Zur Autorenübersicht | Neuere Autoren | Impressum




          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


161


Eiszeit 2


Friedel war an einem freien Samstag mit Dino zum nahen Wald spaziert. Es war einer jener

prickelnden Frühsommermorgen, an welchen die ganze Vogelschar sich überschlagen konnte mit

Singen und Jubilieren. Millionen von zirpenden Grillen spielten ihr unendliches Liebeslied und

rieben sich die klingenden Beinchen wund. Ein Fuchs huschte über den Waldweg und schien es

nicht mal eilig zu haben. Friedel nahm Dino näher an die Leine. Aber dieser hatte überhaupt kein

Auge für den nahen Kollegen, denn die Spuren der Waldtiere auf dem Waldweg waren so

unheimlich faszinierend für ihn, dass er vor Aufregung alles um ihn herum vergessen konnte. Auf

einer Waldlichtung, übersät mit schmackhaften Kräutern, Himbeerstauden und Pilzen ästen ruhig

drei Rehe. Friedel blieb hinter einem Baum stehen, Dino zwischen die Beine geklemmt und

schaute ihnen andächtig zu. Wie konnte ein Jäger ein solch friedliches Bild denn nur mit einem

Blattschuss beenden? dachte er angewidert. Dass er selber Fische fing, die doch bestimmt ebenso

gerne ihr Leben genossen, kam ihm nicht in denSinn. Denn Fische schreien ja nicht im

Todeskampf! Dann ging er rückwärts einige Schritte auf dem schmalen Weglein und nahm eine

Abzweigung um das malerische Bild auf der Waldlichtung nicht zu zerstören. Er kam auf den

Weg, welcher dem Waldessaum entlang zur nahen Kiesgrube führte, wo seit Jahrzehnten Material

für Häuserbau und Strassensanierungen abgetragen wurde. Auf dem Weg balzten zwei

Amselmännchen um ein Weibchen, die Federn vom Körper abgespreizt, den Kopf fast auf dem

Boden. Das Weibchen aber schien überhaupt keine Notiz von ihnen zu nehmen. Fleissig pickte es

hier ein Körnchen, dort ein Würmchen und schaute - als ginge es das verliebte Treiben gar nichts

an - nur ab und zu auf die beiden Lustmolche, die sich einerseits vom Weg abzudrängen und

          Georg von Signau: Noch weit bis Eden