Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Warum Erinnerungskultur wichtig ist

Innenpolitik Warum Erinnerungskultur wichtig ist

mane
mane
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von mane
als Antwort auf justus39 vom 24.01.2017, 17:08:50
Gegen das Vergessen
vor 72 Jahren


Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz



Lieber Justus,

das Wissen um das unbeschreibliche Leid der Menschen (besonders wenn ich die Kinder auf dem Foto sehe), macht mich traurig und stumm.
Ich habe die Gedenkstätten Bergen Belsen und Buchenwald besucht - eine Erfahrung, so bedrückend sie auch war, war sehr wichtig für mich. Es ist unsere Geschichte.
Gruß Mane
justus39
justus39
Mitglied

Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von justus39
als Antwort auf mane vom 24.01.2017, 21:19:01
Liebe Mane
Es ist unfassbar zu welchen Grausamkeiten Menschen in der Lage sind.
Uns wurden Filme und Fotos gezeigt, die von den entmenschten Peinigern selbst aufgenommen wurden.
Ich habe Berge von Spielzeug gesehen, Teddys und Puppen, mit welchen die Kinder noch etwas kuscheln konnten, bevor man ihnen auch diese noch abgenommen hat.
Mütter mit ihren Kindern, die völlig nackt ihren letzten Weg in die vorgetäuschten Duschräume antraten.
Zu solchen unmenschlichen Wahnsinnstaten ist kein Tier fähig.

Gruß
justus
florian
florian
Mitglied

Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von florian
Mir stiegen die Tränen in die Augen beim Besuch des KZ Sachsenhausen bei Oranienburg, welches eine Pflichtveranstaltung zu meiner Schulzeit war. Ich habe noch nie so viel Schmerz, Wut und Trauer gespürt, wie in diesen Stunden, in denen ich eine unheimliche Stille am Platz der Krematorien erlebt habe und modrigen Geruch in den noch existierenden Baracken vernahm, in den Menschen unter unbeschreiblichen Bedingungen ihr Dasein fristeten und möglicherweise auf ihren Tod warteten.

Großmäuler, die sich vorher ereiferten, wie toll doch ein Führer war, verstummten. Großmäuler die allesamt fast 50 Jahre nach Ende des Krieges zur Welt kamen und sich einer Ideologie bedienten, die sie nur durch Nachplappern und Dorftratsch zu wissen vermochten, ohne Hintergründe zu kennen oder kennen zu wollen. Großmäuler, die dachten, sie wären cool, weil sie sich auf dem Schulhof den Führergruß gaben, wenn sie sich sahen. Großmäuler, die heute Familienväter sind und vehement abstreiten, auch nur einmal Hitler sympathisch empfunden zu haben.

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Tina48
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von Tina48
als Antwort auf florian vom 25.01.2017, 00:11:16
Gestern Abend habe ich eine bemerkenswerte alte Dame im Gespräch gesehen .
Eva Schloss heißt sie . Und sie hat über ihre Zeit in Auschwitz/Birkenau und ihr "Leben danach" ein Buch geschrieben .
Bevor wir Dachau besucht haben , hatten wir etliche Filme über den Holocaust im Geschichtsunterricht gesehen . Der Besuch in Dachau war aber nochmal ganz was Anderes vom Eindruck her .
werderanerin
werderanerin
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von werderanerin
als Antwort auf Tina48 vom 25.01.2017, 09:12:33
Mich hat die ältere Dame bei Lanz gestern Abend auch sehr beeindruckt, als sie als Zeitzeugin aus Birkenau und ihrem Überleben erzählte...noch immer beeindrucken mich solche Menschen bis tief ins Herz hinein..., denn was diese mitgemacht haben, kann man garnicht begreifen...ich kann nur demütig den "Hut" ziehen und es ist gut, dass noch die Möglichkeit besteht, von Zeitzeugen Vergangenes zu erfahren.

Kristine
mane
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 24.01.2017, 15:58:57
xxxx Die wiederholten Mahnungen "man dürfe nicht vergessen", stößt bei vielen jungen Leuten auf Unverständnis - denn das haben sie ja gar nicht vor. Die meisten räumen unserer Geschichte einen wichtigen Platz ein, den sie nicht verleugnen. Sie sind nicht geprägt durch die Erfahrungen der Nachkriegsgeneration, wo die nationalsozialistischen Verbrechen lange nicht thematisiert wurden. Die jungen Menschen kennen das Geschehen durch Gespräche mit den Eltern, der Schule, den Medien, Besuche in Konzentrationslagern usw.

Ewiggestrige und die heutigen Rechten werden, meiner Meinung nach, mit Erinnerungskultur nicht erreicht werden können.
Mane

Eine Prägung durch die Nachkriegsgeneration führt auch zu nix, weil diese Generation (also unsere) damals als Babies nicht mit viel mitbekamen von den Grausamkeiten der Nazis. Die Protagonisten waren unsere Eltern und Grosseltern, die sich nach dem Krieg in absolutes Stillschweigen hüllten, bzw. erklärten, sie hatten von nichts gewusst.
Olga
geschrieben von Mane


Die Nachkriegsgeneration (ich bin Jahrgang 1950) hat den Krieg nicht miterlebt - und dennoch beeinflusste er unser Denken und Leben. Meiner Meinung nach, führte das beharrliche Schweigen der Kriegsgeneration, irgendeine Schuld zuzugeben (nicht alle verhielten sich so), bei vielen Nachkriegsdeutschen dazu, dass sie sich wesentlich schuldiger, besser gesagt: verantwortlicher für das Geschehen fühlten und fühlen, als die wahren Verantwortlichen.
Mane

