Plaudereien Lieber scheitern als ein Niemand sein?
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Es gibt ja diesbezüglich auch ein ganz tolles Lied von UDO JÜRGENS:
"Ich war noch niemals in New York". Dieses Lied beinhaltet ebenso das Problem,
Ausbrechen oder nicht......
Der Text passt m.E. genau.....
--
karin2
"Ich war noch niemals in New York". Dieses Lied beinhaltet ebenso das Problem,
Ausbrechen oder nicht......
Der Text passt m.E. genau.....
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karin2
pilli schrieb am 15.05.2007 um 23.05:
>
>
> wozu telramund
>
> braucht es weisheit, zu erkennen, wie weit sich die beiträge von der aussage des zitierten Henry Miller entfernt haben? ich nahm an, dass fülosofisch gestimmter telramund seine gedanken eher auf die person Henry Miller konzentriert hätte und weniger darauf, ob nun gleiches für mann oder frau gelte?
>
> differenzierst du denn nicht, ob eine persönliche situation oder gleich bezogen auf die allgemeinheit hinterfragt wird?
>
> inwieweit du für watt empfänglich bist telramund, das wird sich zeigen...
>
> --
> pilli
Hallo pilli,
Deine Belehrung wurde von dem noch lernenden Telramund nicht ganz verstanden: Henry Miller hat seine Weisheit eben nicht nur auf seine Person bezogen, sondern generell das aus seiner Sicht "unausgelebte Verhalten" der Männer angesprochen. Insofern war es nicht unbedingt erforderlich, auf die Person Miller einzugehen.
Und zur Frage, daß sich zeigen wird, für was ich empfänglich bin, möchte ich ergänzen, daß diese sich auch auf die Gegenseite, in diesem Falle, auf die Grenzen von Pillis Köll`scher (Selbst-)Kritik beziehen könnte.
--
telramund
>
>
> wozu telramund
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> braucht es weisheit, zu erkennen, wie weit sich die beiträge von der aussage des zitierten Henry Miller entfernt haben? ich nahm an, dass fülosofisch gestimmter telramund seine gedanken eher auf die person Henry Miller konzentriert hätte und weniger darauf, ob nun gleiches für mann oder frau gelte?
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> differenzierst du denn nicht, ob eine persönliche situation oder gleich bezogen auf die allgemeinheit hinterfragt wird?
>
> inwieweit du für watt empfänglich bist telramund, das wird sich zeigen...
>
> --
> pilli
Hallo pilli,
Deine Belehrung wurde von dem noch lernenden Telramund nicht ganz verstanden: Henry Miller hat seine Weisheit eben nicht nur auf seine Person bezogen, sondern generell das aus seiner Sicht "unausgelebte Verhalten" der Männer angesprochen. Insofern war es nicht unbedingt erforderlich, auf die Person Miller einzugehen.
Und zur Frage, daß sich zeigen wird, für was ich empfänglich bin, möchte ich ergänzen, daß diese sich auch auf die Gegenseite, in diesem Falle, auf die Grenzen von Pillis Köll`scher (Selbst-)Kritik beziehen könnte.
--
telramund
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Um nochmal auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen...
Henry Miller sagt weiter....
"Wenn man das tut, was man gerne tut, hat man immer noch ein Gefühl der Freiheit, selbst wenn es die Freiheit, zu hungern und zu leiden, ist.
Es ist DEIN Leben, DEIN Elend, DEIN eigenes Unglück.
Ich glaube, daß ein gehetztes, gefahrvolles Leben voller Ängste dem eines Handelsvertreters mit seiner Aktenmappe (Niemand) vorzuziehen ist."
Klingt das nicht sehr nach Egoismus, Null-Bereitschaft auf Kompromisse?
Wer kann so alltagstauglich leben?
--
karin2
Henry Miller sagt weiter....
"Wenn man das tut, was man gerne tut, hat man immer noch ein Gefühl der Freiheit, selbst wenn es die Freiheit, zu hungern und zu leiden, ist.
Es ist DEIN Leben, DEIN Elend, DEIN eigenes Unglück.
Ich glaube, daß ein gehetztes, gefahrvolles Leben voller Ängste dem eines Handelsvertreters mit seiner Aktenmappe (Niemand) vorzuziehen ist."
Klingt das nicht sehr nach Egoismus, Null-Bereitschaft auf Kompromisse?
Wer kann so alltagstauglich leben?
--
karin2
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
hallo karin - wo schreibt Henry Miller das? Kannst Du eine Quellangabe geben?
