Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

einlegen (Latrine reinigen, im batterie-eigenen Garten arbeiten oder

ähnliches). Wir Marinehelfer wurden von einigen Soldatenpflichten

freigestellt, weil wir ja auch noch unser tägliches Unterrichtspensum zu

erledigen hatten. Der Tag endete mit der Stubenkontrolle durch den

UvD (Unteroffizier vom Dienst). Während des Dienstes herrschte ein

strenger militärischer Umgangston, der aber nach Dienstschluß durch

einen menschlich-kameradschaftlichen abgelöst wurde.

Beim Exerzieren wurden die Kanoniere in ,,Nummern" eingeteilt.

Nummer 1 war zuständig für den richtigen Höhenwinkel des Geschütz-

rohres, Nummer 2 für die Seitenausrichtung; die Nummer 3 bediente

den Folgezeiger der Zünderstellmachine; die Aufgabe der Nummer 4,

das Einlegen der Patrone in die Zünderstellmaschine, kam für uns

nicht in Frage, denn eine 12,8-cm-Patrone war 1,39 m lang, und die

Granate allein wog immerhin 25,9 kg und damit mehr als eine ganze

10,5-cm-Flakpatrone! Die Nummer 6 war der Befehlsübermittler (BÜ),

der mittels Kopfhörer und Mikrofon die Verbindung zum Leitstand hielt,

und die Nummer 7 hatte die automatisch ausgeworfene Patronenhülse

aufzufangen und sie aus der Bettung ins Freie zu befördern.

Als Geschützführer fungierte ein Maat oder Obermaat. Damit nun

jeder Marinehelfer jede Funktion am Geschütz erfüllen konnten, hieß

es ständig ,,Nummern wechselt - um!" Daraufhin mußte jeder blitz-

schnell seine neue Position am Geschütz einnehmen. Im Grunde ge-

nommen war unsere Ausbildung ziemlich leger. Klappte einmal etwas

nicht wie vorgesehen, wurde das Geschützrohr flachgestellt, der Mis-

setäter mußte sich rittlings daraufsetzen und brüllen: ,,Mit mir hat die

Marine einen Fang gemacht!" Ich habe etliche Male auf dem Rohr ge-

sessen und diesen Satz gebrüllt.

Die Stammbesatzung, überwiegend aus dem Rheinland stammend,

führte einen fröhlichen und ernsten Krieg zugleich, nämlich mit vielen

sogenannten ,,Kameradschaftsabenden" (eigentlich: Saufabenden).

Der Hauptfeldwebel (,,Spieß") der Batterie, im Zivilleben Weingutbesit-

zer im Süddeutschen, sorgte für ständigen Nachschub an alkoholi-

schen Getränken. Ich hatte manchmal den Eindruck, der Krieg sei an

dieser Einheit vorbeigegangen, ohne seine Spuren zu hinterlassen.


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