Internationale Politik Ist die Ukraine eine Nation?
.....Wie weit eine solcher Prozess in der Ukraine fortgeschritten ist, lässt sich nach der sehr kurzen Zeit nicht sagen. Fest dürfte stehen, dass Europa eine gewisse Anziehungskraft ausübt.Hallo carlos,
freut mich, dass du wieder unter uns bist. Dein umfangreiches Wissen ist eine Bereicherung für das Forum.
Ich hoffe und wünsche, dass es dir in deinem hohen Alter gesundheitlich gut geht.
Herzlich Nick42
Hallo,
beschäftigt euch doch mal spaßeshalber mit der "Österreichischen Nation". Heute wohl ein sehr abgegrenzter Bereich, aber zu Habsburger Zeiten - 1/3 von Polen, Schlesien, Tschechien, Mähren, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Kroatien, Serbien, Slowenien, die Steiermark, Tirol. Oder davor, als Österreich noch große Teile von Karantanien umfasste und auch mal Vasallenreich der Magyaren war?
Was war denn mit Österreich als Nation im faschistischen 3. Reich?
Juro
beschäftigt euch doch mal spaßeshalber mit der "Österreichischen Nation". Heute wohl ein sehr abgegrenzter Bereich, aber zu Habsburger Zeiten - 1/3 von Polen, Schlesien, Tschechien, Mähren, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Kroatien, Serbien, Slowenien, die Steiermark, Tirol. Oder davor, als Österreich noch große Teile von Karantanien umfasste und auch mal Vasallenreich der Magyaren war?
Was war denn mit Österreich als Nation im faschistischen 3. Reich?
Juro
Hallo Juro,
versuchen wir doch mal einen Faktencheck. Die Donaumonarchie oder das Kaiserreich Österreich-Ungarn war eine Doppelmonarchie. Der Kaiser von Österreich war gleichzeitig auch König von Ungarn. Wohlgemerkt ich schreibe von dem Zustand nach 1866/87 nach dem Ausscheiden Österreichs aus dem Dt. Bund, also dem Krieg zwischen Österreich und Preußen 1866. Die Donaumonarchie war kein Nationalstaat sondern ein Vielvölkerstaat. Ein Teil Polens gehörte zu diesem Gebilde gemäß den polnischen Teilungen und dem Wiener Kongress.
Aber was ist denn da so viel "spaßeshalber" zu bereden? Sieh dir mal die politische Karte Preußens nach dem Tode Friedrichs II. (dem Großen) 1786 an. Die Hälfte des Staates Preußens bestand aus fremdsprachigem Gebiet (Polen). Die drei Ostmächte (PR, Ö/U und Russland teilten ab den 1770er Jahren den Staat Polen unter sich auf.
Exkurs: Für die vielen Jahrzehnte sehr guter deutsch-russischer Beziehungen im 19. Jhd waren nicht nur die guten dynastischen Beziehungen entscheidend, sondern auch die politischen Interessen, wenn es um die Niederhaltung der aufständischen Polen ging. 1863 unterstützte der preuß. Min.präsident Bismarck die Russen bei der Niederwerfung des polnischen Aufstandes, indem er dem russischen Militär erlaubte die aufständischen Polen auf preußischem Gebiet zu verfolgen. So gut waren die dt.-russ. Beziehungen, dass territoriale Integrität und Souveränitätsrechte bei solchen Schritten keine Rolle spielten. (Ein Vorgang bekannt unter dem Namen Konvention Alvensleben, dem General der im Auftrtag Bismarcks die Angelegenheit vertraglich mit den Russen regelte).
Schlesien gehörte seit dem Ende des 7j Krieges (1783) nicht mehr zu Österreich. Serbien? Von Serben bewohnte Gebiete wohl eher, aber Bosnien und Herzegowina fielen erst in den 1770er an Österreich. Ein "Geschenk" Bismarcks an Ö/U. Rumänien gehörte nicht zur Donaumonarchie.