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Tina48
Tina48
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von Tina48
als Antwort auf mane vom 25.01.2017, 09:39:19
Gut erkannt .
Es ging zwar nicht immer nur um "Schuld zugeben" , trotzdem waberte über vielen Familien die dunkle Wolke der Vergangenheit . Nichts wurde artikuliert , nichts wurde auch nur ansatzweise angerissen .
Wer als Kind fragte , musste u.U. sogar mit Prügel rechnen .
Erst viel später fand ich mühselig und mit fremder Hilfe heraus , dass bei meinen Eltern so etwas wie ein PTB existierte . Ich fühlte mich zwar nicht für den Krieg verantwortlich, aber in gewisser Weise für die völlig gestörten Seelenzustände meiner Eltern . Es gingen mehr Kinder von verstörten Eltern in Therapie als die Eltern selbst .
Ich kannte "grausame Väter und dauerverängstigte Mütter" , die das , was sie selbst erlebt hatten , an ihre Kinder weiter gegeben haben .
Das war wahrhaftig alles andere als ein Zuckerschlecken für mich und viele meiner Mitschüler .
olga64
olga64
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 25.01.2017, 09:39:19
Danke Mane für die klugen Worte - ich finde mich selbst biografisch darin.

Derzeit male ich mir manchmal aus, wie es wäre, wenn die AfD-Gestalten zu einem Antrittsbesuch bei Mr Trump aufbrächen und im Gepäck den unsäglichen Herrn Höcke hätten. Der Schwiegersohn von Mr Trump ist Jude; seine Tochter konvertierte zum jüdischen Glauben. Es dürfte diesen nicht unverborgen geblieben sein,wie ein Herr Höcke unter grossem Jubel ein "Holocaust-Bashing" in Dresden betreibt.
SEhr harmonisch dürfte ein Treffen in o.g. Konstellation nicht ausfallen. Deshalb wohl jetzt auch wieder der übliche AfD-Hick-Hack um Parteirauswurf des Herrn Höcke oder nicht. Hoffe sehr, dass denen das bald auf die eigenen Füsse zurückfällt und die zu grossen SChuhe, die sie anscheinend tragen. Olga
mane
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von mane
als Antwort auf Tina48 vom 25.01.2017, 09:56:20

Erst viel später fand ich mühselig und mit fremder Hilfe heraus , dass bei meinen Eltern so etwas wie ein PTB existierte . Ich fühlte mich zwar nicht für den Krieg verantwortlich, aber in gewisser Weise für die völlig gestörten Seelenzustände meiner Eltern . Es gingen mehr Kinder von verstörten Eltern in Therapie als die Eltern selbst .
Ich kannte "grausame Väter und dauerverängstigte Mütter" , die das , was sie selbst erlebt hatten , an ihre Kinder weiter gegeben haben .
Das war wahrhaftig alles andere als ein Zuckerschlecken für mich und viele meiner Mitschüler .


Meine Erfahrungen waren ähnlich. Theorien besagen (Sabine Bode hat einige Bücher darüber geschrieben), dass die Gewalterfahrungen, die Hilflosigkeitsgefühle und auch die Schuldgefühle, unbewusst an die nachfolgende Generation weitergegeben wurden. Diese oft durch den Krieg traumatisierten Menschen konnten ihren Kindern, also uns, nicht das geben, was wir gebraucht hätten. Das darf natürlich nicht verallgemeinert werden.

Auch ich habe schon früh Verantwortung, besonders für meine Mutter, übernehmen müssen. Niemand half ihnen bei der Bewältigung ihrer Ängste und Kränkungen - sie waren ja die "Schuldigen" und wir, als Nachkommen waren überfordert damit.
Mane
Tina48
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Re: Warum Erinnerungskultur wichtig ist
geschrieben von Tina48
als Antwort auf mane vom 26.01.2017, 12:36:52
Guten Tag ,

meine beste Freundin ab der 5. Klasse (Brigitte) wurde von ihrer Mutter jedes Mal dann in einen Kellerraum verfrachtet , wenn sie sich "daneben benommen" hatte . Der Raum wurde verschlossen , von außen das Licht ausgemacht . Dort musste sie dann mehrere Stunden verbringen , ihr "schlechtes Benehmen" abbüßen . Alleine!
Im Alter von 21 Jahren hat sich Brigitte umgebracht .
Nach der Beerdigung hatte ich ein langes Gespräch mit Brigittes Bruder . Der erzählte mir, dass die Mutter auf die Frage , weshalb sie das mit ihrer Tochter gemacht habe , antwortete : "Ich habe im dunklen Luftschutzkeller auch überlebt , dann wird Brigitte das auch können!!".
Meine Freundin Marion wurde regelmäßig schwer verprügelt .
Der Vater argumentierte : " Ich habe die Front überlebt , da überlebst du ein "paar" Schläge auch!!".
Meine eigene Mutter hatte regelmäßig schwerste Angst- und Panikattacken , ich musste mich um sie kümmern , manchmal tagelang , im Alter von 6 Jahren bis ich erwachsen war .
DAS ist meine Art der "Erinnerungskultur" .An einen Krieg , den ich nicht zu verantworten hatte .
Nicht schön .Gar nicht schön .

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