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THEMA:   Türkei mißachtet die Menschenrechte

 29 Antwort(en).

mart begann die Diskussion am 23.01.04 (00:22) mit folgendem Beitrag:


Appell an die Türkei: Reformen in die Praxis umsetzen
21.01.2004 Menschenrechte



„...Im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit der EU verspricht die Türkei seit einigen Jahren die Rechte der nicht-türkischen Gruppen zu schützen.

"Dabei ist es nicht allzu lange her, dass die Türkei die Rechte der Kurden immer wieder missachtet hat und z.B. als einziger Staat den Gebrauch der kurdischen Sprache per Gesetz verboten hat. Diese minderheitenfeindliche Einstellung der türkischen Politik wirkt offensichtlich noch weiter: Vor wenigen Tagen wurde der Vorsitzende der pro- kurdischen HAK-Partei, Abdulmelik Firat, zu sechsmonatiger Haft und einer Geldstrafe verurteilt, weil er bei der Eröffnung eines Kongresses das Publikum mit "Roj Basch" (auf kurdisch "Guten Tag") begrüßt hatte: Und trotz Beschluss des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind die kurdischen Abgeordneten (u.a. Leyla Zana), die seit über zehn Jahren gefangengehalten werden, weil sie es im Parlament gewagt hatten kurdisch zu sprechen, noch immer nicht freigelassen worden. Nach wie vor sind auch der Besuch von privaten Sprachkursen und der Betrieb von kurdischen Radio- und TV-Sendern so strengen Restriktionen unterworfen, dass die Ausübung dieser Minderheitenrechte praktisch verunmöglicht wird. Fälle von Folter und andere Vergehen gegen die Menschenrechte sind nach Angaben der türkischen Menschenrechtsorganisation IHD sogar weiter gestiegen.

"Auch Amnesty International beklagt nach wie vor die hohe Anzahl von Folterungen. Vergewaltigungen von kurdischen Frauen durch türkische Soldaten kommen erst nach jahrelanger Verzögerung, verursacht durch die türkischen Staatsanwaltschaft, vor Gericht und eine gerechte Bestrafung ist auch nicht zu erwarten. All diese aktuellen höchst unerfreulichen Vorgänge belegen, dass der Türkei offensichtlich wenig darin liegt, die wegen des EU-Beitrittsmechanismus in Angriff genommenen Verbesserungen und Reformen in die Praxis umzusetzen.

"Im Gegenteil: Viele Indizien deuten darauf hin, dass die Türkei der EU vieles nur vortäuscht oder leere Versprechungen macht, um das Ziel, nämlich den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, zu erreichen....“

Internet-Tipp: https://www.presseraum.at/main/main_0.php?dbsearch=1&msgid=437


Medea. antwortete am 23.01.04 (08:56):

Ende des Jahres entscheidet die Europäische Union darüber, ob sie Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnimmt.....
Es ist abzusehen, daß die Türkei Thema des Europawahlkampfes wird - die Wahl findet am 13. Juni 2004 statt. Joschka Fischer wirbt unermüdlich für den Beitritt, Angelika Merkel ist der Ansicht, daß ein Beitritt die "Integrationsfähigkeit der EU klar überfordern würde".
Sie favorisiert eine "privilegierte Partnerschaft".
Mir scheint das ein gangbarer Weg zu sein.
In der Türkei liegt noch so vieles im Argen (siehe vorstehende Berichte), da muß noch Grundsätzliches an Reformanstengungen geleistet werden, um eine Vollmitgliedschaft in der EU zu erreichen.


Wolfgang antwortete am 23.01.04 (09:34):

Ich bin dagegen. die Tuerkei in die EU zu lassen (egal, ob als Mitglied oder als 'privilegierter' Partner), so lange dort die Menschenrechte in eklatanter und systematischer Art und Weise verletzt werden.

