Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Wie geht es im schönen Spanien weiter?

Internationale Politik Wie geht es im schönen Spanien weiter?

Re: Wie geht es im schönen Spanien weiter?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 10.07.2015, 14:21:14
Auch wenn es im ST nicht en vogue ist von Erfahrungen zu berichten, weil es dazu ja keinen Link geben kann, möchte ich doch von unseren derzeitigen Erfahrungen ein Stückchen preis geben, weil sie die Situation beschreiben sowie die Mentalität und "Liebe" zum Staatswesen. Ob Spanien oder Griechenland ist eigentlich irrelevant, weil gleich.
In den letzten 2 Jahren haben wir enorm investiert, da wir etliches umgestalten wollten. Dazu haben wir verschiedene Firmen mit der Durchführung unserer Wünsche beauftragt. Vom Einzelunternehmer bis zu einer Firma mit 10 Angestellten. Letztere war eine spanische Firma, zuvor eine englische mit 4 Mitarbeitern und eine deutsche Firma mit zwei. Von allen erhielten wir ein Angebot mit dem Zusatz: IVA no incluido. Von allen wollten wir eine offizielle Rechnung haben, schon wegen unserer noch typisch deutschen Denkweise in Bezug auf Garantie . Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Die Bezahlung wird bar auf die Hand verlangt, ansonsten besteht keine Durchführung der geplanten Arbeiten. Basta!
Bei der Bank allerdings kann nur eine Summe von max. 2000 € abgehoben werden, dieses "Gesetz" wurde eingeführt um die Schwarzarbeit zu unterbinden, aber kann, zwar mit Klimmzügen, ausgehebelt werden .
Und Garantie? Ein Fremdwort wie wir gerade eben aus Erfahrung lernen durften .
Dabei sind wir kein Einzelfall sondern es beschreibt eben die Mentalität, die ich sogar ein Stück weit nachvollziehen kann. Die gängige Meinung ist: "Der Staat tut nichts für mich und ich nicht für ihn". Spanien verzeichnet ein kleines Wachstum aber die Zahl der Arbeitslosen ist nicht rückläufig, sondern steigt. Und nur der abhängige Arbeiter ist am Ende der Verlierer, denn er wird zum Großteil ebenso schwarz bezahlt, ergo wird seine Rente später sehr dürftig sein. Und so schließt sich der Kreis, dass die Armut in den folgenden Jahren erst richtig zuschlagen wird.
Bruny
olga64
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Re: Wie geht es im schönen Spanien weiter?
geschrieben von olga64
als Antwort auf karl-hagen vom 09.07.2015, 20:01:11
Wer aber die Arbeit verloren hat, fällt von heute auf morgen ins Bodenlose. Es gibt fast keine Absicherung.

Die Umverteilung der Einkommen von Unten nach Oben fing mit Hartz IV an und setzt sich wohl in ganz Europa durch.
[/quote]

Sie widersprechen sich hier: zum einen bemängeln Sie völlig richtig, dass in fast allen Ländern dieser Erde die Menschen, wenn sie ihre ARbeit verlieren, keine oder eine nur unzureichende soziale Absicherung haben. In den meisten Ländern (und dies nicht nur in Südeuropa - sondern z.B. auch in England) erhalten diese noch einige Monate Arbeitslosengeld auf unterstem Niveau und dann nix mehr.
In Deutschland ist dies nicht so. Verliert jemand seinen Job, erhält er ca 1 1/2 Jahre ARbeitslosengeld 1 und dann - wenn er immer noch keinen Job gefunden hat - Hartz IV, das sich ja aus Regelsatz - plus Zahlung der Krankenversicherung - plus Zahlung der Miete darstellt. Dies ist eine einzigartige, grosszügige soziale Leistung und ich werde nie verstehen, weshalb sie nicht als solche anerkannt ist.
Irgendwann wird es nicht mehr so grosszügig gehen, weil die Leistungsträger in unserer Gesellschaft immer weniger werden und demzufolge auch die Einzalungen in die Sozialkassen und die Steuerzahlungen. Olga
dutchweepee
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Mitglied

Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von dutchweepee
"Würde ein Gesetz wie das am 31.3. im BOLETÍN OFICIAL DEL ESTADO veröffentlichte und am 1. Juli in Kraft getretene Ley Mordaza in, sagen wir, Iran installiert, bräche ein Sturm der Entrüstung los. Artikel würde Artikel jagen, Brennpunkte gesendet, Botschafter einbestellt, Staatsbesuche abgesagt, Sanktionen verhängt.