--
angelottchen
--
angelottchen
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
"Belehrungen" ???
ich entdecke fragezeichen in meinem text an dich; sind es nicht gerade die weiterführenden fragen, die zu fülosofischen weisheiten führen könnten ?
von Peter Sloterdijk las ich in einer Vorbemerkung zu einem meiner bücher der reihe: "Philosophie Jetzt!" zum Band "Sarte":
"Was Sartre angeht, so blieb er zeitlebens seiner Weise, die bodenlose Freiheit zu leben, treu. Für ihn war das Nichts der Subjektivität kein herabziehender abgrund, sondern eine heraufsprudelnde Quelle, ein Überschuß an Verneinungskraft gegen alles Umschließende. Im Unterschied
zu vielen Subjektivtätsdenkern hat Sartre sich in seiner Abgründigkeit wohl gefühlt; Anlehnung war für ihn mehr Pflicht als Kür. Was er "engagement" nannte, war die Fortsetzung des "dégagement" mit anderen Mitteln; am Vorrang der Loslösung vor der Neuanbindung gab es für ihn keinen Zweifel. Er beherrschte die Kunst, fast alles, was er tun mußte, spontan zu wollen; so kam er, wo es ging, dem Zwang zuvor. "Glissez, mortels, n'appuyez pas!"; gleitet ihr Sterblichen, lastet nicht!"
...
in diesem sinne, gleite telramund spontan und ohne zwang zu spüren, datt wünscht dir grenzenlos verstehen wollende kölsche frohnatur!
--
pilli
ich entdecke fragezeichen in meinem text an dich; sind es nicht gerade die weiterführenden fragen, die zu fülosofischen weisheiten führen könnten ?
von Peter Sloterdijk las ich in einer Vorbemerkung zu einem meiner bücher der reihe: "Philosophie Jetzt!" zum Band "Sarte":
"Was Sartre angeht, so blieb er zeitlebens seiner Weise, die bodenlose Freiheit zu leben, treu. Für ihn war das Nichts der Subjektivität kein herabziehender abgrund, sondern eine heraufsprudelnde Quelle, ein Überschuß an Verneinungskraft gegen alles Umschließende. Im Unterschied
zu vielen Subjektivtätsdenkern hat Sartre sich in seiner Abgründigkeit wohl gefühlt; Anlehnung war für ihn mehr Pflicht als Kür. Was er "engagement" nannte, war die Fortsetzung des "dégagement" mit anderen Mitteln; am Vorrang der Loslösung vor der Neuanbindung gab es für ihn keinen Zweifel. Er beherrschte die Kunst, fast alles, was er tun mußte, spontan zu wollen; so kam er, wo es ging, dem Zwang zuvor. "Glissez, mortels, n'appuyez pas!"; gleitet ihr Sterblichen, lastet nicht!"
...
in diesem sinne, gleite telramund spontan und ohne zwang zu spüren, datt wünscht dir grenzenlos verstehen wollende kölsche frohnatur!
--
pilli
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Angelottchen, wir waren am WE in einer Neuinszenierung vom "Tannhäuser". Dort in dem Programmheft waren unter anderem Beiträge von Prominenten.
Unter der Grobüberschrift bezogen auf Tannhäuser "Verdrängungsmechanismen eines Egozentrikers".
Es gab dort auch Beiträge von Ulrich Lenz, Ludwig Feuerbach (Fleisch und Geist)
(sehr interessant übrigens)
--
karin2
Unter der Grobüberschrift bezogen auf Tannhäuser "Verdrängungsmechanismen eines Egozentrikers".
Es gab dort auch Beiträge von Ulrich Lenz, Ludwig Feuerbach (Fleisch und Geist)
(sehr interessant übrigens)
--
karin2
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
karin2 schrieb am 16.05.2007 um 10.16:
> Um nochmal auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen...
>> Henry Miller sagt weiter....
> > "Wenn man das tut, was man gerne tut, hat man immer noch ein Gefühl der Freiheit, selbst wenn es die Freiheit, zu hungern und zu leiden, ist.
>
> Es ist DEIN Leben, DEIN Elend, DEIN eigenes Unglück.
>> Ich glaube, daß ein gehetztes, gefahrvolles Leben voller Ängste dem eines Handelsvertreters mit seiner Aktenmappe (Niemand) vorzuziehen ist."
>
> > Klingt das nicht sehr nach Egoismus, Null-Bereitschaft auf Kompromisse?
>
> Wer kann so alltagstauglich leben?
