Literatur Gedichte
Die Fensterschau
Der bleiche Heinrich ging vorbei,
Schön Hedwig lag am Fenster.
Sie sprach halblaut: »Gott steh' mir bei,
Der unten schaut bleich wie Gespenster!«
Der unten erhub sein Aug' in die Höh',
Hinschmachtend nach Hedewigs Fenster.
Schön Hedwig ergriff es wie Liebesweh,
Auch sie ward bleich wie Gespenster.
Schön Hedwig stand nun mit Liebesharm
Tagtäglich lauernd am Fenster.
Bald aber lag sie in Heinrichs Arm.
Allnächtlich zur Zeit der Gespenster.
Heinrich Heine (1797 - 1856)
Frühling
Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch"
Die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt; "Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai."
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.
Fontane Theodor (1819-1898)In grünem Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch"
Die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt; "Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai."
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.
In meinen Jahren als Konzertbesucherin habe ich das immer wieder erlebt. Jedesmal oberpeinlich.. . . Kaum dass den ersten Satz sie enden,
rauscht er schon rasend mit den Händen . . .
Eugen Roth
...
geschrieben von LisaK
Das sind die Leute, die nur ins Konzert gehen, um gesehen zu werden.
Allegra
Ohne Feindschaft
Meinem Hunde rief ich zu, Höre: gut sei und gescheit,
Kätzchen ist ein Tier wie du, Also tue ihm kein Leid.
Und dem Kätzchen rief ich zu, Höre: gut sei und gescheit,
Mäuschen ist ein Tier wie du, Also tue ihm kein Leid.
Und so leben wir im HausFriedlich teilend manch Gericht,
Ich, mein Hund, und Katz' und Maus, Nur die Menschen lernen's nicht!
Finken auch dem Fenster nahn, Speisen mit in Sang und Sing,
Nachbarn freilich, die es sahn, Nennen mich den Sonderling.
Emil Claar (1842 - 1930),
Das kleine Lied.
Ein kleines heiteres Lied bin ich,
Ich zieh’ durch die Lüfte und träume.
Komm, mein Poet, und finde mich
Und bringe mich in Reime.
Dann nimm mich, lieber Musikant,
Und, dass deine Kunst mich verschöne,
Web’ mir ein freundlich schlicht’ Gewand
Und kleide mich in Töne.
Und nun, du sangesfrohe Brust,
Nun lass mich lieblich erklingen,
Und singe mich herzlich, denn du musst
Mich in die Herzen singen.
Albert Roderich (1846 - 1938), deutscher Dichter und Aphoristiker
Der Lattenzaun
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum,
Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri- od- Ameriko.
(Christian Morgenstern)
RE: Gedichte
geschrieben von ehemaliges Mitglied
“Henne oder Ei?”
Die Gelehrten und die Pfaffen
streiten sich mit viel Geschrei,
was hat Gott zuerst erschaffen -
wohl die Henne, wohl das Ei!
Wäre das so schwer zu lösen -
erstlich ward ein Ei erdacht,
doch weil noch kein Huhn gewesen -
darum hat´s der Has` gebracht!
Eduard Mörike, 1804-1875