Benutzerprofil von Klostermeier
Hallo Webmaster. Ich bin seid einigen Jahren unter dem Nick Klostermeier Mitglied und konnte ohne Schwierigkeiten mich "einklicken". Seit einiger Zeit muß ich jedes Mal Benutzername und Paßwort eingeben, bevor ich "rein" darf. Frage: Warum, wieso?
Mit freundlichem GRuß
Klostermeier
Hallo Helga, du, wir sind ja meist Nachbarn und vielleicht sogar persönlich miteinander bekannt. Wenn du an eurer Waldbühne vorbei fährst, nicht in Richtung Borsteler Wischen sondern immer der Spurbahn nach, dann kommst du bald wieder in besiedeltes Gebiet, und das gehört schon zu dem Dorf, in dem ich seit 1964 wohne. Man kennt mich hier ziemlich gut, aber nicht unter dem Nick Klostermeier. Und wenn du jetzt die VK vom Klostermeier in zwei anderen Foren anklickst, dann findest du auch Bilder von eurem schönen Arboretum. Damit möchte ich dich aber nich abwerben für ein anderes Forum, nur bei dem ST (Seniorentreff) habe ich noch keine Bilder eingegeben. Noch ein Tipp, der dir beim Suchen eventuell hilft: was der Dr. Obst für Ellerhoop gemacht hat, das habe ich für unser Dorf erstellt. Ingrid Göttsche meint, es sei recht gut geworden.
So, jetzt wünsche ich dir noch eine schöne Vorweihnachtszeit und ein frohes Fest
Klostermeier
Klostermeier hat auf das Thema Auskunft über facebook im Forum Computerhilfe (PC-Abteilung) geantwortet
Verehrte Chatteilnehmer, mir liegt ganz doll auf dem Magen, daß jetzt schon in fast jedem Schriftstück oder wie man es nennen will das verflixte kleine "f" mit dem Text "gefällt mir" oder ähnliches erscheint. Ich möchte um keinen Preis der Welt mit diesen Leuten was zu tun haben und frage euch: gibt es in meinem Betriebssystem XP nicht eine Sperre, die grundsätzlich das Erscheinen dieses stilisierten "f" am Erscheinen hindert?. Manchmal ist das Ding irgendwo mitten im Text zu sehen, und zwar in dem, den ich gerade gern mal ausgedruckt hätte. Bin dankbar, wenn mir jemand helfen kann.
Mit freundlichem Gruß Klostermeier
Hallo, liebe Nordlichter, möchte auch nicht versäumen, mich bei euch vorzustellen. Meine wesentlichen Eigenschaften und auch Eigenarten werden ja schon in meiner Visienkarte aufgeführt. Bin nicht im Bilde, ob bei euch auch der genaue Wohnort genannt wird. Ich umschreibe zunächst nur mal das Gebiet: unser Haus steht in einem kleinen Dorf im Dreieck Pinneberg - Elmshorn - Quickborn. Wir sind seit 1964 hier ansässig und es gefällt uns sehr gut. Eine Einschränkung ist, daß den kleinen Dörfern allmählich alles entzogen wird, was mit der Versorgung zu tun hat: Kaufmann, Post, Bank, Schule usw. Schade drum. Auch das Zusammenleben hat sich meines Erachtens geändert: früher lebte man auf dem Dorf doch mehr miteinander und füreinander, heute überwiegt mehr das Nebeneinander, oder wie seht ihr die Entwicklung auf den Dörfern in unserm schönen Schleswig-Holstein?
Freue mich auf eueren Beitrag, auch wenn ich dabei mal "kontra" bekomme.
Es grüßt euch der
Klostermeier
(eine Hundegeschichte)
Friedolin war zeitlebens ein Dackelfreund, und er schätzte die Anzahl seiner rotbraunen Lieblinge, die ihn nacheinander sein Leben lang begleitet hatten, auf runde 20. Schon als 5- bis 6-jähriger war er stolzer Hundebesitzer geworden, und aus dieser Zeit wußte er eine wahre Geschichte zu erzählen
Sein Vater war Rechtsanwalt und hatte sich als solcher in einer Kleinstadt im Sauerland einer Kanzlei angeschlossen. Man bezog also in besagter Stadt mit Frau und Sohn Friedo eine preiswerte Wohnung in der dritten Etage eines älteren Mehrfamilienhauses. Heute würde man Wohnblock dazu sagen. Friedo , wie gesagt, damals 5 oder 6 Jahre alt, bekam seinen ersten Dackel, damit die Eingewöhnung in die neue Umgebung nicht so schwer würde.
Nach kurzer Zeit des Einlebens waren die Eltern darauf bedacht, in der Stadt richtig Fuß zu fassen und einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen. Wie macht man das als Rechtsanwalt? Man lädt sich kurzerhand alle Honoratioren der näheren Umgebung ein, bewirtet sie entsprechend, und schon ist man drin im „Verein“ der wichtigen Leute.
Bei solchen Gelegenheiten werden bekanntlich große Anforderungen an das Geschick der Hausfrau gestellt. Das edle Porzellan, die güldenen Bestecke, die man zur Hochzeit in weiser Voraussicht geschenkt bekam, sind natürlich bei solchen Anlässen gerade gut genug. Teure Damastdecken runden das Gesamtbild ab und wertvolle Vasen warten darauf, die mitgebrachten Blumenbuketts aufzunehmen.
Es ist also viel vorzubereiten, und dabei sind bekanntlich bei allen Hausfrauen der Welt Störungen nicht erlaubt. So auch nicht bei Friedo`s Mutter. Immer stand der kleine Sohn irgendwo im Wege und wurde gebeten, in ein anderes Zimmer zu gehen. Dort angekommen, gab es bald wieder eine neue Anweisung: „Geh` doch mal in`s Schlafzimmer, und nimm` den Hund gleich mit!“ Der Hund, ja, den traf es noch viel arger als Friedo. Das sonst übliche Toben in der Wohnstube war absolut nicht drin. In der Küche brutzelte eine Leihköchin die feinsten Zutaten für das herrschaftliche Festmahl, und die wohlriechenden Düfte hatten den Dackel immer mal wieder unwiderstehlich angelockt. Dabei hatte die Köchin in ihrer Hektik dem Hund schon mehrere Male auf den Schwanz oder sonstwo getreten. Klar, daß der Dackel die ungewohnte Nervosität verspürte und seinen Unmut durch allmählich lauter werdendes Winseln kund tat. Das fiel dem Friedo natürlich auf: „Was der Hund wohl hat?“ Und dann kam ihm der Gedanke: „Ob der wohl mal „muß“?“
Der Weg nach unten auf den Hof bedeutete immerhin drei Treppen, man konnte ja für den Zweck aber auch die Toilette benutzen. Locus nannte man das damals, auf gut deutsch also „Örtchen“ oder auch ganz einfach „Klo“.
