehe jetzt wieder die Verdächtigungen gegen mich hochkochen, ich sei ein "Altnazi" oder "unbelehrbar", möchte ich ganz klar heraus stellen, dass es mir nicht um eine Glorifizierung geht, sondern um Aufklärung und Richtigstellung.

Dass das, was in diesen 12 Jahren an Menschen verachtendem passiert ist,sich nie mehr wiederholen darf, das ist auch meine feste Überzeugung und ich bin da auch sehr zuversichtlich, dass es sich niemals mehr wiederholen wird, weil ganz einfach die Voraussetzung für derart verbrecherische Taten nicht mehr gegeben sind. Und das ist tröstlich.


Tobias antwortete am 02.02.04 (21:28):

Danke eko, viel besser kann man diese Zeit nicht beschreiben.


ricardo antwortete am 02.02.04 (23:33):

@eko
Es tut mir leid eko

Aber ich war damals 12-14 Jahre alt und habe ziemlich alles gewußt!
Auch in meiner Schulklasse haben sie über die Verbrechen gesprochen, mein Freund, mit dem ich heute noch in Verbindung stehe (sein Vater war hoher Offizier), hat mir damals haarklein erzählt, dass die Juden in Polen ihre Gräber selber schaufeln mußten und daß alle umkommen.

Mein Vater hat im Zug unterwegs einen Gütertransport mit Häftlingen und Wachpersonal nach Osten fahren sehen.
Der mußte bei klirrender Kälte stehen bleiben und warten dass sein Zug durchfahren konnte. Es ließ sich nicht verbergen.
In JEDER größeren Stadt gab es Versteigerungen der letzten Habe von Juden und die Leute rissen sich drum.

Wir haben täglich "Feindsender gehört und da gabs alles zu hören, ich kannte viele die auch gehört haben.

Wenn ich das als kleiner Junge wußte
Na ja.....

Nix für ungut.
Ric


julchen antwortete am 03.02.04 (06:19):

Wow..Ricardo...

Das erinnert mich an eine Strasse in meinem
heimatlichen Dorf - genannt die "Judengasse".

Als kleines Maedchen fragte ich meine Oma mal warum sie "Judengasse" hiess und ob dort die Juden
wohnten.
Die Antwort: da wohnten mal Juden, aber die hat
man nachts abgeholt....

..nachts abgeholt??... - Ja, und vergast....

....und warum hat man nichts gesagt?.
- weil man nicht
wusste wen sie abholen, nachdem sie mit den Juden fertig waren.....

BarbaraH quotierte:
Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten
Das ist nicht wahr!

Um gemachte Fehler nicht zu wiederholen KANN man
nicht nur, sondern man MUSS austeigen.

Von dem Meisten was ich hier so geschrieben sehe,
macht man die Gleichen Fehler wieder: lieb und brav
und dozil sein, friedlich um jeden Preis, keine Wellen
machen, nicht meckern, alles einstecken - und so tun
als ob die Welt vollkommen in Ordnung sei - und solange es einem gutgeht.....warum das Boot schunkeln?
Und hier rede ich von Deutschland.

In Deutschland ist doch, nach Berichten, nicht mehr viel in Ordnung, trotzdem kuemmert man sich
um jeden anderen Misthaufen, bevor man mal kuckt
wie der Eigene riecht.
Der Balken wird beiseite gerecht, zugunsten des Zweiges im Auge der Anderen.
Vogel Strauss: Grab mir ein Loch!


ricardo antwortete am 03.02.04 (09:06):

Hallo Julchen :-)))
Wat meenste
Wir sind die einzigen gewesen, die wat geahnt haben.
Obwohl wir jetzt null Ahnung haben, wie kommt das bloß?


eko antwortete am 03.02.04 (09:38):

@ ricardo:

Wie bitte, Ihr habt "alles gewusst?" na, toll, kann ich da nur sagen. Aber wenn Ihr doch alles gewusst habt, warum habt Ihr dann nichts dagegen unternommen? Hä?

Ich hingegen hatte das Pech ( oder Glück, wie mans nimmt) in einer gänzlich unpolitischen Familie aufzuwachsen. Meinen Vater verlor ich, als ich 11 Jahre alt war, so kenne ich seine politische Einstellung nicht. Meine Mutter war zwar keine stramme Nationalsozialistin, sie war wohl eher das, was man später dann als "Mitläufer" bezeichnete.

Bei uns wurde nicht über vergaste Juden gesprochen, auch wurden keine "Feindsender" abgehört und dazu stehe ich auch, weil es wahr ist.

