Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Ein offener Brief an Henryk Broder: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank

Internationale Politik Ein offener Brief an Henryk Broder: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank

Karl
Karl
Administrator

Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von Karl
Herr Broder, Sie haben es in der Frankfurter Paulskirche auf den Punkt gebracht: Gaza ist nicht das Warschauer Ghetto! Gott sei Dank, endlich ist es heraus und ich bin derart erleichtert. Herzlichen Dank Herr Broder! Was habe ich mir um die Palästinenser Sorgen gemacht. Das ist jetzt nicht mehr nötig, denn die Palästinenser im Gazastreifen werden nicht systematisch erschossen und mehr als wenige Prozent haben eine konkrete Überlebenschance.

Was also soll ich mich als deutscher Gutmensch über die Behandlung der Palästinenser im Gazastreifen aufregen? Gerade weil ich Deutscher bin (so fangen doch ihrer Meinung nach alle Klagen der deutschen Gutmenschen über Israel an), habe ich gefälligst alles hinzunehmen, was die israelische Regierung anordnet. Als deutscher Gutmensch mache ich mich ansonsten schuldig an dem großen Übel, das Ihrer Meinung nach kommen wird, dem Untergang Israels. Herr Broder, geht es auch eine Nummer kleiner? Wollen sie wirklich, dass ein Zusammenhang zwischen den Taten der Nazis und dem Tun der israelischen Regierung hergestellt wird? Sind das die Maßstäbe, an denen die israelische Regierung sich messen lassen will, denen sie gerecht werden möchte: Keine Zustände wie im Warschauer Ghetto?

Nein Herr Broder, mit dieser Rhetorik werden sie nicht die israelische Politik retten und Schiffe unbewaffneter Blockadebrecher in eine bösartige antisemitische Aggression umdeuten können.

Meine moralischen Ansprüche an die stärkste Militärmacht, aber auch die stabilste Demokratie im Nahen Osten sind höher als die Ihren und ich werde auch in Zukunft nicht schweigen, wenn Menschen aufgrund der Zufälligkeit ihrer Geburt in Sippenhaft genommen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Karl

schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 09.06.2010, 07:08:59
Dazu kann ich nur mit dem Kopf nicken.

Dumm nur, dass solche Sprücheklopfer kaum einen solchen Offenen Brief lesen......
adam
adam
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von adam
als Antwort auf Karl vom 09.06.2010, 07:08:59
Meine moralischen Ansprüche an die stärkste Militärmacht, aber auch die stabilste Demokratie im Nahen Osten sind höher als die Ihren und ich werde auch in Zukunft nicht schweigen, ..........(unterstrichen von adam)
geschrieben von karl


Lieber karl,

in einer gewaltsamen Auseinandersetzung gibt es keine Moral. Wenn es ums Überleben geht, gibt es nur ein Lächeln für moralische Ansprüche.

Erinnerst Du Dich an die ersten Wehrdienstverweigerer? Sie verweigerten den Dienst an der Waffe und wurden in die moralische Falle gelockt. "Stellen sie sich vor, sie sind mit Frau und Kind im Wald spazieren und plötzlich stehen sie einem Verbrecher gegenüber, der ihre Familie bedroht. Zufällig haben sie ein Messer dabei, mit dem sie ihrem Kind einen Stock zurecht geschnitzt haben. Was tun sie?"

Das ist die Logik der Gewalt und ihr gegenüber ist der moralische Anspruch die Aufforderung wehrlos unterzugehen. Wer folgt dieser Aufforderung? Noch dazu, wenn jeder die Moral für sich beansprucht? Und da sind wir beim Punkt: Moral ist eher der Anfang von Gewalt, bestimmt kein Weg sie zu beenden.

Du wirst es im Laufe dieser Diskussion erkennen, wenn "Stellung bezogen wird". Moral ist ein Schützengraben der Gewalt.