Der Leser sollte jetzt wissen, daß zu damaliger Zeit in derartigen Häusern sogenannte Etagen-Klos eingebaut waren, nicht innerhalb des Hauses, sondern in jeder Etage draußen an der Außenwand hängend, alle übereinander und alle mit einem senkrechten großvolumigen Fallrohr verbunden, das unten auf dem Hof irgendwo in eine Sammelgrube mündete. Der Zugang war meistens vom Treppenhaus aus. So auch hier.
Friedo nahm den kleinen Dackel, ging mit ihm zum Klo und hielt ihn dort mit gestreckten Armen über die runde Öffnung. Aber der Hund mußte anscheinend garnicht so dringend, fing an zu zappeln, – und plötzlich hatte Friedo keinen Dackel mehr in den Händen! Der Hund war weg! Nicht mehr zu sehen, soweit man sich auch nach vorn beugte. Einfach weg!
Friedo war im ersten Moment wie gelähmt, aber dann rannte er auch schon die drei Treppen nach unten, so schnell seine kurzen Beine es erlaubten. Der Dackel mußte ja in dem Fallrohr nach unten --- und dann in die Sammelgrube mit dem Holzdeckel ---. Ob der wohl schwimmen konnte?
Eine detaillierte Beschreibung über das, was jetzt geschah soll dem Leser aus bestimmten Gründen erspart bleiben. Nur soviel: der Dackel wurde nach einer geraumen Zeit gerettet, und zwar von Friedo selbst.
Damit ist die Geschichte aber noch nicht beendet, d. h. auch hier sei die Schilderung in Kurzform gestattet Man stelle sich vor: die gute Stube ist auf`s Beste hergerichtet, die Hausfrau hat das beste Kleid angezogen, um die Honneurs zu empfangen, und auch der Hausherr macht eine elegante Figur in seinem vornehmen Zwirn. Da klingelt es auch schon an der Haustür. Die Köchin macht auf, – und in dem Moment stürmt der kleine Friedo mit einem triefenden Dackel in den ausgestreckten Händen an ihr vorbei und läuft Hilfe suchend in die gute Stube. Dort befreit der Dackel sich ein zweites Mal aus Friedolins Händen und rennt vor Freude laut bellend einige Runden um die bereits gedeckte Festtafel, natürlich nicht ohne dabei übel riechende Spuren zu hinterlassen. Der Aufschrei der Mutter soll herzzerreißend gewesen sein, wie Friedo mir später erzählte. Eine kurze Zeit später klingelte es wieder an der Tür, und der Hausherr begrüßte die ersten Gäste. „Guten Abend, die Herrschaften. Seien Sie uns herzlich willkommen ....! “ ----
Ende der Fünfziger Jahre arbeitete ich im Institut für Tierphysiologie und Tierernährung der Uni Göttingen an meiner Promotion. Wie der Name schon vermuten läßt, hatten wir es dort mit Tieren zu tun: Kühe, Kälber, Schweine, Hühner und Schafe, für die wir in sogenannten Stoffwechselversuchen die optimalste Ernährung bei gleichzeitiger Gesunderhaltung heraus finden mußten. Die Tiere fristeten meistens ein erträgliches Leben, denn im Gegensatz zu ihren Artgenossen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb blieben sie unverhältnismäßig lange vor dem Schlachthaus oder einer anderen Weiterverwertung verschont. In den recht ausgedehnten versuchsfreien Zeiten tummelten sie sich draußen auf einem weideähnlichen Auslauf oder in geräumigen Gattern und wurden von mehreren Tierpflegern umsorgt.
Letztere entwickelten meistens eine besondere Beziehung zu ihren Pfleglingen und brachten ihnen dabei gern einige Dinge bei, die man nicht unbedingt in einer normalen Tierhaltung vorfindet. Und jedes Tier hatte seinen Namen. So war z. B. eine ganze Anzahl Hammel nach berühmten römischen Persönlichkeiten benannt. Es gab dort unter anderen den Nero, den Cäsar, den Gajus usw. Und , nicht zu vergessen, den Brutus, denn dieser ist die Hauptperson in der vorliegenden wahren Geschichte.
Brutus war in vielerlei Hinsicht ein überdimensionierter Schafbock. Er war von außergewöhnlich kräftiger Statur, und vom Gewicht her brachte er mindestens halb mal mehr Kilogramm auf die Waage als alle anderen Kollegen. Wehe dem anderen Bock, der ihn beim gemeinsamen Weidegang nicht als Leithammel respektierte!
Und diesem Brutus hatte man eine Aufgabe anerzogen, die normaler Weise nur einem Hofhund zukommt: er hielt das Institutsgelände, soweit es ihm als Auslauf zugänglich war, frei von Personen, die da seiner Meinung nach nicht hingehörten. Kurzum: Jeder, der als Fremder seinen Bereich durchquerte, lief Gefahr, recht unsanft mit seinem harten Schädel Bekanntschaft zu machen, vor allem – und das war der wesentliche Punkt – wenn derjenige einen normalen Straßenanzug oder ähnliches anhatte. Uns als Institutsangehörige tat er nichts, da wir ja alle weiß bekittelt waren. Aber es hatte schon verschiedentlich Beschwerden gegeben von fremden Leuten, die dem Schafbock plötzlich allein gegenüber standen und nicht schnell genug über den nächsten Zaun entfliehen konnten. Durch diese unliebsamen Vorkommnisse war Brutus bei der Institutsleitung immer mehr in Ungnade gefallen, denn neben der meistens recht laut geführten verbalen Auseinandersetzung mit den Geschädigten standen auch gelegentliche Schadensansprüche ins Haus.
Zur Sache:
Der Kurator hatte sich angesagt, der wichtigste Mann jeder forschenden Universität. Denn er war und ist sicher auch heute noch zuständig für Geldzuweisungen, Genehmigung der Forschungsaufträge usw. Und gelegentlich pflegt er seine Kundschaft zu besuchen, um zu sehen, wo und wie das Geld verbraten worden ist oder erst noch werden soll.