Nicht erst seit dem '11.9.' gibt es die Tendenz, 'Schurken' und 'Schurkenstaaten' zu hofieren und hoffaehig zu machen, wenn sie nur ausreichend gegen islamistische Fundamentalisten vorgehen. Ueber Verbrechen (Mord, Folter), ausgeuebt von staatlichen Stellen, wird immer dann grosszuegig hinweggesehen, wenn es nur die 'Richtigen' trifft.

Meine Meinung: Die tuerkischen Behoerden haben ueber lange Zeit oeffentlich den Beweis zu erbringen, dass sie sich an alle rechtlichen Standards der EU und der UN halten. Tun sie das nicht, muss der Tuerkei der Zugang zu EU verwehrt bleiben.


Medea. antwortete am 23.01.04 (09:49):

Wolfgang !
Da bin ich glatt platt - aber ich freue mich!
Und ich habe mich so "vorsichtig" geäußert, um nicht gleich wieder in den Verdacht zu geraten, ich wäre aus islamischen Gründen gegen einen Beitritt, obgleich Folter und Mord an der Tagesordnung sind ....


Wolfgang antwortete am 23.01.04 (10:10):

Wieso bist Du platt, Medea... Ich weiss nicht mehr in wie vielen Beitraegen ich die Menschenrechtsverletzungen von Potentaten (egal, wo so sie herstammen und egal, an wem sie ihre Verbrechen begehen) thematisiert habe.

Im Moment draengt ja die aktuelle US-Adminsitration die Europaeer, nicht so streng mit der Tuerkei umzugehen, und die EU- und UN-Rechtsmasstaebe nicht anzulegen. Das geschieht im Namen des 'Kampfes gegen den Terrorismus' (wie das genannt wird). Gemeint ist der (meist private) islamistische Terrorismus; der eigene (meist staatliche) Terrorismus soll dagegen weitergehen.

Die Tuerkei soll aufgebaut werden als Bollwerk gegen den islamistischen Terrorismus.

Ich bin aber der Meinung, dass (vor allen wirtschaftlichen Kriterien) jemand, der an der Tuer der EU anklopft, glasklar uznd ueber einen langen Zeitraum zu beweisen hat, dass staatlicherseits nicht gemordet und gefoltert und unterdrueckt wird.

Das Spiel mit den 'eigenen' angeblich 'guten' Schurken mache ich nicht mit.


mart antwortete am 23.01.04 (10:59):

Einen Grund für den "sanften" Druck der US-Regierung die Türkei möglichst rasch aufzunehmen, liegt m.E. darin, sich die EU als doch gefährlichen Konkurrenten vom Hals zu schaffen.

Wie man sieht, können Beitrittskanditaten schon im Vorfeld des Beitritts die sensible (und für mich ausgesprochen undemokratische) Konstruktion der EU bis zum Zerreißen spannen.

Waren nicht immer schnelle Vergrößerungen eines "Herrschaftsbereichs" in der Vergangenheit der Anfang vom Ende?

Bis dahin haben aber viele, sehr viele Gelegenheit Geld zu machen.


Mechtild antwortete am 23.01.04 (12:07):

„Ich bin aber der Meinung, dass (vor allen wirtschaftlichen Kriterien) jemand, der an der Tuer der EU anklopft, glasklar und ueber einen langen Zeitraum zu beweisen hat, dass staatlicherseits nicht gemordet und gefoltert und unterdrueckt wird.“
Der Überzeugung bin ich auch. Trotzdem halte ich es aus friedenspolitischen Gesichtspunkten für richtig, mit der Türkei im Gespräch zu bleiben und ihr die Option offen zu halten EU-Mitglied zu werden. Es ist eine Möglichkeit die Türkei zu zwingen u.a. die Menschenrechte einzuhalten. Die arabischen Länder liegen vor unserer Haustüre sie sind ist nach dem Irakkrieg noch mehr ein Pulverfass geworden. Die Türkei ist in vielerlei Hinsicht (Religion, Lage, die vielen Türken bei uns usw.) ein Bindeglied zwischen den arabischen Ländern und Europa.