>
> karin2
Für mich ist diese Aussage ebenfalls absoluter Egoismus ohne irgendwelche Kompromißbereitschaft, Verpflichtung und Verantwortung für andere.
Da wir zum großen Teil durch unsere ererbten Gene bestimmt werden und unsere weitere charakterliche Prägung durch frühkindliche Erziehung und spätere Umwelteinflüsse erfahren, bin ich ohnedies der Ansicht, daß wir in unserer freien Willensentscheidung sehr begrenzt sind.
Trotzdem hat die m.E. maßlos überspitzte Aussage Henry Millers natürlich ihren Wahrheitskern, wenn man sich nämlich vor Augen hält, wie eingeengt und fremdbestimmt der Lebensweg mancher Menschen verläuft und wie sehr sie schon das eigene selbständige Denken den anderen überlassen.
Gleichwohl ist für mich für die Lebensqualität entscheidend, wie glücklich oder sagen wir schmerzlos und sorgenfrei jemand lebt.
Insofern ist der friedlich mit sich und der Welt im Reinen lebende Einfaltspinsel oder sonstiger Niemand, vielleicht glücklicher, als ein rastlos getriebener, in egoistischer Weise, alle Genüsse und Abarten des Lebens auskosten wollender Henry Miller.
--
telramund
> Um nochmal auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen...
>> Henry Miller sagt weiter....
> > "Wenn man das tut, was man gerne tut, hat man immer noch ein Gefühl der Freiheit, selbst wenn es die Freiheit, zu hungern und zu leiden, ist.
>
> Es ist DEIN Leben, DEIN Elend, DEIN eigenes Unglück.
>> Ich glaube, daß ein gehetztes, gefahrvolles Leben voller Ängste dem eines Handelsvertreters mit seiner Aktenmappe (Niemand) vorzuziehen ist."
>
> > Klingt das nicht sehr nach Egoismus, Null-Bereitschaft auf Kompromisse?
>
> Wer kann so alltagstauglich leben?
>
> karin2
Für mich ist diese Aussage ebenfalls absoluter Egoismus ohne irgendwelche Kompromißbereitschaft, Verpflichtung und Verantwortung für andere.
Da wir zum großen Teil durch unsere ererbten Gene bestimmt werden und unsere weitere charakterliche Prägung durch frühkindliche Erziehung und spätere Umwelteinflüsse erfahren, bin ich ohnedies der Ansicht, daß wir in unserer freien Willensentscheidung sehr begrenzt sind.
Trotzdem hat die m.E. maßlos überspitzte Aussage Henry Millers natürlich ihren Wahrheitskern, wenn man sich nämlich vor Augen hält, wie eingeengt und fremdbestimmt der Lebensweg mancher Menschen verläuft und wie sehr sie schon das eigene selbständige Denken den anderen überlassen.
Gleichwohl ist für mich für die Lebensqualität entscheidend, wie glücklich oder sagen wir schmerzlos und sorgenfrei jemand lebt.
Insofern ist der friedlich mit sich und der Welt im Reinen lebende Einfaltspinsel oder sonstiger Niemand, vielleicht glücklicher, als ein rastlos getriebener, in egoistischer Weise, alle Genüsse und Abarten des Lebens auskosten wollender Henry Miller.
--
telramund
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
hm.... es wäre interessant, den genauen wortlaut zu kennen .. denn so aus dem zusammenhang ergibt sich wahrscheinlich ein völlig anderer sinn als von miller beabsichtigt? habe viel von ihm gelesen,auch seine briefe - und dieses zitat ist mir unbekannt....
übrigens liebte miller es, auch sein privates briefpapier mit fussnoten bedrucken zu lassen. so stand da z.b. das brasilianische sprichwort "wenn sch..sse etwas wert wäre ; die armen kämen ohne hintern auf die welt" (wie wahr, wie wahr ..gerade in diesem land)
--
angelottchen
übrigens liebte miller es, auch sein privates briefpapier mit fussnoten bedrucken zu lassen. so stand da z.b. das brasilianische sprichwort "wenn sch..sse etwas wert wäre ; die armen kämen ohne hintern auf die welt" (wie wahr, wie wahr ..gerade in diesem land)
--
angelottchen
Re: Lieber scheitern als ein Niemand sein?
den Gedankengängen zu diesem Zitat möchte ich ein altes Lied von Hannes Wader gegenüberstellen - besonders die letzte Strophe (und bevor sich wieder jemand über die nicht ganz feine Wortwahl aufregt: sie stammt NICHT von mir - und: man achte auf die Aussage des Liedes, nicht auf Worte, die einem vielleicht nicht gefallen:
====
Die Arschkriecherballade
An einem trüben Tag, als er gerade vierzehn war,
eben wuchs auf seiner Brust das erste blasse Haar,
spielte er für sich im Wald, da rief sein Vater ihn herein,
brachte ihn zu seiner Mutter, lies ihn dann mit ihr allein.