Das ganze Institut in heller Aufregung. In allen Räumen, Stallungen und Labors war Hochglanz angesagt. Der leitende Professor eilte drei Mal am Tag mit wehenden Rockschößen durch alle Gemächer und fand natürlich überall noch gravierende Mängel, die uns bestimmt jeden weiteren Geldsegen vermiesen würden. „Meine Herren, wir werden ihm auch das Stallgebäude zeigen. Achten Sie auch dort bitte auf peinlichste Sauberkeit und Ordnung!“ Und schon halb im Weggehen : „Und passen Sie mir auf den Brutus auf, meine Herren! Nicht, daß der, ... naja, Sie wissen schon!“ Und damit entschwand er wieder in sein Büro.
Wir schauten uns an, und der Gesichtsausdruck bei einigen Kommilitonen deutete an, daß sich da unmittelbar ein Plan zusammenbraute, der keineswegs mit den Absichten des Professors vereinbar war.
Machen wir es kurz:
Der Tag kam heran, der hohe Besuch auch, und alles schien einen guten Verlauf zu nehmen. Die Institutsarbeit wurde von unserem Professor über den Klee gelobt, was der Kurator auch kopfnickend zur Kenntnis nahm. Die Zukunft schien also absolut außer Frage zu stehen. Wir waren angewiesen worden, ganz normal weiter zu arbeiten, was wir dann auch taten.
Irgendwann hörte ich Schritte auf dem Flur nebenan und eine Tür zuklappen: Aha, die Besichtigung war kurz vor dem Abschluß, denn man ging zum Stallgebäude. Der Weg dorthin führte ca. 35 Meter über ein Grasgelände, das den Tieren als Auslauf diente und das von meinem Labor aus gut einzusehen war.
Plötzlich großer Run auf mein Labor. Eine ganze Anzahl Kollegen kam herein : „Dürfen wir mal schauen?“ Sie durften, aber was denn? Alles drängte zu der Fensterfront, die zum besagten Grün hin lag. Ich mischte mich unter die Neugierigen und sah, daß der Professor und sein Besuch gemächlichen Schrittes und eifrig diskutierend zum Stall rüber gingen, wobei sie öfters mal eine Pause einlegten, um ein anscheinend besonderes Thema auch mit entsprechender Gründlichkeit zu behandeln.
Plötzlich erschien Brutus auf der Szenerie, sondierte das Areal wie es seine Art war und sah auch bald die Zweiergruppe, die dort nichts ahnend wichtige Dinge besprach. Der Professor hatte den erforderlichen weißen Kittel an, aber der Kurator erregte mit seinem guten dunklen Zwirn sofort das Mißfallen des Schafbocks. Wir hielten die Luft an, einige wollten schnell raus und das Unglück noch abwenden. War aber schon zu spät, denn Brutus leitete die Attacke bereits ein, indem er ein paar Mal hochsprang, und zwar mit allen vier Füßen gleichzeitig wie ein Springbock in der Kalahari. Und dann galoppierte er auch schon los, mit gesenktem Schädel und in voller Fahrt in Richtung Kurator.
Die beiden Herren merkten zunächst nichts von dem, was da auf sie zu hetzte. Sie waren schon ziemlich an der Eingangstür des Stalles angelangt, als unser Professor im letzten Moment das Unheil kommen sah. Er. wollte noch schnell seinen Gast am Ärmel fassen und ihn aus der Stoßrichtung des Bockes ziehen, da war Brutus aber schon dran am Objekt des Mißfallens. Rums! Sein Schädel traf punktgenau die hintere Breitseite des Kurators, so daß dieser mit ein paar übermäßig langen Schritten und den Kopf voran durch die –Gott-sei-Dank – offen stehende Tür in das Stallgebäude rein schoß.
Brutus sprang schon wieder mit allen vier Füßen gleichzeitig hoch, um in einer weiteren Attacke dem Gast im Stall den totalen Garaus zu machen, da erkannte der Professor die Sachlage und packte den Schafbock schnell am Halsband: „Mein Gott, hilft mir denn keiner!“ Er pflegte bei heiklen Vorkommnissen immer den obersten Schöpfer als Zeugen anzurufen. Brutus fühlte sich offensichtlich ungerecht behandelt und wollte zum Finale unbedingt noch einmal in den Stall. Da kamen aber auch schon einige Tierpfleger und brachten ihn zur Räson.
Über den Verbleib des Kurators erzählte später ein Kommilitone, der zufällig im angrenzenden Kuhstall gearbeitet hatte: „Ich sah nur, wie eine dunkle Gestalt zur Außentür rein huschte und im Stroh an der Waage verschwand!“ Wiederum – Gott-sei-dank – lag dieser Strohhaufen dort, sonst wäre bestimmt noch ein Unglück passiert. So aber kroch der hohe Gast aus dem Haufen hervor, und zwar unversehrt, nur die hintere Körperpartie schien noch Schmerzen zu verursachen und wurde fleißig gerieben. Mit Hilfe des Professors und einiger Kommilitonen reinigte man den edlen Zwirn notdürftig vom Stroh, und mit den gebührenden Trostworten wurde der Kurator auch bald wieder bei Stimmung gebracht.
Das Ende vom Lied: Entgegen aller Erwartung wurde der gute Eindruck des Instituts durch die Brutus-Attacke nicht sonderlich getrübt und die Gelder flossen in gewohnter Weise.
Und wer den Schafbock frei gelassen hatte, ist auch nie aufgeklärt worden.
Klostermeier
Daß wir im Krieg gehungert haben, kann man Gott-sei-Dank nicht sagen. Meine Eltern betrieben eine kleine gepachtete Landwirtschaft im Oldenburgischen. Mein Vater war als Bauer bis Ende 1944 freigestellt von der Wehrmacht und konnte somit seinen Betrieb selbst bewirtschaften und mit dem, was nach dem Ablieferungssoll noch übrig war, seine Familie mehr schlecht als recht ernähren. „Kriegspielen“, wie man das damals nannte, lag ihm auch ganz und gar nicht, denn erstens mochte er nicht für jemand kämpfen, den er gar nicht kannte und den er noch viel weniger leiden konnte, und zweitens konnte er sein Leben lang keiner Kreatur, also Mensch und Tier, ein Leid zufügen. Letzteres hat uns aber doch einmal in gewisse Schwierigkeiten gebracht.
„Wi mööt eegentlich mol wedder`n Stück Fleesch in`n Pott hebben!“ meinte Mutter, als wir irgendwann mal wieder alle am Tisch saßen und die Suppe aus Milch und Roggenmehl löffelten. Das war leichter gesagt als getan, denn gerade bei den fleischproduzierenden Tieren wurde genauestens kontrolliert, daß auch der Viehhalter selbst kein Gramm Fleisch oder Wurst mehr bekam als alle anderen. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich meine, die Kontrolleure waren alle Augenblicke auf dem Hof und kuckten in alle Ecken, und wehe, wenn sie Unregelmäßigkeiten enddeckten!