Und nach dem Umsturz hatten wir wahrhaftig andere Sorgen, wer kann sich denn heute noch vorstellen, dass man damals Hunger hatte und (fast) nichts bekam? Dass man kein Brennmaterial hatte, wenn man nicht selbst in den Wald ging und dort holzte?

Ich bewundere alle, die soo gut informiert waren, habe ich da etwas verpasst ?


Tobias antwortete am 03.02.04 (09:48):

Hallo Julchen,

du schreibst : von dem Meisten was ich hier so geschrieben sehe macht man die gleichen Fehler wieder : lieb , brav und dozil sein, friedlich um jeden Preis usw.

Ohne zu übertreiben, verhälst du dich im Moment nicht genau so ???
Lässt du nicht alles über dich ergehen und schwenkst noch die Fahne , wieter so ??

ricardo, die jetzige null Ahnung kann ich dir bestätigen.


mart antwortete am 03.02.04 (10:16):

eko,

Du und deine Mutter haben offensichtlich etwas verpaßt!

Aber es könnte sein, daß die strammen Mitläufer, das Lied vom spritzenden Blut bloß symbolisch verstanden haben - und irgendwo in der Einschicht hat man vielleicht wirklich nicht bemerkt, wie einige - viele Menschen verschwanden - und wie einige - viele Menschen plötzlich neue Arbeit fanden und Geschäfte ihren Besitzer wechselten - einfach weil jetzt einige - viele verschwunden waren - und man hat einfach nicht bemerkt, wie einige - viele plötzlich sehr kostengünstig einige - viele Gegenstände kaufen konnten, und man hat in der Einschicht nicht bemerkt, daß es plötzlich so einfach war, Wohnungen zu bekommen -- und erst die Entlastung der Rentenkassen, weil einige - viele derjenigen, die eine Rente bekamen plötzlich entschwunden waren.

Eko, wenn Du - und deine Mutter nicht bemerkt haben, daß einige - viele Leute verschwunden waren, dann spricht das nicht besonders für Sensibilität und Aufmerksamkeit. -

Aber vielleicht hast du in der Einschicht gewohnt, und in deiner Schule waren wirklich keine Juden- und Mischlingschüler und - lehrer.


Wolfgang antwortete am 03.02.04 (14:13):

Gewusst haben es viele... Ich moechte einen meiner frueheren Beitraege hier noch einmal wiederholen (urspruenglich im Thema 'Stauffenberg', von mir eingebracht am 24.07.03):

Das Problem faschistischer Ideologien und Maechte ist doch, dass sie von ein breiten Mehrheit bereitwillig akzeptiert werden. Es ist eben nicht so, dass sich ein Volk von (insgeheim) Gegnern der Gewalt beugt. Die meisten deutschen Menschen machten mit, weil HITLER das verkoerperte, was sie wollten.

Ich will ein Beispiel aus meiner jetzigen Heimat nennen: In Nuernberg gab es beim traditionellen jaehrlichen Faschingsumzug drei Jahre nach HITLER's Machtuebernahme 1936 einen Wagen, mit 'Juden' drauf... Keine wirklichen Juden, sondern in der bekannten gestreiften Straeflingskleidung als Juden gekennzeichnete und verkleidete 'Jecken'. Auf dem Wagen war ein symbolischer Galgen montiert. Ein grosses Transparent war am Wagen angebracht: "Ab nach Dachau" stand da drauf. Augenzeugen berichteten, dass die vieltausendkoepfige Menge unter grossem Gelaechter viel Beifall gerade fuer diesen Wagen spendete.

Die Bilder, damals von Pressefotografen aufgenommen, habe ich in einer Ausstellung selbst gesehen. Mit einem Augenzeugen habe ich gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war es den NuernbergerInnen also bekannt, dass es im bayerischen Dachau ein Konzentrationslager gibt. Ganz offensichtlich sympathisierte die Bevoelkerung mehrheitlich mit den Nationalsozialisten, obwohl, oder besser, gerade weil sie ziemlich viel wussten.

Internet-Tipp: https://www.ecofreak.de/inhalt.html


mart antwortete am 03.02.04 (15:30):

Nun, jetzt wird im Nahen Osten unter dem Beifall der friedensliebenden Deutschen versucht, dieses Problem endgültig zu lösen.


Wolfgang antwortete am 03.02.04 (16:05):

Welches "Problem", meinst Du, Mart, werde angeblich "[...] im Nahen Osten unter dem Beifall der friedensliebenden Deutschen versucht [...] endgueltig zu loesen." ?

