Literatur Gedichte
Vor vielen Jahren sozusagen
hat folgendes sich zugetragen.
Drei Säue taten um ein Huhn
in einem Korb zusammen ruhn.
Das Huhn, wie manchmal Hühner sind
(im Sprichwort mindestens), war blind.
Die Säue waren schlechtweg Säue
von völliger Naturgetreue.
Dies Dreieck nahm ein Mann aufs Ziel,
vielleicht wars auch ein Weib, gleichviel.
Und trat heran und gab den Schweinen –
ihr werdet: Runkelrüben meinen.
O nein, er warf – (er oder sie)
warf – Perlen vor das schnöde Vieh.
Die Säue schlossen träg die Lider...
Das Huhn indessen, still und bieder,
erhob sich ohne Hast und Zorn
und fraß die Perlen auf wie Korn.
Der Mensch entwich und sann auf Rache;
doch Gott im Himmel wog die Sache
der drei Parteien und entschied,
daß dieses Huhn im nächsten Glied
die Perlen außen tragen solle.
Auf welche Art die Erdenscholle –
das Perlschwein -? Nein! Das war verspielt!
das Perl- Huhn zum Geschenk erhielt.
Christian Morgenstern (1871 - 1914)
AHA liebe Jole - der Christian Morgenstern hat's also erfunden. Für einmal haben nicht die Schweizer, wie ja fast alles 😇. (Hoffentlich liest Schorsch mein Lästern jetzt nicht...).
Aber jetzt weiss ich endlich, von wem der Spruch: 'Perlen vor die Säue werfen' stammt.
Grüessli - Inge
HANS MAGNUS ENZENSBERGER
Über die Schwierigkeiten der Umerziehung
Einfach vortrefflich
all diese großen Pläne:
das Goldene Zeitalter
das Reich Gottes auf Erden
das Absterben des Staates.
Durchaus einleuchtend.
Wenn nur die Leute nicht wären!
Immer und überall stören die Leute.
Alles bringen sie durcheinander.
Wenn es um die Befreiung der Menschheit geht
laufen sie zum Friseur.
Statt begeistert hinter der Vorhut herzutrippeln
sagen sie: Jetzt wär ein Bier gut.
Statt um die gerechte Sache
kämpfen sie mit Krampfadern und mit Masern.
Im entscheidenden Augenblick
suchen sie einen Briefkasten oder ein Bett.
Kurz bevor das Millennium anbricht
kochen sie Windeln.
An den Leuten scheitert eben alles.
Mit denen ist kein Staat zu machen.
Ein Sack Flöhe ist nichts dagegen.
Kleinbürgerliches Schwanken!
Konsum-Idioten!
Überreste der Vergangenheit!
Man kann sie doch nicht alle umbringen!
Man kann doch nicht den ganzen Tag auf sie einreden!
Ja wenn die Leute nicht wären
dann sähe die Sache schon anders aus.
Ja wenn die Leute nicht wären
dann gings ruckzuck.
Ja wenn die Leute nicht wären ja dann!
(Dann möchte auch ich hier nicht weiter stören.)
Aus diesem Link.
http://www.planetlyrik.de/hanjo-kesting-zu-hans-magnus-enzensbergers-gedicht-ueber-die-schwierigkeiten-der-umerziehung/2019/09/
Wird sich kein Gott noch Engel kehren,
Ja, wenn es so viel Flüche wären,
Dem Teufel wären sie zu seicht.
Doch wenn ein Freund in Lieb und Treu
Dem andern den Kalender segnet,
So steht ein guter Geist dabei.
Du denkst an mich, was Liebes dir begegnet,
Ob dir’s auch ohne das beschieden sei.
Eduard Mörike (1804 – 1875)
Der Kenner
Ein Mensch sitzt stolz, programmbewehrt,
in einem besseren Konzert,
fühlt sich als Kenner überlegen, –
die anderen sind nichts dagegen.
Musik in den Gehörgang rinnt,
der Mensch lauscht kühn verklärt und sinnt.
Kaum dass den ersten Satz sie enden,
rauscht er schon rasend mit den Händen
und spricht vernehmliche und kluge
Gedanken über eine Fuge
und seufzt dann, vor Begeisterung schwach:
„Nein, wirklich himmlisch, dieser Bach!“
Sein Nachbar aber grinst abscheulich:
„Sie haben das Programm von neulich!“
Und sieh, woran er gar nicht dachte;
man spielt´ heut´ Abend Bruckners Achte.
Und jäh, wie Simson seine Kraft,
verliert der Mensch die Kennerschaft.
Eugen Roth (*1895 - †1976),deutscher Lyriker, Autor
Tauscht man ein paar Begriffe aus - Bauern gegen Weber z.B. oder Regierung gegen König ... nur so
Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!
Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben