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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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sagte der Arzt, "das ist etwa so zu sehen: In einem Weiher befinden sich einige hunderttausend

Kaulquappen. Diese schwimmen munter hin und her und ernähren sich von den winzig kleinen

Teilen, die im Wasser treiben. Wenn nun nicht genügend Nahrung vorhanden ist, dann

verkümmern die Kaulquappen oder verhungern sogar. Bei Ihnen scheint eben das

Nahrungsangebot für die Kaulquappen, äh Spermen, zu mager auszufallen. Die kleinen

Samentierchen verlieren dann jede Lust, sich ihrer Lebensaufgabe zu widmen, nämlich das Ei zu

befruchten. Mit anderen Worten. Es will keiner der erste sein im Rennen um die Befruchtung.

Wenn Sie so wollen, dann ist jeder Mensch auf der Welt einmal der erste gewesen im Leben.

Nämlich ganz am Anfang davon. Und bei Ihnen reisst sich scheinbar keiner um diesen Posten!"


Der Spezialist verwies noch auf die Möglichkeit, jeweils ein paar Wochen absolute Enthaltsamkeit

zu üben, damit die Menge und dadurch auch die Chance erhöht würde. Da das Paar diese Taktik

jedoch ohne ärztliche Anweisung, sondern aus Frust schon ein paarmal praktiziert hatte, wussten

sie bereits, dass kein positives Ergebnis zu erwarten war.


Es kam wie es scheinbar kommen musste: Silvia reichte die Scheidung ein. Das Prozedere ging

schnell über die Bühne. Da keine Kinder vorhanden waren und das Teilen der gemeinsam

angeschafften Sachen gütlich geregelt wurde, konnte der Richter seinen "Segen" zwischen zwei

Bissen seines Vesperbrotes sprechen. Der Gerichtsschreiber setzte die Konvention auf und das

Paar unterschrieb. Fertig. Geschieden.

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