Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik "Eine Beruf wie jeder andere"?

Innenpolitik "Eine Beruf wie jeder andere"?

qilin
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von qilin
als Antwort auf mane vom 02.11.2013, 18:53:33
Hallo Mane,

ich habe die Emma nicht gelesen, weiß also nicht was dort drinsteht, aber was Du hier zitierst scheint mir doch ziemlich einseitig. Dem Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes entnehme ich:

Es kann für Prostitution nicht ungehemmt geworben werden:
Nach dem Wortlaut des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist jede Form der Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen verboten.

Eine Arbeitsvermittlung in die Prostitution durch die Bundesagentur für Arbeit muss ausgeschlossen werden -
Prostitution darf rechtlich nicht als zumutbare Option zur Sicherung des Lebensunterhalts gelten.

Arbeitszeiten und Tarife dürfen nicht vorgegeben werden.

Es kann nicht Jeder eine 'Modelwohnung' mitten im Wohnhaus führen - ich weiß von Fällen, wo solche Versuche 'ausgeräumt' wurden, und Razzien in Bordellen sind nicht unmöglich geworden.

Prostituierte in Deutschland sind nicht 'nirgendwo gemeldet' - sonst wären Untersuchungen wie in diesem Bericht eben nicht möglich. Dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, ist natürlich unbestritten - aber wohl kaum in 'Großbordellen'.

Ich habe mich nicht intensiv mit der Materie beschäftigt, hatte nur öfters mit Menschen (es sind ja nicht nur Frauen) mit Missbrauchsgeschichte zu tun, und da kommt dieses Thema natürlich auch vor. Eine gute Freundin konnte sich nach Jahren aus dem 'Milieu' befreien, die scheint mir jedoch ganz anderer Meinung zu sein als Alice Schwarzer - ich kann sie ja zu diesem Punkt noch genauer interviewen...

() qilin
pschroed
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von pschroed
Beeindruckende Zahlen über das älteste Gewerbe.

14,6 Milliarden Euro setzt das Prostitutionsgewerbe nach Schätzungen des Bundesamts für Statistik um. Doch sozialversicherte Prostituierte gibt es gerade mal 44, darunter vier Männer. Das vermeldet die Bundesagentur für Arbeit.

Phil.
nostalgie
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von nostalgie
als Antwort auf mane vom 03.11.2013, 00:45:01
Ich bin ihr mal persönlich begegnet. Eine beeindruckende Persönlichkeit.
Ich gehe nicht mit jeder ihrer Meinungen konform, aber in vielem.

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mane
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von mane
als Antwort auf mane vom 02.11.2013, 19:27:23

Im Oktober hielt Kriminalhauptkommissar Helmut Sporer aus Augsburg (er ermittelt seit 22 Jahren vor Ort) vor dem Europäischen Parlament in Brüssel einen Vortrag über die Folgen des Gesetzes von 2002, mit dessen Auswirkungen er täglich zu kämpfen hat. Er erzählte von den vielen neuen Großbordellen, die nach 2002 entstanden sind und deren Besitzer sich jetzt als seriöse Arbeitgeber sehen.
Europa ohne Prostitution
geschrieben von mane


Lieber Qilin,

ich habe das weitergegeben, was Herr Sporer vor dem Europäischen Parlament gesagt hat. Dabei habe ich nicht überprüft, ob seine Aussagen hundertprozentig mit dem Gesetz übereinstimmen. Danke, dass du es für mich übernommen hast.

Mir geht es darum, dass dieses Gesetz, welches zum Schutz der Prostituierten erlassen wurde, sein Ziel nicht erreicht hat. Es hat im Gegenteil ihre Situation verschärft.
Da die Prostitution nun ein normales Geschäft ist, darf die Polizei Bordelle nur noch bei einem konkreten Anfangsverdacht betreten und das erschwert ihre Arbeit sehr, wie Sporer es, in meinen Augen, glaubhaft vermittelt hat.