Russland ist heute im Vergleich zu Ö/U ein viel größerer Vielvölkerstaat. An die 200 Sprachen werden/wurden auf dem Gebiet des heutigen Russland gesprochen. Moskau und die Großrussen bilden das Staatsvolk, das Staatsgebiet bildet des größten Flächenstaat auf dem Globus. Wie Russland als Land mit seinen vielfältigen Ethnien, seinem "weichen Unterleib" (muslimisches Asien) und der Fernostprovinz mit der aufstrebenden Weltmacht China im Hintergrund umgeht, erfordert viel Geschick und hartes Durchgreifen.
"Was war denn mit Österreich als Nation im faschistischen 3. Reich?" Juror
Die Österreicher waren heim ins Reich geholt worden. Der Name Österreich verschwand . Aus Österreich wurde der Gau Ostmark. Erinnert an die Marken iin den Grenzgebieten. Grenzen in unserem Sinne gab es nicht, also kein Stacheldraht mit Verbotsschild und Zollstation etc. Grenzen bildeten unwegsame Gebiete mit Wald oder Sumpf.
Der Begriff Mark ist das alte dt. Wort für Grenze. Grenze ist ein slawisches Wort. Wehrsiedlungen waren in Marken anzutreffen mit einem Markgrafen mit unmittelbarer Befehlsgewalt. Karl d. Große war ein Herrscher, der sein Reich durch eine Vielzahl von Marken sicherte.
c
Erfordert viel Geschick und hartes Durchgreifen?
Ist ein solches Land denn nach den Spielregeln regierbar, nach welchen die "wertebewussten" Länder - nach welchen insbesondere die Regierung Deutschlands - andere Staaten gerne regiert sähen; sie deshalb zu deren Annahme und Umsetzung auffordern?
Danke Carlos für diesen lehrreichen Beitrag 👍 Phil.
Hallo Carlis1
Daumen hoch.
Ein Vielvölkerstaat hat immer das Problem, dass es ein dominierendes Volk und andere eroberte oder abhängige Völker mehr oder weniger Unterdrückung erlebten. Natürlich opponierten sie gegen die Macht. Vielleicht wäre dann auch das Habsburger Reich ein Völkergefängnis zu nennen gewesen.
Was machst du mit den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben. Sie gehören heute zu Rumänien und wurden aber von Habsburg ins Land geholt.
Ein Mehrvölkerstaat kann viele Nationalitäten beherbergen, die sich zu einem gemeinsamen politischen Gebilde, einem Staat, zusammenfinden, wenn sie ihre nationalen Interessen dort verwirklicht sehen. Dafür brauchen sie Freiheiten, ihre Nationalität zu leben, ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Lebensweise, ihre historischen Traditionen. Sie müssen allseits gleichberechtigt sein. Ist das in der Ukraine wirklich gegeben?
Bismarck hat die Deutsche Nation wesentlich geschaffen. Auf dem Rücken der nichtdeutschen Völker. Der Krieg 1870/1871 gegen Frankreich war das Vehikel, auch die Bayern sich zur Deutschen Nation bekennen zu lassen. Es ging um die gemeinsame Krone, um das Kaisertum.
Am Kurfürstlich Sächsischen Hof dienten Kroaten als Leibgarde. Das waren unerbittliche Krieger, gestählt in einem langen Kampf gegen das Osmanische Reich. Einer von ihnen war der Volksheld der Sorben, Krabat. Krabat heißt auf deutsch der Kroate. Für seinen treuen Dienst bekam er ein Gut geschenkt, das er bis zu seinem Tode bewohnte. Seinen Bauern und Leibeigenen soll er ein sie fördernder Dienstherr gewesen sein.
Juro
Hallo Juro,
Bismarck hat politisch viel erreicht in seinen ersten zehn Jahren seiner Amtszeit als preußischer Min.präs, und dann als Reichskanzler. Er sah seine Rolle aber anders als du, eben nicht als der große Macher (...hat die Deutsche Nation wesentlich geschaffen. Auf dem Rücken der nichtdeutschen Völker.").
