Literatur Lyrik/Gedichte für Liebhaber
RE: Lyrik/Gedichte für Liebhaber
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Einer toten Blaumeise
Auf dem Gesimse lag ein Vogel tot
Ein Federhäufchen hart am Fensterrand
Und draußen leuchtete voll Morgenrot
Das Sommergärtlein, jüngst sein Heimatland.
Ein Daseinsrätsel — seines war aus Glas –
Hat jäh das blaue Köpflein ihm zerspellt,
Dem tapfern Meislein, das so ganz vergaß,
Wie sehr der Mensch sich bannt in seine Welt.
Denn Ordnungsliebe, die schon viel verdarb,
Riegelte Tür und Fenster ängstlich zu,
Seiner nicht achtend. Manches Flügeln starb
Schon hinter Haus und Mauer. Meislein, du
Glaubtest wohl, jede Helle führ ins Licht,
In deine Welt voll Sonne, Regen, Wind;
Du kanntest unsre Neunmalklugen nicht,
Die nichts als hell verglaste Hemmung sind.
So ward dein Drang ins Freie dein Verderben
– Wie leuchteten die Rosen, draußen, rot! -
Doch besser, auf dem Weg zum Lichte sterben
Als dumpf vermuffelt leben, dauernd tot.
Dein blaues Seelchen flügelt nun vielleicht
In neuer Form im neuen Sonnenschein;
Auch hast du deinen Lebenszweck erreicht
Und warst ein Meislein...
Wer wagt Mensch zu sein?
Max Geilinger (1884-1948)
Auf dem Gesimse lag ein Vogel tot
Ein Federhäufchen hart am Fensterrand
Und draußen leuchtete voll Morgenrot
Das Sommergärtlein, jüngst sein Heimatland.
Ein Daseinsrätsel — seines war aus Glas –
Hat jäh das blaue Köpflein ihm zerspellt,
Dem tapfern Meislein, das so ganz vergaß,
Wie sehr der Mensch sich bannt in seine Welt.
Denn Ordnungsliebe, die schon viel verdarb,
Riegelte Tür und Fenster ängstlich zu,
Seiner nicht achtend. Manches Flügeln starb
Schon hinter Haus und Mauer. Meislein, du
Glaubtest wohl, jede Helle führ ins Licht,
In deine Welt voll Sonne, Regen, Wind;
Du kanntest unsre Neunmalklugen nicht,
Die nichts als hell verglaste Hemmung sind.
So ward dein Drang ins Freie dein Verderben
– Wie leuchteten die Rosen, draußen, rot! -
Doch besser, auf dem Weg zum Lichte sterben
Als dumpf vermuffelt leben, dauernd tot.
Dein blaues Seelchen flügelt nun vielleicht
In neuer Form im neuen Sonnenschein;
Auch hast du deinen Lebenszweck erreicht
Und warst ein Meislein...
Wer wagt Mensch zu sein?
Max Geilinger (1884-1948)
Du musst das Leben nicht verstehen
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Rainer Maria Rilke
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Rainer Maria Rilke
Über die Geduld
(Auszug)
(Auszug)
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
aus: Über die Geduld von Rainer Maria Rilke, Viareggio bei Pisa (Italien), am 23. April 1903
https://www.mein-lernen.at/deutsch/rainer-maria-rilke-ueber-die-geduld
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
aus: Über die Geduld von Rainer Maria Rilke, Viareggio bei Pisa (Italien), am 23. April 1903
https://www.mein-lernen.at/deutsch/rainer-maria-rilke-ueber-die-geduld
Die Kunst der kleinen Schritte von Antoine de Saint-Exupéry
Ich bitte nicht um Wunder und Visionen Herr,
sondern um die Kraft für den Alltag. Lehre mich die Kunst der
kleinen Schritte. Mach mich findig und erfinderisch,
um im täglichen Vielerlei und Allerlei rechtzeitig meine
Erkenntnisse und Erfahrungen zu notieren,
von denen ich besonders getroffen und betroffen bin.
sondern um die Kraft für den Alltag. Lehre mich die Kunst der
kleinen Schritte. Mach mich findig und erfinderisch,
um im täglichen Vielerlei und Allerlei rechtzeitig meine
Erkenntnisse und Erfahrungen zu notieren,
von denen ich besonders getroffen und betroffen bin.
Mach mich griffsicher in der richtigen Zeiteinteilung.
Schenke mir das Fingerspitzengefühl, um herauszufinden,
was erstrangig und was zweitrangig ist.
Lass mich erkennen, dass Träumereien nicht weiterhelfen,
weder über die Vergangenheit, noch über die Zukunft.
Hilf mir das Nächste so gut wie möglich zu tun und
die jetzige Stunde als die wichtigste zu erkennen.
Bewahre mich vor dem naiven Glauben,
es müsste im Leben alles glatt gehen-
Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,
dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge
eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind,
durch die wir wachsen und reifen.
Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt.
Schick mir im rechten Augenblick jemand, der den Mut hat,
mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.