Wolfgang antwortete am 23.01.04 (12:20):

Ja, Mechtild, das sehe ich auch so... Gespraeche miteinander fuehren, Ansichten austauschen... Mit der Tuerkei, das ist mir klar, wird es leichter sein, was den Dialog der Kulturen betrifft.

Aber die Menschenrechte muessen sie nachweislich (und die Beweispflicht liegt bei ihnen) einhalten. Da geht kein Weg dran vorbei. Wenn die EU ihre Rechtsstandards aufgibt, ist alles verloren.


Titus antwortete am 23.01.04 (20:52):

Die Türkei ist kein europäisches Land und ist auch kulturell von Europa sehr weit entfernt.

Wie soll mit der Türkei oder anderen islamischen Ländern ein Dialog der Kulturen stattfinden, wenn deren Ziel die weltweite Einführung des Islam als alleinige Religion offen verkündet und gefordert wird?

Natürlich haben wir auch Traumtänzer im eigenen Land. Das gibt es einen Herrn Rau, der sich in den Kopftuchstreit einmischt und keine Ahnung hat, worüber er redet.

Mehr zu diesem Reizthema zu sagen, das heißt offen zu diskutieren, würde eine sofortige Streichung des Beitrages bedeuten, mindestens......

Also hält Titus seinen Mund......


Wolfgang antwortete am 24.01.04 (02:41):

Ein Dialog der Kulturen ist moeglich. Allerdings muss er von hinreichend vielen Menschen gewollt werden. Jede(r) muss wissen, dass es, wenn der Dialog der Kulturen scheitert, nur den Krieg der Kulturen geben wird.


mart antwortete am 24.01.04 (11:34):

Nun es gäbe einen Dialog, wenn von allen Seiten die intellektuelle Möglichkeit gegeben wäre, zu diskutieren und nicht durch Pauschalurteile abzuwürgen.


Im Machtkampf der Mullahs im Iran hat sich jedenfalls Präsident Khatami, einst die Galionsfigur der Reformer, praktisch zerrieben.

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos beendete er seinen Auftritt als Stargast mit einer Geste, wie sie ein "Spin Doctor" angesichts der westlichen Kritik an der Rolle der Frauen im Iran nicht besser ausgedacht haben konnte:

Als sich noch viele Journalisten zur letzten Wortmeldung drängten, dekretierte er mit feinem Doppelsinn:

"Equality! one lady, one gentleman - and ladies first."


Wolfgang antwortete am 24.01.04 (11:51):

Man wird sich beharrlich um den Dialog bemuehen muessen und dem Widerstand dagegen (der von vielen Seiten kommt) ebenso beharrlich die eigene Dialogbereitschaft entgegensetzen muessen. Denn, wie gesagt, scheitert der Dialog der Kulturen, dann gibt es nur noch den Krieg der Kulturen.

Leider wird der von viel zu viel Menschen vor allem im 'Westen' gewollt. Warum ? - Weil der 'Krieg der Kulturen' (uebrigens ersonnen in rechten amerikanischen Think Tanks) nuetzlich ist im Krieg ums Oel.


Medea. antwortete am 24.01.04 (11:58):

Im derzeitigen iranischen Parlament haben die Reformer die Mehrheit, konnten aber viele Pläne nicht gegen den mächtigen Wächterrat durchsetzen. Die Machtfülle des Khomeni-Nachfolgers, des jetzigen Ajatolla Chamenei, ist zu groß. Die Hardliner seiner Umgebung sehen schon lange mit Argwohn die Annäherung der Regierung an den Westen und sie sehen jetzt ihre Stunde gekommen, die Reformer aus dem politischen Leben zu eliminieren. Der Machtkampf ist voll entbrannt.

(Korrespondentin Birgit Svensson)


mart antwortete am 25.01.04 (00:24):

Aus einem Interview mit Bassam Tibi, veröffentlicht am 9.1.04


Bassam Tibi:
.....Ich beobachte mit Sorge die Türkei. Ich war immer dafür, dass institutionelle Islamisten an der Regierung beteiligt werden dürfen, Verbote sind keine Lösungen. Aber ich möchte nicht, dass sie mit Zweidrittelmehrheit regieren. Sie ändern bereits die Gesetze im Sinne der Desäkularisierung.

tachles:
Glauben Sie, dass die Türkei weiter Richtung Europa demokratisiert wird?