Er sah sich nicht als Vollender eines gigantischen Werkes, sondern als Politiker, der mit Glück die richtigen Momente in der Entwicklung erkannte und zugriff.. Er verwandte das Bilde von dem "Mantel Gottes", der durch die Geschichte rauscht und den es zu ergreifen galt. Das Eine war die günstige Gelegenheit, die es zu erkennen galt. Das andere die Zustimmung der anderen Völker. Der Dt. Bund verschwand und an dessen Stelle trat ein durch mehrere Kriege hervorgegangene Konstrukt eines neuen von Preußen geführten Deutschen Reiches, der das europäische Gleichgewicht verschob. Die Beziehungen der Mitte Europas zu den bestehenden Mächten der Pentarchie hatte sich von Grund auf geändert. Disraeli der englische Premier oder Vize-Prmeier: Das ist die Deutsche Revolution, schwerwiegender und nachteiliger als es für England die französische Revolution war, meinte er.
Der DDR-Historiker Ernst Engelberg hat eine hervorragende Bismarck-Biographie geschrieben, die nach der Wende auch bei dtv erschien. Die Vorworte zu beiden Bänden wurden 1985 und Mai1990 geschrieben.
Die zweite Reichsgründung wurde von England, Frkrch keineswegs freudig begrüßt. Bismarck fand aber die Unterstützung Russlands. Russland neutralisierte Ö/U, das erst 1866 von Preußen besiegt und gedemütigt worden war (Königgrätz/Sadowa Juli ). Ohne Russlands Hilfe hätte Bismarck die Reichseinigung nicht durchziehen können. Er war vorher der Meinung, dass es fraglich sei, ob und dann auch wann es eine Einigung geben könnte.
Wie gelang es Ö/U von einem Rachefeldzug abzuhalten während des Krieges Preußen/Dtlds mit Frkrch? Durch einen Truppenaufmarsch an de Grenze zu Ö/U. Diese Methode politisch Druck auszuüben scheinen die Russen nicht verlernt zu haben, bis heute. Bismarck hatte auch vorgesorgt mit seinem Entgegenkommen bei der Niederschlagung des polnischen Aufstandes 1863 (Konvention Alvensleben).
Am königlichen Hof in Stuttgart wollte man nicht ins preußisch-deutsche Reich. Die Königin fragte, ob man nicht den Zaren, ihren verwandten einspannen könnte, um Bismarck zu stoppen. Vergeblich
Hallo Carlos1, danke für deinen Beitrag. Finde ich sehr gut.
Juro
Bismarck hat die Deutsche Nation wesentlich geschaffen. Auf dem Rücken der nichtdeutschen Völker. Der Krieg 1870/1871 gegen Frankreich war das Vehikel, auch die Bayern sich zur Deutschen Nation bekennen zu lassen. Es ging um die gemeinsame Krone, um das Kaisertum.@Juro
geschrieben von Juro
Danke Dir für des Rätsels Lösung. Jetzt endlich verstehe ich, warum wir Bayern in Deutschland so gehasst werden. Weil wir ein nichtdeutsches Volk sind. Da die Franzosen auch in Bayern stationierten, benutzen wir immer noch recht viele ins Bayerische integrierte Wörter und auch Ausdrücke. 'Mach mir keine Fisimatenten' kommt von "Visitez ma tente". Wir Bayern benutzen viele französische Wörter, Paraplui etc. pp. Zum Bedauern von Ethnologen stirbt selbst die bayerische Sprache allmählich aus. Dabei war sie so vielfältig, fast jedes Dorf hatte seine Abweichungen von der Norm des Bayerischen. Als es noch keine Autos gab, war es schwer ins Nachbardorf zu gelangen. So entstand die Vielfalt.
Lieber Juro,
du hast an den Vielvölkerstaat Ö/U erinnert, das finde ich gut. So kann sich eine Diskussion entwickeln.
c