Das wuerde ich gerne ganz genau wissen.


ricardo antwortete am 03.02.04 (17:54):

@eko
Deine Entgegnung war sehr wenig freundlich, aber ich denke, du hast mich falsch verstanden.
Ich habe aus meiner Erfahrung berichtet, ich möchte hier nicht über weitere Einzelheiten sprechen.
Nur soviel: Als in der Klasse mal mein Nachbar in der Schulbank meinte.
seiner Meinung nach sei der Krieg verloren ( Sommer 44) trat ein HJführer drohend auf ihn zu: "sag das noch EINMAL und du bist verhaftet!
Aber dem HJ-tler war nicht wohl bei der Sache, denn er war ja nicht blöd. Der Krieg war ja längst verloren.
Mit deiner Frage: "Was habt ihr denn dann getan?" zeigst du nicht gerade Sinn für die damalige Realität.
Hinter die Fassaden der Menschen kann man auch heute nicht schauen und weiß nie wie sie handeln würden
käme die Notwendigkeit eines Entschlusses auf sie zu.
Man mag hier im Forum noch so edel und tapfer sein (als Friedensengelchen)
man erlebt auch mit sich selbst immer wieder Überraschungen.
ich auch!
Ric


Wolfgang antwortete am 03.02.04 (18:33):

Ich habe frueher viele Gespraeche gefuehrt mit mir bekannten oder verwandten Menschen der Jahrgaenge um 1890-1910 (also Menschen, die zum Beginn der Diktatur der HITLER-Bande erwachsen waren). Einige wussten nichts (so sagten sie), viele aber wussten viel und erzaehlten.

Ich habe z. T. schreckliche Geschichten gehoert.

Die Menschen, die mir diese schrecklichen Geschichten erzaehlten, waren glaubwuerdige Augenzeugen. Sie waren keine Monster, keine 'grossen' Taeter, allerhoechstens 'kleine' Taeter mit geringer Handlungsmacht, oder auch nur zufaellig Anwesende. Sie waren ganz 'normale' Menschen, die Handlanger oder auch nur Augenzeugen in diesen schrecklichen Geschichten in ganz 'normalen' Situationen wurden.

Nach solchen Gespraechen war ich immer fix und fertig. Es wurde mir bewusst, dass viele der Verbrechen unter den Augen der Oeffentlichkeit passierten. Es wurde mir auch bewusst, wie machtlos der 'kleine' Mensch ist, ist da erst einmal eine Polizei- und Militaermaschinerie, die sich breitgemacht hat und alles wegraeumt, was sich ihr in den Weg stellt.

Ab dann ist es vorbei mit dem Recht und man kann - im besten und deswegen eher seltenen Fall - nur noch wenig fuer das Recht und fuer die Opfer tun.

Wichtig ist mir, klarzustellen: Eine Menge Kenntniss von den Verbrechen der HITLER-Bande hatten damals die meisten Menschen, mit denen ich sprach (und das waren nicht wenige). Dazu brauchte es nicht den Tag der 'Befreiung' oder des 'Zusammenbruchs' oder wie immer eine(r) diesen Tag nennen will.


Karl antwortete am 03.02.04 (18:48):

"mart antwortete am 03.02.04 (15:30):


Nun, jetzt wird im Nahen Osten unter dem Beifall der friedensliebenden Deutschen versucht, dieses Problem endgültig zu lösen."

Wenn Du damit glaubst, friedensliebende Deutsche diffamieren zu können, dann ist das so etwas an Niedertracht, dass ich sprachlos bin.


Wolfgang antwortete am 03.02.04 (18:59):

Ich bin schon lange nicht mehr sprachlos, Karl... Lies bitte mal im Thema 'Nobelpreis', was 'Mart' ueber "DIE" Deutschen schreibt. Das ist Rassismus pur.


mart antwortete am 03.02.04 (19:09):

Ich bin auch schon lange sprachlos, daß jemand sich traut auf seiner vielbeworbenen Homepage die NGO, das heißt also Rotes Kreuz, AI etc. als Scheiße und Furz des Imperalismus zu bezeichnen.


Tobias antwortete am 03.02.04 (19:55):

So etwas solltest du nicht schreiben mart. Es war nicht die Deutschen wie es auch nicht die Österreicher waren es waren BEIDE.
Als Schuljunge hab ich erlebt als deutsche Soldaten in Innsbruck mit Jubel empfangen wurden und soweit mir bekannt, war es in anderen Städten Großdeutschlands nicht anders.
Es ist unumstritten, dass Deutsche wie auch Österreicher an den Gräueltaten und Verbrechen gegen Juden, Sinti , Roma und nach damaligen Sprachgebrauch, an Untermenschen ihre Perversitäten ausgelassen haben.