--

adam


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hugo
hugo
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von hugo
als Antwort auf adam vom 09.06.2010, 09:19:12
Da hatte ich gerade ein paar Sätze zum Thema geschrieben,,,les aber noch auf die Schnelle Deinen Beitrag adam.

Nun komm ich doch ins Grübeln,,,kannste das etwas aufdrösel was Du da gemeint haben könntest ?
Was willst Du damit sagen,,,an welche Adresse soll das gehen ?

Wen meinst Du mit Verbrecher der die Familie bedroht und wer ist Derjenige mit Frau und Kind ??

ich kann aus Deiner "Fabel" die übliche Quintessenz, die Lehre die gezogen werden soll, das Resümee, die Moral nicht klar erkennen,,Du läßt uns raten,,

oder sollten wir daraus ableiten, was Broder in der Paulskirche u.a. zum Besten gab : "Wenn wir nicht über die fortschreitende Dämonisierung und Delegitimierung der Palästinenser reden, werden wir in der Paulskirche bald eine Gedenkfeier für die Opfer der zweiten Endlösung abhalten können." frei nach hugo



hugo
miriam
miriam
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von miriam
als Antwort auf adam vom 09.06.2010, 09:19:12
Sehr traurig, dass man zu dieser Feierstunde nur solche tadelnde Worte findet!

Denn wer richtig und unvoreingenommen hingehört hat, fand die Reden sehr interessant und die Wahl der Redner in ihrer Unterschiedlichkeit, sehr klug.

Übrigens: ich hatte ja schon gestern 17:32 unter Literatur, diese Aufzeichnung ins Forum eingesetzt. Dazu aber wurde ... geschwiegen!

Kann es sein, dass die hohe und sehr verdiente Auszeichnung einer solchen Persönlichkeit wie Marcel Reich-Ranicki nur im Zusammenhang mit solchen Aspekten interessiert, wie sie hier herausgepickt und in der üblichen Weise, von den üblichen Diskutanten "besprochen" werden?

Miriam
Karl
Karl
Administrator

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von Karl
als Antwort auf miriam vom 09.06.2010, 09:47:25
liebe Miriam,


ich habe mir die Aufzeichnung, wie von Dir empfohlen, in voller Länge angeschaut. Ich teile Deine Meinung über Harald Schmidt und den witzigen Gottschalk. Der unsägliche Nazivergleich von Broder hat mich jedoch empört. Wehren wir uns nicht mit Recht immer gegen solche Vergleiche? Eine Kritik an den Zuständen in Gaza so abzubügeln und in die Nähe des Antisemitismus zu stellen ist einfach widerlich.

Karl

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hema
hema
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von hema
als Antwort auf adam vom 09.06.2010, 09:19:12
Adam, ich denke gerade darüber nach, ob das was du geschrieben hast mit MORAL zu tun hat.

Das hat eher mit dem Selbsterhaltungstrieb und mit Verteidigung.

Ich weiß nicht ob alles, jede Willkür damit gerechtfertigt werden kann. Was derzeit im Gaza geschieht, ist eindeutig ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Sie haben kein Recht auf Freiheit, kein Recht auf Wohnung, kein Recht auf Hilfe bei Krankheit. Den "Saustall" Gaza haben die Israelis mit ihren Bombern angerichtet und sie sind nicht bereit daran etwas zu ändern.

Jesus hatte auch ein Recht auf Verteidigung und Selbstschutz. Er hat darauf verzichtet und gerade aus diesem Verzicht heraus konnte Großes zu wachsen beginnen und wir erinnern uns heute noch an das was er gesagt und getan hat. Hätte Jesus gegen die Römer gekämpft, er wäre längst, wie so viele andere, in Vergessenheit geraten.

Ich bin auch der Meinung, dass die Verhältnisse im Gaza dem Warschauer Ghetto ähneln.




adam
adam
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von adam
als Antwort auf miriam vom 09.06.2010, 09:47:25
Kann es sein, dass die hohe und sehr verdiente Auszeichnung einer solchen Persönlichkeit wie Marcel Reich-Ranicki nur im Zusammenhang mit solchen Aspekten interessiert, wie sie hier herausgepickt und in der üblichen Weise, von den üblichen Diskutanten "besprochen" werden?