Du weißt wie sehr wir der Freundschaft bedürfen.
Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten, riskantesten und zartesten
Geschäft des Lebens gewachsen bin.
Verleihe mir die nötige Fantasie, im rechten Augenblick ein Päckchen Güte -
mit oder ohne Worte - an der richtigen Stelle abzugeben.
Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff im Tiefgang gleicht,
um auch die zu erreichen, die unten sind. Bewahre mich vor der Angst,
ich könnte das Leben versäumen.
Gib mir nichts, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte!
Schenke mir das Fingerspitzengefühl, um herauszufinden,
was erstrangig und was zweitrangig ist.
Lass mich erkennen, dass Träumereien nicht weiterhelfen,
weder über die Vergangenheit, noch über die Zukunft.
Hilf mir das Nächste so gut wie möglich zu tun und
die jetzige Stunde als die wichtigste zu erkennen.
Bewahre mich vor dem naiven Glauben,
es müsste im Leben alles glatt gehen-
Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,
dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge
eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind,
durch die wir wachsen und reifen.
Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt.
Schick mir im rechten Augenblick jemand, der den Mut hat,
mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.
Du weißt wie sehr wir der Freundschaft bedürfen.
Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten, riskantesten und zartesten
Geschäft des Lebens gewachsen bin.
Verleihe mir die nötige Fantasie, im rechten Augenblick ein Päckchen Güte -
mit oder ohne Worte - an der richtigen Stelle abzugeben.
Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff im Tiefgang gleicht,
um auch die zu erreichen, die unten sind. Bewahre mich vor der Angst,
ich könnte das Leben versäumen.
Gib mir nichts, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte!
Die Insel der Vergessenheit
Liegt irgendwo im weiten Meer
Ein selig, weltverloren Land,
Still ziehn die Wolken drüber her,
Und leise ebbt die Fluth am Strand.
Uralte Bäume grünen dort
Und wölben sich zum dichten Hain,
In den drang nie ein Menschenwort,
Nie eines Menschen Blick hinein.
Aus purpurrothen Kelchen steigt
Ein seltsam süßer, müder Hauch,
Versonnen sich der Himmel neigt
Und reglos träumen Busch und Strauch.
Am Ufer schaukelt sich ein Kahn,
Die Wellen plätschern sacht am Kiel –
Wen holt er ab auf weiter Bahn,
Wen trägt er her zum sel'gen Ziel?
Ach, daß der Kahn mich holen müßt'
Aus dieser bangen, bangen Zeit,
Daß ich den Weg zu finden wüßt'
Zur Insel der Vergessenheit.
Anna Ritter (1865 - 1921), deutsche Dichterin und Novellistin
Das ist ein reicher Segen
In Gärten und an Wegen!
Die Bäume brechen fast.
Wie voll doch alles hanget!
Wie lieblich schwebt und pranget
Der Apfel goldne Last.
Jetzt auf dem Baum gestiegen!
Lasst uns die Zweige biegen,
Dass jedes pflücken kann!
Wie hoch die Äpfel hangen,
Wir holen sie mit Stangen
Und Haken all` heran.
Und ist das Werk vollendet,
So wird auch uns gespendet
Ein Lohn für unsern Fleiß.
Dann zieh´n wir fort und bringen
Die Äpfel heim und singen
Dem Herbst Lob und Preis.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (*1798 †1874)
In Gärten und an Wegen!
Die Bäume brechen fast.
Wie voll doch alles hanget!
Wie lieblich schwebt und pranget
Der Apfel goldne Last.
Jetzt auf dem Baum gestiegen!
Lasst uns die Zweige biegen,
Dass jedes pflücken kann!
Wie hoch die Äpfel hangen,
Wir holen sie mit Stangen
Und Haken all` heran.
Und ist das Werk vollendet,
So wird auch uns gespendet
Ein Lohn für unsern Fleiß.
Dann zieh´n wir fort und bringen
Die Äpfel heim und singen
Dem Herbst Lob und Preis.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (*1798 †1874)
"Steh zu dir,
sooft du auch
gefallen bist.
Nimm dich wahr,
wie lange du dich
auch verleugnet hast.
Bleib dir treu,
sooft du dich auch
noch betrügen magst.
Geh mit dir,
und wenn du dich
tausendmal in die Irre führst.
Nick dir zu,
selbst wenn die ganze Welt
den Kopf über dich schüttelt.
Glaub an dich,
dann hast du einen Glauben,
der dir weiterhilft."
Hans Kruppa
sooft du auch
gefallen bist.
Nimm dich wahr,
wie lange du dich
auch verleugnet hast.
Bleib dir treu,
sooft du dich auch
noch betrügen magst.
Geh mit dir,
und wenn du dich
tausendmal in die Irre führst.
Nick dir zu,
selbst wenn die ganze Welt
den Kopf über dich schüttelt.
Glaub an dich,
dann hast du einen Glauben,
der dir weiterhilft."
Hans Kruppa
Das Glück findet sich nicht selten dort, wo wir es nicht erwarten.
LG Lisa🌞