Aus merkwürdigen Gründen ist nichts davon der Fall, was auch daran liegen mag, daß aktuelle Berichterstattung außerhalb von Spanien kaum existent ist...

...Mit Strafen bis zu 30.000 Euro belegt werden unter anderem Nichtzusammenarbeit mit der Polizei, Verbreitung von Fotografien von Polizisten, Barrikadenbau und Veränderung an Polizeiabsperrungen, Nichtverlassen einer aufgelösten Demonstration, Verbrennen der spanischen Flagge, Kiffen in der Öffentlichkeit, unangemeldete spontane Demonstrationen, Proteste zur Verhinderung von Wohnungsräumungen und jede der Polizei mißliebige Party im öffentlichen Raum.

Mit bis zu 600.000 Euro Geldbuße werden Demonstrationen in, an oder vor einer "kritischen Infrastruktur" bestraft. Würde also spontan vor dem Parlament in Madrid gegen das Gesetz oder gegen die europäische Sparpolitik demonstriert, würde das so teuer, wie es die Polizei eben erlaubt.

Und das Schönste ist: nicht Richter, sondern die Polizei entscheidet, ob sich jemand nach dem Ley Mordaza strafbar macht. Austeritätspolitik live und in Farbe."

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Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 13.07.2015, 18:08:02
Du hast es völlig korrekt dargestellt. Es gibt nahezu keine Berichterstattung. Es gab auch nahezu keine Berichterstattung über die völlig verzweifelten Familien, die reihenweise aus ihren Häusern und Wohnungen geworfen wurden weil sie ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Es gab auch keine Berichterstattung über die vielen Menschen die nur im Selbstmord einen Ausweg fanden. Die Häuser stehen leer, verfallen, die Menschen tot oder vertrieben aber die EU hat die Banken gerettet. Ich kann mich an keinen Aufschrei aus Deutschland erinnern.
Bruny
olga64
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Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.07.2015, 18:24:40
Ich erinnere mich auch an keinen "Aufschrei" von Europäern als dies genau so in den USA 2008 der Fall war. Als Menschen z.B. in Florida und anderswo ihre Häuschen verlassen mussten, weil sie die Hypotheken nicht mehr bezahlen mussten,die vorher als faule Kredite an Hedgefonds verkauft wurden und somit die Belastung für die Hausbesitzer zu gross wurden.
Umgekehrt wird hier immer übersehen - ob nun in den USA, in Spanien oder sonstwo - dass viele Menschen auch recht leichtfertig sich Wohneigentum anschaffen und nie mit einrechnen, was damit geschieht, wenn sie krank oder arbeitslos werden. Sie lassen zu 100% finanzieren und es benötigt nur eines schwachen Windstosses, bis dieses Kartenhaus krachend zusammenstürzt.
Da liegt mir persönlich doch die schwäbische Vorgehensweise etwas näher: erst mal Eigenkapital ansparen, dann eine gute Finanzierung mit frühzeitiger Tilgung vereinbaren und vorausschauend auch negative Eventualitäten mit einplanen. Fehlt hier ein Glied in dieser Kette - einfach die Finger davon lassen und weiter zur Miete wohnen. Olga
Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 14.07.2015, 16:52:20
Wieder einmal ein kleines Stück Spanien, für diejenigen, die Interesse an diesem EU Land haben
Gestern ist uns wieder einmal vor Augen gehalten worden wie die Lage in Spanien ist. Wir fahren gerne Landstrasse weil ich dann die entzückenden spanischen Dörfer sehen kann, statt öder Autobahn. Wir fuhren von Orihuela auf der N340 nach Murcia und passieren dabei 7 Dörfer. Aufgefallen ist mir, dass in den letzten 2 Monaten nicht nur 6 sogenannte Tante Emma Läden schließen mussten, sondern ebenfalls betroffen ist ein großer Aldi und 2 spanische Mercadona. Für die Bewohner der Dörfer ist es fast katastrophal zu nennen, denn das heißt für Brot und Wasser müssen täglich viele Kilometer gefahren werden, sofern die alten Dorfbewohner überhaupt noch in der Lage sind mit dem Auto zu fahren.
Gleichzeitig wird aber eben auf dieser Strecke, in Höhe von Cabezo de Torres, mitten in der Pampa eine neue gigantische Strasse mit noch gigantischerem Kreisel gebaut. Die Bauwirtschaft wird also mit aller Macht am Leben gehalten, während ringsherum das Leben stirbt.
Mr. Rajoy hat ja nun der Sparpolitik ein Ende gesetzt, die Podemos verliert an Zuspruch, die Ciudadanos gewinnt etwas und es wird spannend werden.
Bruny

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sittingbull
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Mitglied

Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.08.2015, 13:44:42
Für die Bewohner der Dörfer ist es fast katastrophal zu nennen, denn das heißt für Brot und Wasser müssen täglich viele Kilometer gefahren werden ...


