Literatur Gedichte
Welch ein Flüstern, welch ein Summen!
Welch ein stiller Lesefleiß!
Nur Marqueure schrei’n und brummen:
Tasse schwarz! und Tasse weiß!
Und die Zeitungsblätter rauschen,
Und man liest und liest sich satt,
Um Ideen einzutauschen,
Weil man selbst gar wenig hat.
Und sie plaudern, blättern, suchen,
Endlich kommt ein Resultat:
Noch ein Stückchen Äpfelkuchen!
Zwar der Cours steht desolat.
Und sie sitzen, grübeln, denken,
Und sie werden heiß und stumm,
Und mit kühlenden Getränken
stärken sie sich wiederum.
So vertreibt man sich die Zeiten
Nach des Tages Hitz’ und Last,
Bis erfüllt mit Neuigkeiten
Geht nach Haus der letzte Gast.
Doch am Morgen sieht sich wieder
Hier der alte Lesekreis,
Und man lässt sich häuslich nieder:
Tasse schwarz! und Tasse weiß!
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Vergehe Zeit!
Vergehe Zeit und mach einer besseren Platz!
Wir haben doch nun genug verloren.
Setz einen Punkt hinter den grausamen Satz
»Ihr habt mich heraufbeschworen.«
Was wir, die Alten, noch immer nicht abgebüßt,
Willst du es nicht zum Wohle der Jugend erlassen?!
Kaum kennen wir's noch, daß fremde Hände sich fassen
Und Fremdwer zu Ungleich sagt: »Sei herzlich gegrüßt.«
Laß deine Warnung zurück und geh schnell vorbei,
Daß wir aufrecht stehen.
Vergönne uns allen zuinnerst frei
Das schöne Grün unsrer Erde zu sehen.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Vergehe Zeit und mach einer besseren Platz!
Wir haben doch nun genug verloren.
Setz einen Punkt hinter den grausamen Satz
»Ihr habt mich heraufbeschworen.«
Was wir, die Alten, noch immer nicht abgebüßt,
Willst du es nicht zum Wohle der Jugend erlassen?!
Kaum kennen wir's noch, daß fremde Hände sich fassen
Und Fremdwer zu Ungleich sagt: »Sei herzlich gegrüßt.«
Laß deine Warnung zurück und geh schnell vorbei,
Daß wir aufrecht stehen.
Vergönne uns allen zuinnerst frei
Das schöne Grün unsrer Erde zu sehen.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
"Carpe diem", hat einmal jemand gesagt. Das heisst auf Deutsch: Freue dich, solange du gesund bist,
Ob das nun mit Sechseläuten und Jass, oder Tanz und Fasnacht, oder Reisen und Toiletten, oder Rosen und Kamelien geschieht, einerlei; das muss jeder selber am besten wissen.
Aber wer im Frühling darüber jammert, daß später der Herbst kommt,
oder von einem schönen Mädchen ächzt, daß sie einmal Großmutter wird,
oder von einem hübschen Gärtchen jeremiaut, dass es möglicherweise einmal erfriert,
Der ist ein Schwachmatikus.
Carl Spitteler (1845 - 1924), Pseudonym: Carl Felix Tandem, Schweizer Dichter und Romanautor, Nobelpreisträger für Literatur 1919 (verliehen 1920)