@miriam,

diesen Vorwurf solltes Du Herrn Broder machen, der m. E. seine Laudatio dazu benutzt hat, einen Vergleich zwischen dem Warschauer Ghetto und Gaza zu ziehen. Dieser Vergleich ist schlimm, weil er dazu nötigt nachzudenken, welche von zwei menschengemachten Katastrophen die schlimmere sein. Hier ist Herr Broder entschieden zu weit gegangen. Eine Unmenschlichkeit rechtfertigt keine andere.


@hugo,

... werden wir in der Paulskirche bald eine Gedenkfeier für die Opfer der zweiten Endlösung abhalten können." frei nach hugo
geschrieben von hugo


Dein Vergleich ist genauso abgeschmackt wie der des Herr Broder, ebenso "moralisch untragbar".

--

adam

hugo
hugo
Mitglied

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von hugo
als Antwort auf adam vom 09.06.2010, 10:10:23
danke adam,,na das ist doch wenigstens eine Klarstellung, nun weiß ich (was ich vorher schon wußte) das (mein) verdrehter Satz " "Wenn wir nicht über die fortschreitende Dämonisierung und Delegitimierung der Palästinenser reden, werden wir in der Paulskirche bald eine Gedenkfeier für die Opfer der zweiten Endlösung abhalten können" dein berechtigtes Mißfallen erregt.

Klargestellt haben wir nun und einig sind wir uns auch, das die dahingehenden Ansichten des Herrn Broder abgeschmackt und "moralisch untragbar" sind.

und nun zu einem Artikel aus der Feder von Frau Evelyn Hecht-Galinski
"Offensichtlich hat der israelische Geheimdienst die Ladung der Free Gaza Schiffe schon vor dem Auslaufen inspiziert. Selbst nach dem Übergriff habe die israelische Armee nur gewöhnliche Gebrauchsgegenstände als Waffen präsentiert.
Das stellt Prof. Norman Paech, ein Augenzeuge und Teilnehmer an der Gaza Free Aktion fest. Ebenso hält er die Videobilder der IDF für gefälscht. Die gezeigten Aufbauten gibt es gar nicht auf dem türkischen Schiff. Außerdem sei kein Seegang zu erkennen."

Ich kann das momentan zwar nicht nachprüfen (dazu werden sich sicherlich noch Experten melden) aber den zu erwartenden Ergebnissen aus dem, -der israelischen Armee zugeordnetem- Untersuchungskommandoauftrag steh ich mindestens noch skeptischer gegenüber.

hugo

Re: Ein offener Brief: Der Gazastreifen ist nicht das Warschauer Ghetto - Gott sei Dank
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf hugo vom 09.06.2010, 10:28:51
Ich werde mich an den Diskussionen zu diesen Themen hier nicht mehr beteiligen, da sie außer von Karl, der als Einziger die Dinge auf den Punkt bringt, fast nur selbstgefälliges, pseudointellektuelles Geschwafel oder pro-israelische Nostalgie ohne Bezug zur Realität enthalten (was ich dir, Hugo, allerdings, nicht unterstelle). Außerdem habe ich im Moment gar keine Zeit mehr dazu, da ich gerade voll eingespannt bin, mich eben wegen der aktuellen Lage anderweitig aktiv einzubringen. Vermutlich sind die meisten erleichtert darüber.
Ich erlaube mir aber trotzdem zu der unsäglichen Person Broder, dessen demagogische Mittel bei „Menschen guten Willens“ berühmt und berüchtigt sind, einen Link einzusetzen.
Hier sind sehr gute Artikel zu seiner Rede zu lesen. Die Verklärer und Nostalgiker sollten sich das allerdings nicht antun, ihr Bild könnte Schaden erleiden.

Und damit verabschiede ich mich wieder von dieser illustren Runde.

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