Nach 1945 blieben die restlichen Deutschen an der gesamten Schmach hängen. Österreich hat
sich sehr geschickt aus dem zurückgelassenen Schlamassel gezogen. Wenn wir in Innsbruck hätten bleiben dürfen ( wir waren Deutsche aus dem Altreich ) wäre ich heute auch einer, dem weniger Schuld angelastet würde. Wir wurden aber leider enteignet und des Landes verwiesen. Dies waren wieder viele Übereifrige die 1938 erst ja geschrieen haben und 1945 gleichlaut nein.

Meine Bindung an Tirol ist dadurch nicht getrübt, es gibt dort weitaus mehr Menschen die ich mag und nur sehr wenige die ich heute noch zum Himmel schießen würde. Aber der Boandlkramer hat die wenigen, schon aus Altersgründen, fest im Visier.


mart antwortete am 03.02.04 (20:04):

Tobias, du hast hier recht:


Die Deutschen und die Ostmärker haben den 2.Weltkrieg begonnen.


Karl antwortete am 03.02.04 (21:56):

@ mart

Was hat dein Beitrag vom 03.02.04 (19:09) mit dem Thema zu tun?

Zu deinem letzten Beitrag:
Richtig ist. "Deutsche haben den Krieg begonnen", aber ich behaupte Mal, mein Vater nicht. Als intelligente Frau weißt du genau was du sagst und ich frage mich, warum du deine Worte so wählst wie du es tust. Du willst verletzen, warum?


Wolfgang antwortete am 03.02.04 (23:01):

Ich moechte ueber einen Teil meiner Familie berichten... Meine Grosseltern muetterlicherseits haben vor der Diktatur nie die HITLER-Bande gewaehlt. Als Katholiken waehlten sie das katholische 'Zentrum'. Als HITLER an die Macht kam, wurde das von den beiden als grosses Unglueck empfunden. Waehrend der Diktatur wurde mein Grossvater bedraengt, Mitglied der NSDAP zu werden. Er war ein 'kleiner' Beamter und haette sich dadurch ein, zwei weitere Stufen auf der Karriereleiter erkaufen koennen. Er lehnte es aber immer ab, Parteimitglied zu werden. Zuhause hoerte er per selbstgebasteltem Radioempfaenger 'Feindsender' und war gut informiert ueber das, was die Faschisten verschwiegen.

Zu einem nennenwerten Widerstand reichte es nicht... Sieben kleine Kinder waren da. Die galt es zu versorgen.

Jeden Tag, so erzaehlte es mir meine Mutter, wurde abends vor dem Abendbrot gebetet: 'Gib, dass bald Frieden ist!'

Ich denke, dass es viele solcher Familien in Deutschland gab. Die wollten auf gar keinen Fall den Krieg und haben ihn auch nicht angefangen oder unterstuetzt, weder direkt noch indirekt, noch haben sie an ihm profitiert. Am Ende des Krieges waren sie Opfer und verloren Hab' und Gut, behielten aber Gott sei Dank fast alle ihr Leben (bis auf die Juengste, die starb aufgrund der schlechten Zustaende in den letzten Kriegsmonaten).

Meine Grosseltern und ihre Kinder waren bzw. sind Deutsche. Ich koennte noch eine Geschichte erzaehlen, die ein ganz anderes Bild malt. Vielleicht spaeter mal. Worum es mir geht: Die Behauptung, "DIE" Deutschen haetten den Krieg begonnen, ist falsch. Wie es ueberhaupt falsch ist, von "DEN" Deutschen, Franzosen etc. pp. zu sprechen.

Tatsache ist, dass eine verbrecherische wirtschaftliche, politische und militaerische Kaste mit der Verfuegungsgewalt ueber Ressourcen - vielleicht ein paar tausend Deutsche - einen Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat.


julchen antwortete am 04.02.04 (05:34):

@ Eko

ich war noch nicht geboren, aber meine Oma und der Rest der Familie wusste damals was los war.
Natuerlich konnten die nichts mehr tun. Hat ja auch
niemand behauptet.
Die Sache war ausser Hand, abgemacht, und lebensgefaehrlich auch nur zu sagen, dass man was
ahnte.
Darum geht es doch gar nicht.
Es geht darum dass das "Wegkucken" im Kleinen
schon wieder anfaengt und das akzeptieren dass eben
dieses "Wegkucken" welches, sehr wohl stattgefunden hat, immer noch geleugnet wird.
Nicht mehr und nicht weniger! Schuldzuteilung ist
doch Hirnverbrannt!