Den Kopf mit Waldgeschichten vollgestopft bis an den Rand,
drei Federn noch im Schopf, Pfeil und Bogen in der Hand,
stand er da ganz nackt, und seine knochige Gestalt,
war von Kopf bis Fuß mit bunten Kriegszeichen bemalt.
Seine Mutter strich um ihn herum und deutete dann
mit dem Blick auf seinen rot-weiß-grün gestreiften Pillermann.
Sagte: »Ach, mein Junge, wenn du schon so gerne malst und schmierst,
sorge ich dafür, daß du was Künstlerisches wirst«.
Kurze Zeit darauf fand sich ein Warenhaus bereit,
ihn als Schildermaler einzustellen mit 'ner Probezeit.
Er bestaunte, daß ihm tagelang der Mund weit offen stand,
in dem großen Hause all die neuen Dinge, die er fand.
Schöne Menschen gab es dort, mit Gesichtern glatt und weich,
und er schaute in den Spiegel, lief schnell weg und fragte gleich
einen unrasierten, alten Mann mit eckigem Gesicht:
»Warum sind wir beide denn so häßlich und die andern nicht?«
»Wenn's dein Wunsch ist«, sprach der Mann, »so wie die anderen zu sein,
halte dich an deinen Chef, kriech ihm einfach hinten rein.
Das übst du fleißig, bis sich dein Gesicht schön sanft und glatt
an der Darmwand deines Vorgesetzten abgeschliffen hat!«
Und schon wandte sich der Junge an den sauberen Verein
mit dem heißen Wunsch, bald auch so'n schöner Arschkriecher zu sein.
Doch da zeigten sich die Menschen sehr verwundert und empört,
taten so, als hätten sie dieses Wort noch nie gehört.
Sie packten ihn am Arm, führten ihn in einen Raum,
dort hing ein hoher Vorgesetzter, höher als ein Baum
von der Zimmerdecke, festgeschnallt in einem Stützkorsett,
dessen nackter Hintern pendelte, schön glänzend, bleich und fett
wie ein praller Gasballon, nur zigtausendmal so schwer,
als die Türe aufging, kaum wahrnehmbar, im Luftzug hin und her.
Der Junge spürte, als das dicke Ding dicht vor ihm schwang,
eine sanfte Hand im Nacken, die ihn in die Knie zwang.
Und dort fand er sie, die Öffnung, ganz tief unten, gar nicht groß,
und er jauchzte laut vor Freude, und sofort ließ man ihn los.
Er atmete tief ein, bohrte dann mit aller Macht
seinen dürren Knabenkörper in den dunkeln, engen Schacht.
Doch im nächsten Augenblick ein heißer Druck, ein Donnerschlag,
und als er darauf halb betäubt in einer Ecke lag,
einen Mann vor Schmerz laut brüllen hörte, war ihm endlich klar,
daß er als Afterkriecher völlig ungeeignet war.
Er befühlte sein Gesicht, es war noch alles wie vorher,
nur mit der scharfen Krümmung seiner Nase hatte er
dem Vorgesetzten nicht allein den Schließmuskel geritzt,
sondern ihm auch noch der Länge nach dem Mastdarm aufgeschlitzt.
Voller Angst sahr er jetzt, wie die schönen Menschen um ihn her
häßlich wurden und ihn schlugen, und schon spürte er nichts mehr.
Als er dann erwachte, sah er jenen alten Mann
mit dem eckigen Gesicht, er kroch hin und schrie ihn an:
»Ich hab die Menschen jetzt, wie sie wirklich sind, gesehn,
und ich krieche auch nie wieder, davon wird man gar nicht schön.
Ich will wissen, alter Mann, was ist mit den Leuten los,
wenn sie schon nicht hübscher werden, warum kriechen sie denn bloß?«
»Schwer zu sagen«, sprach der Mann, »manch einer kriecht ja auch nicht gern
und meint, er muß es tun, um die Familie zu erhährn.