Ein anderes Thema ist die Prostitution als solche. Ich halte es für menschenunwürdig, einen anderen Menschen mit Geld zu kaufen, einen Menschen, der keine andere Lösung sieht, sei es aus Zwang oder "freiwillig" um zu überleben.
Vermutlich ist es utopisch, die Prostitution zu unterbinden, sie kommt überall vor. Müssen wir aber, nur weil sich etwas nicht verbieten lässt, damit leben? Bei uns stehen viele Sachen unter Strafe und trotzdem tun Menschen sie. Und wir haben trotzdem den Anspruch, dass es nicht richtig ist.

Darf ich fragen, wie deine Meinung zu diesem Thema ist, Qilin?
pschroed
pschroed
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf mane vom 03.11.2013, 11:34:12


Ein anderes Thema ist die Prostitution als solche. Ich halte es für menschenunwürdig, einen anderen Menschen mit Geld zu kaufen, einen Menschen, der keine andere Lösung sieht, sei es aus Zwang oder "freiwillig" um zu überleben.

geschrieben von mane


Hallo Mane jeder Zwang sowie wie die Verletzung der Menschenwürde beim ausführen der Prostitution muß bestraft werden, wie auch in den anderen Berufen.

Aber die Kehrseite ist, daß es für viele Frauen ein lukratives Geschäft ist und mit diesem Leben zufrieden sind. Ich glaube die verlorene breite Volksmoral ist sehr weit abgedriftet und immer weniger Menschen nehmen kein Anstoß mehr daran.

Siehe doch nur die nicht zensierte für Kinder freizugängliche Pornoseiten im Netz, vor 20 Jahren wäre solch Schmudelanbieter geschlossen worden und heute wächst die IPHONE Generation mit diesem Material auf.

Phil.
nostalgie
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von nostalgie
als Antwort auf pschroed vom 03.11.2013, 12:07:04
Werteverfall auf allen Ebenen?

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pschroed
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf nostalgie vom 03.11.2013, 12:18:46
Werteverfall auf allen Ebenen?


Hallo Nostalgie.

In Bezug auf das nicht reagieren unseren Politiker bzw. Moralapostel werde ich persönlich dem Gefühl nicht los daß die Akzeptanz sehr hoch ist.

Phil.
nostalgie
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von nostalgie
als Antwort auf pschroed vom 03.11.2013, 12:35:10
Kann es auch sein, dass uns die religiösen Bindungen abhanden gekommen sind?
Das zumindest war doch immer ein Garant für nicht so ausschweifendes Sexualverhalten der Menschen? Oder doch nicht?

Und warum soll man Kindern vorenthalten, was sie sowieso täglich in der Gesellschaft wahrnehmen? Wie will man Kinder davon fern halten?

Dann müßte sich generell in unserer Gesellschaft etwas ändern.
qilin
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von qilin
als Antwort auf mane vom 03.11.2013, 11:34:12
Liebe Mane,

genau - es sind zwei verschiedene Themen, die Frau Schwarzer hier IMHO verquickt und damit verkompliziert.

Mir geht es darum, dass dieses Gesetz, welches zum Schutz der Prostituierten erlassen wurde, sein Ziel nicht erreicht hat. Es hat im Gegenteil ihre Situation verschärft.
Da die Prostitution nun ein normales Geschäft ist, darf die Polizei Bordelle nur noch bei einem konkreten Anfangsverdacht betreten und das erschwert ihre Arbeit sehr, wie Sporer es, in meinen Augen, glaubhaft vermittelt hat.


Hier scheinen die Meinungen auseinanderzugehen, auch was die 'Normalität des Geschäftes' betrifft - aus der Zusammenfassung des Regierungsberichts:
Aus Sicht der Bundesregierung hat das Prostitutionsgesetz die vom Gesetzgeber intendierten
Zielsetzungen – die Sittenwidrigkeit der Prostitution abzuschaffen,
– Prostituierten die Einklagbarkeit ihres Lohns zu sichern,
– den Zugang zur Sozialversicherung zu erleichtern,
– kriminellen Begleiterscheinungen der Prostitution den Boden zu entziehen,
– den Ausstieg aus der Prostitution zu erleichtern und
– bessere (möglichst wenig gesundheitsgefährdende) Arbeitsbedingungen zu sichern
nur zu einem begrenzten Teil erreichen können.

