Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum | Inhaltsverzeichnis "Ein deutscher Junge"

gen und trug zum Zeichen seines Führertums eine schmale, rot-weiße

Schnur im Knopfloch. Der nächsthöhere Rang war der des Jungzug-

führers. Ein Jungzug setzte sich aus mehreren Jungenschaften zu-

sammen. Der Jungzugführer war daran zu erkennen, daß ihn eine

grüne Schnur schmückte. Schließlich bildeten vier Jungzüge ein

Fähnlein. Ich gehörte zum Fähnlein 17, das Ede M. (verziert mit

grün-weißer Schnur) führte. Ede und ich kannten uns gut, denn wir

waren unmittelbare Hausnachbarn. Seiner Fürsprache und seinem

Wohlwollen, weniger meiner Tüchtigkeit, hatte ich es wohl zu verdan-

ken, daß man mich schon im zweiten Jahr meiner Jung-

volk-Zugehörigkeit zum Jungenschaftsführer beförderte. Der regelmä-

ßige ,,Jungvolkdienst" umfaßte Sportstunden, wöchentliche Heim-

nachmittage, Fahrten und Lager an Wochenenden in die nähere und

weitere Umgebung Kiels und die Teilnahme an besonderen Fest- und

Propagandaveranstaltungen. Alles dies wurde gewissenhaft in einem

,,Leistungsbuch" festgehalten.

Meine neue Aufgabe nahm ich todernst. Jede Woche schrieb ich

sogenannte Dienstbefehle an ,,meine" Jungen (,,Antreten am kommen-

den Sonnabend um 14 Uhr vor dem HJ-Heim. Mitzubringen sind....").

Mich ärgerte allerdings, daß ich als Jungvolkführer einen weiteren Tag

der Woche und regelmäßig sonntags am Führerdienst teilnehmen

mußte. Das kostete mich wertvolle Zeit, die ich viel lieber zum Lesen,

Turnen oder Fußballspielen genutzt hätte.

Das bedeutete nun aber nicht, daß ich weniger Gefallen am Jung-

volk gefunden hätte. Ganz im Gegenteil: Bei Wochenendfahrten war

ich gern dabei, denn sie versprachen viel Abenteuer und Spannung.

Wir übernachteten in den Scheunen oder Ställen der Bauern, mußten

unser Essen selbst kochen und trieben viel jungenhaften Unfug. Wel-

cher Junge findet wohl keinen Spaß an solchen Erlebnissen!

Abends sangen wir am Lagerfeuer unsere ,,Kampf- und Fahrtenlie-

der", in denen meistens von ,,unserer Fahne" die Rede war. In einem

dieser Lieder hieß es zum Beispiel:


Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren. Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren.

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