Bassam Tibi: Der Kampf zwischen Islamisten und Laizisten ist in der Türkei noch offen.

tachles:
Wer, glauben Sie, macht das Rennen?

Bassam Tibi:
Ich würde sagen, die Islamisten haben jetzt eine sehr etablierte Machtposition. Sie haben den Staat in ihrer Hand. Aber die Kemalisten sind noch da. Ihr Problem ist, dass sie dogmatische Laizisten sind. Ich habe bei Besuchen in der Türkei in Dialogen mit Kemalisten immer gesagt, dass ich ihr Verbündeter sei, aber solange sie den Islam als Ethik nicht umarmen, würde der Zug an ihnen vorbeifahren. Mit dogmatischem Laizismus kommt man heute nicht mehr weiter, und das ist jetzt auch im arabisch-israelischen Konflikt ersichtlich. Israel kann kein laizistischer Staat werden, denn das Judentum ist die Identität Israels. Das muss man irgendwie akzeptieren, das heisst, den jüdischen Geist – aber nicht die Halacha.

tachles:
Israel muss also auch die Trennung zwischen Staat und Kirche erreichen, um das Problem lösen zu können?

Bassam Tibi:
Ja. Ich glaube, dass Israel auf der Basis der Halacha und die benachbarten islamischen Staaten auf der Basis der Scharia keine Ansätze für eine Annäherung und Lösung finden werden. Auf diese Weise wird es keinen Frieden geben.

© 2004 tachles Jüdisches Wochenmagazin


Medea. antwortete am 25.01.04 (12:19):

Bassam Tibi ist ein profunder Kenner des Islam, aus dessen Wurzeln er kommt. Ich habe mehrfach seine Vorträge gehört, er sieht die Schwächen dieser Religion, er tritt nicht nur als Warner, sondern auch als Wegzeiger auf. Der Westen wäre gut beraten, seinen Ausführungen mehr Gehör zu schenken. Er sieht mit größerer Deutlichkeit, was sich in der Türkei seit der islamistisch gefärbten Regierung tut und das der dortige Staat in deren Hand ist.
Menschenrechtsverletzungen "mal eben so" abzustellen, um die Aufnahme in die EU zu erreichen, wäre ein sehr langer Prozeß, der in den Köpfen und Herzen der Verantwortlichen beginnen muß. Das kann ich leider überhaupt nicht sehen.


Wolfgang antwortete am 25.01.04 (12:40):

Die Rechtsstandards der UN und der EU muessen alle einhalten, die in die EU wollen, sagte ich. Ich traue es den Verantwortlichen in der Tuerkei zu, dass sie das schaffen werden, weil sie aus guten Gruenden in die EU reinwollen. Wenn nicht, bleiben sie eben draussen vor der Tuer.

Fuer uns ist es ein schmaler Grat, Medea, der gegangen werden muss. Wir duerfen nicht anderen Nationen und ihren Menschen sagen, dass sie ein fuer allemal draussen bleiben muessen - egal, wie sie sich auch anstrengen, reinzukommen.


Wolfgang antwortete am 25.01.04 (12:59):

Ein Webtipp zum Thema (im weiten Sinne) und zu der Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in amerikanischen Think Tanks ausgebrueteten Ideologie vom sogenannten 'Krieg der Kulturen':

FREITAG 31 - 21.09.2001
Abwehrzauber
KRIEG DER KULTUREN - Wie Samual P. Huntington trotz Dementierung seiner Thesen die gegenwärtige Politik beeinflusst
Von ULRIKE BAUREITHEL
https://www.freitag.de/2001/39/01391101.php

Frau BAUREITHEL beendet ihren Beitrag mit den Worten:

"Zu den nachhaltigsten Denkfehlern des Huntington-Modells vom clash of civilizations [Zusammenprall, gemeint ist, Krieg der Kulturen, W. M.] aber gehoert die Vorstellung von rundum abgedichteten 'totalen Kulturen' mit einer Gruppen von Menschen bestimmenden 'Wesensart'. Da Kulturen jedoch in Raum und Zeit existieren und weder physikalisch noch biologisch begruendbar sind, sondern in einem lebendigen Beziehungs- und Austauschverhaeltnis zueinander stehen, ist diese oppositionelle Betrachtung voellig obsolet. Die Kriegsfront [...] wird keine zwischen den 'Kulturen' sein, aber vielleicht eine, die die 'politischen Kulturen' - die des Interessensausgleichs und die rabiater Wertentscheidungen - auf die 'dezisionistische' Probe stellt."

So weit das Zitat... Ich plaediere fuer den Interessenausgleich, in dem die Tuerkei als Mittler zwischen Morgenland und Abendland eine wichtige Rolle spielt. Hoffen wir, dass die 'rabiaten Wertentscheider' nie zum Zuge kommen... Die Folge waere Krieg.

P.S.: 'Dezisionismus' bzw. 'dezisionistisch' zu erklaeren ist nicht einfach... Bei ILMES gibt es eine einfache Erklaerung: https://www.lrz-muenchen.de/~wlm/ilm_d14.htm

Internet-Tipp: https://www.freitag.de/2001/39/01391101.php


Karl antwortete am 25.01.04 (13:06):

Ich würde gern meinen Eröffnungsbeitrag zum Thema "Eine Chance für die Versöhnung der Welten: Der EU-Beitritt der Türkei!" in Erinerung rufen (s. Link). Ich bin immer noch davon überzeugt, dass wir die einmalige Chance zur Versöhnung der verschiedenen Welten nicht verpassen dürfen. Ich sehe weiterhin keine Alternative.


So wie die Ostpolitik von Brandt richtig war, sie löste den gordischen Knoten des Kalten Krieges durch den Abbau der Konfrontation, so muss eine gute Politik gegenüber der islamischen Welt Konfrontation abbauen und Kommunikation an deren Stelle setzen.

Ich sehe in der Möglichkeit, die Türkei in Europa stabil zu verankern, eine Chance für die Integration der in Europa lebenden Millionen von Muslimen. Wir haben hier in den Diskussionen ja bisher immerhin herausgearbeitet, wie heterogen auch die Strömungen innerhalb des Islams sind. Es gilt diejenigen Strömungen zu stärken, die für Demokratie und Menschenrechte eintreten und die Reformierung der Türkei im Sinne der EU-Standards ist hierbei eine geschichtliche Großchance, die es vehement zu Unterstützen gilt.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv6/a1197.html


BarbaraH antwortete am 25.01.04 (13:30):

Mitunter kann zum Verständnis anderer Kulturen auch hilfreich sein, nicht einmal hundert Jahre zurückzuschauen, um sich die enorme Entwicklung der Wertvorstellungen in unserem Lande vor Augen zu führen.

Kriege bringen Elend, Not und Verzweiflung... das sollte niemand leugnen können. Vorurteilslose Kommunikation ist die einzige Möglichkeit, die uns wirklich weiterbringen kann. Das ist ein mühseliger Weg, der viel Geduld und Zeit erfordert... er ist jedoch ohne Alternative.


schorsch antwortete am 25.01.04 (17:28):

Ich denke, wer nicht bereit ist, seine Vergangenheit offen vor der Weltgemeinschaft zu verarbeiten, sondern sie negiert, ist auch noch nicht berechtigt, in dieser Weltgemeinschaft Gleichberechtigung zu erheischen!


Wolfgang antwortete am 26.01.04 (11:48):

Ein Gespenst geht um in Europa... Das Gespenst vom angeblich gefaehrlichen Islam und vom angeblich boesen Muslim. Wie alle Gespenster-Diskussionen deckt diese Diskussion nicht die Wirklichkeit (die wirtschaftliche Basis) auf, sondern soll als ideologischer Ueberbau diese Wirklichkeit zudecken.