Nein Tobias, das tue ich eben nicht!
Ich habe noch nie eine andre Fahne geschwungen als meine. Mit der naechsten US Politik/President kann sich das alles aendern. Was ich fuer richtig und wichtig halte steht und faellt mit mir, nicht mit einem Presidenten oder einer Politik.

Karl:
...Wenn Du damit glaubst, friedensliebende Deutsche diffamieren zu können, dann ist das so etwas an Niedertracht, dass ich sprachlos .......

Karl, Ich weiss dass Du ein friedliebender Mensch bist,
du bist der Hippie unter uns allen hier und ich finde das
sehr ehrsam und wuenschte fast wir alle koennten so sein,
aber, flower power gibt's nicht mehr. Es ist wieder business as usual - und NIEMAND auch Deutchland nicht hat die Pacht auf Friedfertigkeit.
Und da heisst es ich sei blauaeugig.............


schorsch antwortete am 04.02.04 (09:55):

@ Wolfgang: "...Worum es mir geht: Die Behauptung, "DIE" Deutschen haetten den Krieg begonnen, ist falsch...."

Natüüüürlich, Wolfgang - alle anderen warens!


BarbaraH antwortete am 04.02.04 (11:20):

schorsch,

Du enttäuscht mich sehr, da Du offenbar auch einer Verallgemeinerung das Wort reden möchtest, oder verstehe ich Dich da falsch? Wer sind denn in Deinen Augen DIE Deutschen, DIE Schweizer, DIE Österreicher?

Wolfgang schrieb u.a.:

>>Es wurde mir auch bewusst, wie machtlos der 'kleine' Mensch ist, ist da erst einmal eine Polizei- und Militaermaschinerie, die sich breitgemacht hat und alles wegraeumt, was sich ihr in den Weg stellt.

Ab dann ist es vorbei mit dem Recht und man kann - im besten und deswegen eher seltenen Fall - nur noch wenig fuer das Recht und fuer die Opfer tun.<<

Das ist doch auch heute die große Gefahr, dass in Situationen der Verunsicherung, z.B. aktuell mit dem Argument drohender Terrorangriffe, Bürgerrechte gekappt und Polizei- und Überwachung aufgebaut werden.... natürlich alles zum angeblichen Schutz der Bevölkerung.... und irgendwann gehen einem die Augen auf... und es ist zu spät, um sich als Einzelner wehren zu können.

Es wäre so schön, könnten wir aus den bitteren Erfahrungen unserer Eltern und Großeltern lernen....


Wolfgang antwortete am 04.02.04 (14:41):

Es ist schade, Schorsch, dass Du versuchst, meine Beitraege sinnentstellend zu kommentieren. Ich wiederhole deshalb: DIE Deutschen haben nicht den Krieg begonnen... Es waren Deutsche, genauer gesagt, Deutsche, die in hohen Positionen der Wirtschaft, der Politik und der Armee sassen, die den Krieg vom Zaune brachen. Ich nenne sie kurz die HITLER-Bande.

Deren einziges Programm war der Krieg. Diesen Krieg fuehrten sie nicht nur nach aussen. Von Anfang an richtete sich deren Krieg auch gegen deutsche Menschen.

Sie konnten diesen Krieg nur vom Zaune brechen, weil es eine hinreichend grosse Zahl meist maechtiger UnterstuetzerInnen gab. Dann waren da noch die vielen MitlaeuferInnen, vielleicht ein paar Millionen. Dann waren da noch die, die keine MitlaeuferInnen waren, sondern machtlose Menschen, die sich aus gutem Grund nichts zu sagen getrauten - wahrscheinlich auch Millionen. Und dann waren da noch (geschaetzt) mehr als hunderttausend Menschen, die GegnerInnen der HITLER-Bande waren, von denen zehntausende ihr Leben lassen mussten. Alle waren das Deutsche.

Von DEN Deutschen, die sozusagen wie ein monolithischer Block die HITLER-Bande unterstuetzt haetten, kann ueberhaupt keine Rede sein. Die HITLER-Bande behauptete das zwar in ihren wilden Propagandaschlachten. Aber die logen bekanntlich, dass sich die Balken bogen.


julchen antwortete am 05.02.04 (07:59):

Wolgang kuckt immer noch nach Hinten


Wolfgang antwortete am 05.02.04 (09:14):

Nun, wenn ueber Geschichtliches diskutiert wird, ist diese Blickrichtung nicht unueblich. *fg*

Richte ich aber meinen Blick nach vorn, lerne ich also aus der Geschichte (was der Zweck des Blicks nach hinten ist), dann sage ich: Es ist wichtig, RECHTZEITIG (d. h. vor dem Beginn der Diktatur), den Maechtigen die Zuegel anzuziehen, und ihnen auf gar keinen Fall ein Ermaechtigungsgesetz in die Hand zu geben.


