oder am ,,Heldengedenktag". Auch der öde Trott der zweimal wöchent-
lich abgehaltenen Heimabende und -nachmittage konnte nur Jungen
zufriedenstellen, die mit geistigen Gaben nicht gerade großzügig aus-
gestattet waren.
Ein wenig Abwechslung brachten die im Rahmen des sogenannten
Vierjahresplanes inszenierten Altmaterialsammlungen. Wir Jungvolk-
jungen waren mit großem Eifer dabei, die letzten Reserven an Altpa-
pier, Eisen, Kupfer, Stanniol, Blech und sogar Knochen zusammenzu-
kratzen. Mit Spendenbüchsen in der Hand sammelten wir Pimpfe für
das Winterhilfswerk und die NSV (NS-Volkswohlfahrt) auf Straßen und
Plätzen. In den Jahren 1938/39 waren wir auch als Helfer bei den Ver-
dunkelungsübungen und Probealarmen des Luftschutzes dabei.
Ein schlimmes Exemplar von Vorgesetztem war mein Fähnleinfüh-
rer. Dummheit, Arroganz und dazu noch Speichelleckerei seinen Vor-
gesetzten gegenüber bildeten die hervorstehenden Charaktereigen-
schaften dieses 120%igen Obernazis. Seine Reden strotzten nur so
von stilistischen und grammatischen Fehlern. War das etwa die viel-
gepriesene nationalsozialistische Jugenderziehung? Positive Führer-
persönlichkeiten gab es zwar auch, aber leider nur wenige.
Als Zwölfjähriger - ich war inzwischen weitere Stufen in der Füh-
rungshierarchie hinaufgeklettert - hatte ich auch Einblick in die inneren
Strukturen unserer Abteilung. Eines Tages stellte sich heraus, daß ein
größerer Geldbetrag in der ,,Fähnleinkasse" fehlte. Durch mehrere zu-
fällig gehörte Äußerungen glaubte ich zu wissen, wer der Dieb sei.
Voller Empörung wollte ich ihn vor versammelter Führerschaft zur Re-
de stellen. Doch da mußte ich fassungslos erkennen, daß ohne jeden
Zweifel mehrere Führer in die schmutzige Affäre verwickelt gewesen
waren. So kam es weder zur Aufklärung noch zur Bestrafung des
mutmaßlichen Übeltäters, ganz im Gegenteil: Unter entwürdigenden
Umständen beschimpfte mich der Fähnleinführer als Quertreiber,
Miesmacher und Denunziant (er sagte: ,,Denunzant"), enthob mich
meines Postens, schnitt mir meine Führerschnur ab und stellte mich
als einfachen Pimpf ins letzte Glied. Das sollte für mich wohl beson-
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