Bruny ...
es gibt auch "gute" nachrichten aus Spanien :

Mehr Geld für Spaniens König

oder ?

sitting bull
olga64
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Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.08.2015, 13:44:42
Gleichzeitig wird aber eben auf dieser Strecke, in Höhe von Cabezo de Torres, mitten in der Pampa eine neue gigantische Strasse mit noch gigantischerem Kreisel gebaut. Die Bauwirtschaft wird also mit aller Macht am Leben gehalten, während ringsherum das Leben stirbt.
Mr. Rajoy hat ja nun der Sparpolitik ein Ende gesetzt, die Podemos verliert an Zuspruch, die Ciudadanos gewinnt etwas und es wird spannend werden.
Bruny[/
quote]

Würde dies in Deutschland geschehen, würden sich umgehend demonstrierende Bürgermassen bilden, die dagegen opponieren. Gibt es das in Spanien nicht?
Andererseits könnte ich mir auch vorstellen,dass an dieser/diesen Baustellen Menschen beschäftigt werden, die vielleicht sogar froh sind, einen Arbeitsplatz gefunden zu haben und Geld damit zu verdienen?
Danke für Ihre Umfragebeobachtung - aber haben Sie nicht die zweitwichtigste Partei - die PSOE - vergessen? Die Ciudadanos liegt ja in den Umfragen nur an 4. Stelle und die sinkende Podemos hätte wahrscheinlich nur eine Chance, doch mitzuregieren, wenn SEnor Sanchez von der PSOE eine Koalition mit Senor Iglesias einginge.
So stellt sich dies wenigstens aus den Berichten der hiesigen Presse dar, wurde mir aber auch von meinen Freunden so bestätigt, die selbst seit vielen Jahren als Zweitwohnsitz Spanien haben und sich natürlich auch - so wie Sie -sehr für die Zukunft ihres Gastlandes interessieren. Olga
Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 07.08.2015, 14:59:16
In ländlichen Gegenden wird nicht demonstriert Olga, wahrscheinlich auch nicht so sehr in Deutschland. Aber die Kernaussage die ich mit meinem Post machen wollte ist, dass die überaus korrupte Bauwirtschaft das einzige ist was in Spanien floriert. Und die Arbeitsplätze sind dabei so minimal, dass die Arbeitslosenzahlen auch nicht sinken. Das hatte ich aber bereits mal erwähnt.
Nein Olga, die PSOE habe ich nicht vergessen, ich habe nur die Newcomer erwähnt und zwar nur die 2 die eventuell eine Rolle spielen könnten.
Das die Ciudadanos bereits an 4. Stelle liegt ist schon fast phänomenal. Es ist ja eine in Katalonien gegründete Partei und die liegen ja normalerweise im Clinch mit dem Rest Spaniens (Barcelona vs. Madrid)
Bei den alteingesessenen PP und PSOE wird die allgegenwärtige Korruption weitergehen. Sind ja beide gut darin.
Ich bin gespannt wie ein alter Regenschirm (will heißen dass ich nicht so richtig an eine Veränderung glauben kann).
Bruny
olga64
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Re: Demokratieabschaffung spanisch: Ley Mordaza
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.08.2015, 15:09:47
Woher möchten Sie wissen, dass die Korruption weitergeht? Geben Sie niemanden eine 2. Chance, etwas zu verbessern? Bei der PSOE fand ja ein Generationswechsel statt und die Podemos dürfte ja (noch) frei von solchen Verdächtigungen sein?
Sie kennen die ländliche Gegend in Deutschland aber recht falsch. Hier wird laufend demonstriert - gerne gegen Windräder, Stromtrassen, Bahnhöfe u.v.m. Vielleicht sind Spanier nur weniger motiviert, dies zu tun und auch lethargischer - oder sie haben vielleicht gar nichts dagegen, wenn die Bauwirtschaft Arbeitsplätze für die betroffene Region schafft? Olga

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