Nun gab es aber ein Tier bei uns auf dem Hof, was selten oder, besser gesagt, wohl noch nie mitgezählt worden war: ein alter Schafbock. Ich kann mich heute noch sehr gut erinnern, wie wir als heranwachsende Kinder auf der Weide hinter unserem Garten auf ihm geritten sind. Er war kräftig gebaut und wußte sich wohl zu wehren, wenn unsere Spielchen ihm lästig wurden. Seine einzige Bestimmung war die des Wollelieferanten. Dafür durfte er zwar lange leben, mußte aber auch im Winter draußen bleiben. Wir Jungs hatten hinten im Garten einen mehr provisorischen Bunker gebaut, der unsere Familie zusammen mit den Flüchtlingen aus Wilhelmshaven bei Luftalarm aufnehmen sollte. Wurde Gott-sei-Dank sehr selten gebraucht, hätte auch nicht viel Schutz geboten, denn allein die Decke aus morschen Balken, Strohauflage und Erde war so löcherig, daß man durch sie hindurch den Himmel sehen konnte. Und reinregnen tat es auch regelmäßig. Aber der Schafbock, der fühlte sich im Winter pudelwohl darin.
Zurück zu Mutters Wunsch nach Fleisch. Vater fühlte sich zuständig: „De Schoopbuck ward schlacht!“ hörte ich ihn sagen, mit ziemlich verhaltener Stimme, denn das, was er da sagte, kam nach den derzeitigen Umständen einem Vaterlandsverrat sehr nahe. Mindestens war es unter Wehrkraftzersetzung einzuordnen und konnte entsprechend bestraft werden! Aber, egal was es letztlich war, das Schicksal unseres langjährigen Spielgefährten war damit besiegelt, das wußte ich.
„Wer schall de denn schlachten?“ wollte Mutter wissen. „Na, wer woll? Ik natürlich! De annern snackt mi all to veel!“ „Wullt du nich leeber Nohber Altmann holen?“ Der machte nämlich ab und an Hausschlachtungen und kannte sich aus. „Ne, dat mok ik selbst!“ Mutters zweifelnden Blick von der Seite sah Vater nicht mehr, er kramte schon in der Tischschublade herum. „Hebbt wi`n Brotmesser?“ „Dat liggt dor doch! Wat wull du dor denn mit?“ „Schoop schlachten! Dat mutt sofort losgahn!“ Vater hatte das Messer schon in der Hand und prüfte die Schärfe: „Jung, kumm her, Schliepsteen dreihn!“ Wir hatten draußen einen Schleifstein aus Kalksand, mit einem Wassertrog darunter und großer Kurbel an der Seite. War nicht mehr ganz rund und quietschte auch fürchterlich, aber gepaart mit der Kunstfertigkeit unseres Vaters wurde alles, was damit geschliffen wurde, rasiermesserscharf . Ich hatte den Stein schon öfter drehen müssen und das auch immer gern gemacht, denn wir beide, Vater und ich, verstanden uns dabei ohne viele Worte: ich drehte mit der richtigen Geschwindigkeit und er schliff mit der notwendigen Sorgfalt. Mutter war jedesmal begeistert, wenn sie die Teile wieder in die Schubladen legte.
Heute war aber anscheinend alles anders: so kurz und buffig war ich noch nie von Vater um Mithilfe gebeten worden, und auch mit der Drehgeschwindigkeit war es ihm nicht recht zu machen. Alle Augenblicke schnauzte er ein „Nich to gau!“ oder auch „Sloop nich in!“ Und auch das Messer wollte und wollte scheinbar nicht scharf genug werden. Immer wieder machte Vater die Probe an seinem Unterarm, ob die Haare durch bloßes Ziehen der Klinge schon abgingen. Aber endlich war es dann doch geschafft, und der Hauptakt konnte beginnen.
Überspringen wir aus Zeit- und Platzgründen die nächste halbe Stunde und fassen wir kurz, was sich bis dahin ereignet hatte:
Die große Bluttat sollte sich auf der mäßig beleuchteten Scheunendiele abspielen, im Schein einer 25-Watt-Birne. D.h. die kleinen halbrunden Eisenfenster, die sowieso kaum Einblick in das Gebäudeinnere gewährten, waren mit Kartoffelsäcken zugehängt, die hintere Durchfahrtstür mit einem vorgeschobenen Ackerwagen verrammelt und die vordere Tür sollte von mir bewacht werden. „Wenn dor jemand kummt, denn kloppst du dreemal an de Döör!“ kam für mich aus dem Dunkel die nächste Anweisung in ungewohntem Befehlston. „Uk, wenn Mama kummt?“ „Jung, nu stell di nich dummer an as du bist!“ kam es barsch zurück.
Die Hauptperson, der Schafbock, war auch schon da. Er stand seit einer halben Stunde am Ständer angebunden und betrachtete die Szenerie um sich herum meist ohne jede Regung. Nur ab und zu bekundete er sein Mißfallen durch kurzes Blöken.
„So, nu mok de Döör von buten to!“ Ich folgte dieser Anweisung prompt und merkte, daß mein Herz von nun an sehr viel schneller schlug als sonst. Drinnen war es still geworden, und es blieb auch still. Fünf Minuten, zehn Minuten, oder war es schon länger her? Absolute Ruhe! Ob der Bock wohl schon tot war? Nein, – hatte er gerade eben nicht ganz kurz geblökt? Genau so, wie er es immer tat, wenn wir ihn beim Spielen zu sehr quälten? Wehre dich doch, Schafbock! Reiß dich los und laufe ganz schnell weg! Ich will auch gern auf Fleisch verzichten! All‘ diese Gedanken gingen mir durch den Kopf.
Mutter kam mit einem Eimer aus dem Haus, wahrscheinlich um Blut aufzufangen. „Na, is de Buck all doot?“ „Weet ik nich, Papa hett noch nix seggt!“ „Denn düürt dat woll noch’n beten“, und damit ging sie wieder ins Haus.