Eine wichtige Funktion hat also das Gespenst: Es ist die passende Ideologie zum weltweiten Krieg um den letzten Tropfen Oel (das bekanntlich vor allem dort geraubt werden muss, wo Muslime besonders zahlreich vertreten sind).

Der Politikwissenschaftler JOCHEN HIPPLER hat einen interessanten Aufsatz zum Thema geschrieben:

Anstatt einer notwendigen Satire:
Eine kleine Polemik zum Clash of Civilizations nebst einigen Anmerkungen zum Islamismus
https://makeashorterlink.com/?C16312037

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?C16312037


BarbaraH antwortete am 26.01.04 (14:19):

Danke, Wolfgang, für diesen lehrreichen Aufsatz von Jochen Hippler.

Hippler warnt darin vor einem "Kulturrassismus":

>>Nicht Interessenunterschiede führen zu Konflikten, sondern die bloße Tatsache der Andersartigkeit von Kulturen beinhaltet die Kriegsgefahr... Die Andersartigkeit wird allerdings nicht mehr wie im klassischen Rassismus genetisch begründet, sondern kulturell. Die Werte und Denkweisen seien so verschieden, daß eine Verständigung oder gar wechselseitige Befruchtung kaum denkbar ist. Nur militärische Lösungen versprechen Erfolg. Der pakistanische Außenminister Sardar Aseff Ahmad Ali hat die Sorgen vieler Beobachter im Nahen und Mittleren Osten zu dieser Diskussion sehr undiplomatisch auf den Punkt gebracht. Er formulierte: „And the thesis of [a clash of] civilizations which is propounded by Harvard Professor Huntington is indeed shocking. It is full of racial undertones. It might easily have been written by Adolf Hitler. I find very little difference between Adolf Hitler’s „Mein Kampf“ and Professor Huntington’s thesis of civilizations going to war....<<

Wohin Hitlers Ideen geführt haben, ist inzwischen bekannt.
Gegen die Aneignung der Ideen Huntington's können wir noch etwas unternehmen...

Internet-Tipp:
https://makeashorterlink.com/?C16312037

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?C16312037


mart antwortete am 28.01.04 (00:20):

Völkermord an Millionen Armenier (vor 90 Jahren) immer noch ein Tabuthema:

Mit dem Film "Ararat" setzt sich Atom Egoyan mit dem armenischen Genozid auseinander - und dreht dabei seinen bisher persönlichsten Film.

aber ein Fall für die Zensur?


Bereits vor der Erstaufführung sorgte der Film "Ararat" in der Türkei für Aufruhr.

Zuerst wollte die Regierung den Film gänzlich boykottieren. Dann einigte man sich auf eine zensierte Version, in der "offensive" Stellen einfach herausgeschnitten werden sollten.



Offiziell freigegeben, kommt der Film "Ararat" von Atom Egoyan in der Türkei dennoch nicht in die Kinos


Vor zwei Wochen gab der Belge-Filmverleih, der die Aufführungsrechte für die Türkei erworben hat, überraschend bekannt, man werde darauf verzichten, den Film zu zeigen.

Zur Begründung hieß es, man müsse Rücksicht nehmen auf die, die sich von dem Film provoziert fühlten.



Die rechtsextreme Partei Ülkü Ocaklari drohte unverhüllt mit Konsequenzen für den Fall, dass "Ararat" gezeigt werden sollte.

Außerdem hatten sich einige nationalistische Politiker und Journalisten vehement gegen die Aufführung ausgesprochen. Der türkische Kulturminister Erkan Mumcu etwa nannte den Film "lächerliche Propaganda"......"


"Das ist zwar bedauerlich, aber leider überrascht mich das nicht sonderlich", meint Egoyan zu den Ereignissen in der Türkei.