Dem andern macht es Spaß, er schafft sich Frau und Kinder an —
als Vorwand — nur damt er besser arschkriechen kann.«
===
--
Sind diese Männer, die sich wie in der letzten Strophe verhalten, nicht vielleicht noch viel schlimmere Egoisten?
angelottchen
====
Die Arschkriecherballade
An einem trüben Tag, als er gerade vierzehn war,
eben wuchs auf seiner Brust das erste blasse Haar,
spielte er für sich im Wald, da rief sein Vater ihn herein,
brachte ihn zu seiner Mutter, lies ihn dann mit ihr allein.
Den Kopf mit Waldgeschichten vollgestopft bis an den Rand,
drei Federn noch im Schopf, Pfeil und Bogen in der Hand,
stand er da ganz nackt, und seine knochige Gestalt,
war von Kopf bis Fuß mit bunten Kriegszeichen bemalt.
Seine Mutter strich um ihn herum und deutete dann
mit dem Blick auf seinen rot-weiß-grün gestreiften Pillermann.
Sagte: »Ach, mein Junge, wenn du schon so gerne malst und schmierst,
sorge ich dafür, daß du was Künstlerisches wirst«.
Kurze Zeit darauf fand sich ein Warenhaus bereit,
ihn als Schildermaler einzustellen mit 'ner Probezeit.
Er bestaunte, daß ihm tagelang der Mund weit offen stand,
in dem großen Hause all die neuen Dinge, die er fand.
Schöne Menschen gab es dort, mit Gesichtern glatt und weich,
und er schaute in den Spiegel, lief schnell weg und fragte gleich
einen unrasierten, alten Mann mit eckigem Gesicht:
»Warum sind wir beide denn so häßlich und die andern nicht?«
»Wenn's dein Wunsch ist«, sprach der Mann, »so wie die anderen zu sein,
halte dich an deinen Chef, kriech ihm einfach hinten rein.
Das übst du fleißig, bis sich dein Gesicht schön sanft und glatt
an der Darmwand deines Vorgesetzten abgeschliffen hat!«
Und schon wandte sich der Junge an den sauberen Verein
mit dem heißen Wunsch, bald auch so'n schöner Arschkriecher zu sein.
Doch da zeigten sich die Menschen sehr verwundert und empört,
taten so, als hätten sie dieses Wort noch nie gehört.
Sie packten ihn am Arm, führten ihn in einen Raum,
dort hing ein hoher Vorgesetzter, höher als ein Baum
von der Zimmerdecke, festgeschnallt in einem Stützkorsett,
dessen nackter Hintern pendelte, schön glänzend, bleich und fett
wie ein praller Gasballon, nur zigtausendmal so schwer,
als die Türe aufging, kaum wahrnehmbar, im Luftzug hin und her.
Der Junge spürte, als das dicke Ding dicht vor ihm schwang,
eine sanfte Hand im Nacken, die ihn in die Knie zwang.
Und dort fand er sie, die Öffnung, ganz tief unten, gar nicht groß,
und er jauchzte laut vor Freude, und sofort ließ man ihn los.
Er atmete tief ein, bohrte dann mit aller Macht
seinen dürren Knabenkörper in den dunkeln, engen Schacht.
Doch im nächsten Augenblick ein heißer Druck, ein Donnerschlag,
und als er darauf halb betäubt in einer Ecke lag,
einen Mann vor Schmerz laut brüllen hörte, war ihm endlich klar,
daß er als Afterkriecher völlig ungeeignet war.
Er befühlte sein Gesicht, es war noch alles wie vorher,
nur mit der scharfen Krümmung seiner Nase hatte er
dem Vorgesetzten nicht allein den Schließmuskel geritzt,
sondern ihm auch noch der Länge nach dem Mastdarm aufgeschlitzt.
Voller Angst sahr er jetzt, wie die schönen Menschen um ihn her
häßlich wurden und ihn schlugen, und schon spürte er nichts mehr.
Als er dann erwachte, sah er jenen alten Mann
mit dem eckigen Gesicht, er kroch hin und schrie ihn an:
»Ich hab die Menschen jetzt, wie sie wirklich sind, gesehn,
und ich krieche auch nie wieder, davon wird man gar nicht schön.
Ich will wissen, alter Mann, was ist mit den Leuten los,
wenn sie schon nicht hübscher werden, warum kriechen sie denn bloß?«
»Schwer zu sagen«, sprach der Mann, »manch einer kriecht ja auch nicht gern
und meint, er muß es tun, um die Familie zu erhährn.
Dem andern macht es Spaß, er schafft sich Frau und Kinder an —
als Vorwand — nur damt er besser arschkriechen kann.«
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Sind diese Männer, die sich wie in der letzten Strophe verhalten, nicht vielleicht noch viel schlimmere Egoisten?
angelottchen