Ich wollte jetzt Gewißheit haben und öffnete die Tür einen ganz kleinen Spalt, so daß ich mit einem Auge alles sehen konnte. Und was sah ich? Vater stand rittlings über dem Bock, hielt diesen zwischen den Knien fest und bog seinen Kopf mit der linken Hand nach oben, so, als wenn er mit ihm schmusen wollte. Die rechte Hand konnte ich nicht sehen, dagegen aber den Hals des Tieres und daß dieser ganz glatt und sorgfältig abrasiert war. Und jetzt sah ich auch das blanke Messer, wie es immer hin und her geschwenkt wurde, unter dem Hals, aber immer so, daß es die Gurgel nicht berührte.
Plötzlich sah Vater mich: „Rrrrut, mok sofort de Döör wedder to!“ Solche Lautstärke hatte ich von ihm noch nie gehört, und dann noch, wie er mich mit hochrotem Kopf angekuckt hatte! Ich knallte die Tür zu und wollte weglaufen, aber ich mußte ja auf dem Posten bleiben. Also wieder warten, warten, warten. Und wieder diese Stille, fünf Minuten, oder zehn? Ich hatte gar kein Zeitgefühl mehr.
Plötzlich aber rührte sich was in der Scheune, als wenn ein metallischer Gegenstand irgendwo gegen flog. Fast im gleichen Moment flog auch die Tür auf, die ich doch bewachen sollte und unser Vater rannte an mir vorbei ins Haus. Ich hörte ihn noch rufen : „Ik kann`t nich! Ik krieg`t nich fertig! Roop Nohber Altmann her, he schall sofort komen!“
Ich machte jetzt die Tür ganz auf, so daß Licht ins Dunkel fiel: Der Bock stand nach wie vor am Ständer angebunden und begrüßte mich mit einem fröhlichen Geblöke, als wollte er mir sagen: nu binde mich doch los, ich habe genug von diesem Spiel! Das tat ich dann auch, und er rannte mit seinem geschorenen Hals nach draußen, rannte durch den Garten und hin zu seiner Wiese.
Daß er am gleichen Tage noch durch einen gezielten Schlag mit der stumpfen Seite einer Axt sein Lebenslicht ausgehaucht hat, muß ich nicht weiter ausführen.
Ich wurde anschließend aber noch einmal ins Gebet genommen, dieses Ereignis ja für mich zu behalten. Was ich dann auch lange Zeit getan habe, – bis zur Goldenen Hochzeit meiner Eltern im Jahre 1982, dort habe ich die Geschichte mit Erlaubnis meines Vaters vorgetragen. Man hat herzlich darüber gelacht – und der eine oder andere vielleicht auch eine kleine Träne zerdrückt.
Klostermeier
Wir wohnten auf dem flachen Lande. Vielleicht alle hundert Meter ein Bauernhof oder das Haus eines Arbeiters. Einen Kaufmann gab es nicht, nur die Gastwirtschaft und die Schule waren in der Nähe. Für alle anderen Dinge des täglichen Lebens fuhr man ins nächste Dorf, ca. 4 bis 5 km entfernt. Dort gab es gleich zwei Einkaufsmöglichkeiten, eine beim Bäcker und eine weitere in einem sogenannten Stubenladen, der von einer älteren Dame als Nebenerwerb betrieben wurde.
Beide Läden hatten neben den üblichen Lebensmitteln alles an Ge- und Verbrauchsartikeln in ihrem Sortiment, was man sich denken konnte. Die Geschäfte gingen jedoch mehr schlecht als recht, denn die überwiegende Landbevölkerung kaufte damals im Krieg grundsätzlich nur das zu, was der eigene Garten oder Tierbestand nicht her gab. Und das, was auf den Tisch kam, war sowieso fast alles selbstgemacht bzw. aus eigener Ernte. Dabei kam es natürlich auch mal vor, daß ein Produkt vorzeitig zur Neige ging, wenn die Bevorratung zu knapp berechnet worden war oder nicht genügend Früchte geerntet wurden.
So wie bei uns seinerzeit die Marmelade, die besonders wir Kinder so gern mochten. Plötzlich stand im späten Frühjahr das letzte Glas auf dem Tisch, und die Kirschen- und Pflaumenernte war noch weit.
Unsere Mutter hatte in den Tagen wohl wenig Zeit, sie bat jedenfalls meine sechsjährige Schwester, sie möge doch mal zum Bäcker gehen und neue Marmelade holen. „Kannst diene Fründin jo man mitnehmen, denn is dat nich so langwielig! Nehmt man `n Weckglas mit, dor kann de Bäcker dat jo rindohn!“
Und so marschierten die beiden Mädchen nachmittags auch los, bei herrlichem Sonnenschein und mit der schönen Aussicht, daß es nun bald wieder Marmelade auf Brot geben würde. Nach einer guten Stunde war man schon wieder auf dem Heimweg, die süße Ware im Glas und dieses wiederum in einem Beutel verstaut.
Was nun genau geschah, ist nie richtig laut geworden. Jedenfalls tauchte irgendwann die Frage auf, ob diese Marmelade auch wohl so süß schmecken würde wie die Selbstgemachte von der Mutter. Man könnte ja mal –. aber nur ganz, ganz wenig, – so mit einem Finger! Würde bei dem großen Glas ja garnicht auffallen, „ Jaaa, ganz söööt! ---- Hier, du uk mol?“ „ Ojaaa, ganz sööt!“ Aber, weil die eine nun doch etwas mehr genommen hatte als die andere, mußte die andere ja auch noch mal .... und die schmeckte ja wirklich sooo süß, die Marmelade. Also, noch mal, aber nur gaaanz wenig! Das Ende vom Lied: der Pegel im Glas war mit der Zeit doch deutlicher gesunken, als man es vorgehabt hatte.
Was nun tun? Mit dem halbvollen Glas nach Hause? Nein, keinesfalls! Also, wieder zurück zum Kaufmann. Aber diesmal nicht zum Bäcker, das wäre ja zu peinlich. Der andere Laden hatte sicher auch Marmelade.
Hatte er tatsächlich. „Habt ihr was mit, wo wir die rein tun können?“ Meine Schwester stellte das halb leere und bis oben verschmierte Glas auf den Ladentisch. „Hier paßt noch wat rin!“ – Wahrscheinlich hat die Kaufmannsfrau sehr schnell durchschaut, welcher Umstand ihr zu dem Verkauf von einem halben Pfund Marmelade verholfen hatte.
Das somit wieder aufgefüllte Weckglas hat dann auch, ohne weiteren Schaden zu nehmen, die heimische Küche erreicht. Und die etwas verworrene Geschichte wäre wahrscheinlich nie an die Öffentlichkeit gelangt, wenn die Marmelade nicht unterschiedliche Farben gehabt hätten: unten zeigte sie ein freundliches helles Rot und die obere Hälfte neigte mehr zur dunklen Brombeerfarbe.