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2004/01/27/a0132.nf/text.ges,1


Medea. antwortete am 28.01.04 (08:21):

Franz Werfel (1890 - 1945)

erinnert mit seinem Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh"
an den damals von den Europäern nicht zu Kenntnis nehmen wollenden und heute von den Türken nicht
wahrhabenden wollenden Genozid an dem armenischen Volk durch die Türken/Jungtürken.


mart antwortete am 11.02.04 (09:03):

Aus einem Inteview mit Erweiterungskommissar Verheugen:
aus dem Link

https://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/495/26469/


"Abwarten. Eines will ich gerne zugeben: In der vergrößerten Union wird eine strukturelle Schwäche der EU schonungslos enthüllt.
Wenn noch die Türkei beitritt, hat Europa einen geostrategischen Anspruch, der über den eigenen Kontinent hinausreicht. Wie das gehen soll, ohne gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, möchte ich gerne wissen.

Der Türkei eine Chance geben

Verheugen:
Eine Entscheidung steht nicht unmittelbar bevor. Ich rate den Deutschen aber, der Türkei die Chance zu geben, im Zuge der Verhandlungen ihre Reformen abzuschließen. Wer sagt, die Türkei darf nicht Mitglied werden, der müsste ja sagen: Sie darf nicht Mitglied werden, weil sie eine muslimische Bevölkerung hat, weil sie weit weg ist, weil sie zu einem anderen Kulturkreis gehört.
Das sind aber Einwände, die zurücktreten müssen angesichts der strategischen Bedeutung der Türkei für Europa.


SZ: Worin besteht für Sie denn diese Bedeutung?

Verheugen:
Es ist im Interesse der Europäer, ein einflussreiches Land mit muslimischer Bevölkerung in der Union zu haben, das den Beweis dafür erbringt, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und westliche Werte mit dem Islam zusammengehen können."

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/495/26469/


Karl antwortete am 11.02.04 (23:07):

Danke für den Link, Mart. Verheugen vertritt exakt meine meinung, die ich im ST auch schon des öfteren geäußert habe. Vor allem den letzten Satz möchte ich jedem zum Nachdenken noch einmal wiederholen "Es ist im Interesse der Europäer, ein einflussreiches Land mit muslimischer Bevölkerung in der Union zu haben, das den Beweis dafür erbringt, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und westliche Werte mit dem Islam zusammengehen können."
Wir müssen der Türkei die Chance geben, diesen Beweis antreten zu können. Es ist auch unsere Chance!


Titus antwortete am 12.02.04 (11:39):

Hallo Karl,

bei aller Bereitschaft zum Risiko:

"Wir müssen der Türkei die Chance geben, diesen Beweis antreten zu können. Es ist auch unsere Chance!"

Nun darf ich auch einmal fragen "Wer ist "wir""?

Nach meiner Meinung, sicherlich nicht nur meine Meinung, könnte diese Chance für uns tödlich enden!

Nach meiner Meinung kann das Experiment des Versuchs, daß ".....westliche Werte mit dem Islam zusammen gehen können" auch ohne Mitgliedschaft der Türkei in der EU durchgeführt werden - aber eben ohne Risiko für Deutschland und Europa.

Ich bekomme jedenfalls Albträume bei dem Gedanken, daß eines Tages ein zweiter (islamischer) Staat auf deutschem Boden erichtet wird.


Medea. antwortete am 12.02.04 (13:21):

Ich halte nach wie vor dagegen und favorisiere so etwas wie eine "privilegierte Partnerschaft" der Türkei und keine Vollmitgliedschaft in der EU.
Israel genießt bereits diesen Status, so wäre die Türkei nicht das erste Land.....


Sofia204 antwortete am 12.02.04 (16:32):

es müßten die Grenzen Europas neu gezogen werden


Medea. antwortete am 21.02.04 (08:47):

Nach einer ap-Meldung vom heutigen Tage lehnt auch die FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Silvana Koch-Mehrin, einen EU-Beitritt der Türkei ab.
Sie fordert einen Volksentscheid darüber. "So etwas darf nicht in Kungelrunden entschieden werden", sagte sie.