Karl antwortete am 05.02.04 (15:35):

Diejenigen, die heute den Mächtigen gegenüber Wohlverhalten einfordern, sind viel näher an dem "schuldhaften Verhalten unserer Väter" als diejenigen, die sich den Mund nicht verbieten lassen.


wolkenull antwortete am 05.02.04 (19:02):

Gute zeit alle mitnand,

jetzt ist also die Frage nach allen Richtungen verzogen, gedreht und immer wieder nach Schuld und Anerkennung diskutiert, aber es bleibt:
warum - wie
ist es möglich, das die Familie Mengele, die zweifellos und nachgewiesenermaßen dem Täter Hilfe, Unterkunft und materielle Unterstützung gegeben hat, keinerlei Reue zeigt - das Landmanschinen-Unternehmen den Namen weiterführt und mit Straßennamen etc pp geehrt wird?
Wo ist die Frage nach der Reue...
Wie ist dieser Mangel an Reue der nächsten Generation zu erklären...?
Der Nachbar und seine Kinder mußte zuletzt den gelben Schandstern an der Kleidung tragen,
die Nachbarin, nicht nur in Berlin, Dresden, Königsberg und Düsseldorf, selbst im kleinsten Dorf, wurde mit ihren Kindern als Ausssätzige und schlimmer noch - von allem öffentlichen Leben "ausgesperrt"
der J-"gestempelte" Mensch durfte nicht mehr einkaufen...?
Es hat doch jeder Mensch gesehen...?

wo bleibt, wo ist die Reue...?
Und vor allem - wie der nächsten Generation, dieser sogenannten Kopftuch- und "Pisa"-Jugend das alles "erklären..."?


Wolfgang antwortete am 06.02.04 (14:16):

Nicht uebertreiben, wolkenull... Viele Deutsche (vor allem aus der juengeren Generation) haben sich bemueht und Erinnerungs- und Aufklaerungsarbeit geleistet.

Auch Guenzburger Buerger haben an der 'Aufarbeitung der Vergangenheit' (wie das gerne genannt wird) aktiv mitgewirkt. Das Bild, dass ALLE Guenzburger einen Verbrecher gedeckt haetten, ist schief. Der 'Mythos Guenzburg', diese mediale Inszenierung einer Stadt voller angeblicher MENGELE-HelferInnen, entspringt - vorsichtig ausgedrueckt - nicht einer serioesen Berichterstattung.

Es lohnt sich zu lesen, z. B. in der Guenzburger Zeitung (GZ) selbst, die unlaengst einen Artikel zum Thema brachte: "Mengele und der 'Guenzburg-Mythos'. Buchautor Sven Keller ueber den NS-Massenmoerder und hartnaeckige Verschwoerungstheorien in dessen Heimatstadt", GZ, 04.10.2003

Internet-Tipp: https://www.guenzburger-zeitung.de/


mart antwortete am 06.02.04 (15:28):

Die Zeit 52/2003 (17.12.03)


"...Kein Wunder also, dass viele der Mythen, die um Mengele, seine Flucht und seinen Tod ranken, in dieser Stadt ihren Ausgang nahmen. Diese sind Thema der Magisterarbeit des ebenfalls aus Günzburg stammenden Sven Keller, mit der Rezensent Walter jedoch nicht ganz einverstanden ist...

"Sven Keller, selbst Günzburger, interessiert vor allem, was Normalbürger, die Presse und die Familie Mengele über den Verbleib des NS-Verbrechers wissen konnten und wussten. Dass sein Urteil über die Familie, die immer über den Verbleib ihres Verwandten informiert war, hart ausfällt, ist verständlich. Doch mit der Entlastung seiner Heimatstadt übertreibt er es deutlich, sodass die Fragestellung der Studie insgesamt etwas schief wirkt. Dass Tausende von Günzburgern nicht den genauen Aufenthaltsort des NS-Verbrechers kannten, versteht sich fast von selbst. Spricht das die Stadt für ihren jahrelangen passiven und beschönigenden Umgang mit dem „Problem“ Mengele frei?