Andererseits haben sich auch die Befürchtungen, die teilweise mit dem ProstG verknüpft wurden,
nicht bewahrheitet, insbesondere nicht im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Eine Erschwernis
der Verfolgung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und anderen gewaltförmigen Auswüchsen
der Prostitution ist durch das Prostitutionsgesetz nicht eingetreten.
Die Regierung sieht also durchaus Probleme bei dem Gesetz, sieht aber eine Lösung nicht im Durchschneiden des gordischen Knotens, sondern in der weiteren Auseinandersetzung damit.

Ein anderes Thema ist die Prostitution als solche. Ich halte es für menschenunwürdig, einen anderen Menschen mit Geld zu kaufen, einen Menschen, der keine andere Lösung sieht, sei es aus Zwang oder "freiwillig" um zu überleben.
Vermutlich ist es utopisch, die Prostitution zu unterbinden, sie kommt überall vor. Müssen wir aber, nur weil sich etwas nicht verbieten lässt, damit leben? Bei uns stehen viele Sachen unter Strafe und trotzdem tun Menschen sie. Und wir haben trotzdem den Anspruch, dass es nicht richtig ist.

Darf ich fragen, wie deine Meinung zu diesem Thema ist, Qilin?


Da bin ich etwas gespalten - für mich persönlich ist jede Abhängigkeit, ob von Menschen, Substanzen oder Systemen, ein Gefahrenzeichen; und diesen 'Job' sehe ich (und m.W. auch viele Betroffene) als unangenehm, widerwärtig und gefährlich - dass es menschenunwürdig ist, eine solche 'Dienstleistung' verkaufen zu müssen, wenn Jemand keine andere Überlebensmöglichkeit sieht, da gebe ich Dir natürlich recht. Von vornherein davon auszugehen dass das immer so ist, ist aber ein zweiter Schritt - es gibt immer wieder Leute die behaupten das freiwillig zu machen, und auch wenn ich das im Einzelfall bezweifle - ausschließen kann ich es nicht. Auch aus meiner hundertprozentigen Überzeugung kann ich keinen Straftatbestand konstruieren zum 'Schutz' von Leuten, die etwas machen wollen, das wahrscheinlich in eine Abhängigkeit führt - ich sehe da Parallelen z.B. zu Alkohol und Nikotin...

() qilin
mane
mane
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Re: "Eine Beruf wie jeder andere"?
geschrieben von mane
als Antwort auf qilin vom 03.11.2013, 13:35:01
Hallo Qilin,

danke für deine Meinung zu diesem Thema.

Wie Phil, erwähnst du die Frauen, die es möglicherweise freiwillig ausüben.

Aber die Kehrseite ist, daß es für viele Frauen ein lukratives Geschäft ist und mit diesem Leben zufrieden sind. Ich glaube die verlorene breite Volksmoral ist sehr weit abgedriftet und immer weniger Menschen nehmen kein Anstoß mehr daran.
geschrieben von Phil.


Bei dieser Edelvision, z.B. dem Escortservice, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es für manche Frauen/Männer akzeptabel ist, diese Tätigkeit auszuüben. Man trifft sich im kultivierten Rahmen zu netten Gesprächen, die KundInnen sind gebildet und wohlhabend, sicher gepflegt und nicht körperlich abstoßend. Die/der gemietete Dame/Herr sind attraktiv - das müssen sie wohl sein, sonst...

Von den etwa 700 000 Prostituierten gehören allerdings nur ca. 4% zu diesen.

Wenn es im gegenseitigen Einverständnis geschieht, beiden Spaß macht, soll jeder nach seiner Facon glücklich werden.

Die andere hässliche Seite ist öfter vertreten. Die Klientel dieser Frauen (und manchmal Männer) sind wahrscheinlich keine gutaussehenden, interessanten Männer. Und ihre "Dienstleistung" absolvieren die Frauen auf die Schnelle bis zu 10 mal die Nacht, ohne nettes Abendessen oder Ambiente.

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