Wie ich unsere Mutter einschätze, hat sie, als sie die Geschichte allmählich erzählt bekam, bestimmt vor Lachen sogar den strafenden Blick für die beiden Mädchen vergessen.
Klostermeier
Aus meinen Lebenserinnerungen
.....Und dann ging`s zur Schule. Volksschule nannte man die seinerzeit. Und unsere war dazu noch eine sehr kleine, denn alle acht Schuljahre saßen in einem einzigen Klassenraum, auf acht Viererbänken. So um die 32 Kinder zwischen 6 und 14 Jahre hatte der Lehrer also zu unterrichten.
An den Klassenraum kann ich mich noch gut erinnern: vorne ein Lehrerpult, etwas erhöht aufgestellt, Röhrenofen in der Ecke. Daneben stand immer der berüchtigte Rohrstock, der, wenn er bei Gebrauch einmal abgebrochen war, von einem der großen Jungs neu aus dem nahen Wald beschafft werden mußte. Eine fahrbare Doppel-Wandtafel, die man hoch und runter ziehen konnte, und eine einfache Tafel hinter dem Pult an der Wand ergänzten das Mobiliar.
Jeweils vier Bänke an der Seite waren so aufgestellt, daß ein genügend breiter Mittelgang übrig blieb. Hinten stand ein Lehrmittelschrank, dessen Glastür den Blick auf einige einfache Geräte und eine tote Kreuzotter in Spiritus für den Naturkundeunterricht frei gab. Ein weiterer Schrank enthielt alte Hefte und Bücher, wurde aber selten aufgemacht.
Die Fenster lagen zur Schulhofseite hin, so konnte der Lehrer uns auch in den Pausen unbemerkt im Auge behalten. Auf dem Hof war ein Toilettengebäude mit zwei Plumsklos und Pissoir. Stank dort ganz furchtbar. denn Spülung gab es damals noch nicht. Die zugehörige Sammelgrube wurde alle Jahre einmal entleert und der Inhalt auf dem Schulacker verteilt. Der übermäßig große Rhabarber des Lehrers war daher in der ganzen Gegend bekannt! Nicht unerwähnt bleiben sollten noch die Turngeräte: ein vom örtlichen Schmied gebautes Reck und ein Barren, bei dem aber beide Holmen während meiner ganzen Schulzeit nicht vorhanden waren.
Direkt am Schulgelände begann eine große Heide mit angrenzendem Torfmoor, für den Lehrer ein umfangreiches Biotop, das immer mal zu Ausflügen Anlaß gab (vor allem, wenn er mal am Tag vorher einen über den Durst getrunken hatte, kam aber sehr selten vor). Für uns Kinder war das natürlich auch außerhalb der Schulzeit ein herrliches Abenteuergelände, vor allem, als dort während des Krieges große „Pappflugzeuge“ aufgestellt wurden, um den feindlichen Fluggeschwadern einen regulären Militärflugplatz vorzutäuschen.
In dieser Schule sollte ich mich von nun an jeden Tag einfinden. War auch recht interessant. Bis auf den dritten Tag. Da kam nämlich ein Regenschauer, und – bei Regenwetter mußte ich nach Hause! So hatte ich schon vor Jahren Order bekommen und ich war gewillt, mich auch während der Schulzeit daran zu halten. „Wo wullt du denn hin?“ riefen die großen Jungs, als ich bei den ersten Tropfen zu meinem Rad eilte. „Na Huus, dat fang an to regen!“ Wir sprachen ja alle Plattdeutsch damals. Man hielt mich fest, ich fing an zu brüllen, und der Lehrer kam dazu. Nach Anhörung meinte der: „Na, denn kumm du hier man rin inne School, is jo uk`n Huus!“ Und damit war das Problem sauber gelöst.
Daß ich jetzt jeden Tag zur Schule sollte, fand ich gar nicht mal so schlimm, denn dort wurde ja viel interessantes geboten. Und wenn wir mal was nicht verstanden hatten, bediente sich der Lehrer eines besonderen Hilfsmittels. Er war nämlich ein begnadeter Kasperle-Spieler, der ohne große Vorbereitungen sehenswerte Darbietungen hervor zauberte. Wenn es dann mal im Unterricht nicht mehr weiter ging (was von uns natürlich auch mal provoziert wurde!), dann holte er schnell von nebenan aus der Wohnung einige Kasperlpuppen, funktionierte die fahrbare Wandtafel zu einer Kleinbühne um, und dann versuchte eben die Großmutter dem begriffsstutzigen Kasper das Thema zu erklären. Natürlich verstand dieser immer nur Bahnhof, und Großmutter bat uns Kinder dann um Hilfe. Darauf gingen wir selbstverständlich auch gern und vor allem sehr lautstark ein, – und in kürzester Zeit waren sowohl der Kasper als auch wir völlig im Bilde über das, was der Lehrer uns beibringen wollte. Im Nachhinein überlegt war dieses eine sehr wirkungsvolle Methode, die es wert gewesen wäre, ins Pädagogik-Lehrbuch übernommen zu werden.
Überhaupt ist mir bis heute nicht erklärbar, wie ein einzelner Lehrer die acht Schuljahre alle zur gleichen Zeit in nur einem Raum unterrichten konnte. Dabei waren wir keineswegs artige Chorknaben! Er muß ein außergewöhnlicher Meister seines Faches gewesen sein, denn folgendes ist normal wohl kaum denkbar:
Wir hatten zu damaliger Zeit mit Beginn des 4. Schuljahres die Möglichkeit, in einer Sonderprüfung unsere Befähigung für eine weiterführende Schule nachzuweisen, natürlich nur auf Empfehlung des Lehrers und mit Zustimmung der Eltern. Mein bester Freund, der älteste Sohn vom Lehrer und ich, wir drei, unterzogen uns dieser Prüfung, die nach Aussage der Erwachsenen nicht leicht war. Das Ergebnis erscheint unglaublich, aber es war so: von den rund 20 bis 25 Schulen aus dem gesamten Bezirk hatten wir drei die ersten drei Plätze inne! Und zwar mit Abstand zu allen anderen! Da sage noch jemand was gegen die Zwergschule!
Aus dem Schulwechsel wurde allerdings zunächst nichts, da die bedrohlicher werdenden Kriegswirren allmählich die Eltern vorsichtiger werden ließen.