Zwar untersuche der Autor Mengeles Fluchtweg mit "stupender Genauigkeit", doch seine Schlussfolgerungen behagen dem Rezensenten nicht ganz.

Seiner Meinung nach laufen sie auf eine Entlastung der Stadt hinaus, die zwar- im Gegensatz zu Mengeles wohlunterrichteter Familie - nicht wissen konnte, wo der Massenmörder steckt, aber dennoch jahrelang einen "passiven und beschönigenden Umgang" mit dem Problem Mengele pflegte."

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/52/P-Mengele


Wolfgang antwortete am 06.02.04 (16:16):

Wie gesagt: Es gibt immer und ueberall so 'ne und solche. Ein paar Guenzburger, zu denen sicher auch SVEN KELLER gehoert (dessen Buch ich gelesen habe und das ich empfehle), haben sich der Aufgabe gestellt. Meine Erfahrung: Diejenigen, die sich bemuehen um die Wahrheit, sind deutlich in der Unterzahl. Sie werden haeufig auch als 'Nestbeschmutzer' der 'eigenen' Seite beschimpft. Oder, man fordert sie auf, aufzuhoeren mit der unbeliebten Rueckschau, und endlich 'nach vorne zu blicken'.

Die eifrigen Verdraenger und Verleugner der Unzulaenglichkeiten der 'eigenen' Seite sind dagegen deutlich in der Mehrzahl. Das unkritische Favorisieren der 'Ingroup' und das ebenso unkritische Diskriminieren der 'Outgroup' ist leider allzu beliebt. Fuer die 'Mengeles' dieser Welt ist das gut.

Dahinter steckt ein psychologisches Phaenomen. Die Theorie der sozialen Identitaet (social identity theory) eines HENRI TAJFEL et al. erklaert vieles. Aber, das Interesse an dieser Theorie (wie ueberhaupt das Interesse daran, der Wahrheit naeher zu kommen) ist nicht sehr verbreitet... Dafuer werden um so mehr unzulaessig verallgemeinernde, mitunter ganze Nationen bzw. Voelker umfassende Vorurteile gepflegt (Faschisten, die immer Rassisten sind, und ihre Gefolgschaft sind wahre Meister darin). - Allzu menschlich ? Ich fuerchte, ja, so ist es ! :-(


wolkenull antwortete am 06.02.04 (18:15):

Ja.... mart hat also das Zitat gebracht...Rechtens..
Und hier ist es meine, die weiderholte Frage: ...so bleibt denn keine Möglichkeit den kommenden, den folgenden "Menschen.." die furchtbaren Folgen des Schweigens, der Furcht und der Verzicht auf Ethik, Moral und "Recht-Tun" vor zu zeigen?
Hexenhammer=multi-mediale Info, Ketzer-Verbrennung=unliebsam ins KZ,Inquisition=Anzeige/Verleumdung - alles wie gehabt...?
Teutsch Sein...?

@wolfgang... dann bleibt alles beim "Alten..."??
Aber es wurden doch sogar in der Schwyz jetzt die Fluchthelfer-Verurteilten "Frei gesprochen..."
Und Joh.-Papst Paul d. II - betet doch mit allen Religions-Angehörigen...? War in Jerusalem-Moschee beten..
Jugendliche, die nächste und die folgenden Generationen sollten doch wissen "dürfen"!
Und nicht nur in Günzburg.. Straßennamen etc pp - auch Dachau.. Weimar, Düsseldorf und alle anderen Verbrechen deutlich"st" weitergebend kenntlich machen "wollen"...
Es existierten z.B. in Düsseldorf - abgesehen von der Heine-Demontage Straßen- Ortsnamen-Änderung und Bücherverbrennung - 1943 mehr als 100 KZ-Außenarbeitsstellen...
Also war es nicht nur der Stern an der Kleidung, auch "verschwindende Nachbars-Kinder..", leere Wohnung zur Verteilung etc etc ect..
all das müßte doch ethisch-moralisch gut-deutsch "tue recht und scheue niemand" als immer wieder zu lesende, hörende "multimediale" Information weitergegebn werden...?


Wolfgang antwortete am 06.02.04 (20:25):

Wie kommst Du denn darauf, wolkenull, dass es keine Moeglichkeit gebe, "die furchtbaren Folgen des Schweigens, der Furcht und der Verzicht auf Ethik, Moral und 'Recht-Tun' zu zeigen" ? - Diese Moeglichkeit gibt es und sie wurde und wird eifrig genutzt. Weisst Du denn nicht, wie intensiv in unseren Schulen informiert wird ueber die (Un-)Taten, die Deutsche begingen ? Weisst Du nicht, wie viele lokale Projekte es gibt, um vor Ort und anhand konkreter Faelle die unselige Zeit aufzuarbeiten ? Weisst Du nicht, wie viele Aktionen, Tagungen, Seminare, Fernsehsendungen, Kinofilme, Webseiten sich mit der Zeit der HITLER-Bande und ihren grossen und kleinen Akteuren beschaeftigen ?

