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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Als er am Mittwoch abend so gegen acht von der Wirtschaft, in der er sich noch mit Kollegen zu

einem Glas Bier hingesetzt hatte, heimkam, wartete auf der Treppe zu seiner Wohnung eine junge

Frau. Im Halbdunkel des Flurs konnte er erst gar nicht erkennen, wer es war und dachte deshalb,

die Besucherin warte auf jemand anders. Mit einem kurzen "guten Abend" wollte er an ihr vorbei

die Treppe hinaufsteigen. Da erhob sich die Frauengestalt und trat ihm in den Weg. "Na mein

kleiner Schwerenöter", begrüsste sie ihn kichernd, "willst mich wohl nicht kennen, was?"


Erst jetzt realisierte Friedel mit nicht geringem Erschrecken, dass die Besucherin Silvia war. Sein

"Hallo" klang nicht eben begeistert. Und er wusste im Moment beim besten Willen nicht, wie er

sich verhalten sollte. Was wollte das Mädchen denn von ihm? Er schaute sich im Treppenhaus um,

ob da wohl jemand wäre, der oder die sie beobachteten. Es war glücklicherweise niemand zu sehen

oder zu hören. "Wen suchst Du denn hier?" fragte er etwas ungeschickt.


"Tu doch nicht so, als ob du dir das nicht selber denken könntest," erwiderte sie. "Zu dir will ich

natürlich. Seit über einer Stunde warte ich hier auf dich. Zuerst habe ich an die fünf Minuten

geklingelt und glaubte, du wollest einfach nicht aufmachen. Konnte ja nicht ahnen, dass du dich so

spät noch in Beizen herumtreibst. Keine Widerrede," unterbrach sie seine zu einem Protest

ansetzende Rede, "Das kann man ja auf einen Meter Distanz riechen, dass du dir eben einige

Bierchen genehmigt hast. Aber das geht mich ja natürlich überhaupt nichts an, bin ja nicht deine

Ehefrau."

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