Der Krieg wirkte sich dann auch bald direkt auf unsere kleine Schule aus: der bewährte Lehrer wurde eingezogen und der Unterricht von Fremdlehrern aus den Nachbarschulen mit übernommen. Für uns bedeutete das einen ziemlichen Einschnitt, denn wir mußten nur noch an drei Tagen in der Woche zur Schule. Acht verschiedene Lehrer haben sich nach meiner Rechnung während der Volksschulzeit mit uns befassen müssen.
Gegen Ende des Krieges verschlug es einen ehemaligen Gymnasiallehrer in unser Dorf. Ich nehme an, daß die schlechten Zeiten in der Großstadt, sprich der Hunger, ihn dazu mit veranlaßt haben. Ein etwas schmächtiger, sehr gestrenger Herr, der allerdings nur selten den Rohrstock gebrauchte, weil das Klopfen mit dem Zeigefinger auf das Pult uns schon alle zur Ruhe brachte.
Wenn man heute gelegentlich von mir sagt, ich hätte eine einigermaßen akzeptable Karriere gemacht, dann verdanke ich das zunächst meinen Eltern, aber auch diesem Lehrer – und seinem Hunger.
Er hatte wohl bemerkt, daß ich nicht ganz unfähig war, wurde mit meinen Eltern bekannt und bot sich an, mir neben dem normalen Volksschulunterricht noch Privatstunden zu geben, so daß ich, hieraus resultierend, den gleichen Unterricht genießen konnte, den gleichaltrige Kinder in der sogenannten Aufbauschule in Oldenburg hatten. Als Salär für seine Mühen bat er um Naturalien, die man essen konnte.
Über letzteres ließ sich reden, zumal mein Vater Landwirt war und seine Familie das Geforderte wohl entbehren konnte. So radelte bzw. marschierte ich fortan jeden zweiten Nachmittag mit einem Pfund Butter, einer Mettwurst oder auch mal einem Sack Kartoffeln hinten auf dem Fahrrad noch mal zur Schule und erfuhr in der besten Stube des Lehrers, was ein Euklid, ein Pythagoras und andere schlauen Köpfe sich alles ausgedacht hatten. Auch die englische Sprache und die ersten Gesetzmäßigkeiten der Physik bestimmten bald meinen Tagesablauf. Das derzeit für mich interessanteste war jedoch, daß in der guten Stube des Lehrers ein Klavier stand. Und wenn ich mal ganz fleißig gewesen war und nichts anderes mehr vor hatte, dann durfte ich noch für einige Minuten darauf „klimpern“, spielen konnte man das nämlich nicht nennen.
Zu diesem für mich so wichtigen Lehrer ist noch zu sagen, daß er als Mitglied der NSDAP sofort nach Kriegsschluß von den Alliierten vom Schuldienst entbunden wurde. Insofern waren meine Mitbringsel für ihn und seine Familie lebenswichtig geworden, da sie über anderthalb Jahre zu den nur ganz wenigen Einnahmequellen zählten.
Man stellte jedoch später die zweifelsfreie Anständigkeit dieses Mannes als Pädagoge und auch als Staatsbürger fest, und somit konnte er seinen Beruf noch lange Jahre ausüben.
Ich habe somit ab dem 12. Lebensjahr gleichzeitig zwei Schulen besucht: die kleine, ländliche Volksschule an der großen Heide und die „Privatschule“ in der guten Stube des Lehrers. Letztere hat mir den späteren Übergang auf ein Gymnasium in der nahen Kleinstadt ermöglicht.
Klostermeier
Klostermeier hat auf das Thema Wie ich den Mauerfall erlebte im Forum Diskussion historischer Ereignisse geantwortet
Ein wunderschöner Herbsttag hatte mich noch einmal in das schöne Münstertal gelockt, wohl zum letzten Mal, denn in 5 Tagen ging meine Kur in Badenweiler zu Ende. Der Wetterbericht im Radio , von dem ich vor einer halben Stunde noch etwas mitbekommen hatte, sprach zwar vom ersten ausgiebigen Schneefall im Schwarzwald in der letzten Nacht, aber hier im Tal war davon noch nichts zu sehen. Ich wurde aber eines besseren belehrt, als ich den Weg an einem Berghang einige hundert Meter hinauffuhr: plötzlich war alles um mich herum weiß, und hart gefrorener Schnee und Eisglätte ließen eine Weiterfahrt trotz Winterreifen nicht als sinnvoll erscheinen. Also umkehren. Außerdem war es hier oben schon recht kalt. Unten im Tal versprach ein freundlicher Gasthof „Zum Hirschen“ Aussicht auf eine heiße Tasse Kaffee. Der Innenraum war hell erleuchtet, man wartete also schon auf Gäste. Wollte nur noch schnell mal im Autoradio die 10:00 Uhr - Nachrichten und vor allem den Straßenzustandsbericht hören.
Und was hörte ich? Die Mauer in Berlin sei gefallen! Am Abend vorher schon. Wie folgenreich diese Mitteilung war, habe ich anfangs kaum wahrgenommen, dachte nur an einen Panzer, der vielleicht dagegen gefahren sei. Die weitere Nachricht ließ mich jedoch aufhorchen: „Die Grenzübergänge in Berlin sind jetzt alle offen und können ab sofort und ohne besondere Genehmigung passiert werden.“ Mit zitternder Hand bediente ich den Sender-Suchknopf, um die Meldung auch von anderer Seite bestätigt zu bekommen. Aber überall das gleiche, es war also keine Fehlmeldung. Einen Fernseher müßte man jetzt haben. Der nächste für mich zugängliche Apparat stand in unserer Klinik Fürstenhof in Badenweiler. Die Fahrt dorthin hätte mich wegen mehrmaliger Geschwindigkeitsüberschreitung bestimmt eine ansehnliche Geldstrafe und einige Punkte in Flensburg eingebracht. Aber es ging alles gut.
Der Fernsehraum in der Klinik war übervoll und meine Frage, was denn nun genau passiert sei, wurde nur mit einem eindringlich mahnenden „Pschschscht!“ abgeurteilt. Auf dem Bildschirm sah man Leute in vollbesetzten Trabbis, die sich durch begeisterte Menschenmassen zwängten. Andere kamen zu Fuß durch die Maueröffnung. Man lag sich in den Armen, war offensichtlich vor Freude außer sich. Allmählich begriff ich, welch` ein historisches Ereignis sich vor meinen Augen abspielte, denn immer wieder wurde die inzwischen allseits bekannte Pressekonferenz mit der maßgebenden Äußerung eines Herrn Scharbowski eingespielt. Und die Deutung des Begriffes „unverzüglich“ machte die Runde. Ungefähr eine Stunde hatten wir die Bilder in ihrer ganzen Faszination verfolgt, bis jemand das Licht im Raum einschaltete.