Es ist mittlerweile so viel Aktionismus, es gibt eine solche Fuelle an Informationen, dass die Aktionisten aufpassen muessen, dass sie - obwohl sie guter Absicht sind - nicht moeglicherweise nur das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich erreichen wollten.

Ob aber aus der Geschichte das Richtige gelernt wurde ? - Ganz ehrlich: Ich bin mir nicht mehr sicher. Die Geschehnisse rund um den und seit dem '11. September' haben mich skeptisch werden lassen. Davor haette ich noch gesagt: Ja, es wurde gelernt. Doch jetzt sage ich: Das Recht wird wieder mit Fuessen getreten... Wieder masst sich eine kleine maechtige Gruppe von Menschen die Welteroberunng an... Wieder verfaengt ihre (zugegeben, geschickt gemachte) Propaganda bei allzuvielen... Wieder haben sie ein Millionen zaehlendes klatschendes oder beredt schweigendes Publikum... Wieder haben es Maechtige geschafft und sich Ermaechtigungsgesetze (die laufend ausgebaut werden) sichern koennen... Wieder gibt es Angriffskriege (um 'Frieden' und 'Freiheit', wie die Angriffskrieger sagen, in Wahrheit aber um den letzten Tropfen Oel)...

Der Kampf ums Recht ist noch nicht verloren. Er kann noch zu Gunsten des Rechts, speziell des Voelkerrechts ausgehen. Dass der Ausgang dieses Kampfes aber ungewiss geworden ist, das haette ich vor ein paar Jahren noch nicht zu denken gewagt. Ich war mir zu sicher damals und dachte, hinreichend viele Menschen weltweit haetten gelernt, das Richtige rechtens zu tun.


mart antwortete am 07.02.04 (00:49):

<<Der Kampf ums Recht ist noch nicht verloren<<

Du übersiehst, daß "das Recht" vielerorts ungenügend ist und das "die Rechtsprechung" oftmals völlig neben dem Recht liegt -(z.B. denke ich an die erbärmliche Situation von Frauen in ländlichen Regionen von Pakistan) - es gibt von beiden, ungenügendes Recht und ungenügende Rechtsprechung eine Unmenge von Beispielen.


Das Recht hat nur vom Wort her Ähnlichkeit mit der Gerechtigkeit - natürlich in einer hehren Theorie müßten diese Begriffe deckungsgleich sein - nur war es das nie und kann es wohl auch nicht sein. Übrigends eine der ersten Lektionen für Juristen.

Aber könnten wir uns alle hier und auf der ganzen Welt einigen, was Gerechtigkeit ist? Natürlich auf abstrakter und vollkommener grundlegender Ebene schon - aber schon bei klitzekleinen realen Fällen fangen die Schwierigkeiten an.

<<Er kann noch zu Gunsten des Rechts, speziell des Voelkerrechts ausgehen.<<
Das Völkerrecht ist in der jetzigen Form ungeeignet - z.B. gilt es nicht für die Probleme von Minderheiten innerhalb eines Staates.

Und drittens - Nur Gesetze alleine genügen nicht - sie müssen angewandt und durchgesetzt werden können.


Aber zu wolkenulls Frage zurück, so etwas Schreckliches hat es immer gegeben, gibt es zur Zeit und wird es m.M.immer wieder geben.


Wolfgang antwortete am 07.02.04 (02:32):

Wichtig ist, dass jede(r) weiss, dass die Angriffskrieger dieser Welt ihre Angriffskriege illegal fuehren. Was ihnen noch zu ihrem Glueck und zur Freiheit vor Strafe fehlt, ist die Legalitaet. Deshalb versuchen sie verzweifelt und bis jetzt ohne Erfolg, das Voelkerrecht abzuschaffen. Das ist ihnen ein Dorn im Auge, weil es Angriffskriege verbietet.


ricardo antwortete am 07.02.04 (09:37):

Hallo Wolfgang
Frage:
Führst du hier nicht gerade einen Angriffskrieg?
ziemlch verzweifelt dazu?
Je lauter man wird,
desto weniger werden zuhören.
gilt natürlich auch für mich!
Schönes Wochenende!