Es wurde ruhiger unter den Zuschauern, jeder war in sich selbst gekehrt und versuchte, das Erlebte zu verarbeiten. Viele hatten Tränen in den Augen, andere weinten.
So habe ich – wenn auch mit Verspätung – die Öffnung der Mauer erlebt.
Vier Tage später, also am 14. 10. trat ich die Heimreise an, mit dem Auto von Badenweiler aus in Richtung Norden.
Und, siehe da, die Grenzöffnung hatte sich auch auf den Autobahnverkehr ausgewirkt, denn alle Augenblicke traf man einen in gleicher Richtung tuckernden Trabbi oder einen Wartburg, beide schon von Weitem an der markanten weißen Rauchfahne am Auspuff zu erkennen! Meistens waren die Fahrzeuge voll besetzt mit neugierig aus den Seitenfenstern blickenden Reisenden, die jedes kurze Winken des überholenden Fahrers enthusiastisch erwiderten. Viele werden damals sicher zum ersten Mal das „gelobte Land“ Westdeutschland erlebt haben. Oder man hatte den seit nunmehr über 40 Jahren überfälligen Besuch eines westdeutschen Verwandten endlich verwirklichen können. Ich wurde nachdenklich, und die in den meisten Trabbis gezeigte Fröhlichkeit wollte sich bei mir einfach nicht einstellen.
Im Raum Kassel/Göttingen brachte mein Magen sich in Erinnerung und ließ mich den Rasthof Göttingen-Ost ansteuern. Auf dem Parkplatz war normaler Wochentagsbetrieb, gleiches galt für die Restauration im Haus. Ich nahm am Fenster Platz und hatte gute Übersicht über das Kommen und Gehen. Auf dem Parkplatz reihte sich ein Trabbi ein und drei Personen stiegen aus: offensichtlich ein Vater mit seinen zwei Kindern, eine Tochter, vielleicht 9 – 10 Jahre alt, und ein paar Jahre jüngerer Sohn.
Der bedienende Kellner mußte die neuen Gäste auch schon registriert haben, als sie noch draußen waren, denn er empfing sie am Eingang zum Restaurant. Man unterhielt sich leise, ich konnte den Kellner aber verstehen: „Sind Sie von drüben?“ „Ja“. „Dann habe ich was für Sie. Würden Sie bitte in dem Nebenraum Platz nehmen?“
Dieser Raum war von meinem Platz aus zwar durch zwei Fensterwände hindurch einzusehen, ich kann aber meine Neugierde bei solchen Gelegenheiten gut im Zaum halten. Es blieb mir jedoch nicht verborgen, daß die Gäste „von drüben“ mit einer dezenten Freundlichkeit und wahrscheinlich kostenfrei bedient wurden. „Wir führen momentan eine Begrüßungsaktion durch“ erklärte mir der Kellner, als ich ihm meine Genugtuung darüber zu verstehen gab.
Der Junge hatte sich inzwischen schon mal umgesehen in dem Lokal, wobei ihn eine große Schau-Vitrine mit unzähligen Dingen, die Kinder nun mal gern haben, faszinierte. Plastik-Spielzeug in allen Farben, kuschelige Plüschtiere, im Aussehen dem Original verblüffend ähnlich usw. In hiesigen Kinderzimmern nennt man sie schon mal „Bodendecker“, die abends öfters für Verstimmung sorgen, wenn das Wegräumen angesagt ist. Nicht so bei dem Jungen vor der Schauvitrine: seine bewundernden Augen machten deutlich, daß diese schönen Dinge sein Zimmer bislang noch nicht erobert hatten.
Inzwischen hatte ich die Mahlzeit beendet, den Kellner entlohnt und war schon auf dem Weg zum Auto. Ein kurzer Blick in den besagten Nebenraum bestätigte, daß die „Begrüßung“ der kleinen Gruppe durch das Restaurant sehr großzügig ausgefallen war. Der Mann hatte das Besteck bereits beiseite gelegt, die Kinder löffelten noch mit Hingabe an dem anscheinend wohlschmeckenden „Begrüßungs-Eis“ . Begrüßung, das war das Wort, was mich in dem Moment wieder einfiel und mich innehalten ließ: ich wollte auch „begrüßen“ und machte auf der Stelle kehrt, ging in den Nebenraum: „Sind das Ihre Kinder?“ „Ja“ „“Darf ich denen ein kleines Geschenk machen?“ Kurzes Kopfnicken. „ Hier, für dich und deinem Bruder. Vielleicht wollt` ihr eurem Vater ja auch etwas davon abgeben“. Das Mädchen schaute mit großen Augen auf den Geldschein, und das leise „Danke schön“ war bestimmt ehrlich und kam vom Herzen.
Für mich wurde es Zeit, den Rasthof zu verlassen, denn ich verspürte feuchte Augen und den Kloß im Hals, der jedes weitere Wort vereitelt hätte.
Auf der Weiterfahrt überfielen mich Gedanken, die die Weltordnung, wenn es die denn gibt, ins Wanken bringen würden. Da durften Menschen teilweise das erste Mal in ihrem Leben unser Land besuchen. Unser Land, das doch auch ihr Land war, denn es nennt sich Deutschland und sollte somit doch für alle Deutschen zugänglich sein. Sie fuhren in ihren Trabbis, auf die sie jahrelang gewartet hatten. Wir überholten sie in unseren Wohlstandskutschen und ließen uns nur blöde Witze einfallen, wenn wir es ihnen mal wieder gezeigt hatten, was bei uns Geschwindigkeiten sind. Sie fuhren in die Freiheit, die sie sich schon lange gewünscht hatten, aber auch in eine neue Zeit, die sie nicht kannten.
Gewiß, sie würden Mitmenschen begegnen, die es gut und ehrlich mit ihnen meinen, die ihnen zur Seite stehen, wenn es z. B. um geschäftliche Dinge geht. Sie würden aber auch die Ellbogengesellschaft kennen lernen, die sich ihre Unkenntnis rabiat und rücksichtslos zunutze machen würde. Und schließlich: Warum mußten Erwachsene und vor allem Kinder teilweise Jahrzehnte lang auf attraktive Dinge verzichten, nur weil sie damals, als unser Land aufgeteilt wurde, im falschen Teil dieses Landes wohnten und den sie ihre „Heimat“ nannten.
– Richtige Männer weinen nicht, sagt man. Warum eigentlich nicht? Ich habe geweint auf der Weiterfahrt.
Klostermeier