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Geisteswissenschaft / Philosophie "Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert. " Schelsky

carlos1
carlos1
Mitglied

Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von carlos1
"Die Beherrschung durch Sprache scheint uns die vorläufig letzte Form der Versklavung von Menschen zu sein, die als soziale Wesen auf den Verkehr durch Sprache genauso angewiesen sind, wie jeder lebende Organismus auf die Zufuhr von Nahrung und Sauerstoff. In der Herrschaft durch Sprache ist ein Herrschaftsgrad von Menschen über Menschen erreicht, demgegenüber physische Gewalt geradezu .... veraltet ist." Schelsky

Unsere Alltagssprache/Umgangssprache weicht von der Fachsprache, Bildungssprache und Wissenschaftssprache erheblich ab. Sprache dient der Kommunikation. Aber Sprache wird oft unverständlich.

Können, sollten oder müssen wir Sch. zustimmen? Müssen wir es hinnehmen und ertragen?

PS: Ein Beispiel aus einer satirischen Zeitschrift (vor Jahren gelesen): Die Amplizität der Erdäpfel ist reziprok proportional der spirituellen Kapazität der Kultivatoren (deutsch: Der dümmste Bauer erntet oft die größten Kartoffeln)

c.
Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 07:40:19

carlos,

ich würde gern wissen, wann und in welchem Zusammenhang Schelsky das geschrieben hat.
Wie ich nachgelesen habe, hatte er ja eine wechselvolle Biografie.

Gruß roseluise

silhouette
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Mitglied

Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 07:40:19
Ein bisschen tiefer hängen! Ersetze den Ausdruck "Beherrschung" durch den Ausdruck "Überlegenheit", und du hast die Antwort. Aber physische Gewalt??? Diese Äußerung ist wohl nur durch das soziokulturelle Umfeld ( dieses Herrn zu erklären.

Dein Beispiel hingegen ist eine längst ausgelutschte Verballhornung der Ausdrucksweise, wie man sie gelegentlich in wissenschaftlichen Arbeiten antrifft. Schaut man genauer in den Text rein, erkennt man eine ziemlich blamable Armut in den sprachlichen Ausdrucksmitteln. Sie wird nur durch so ein bisschen pseudowissenschaftlich-sprachliches Gedöns zugekleistert.
--
silhouette

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carlos1
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Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.05.2009, 08:42:43

"ich würde gern wissen, wann und in welchem Zusammenhang Schelsky das geschrieben hat.
Wie ich nachgelesen habe, hatte er ja eine wechselvolle Biografie." roseluise


Das Zitat ist zu finden in H. Schelsky, Der selbstaändige und betreute Mensch, Stg 1976, Seite 116

Zitiert habe ich es aus einem Vortrag von Jürgen Habermas über Umgangssprache, Bildungssprache, Wissenschaftssprache, gehalten am 15.3.1977 in Bielefeld auf Einladuzng der Max-Planck-Gesellschaft. Eingeleitet hat er seinen Vortrag mit einem Zitat Goethes: "Die Deutschen besitzen die Gabe, die Wissenschaften unzugänglich zu machen." Ich nehme an, dass Goethes Namen keinen Argwohn bei dir erweckt. Weitere Namen tauchen auf von Intellektuellen vor allem aus dem Bereich der Sozialwissenschaften, wie z. B. Luhmann, Hans Maier, den Philosophen Hermann Lübbe und eben Schelsky.

J. Habermas sagt zu dem von mir gebrachten Schelsky-Zitat: "Dieser Satz ist nicht falsch; freilich müsste sich Schelsky die Theorie, die dem Satz einen präzisen Sinn geben könnte, bei seinen unter Sprachherrschaftsverdacht stehenden Kollegen ausleihen; dann würde auch klar, dass Veränderungen der Bildungssprache .... weder das Resultat einer gezielten Wortgebrauchspolitik sind (das unterstellt Schelsky) noch eine Herrschaft von Intellektuellen anzeigen."

Gruß
c.








olga64
olga64
Mitglied

Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von olga64
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 07:40:19
Mich würde interessieren, was Schelsky zu seinem missratenen Sohn sagen würde, der ja nun seit einigen Jahren inhaftiert ist, weil er zusammen mit Siemens eine Schatten-Betriebsrats-Organisation aufbaute und sich dafür fürstlich entlohnen liess.

--
olga64
carlos1
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Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von carlos1
als Antwort auf silhouette vom 12.05.2009, 09:58:06

"Ein bisschen tiefer hängen!"silhouette

@silhouette
Dir geht das Zitat von Sch. zu weit. Deshalb würdest du "Überlegenheit" statt Beherrschung verwenden. Damit liegst du nicht falsch. Ich habe bei roseluise bereits auf den Zusammenhang hingewiesen. Der Autor (Schelsky) will gegen die (angeblich linke) Meinungsführerschaft einiger Intellektuellen angehen und unterstellt gezielte Sprachpolitik einer Reflexionselite. Er überzieht in seiner Kritik.

Unpassende Kritik ist aber immer noch gut genug, dass sie auf den richtigen Weg verweist. Dazu kann durchaus Satire (Spott, Hohn) beitragen. Der Hinweis auf Satire wurde ausdrücklich vorgenommen.

Das Problem der unverständlichen Sprache in vielen (fast allen!) Lebensbereichen bereitet aber Probleme. Sie hängen mit dem Eindringen von theoretischem Wissen in das Bildungsbewusstsein zusammen. Wie werden wir mitdem Sprachwandel fertig? Kaum ein Bereich ist davon ausgenommen: Pädagogik, Psychologie, Finanzen, Recht, Medizin, Politik etc.

Ein Beispiel:

1 Summe der Einkünfte: Die Summe der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG ist grundsätzlich positiv oder mindestens 0 Euro. 2 Erzielt ein Stpfl. nur Einkünfte aus einer Einkunftsart und ist deren Summe negativ, ist auch die Summe der Einkünfte negativ, da in diesen Fällen die Summe der Einkünfte aus dieser Einkunftsart ( § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG ) mit der Summe der Einkünfte übereinstimmt und es auf die weiteren Berechnungsschritte in § 2 Abs. 3 EStG nicht ankommt. 3 Ist die Summe der positiven Einkünfte nicht größer als 51 500 Euro und ist die Summe der negativen Einkünfte höher als die Summe der positiven Einkünfte, greifen die weiteren Verlustverrechnungsschritte des § 2 Abs. 3 EStG nicht ein mit der Folge, dass eine negative Summe der Einkünfte vorliegt.

(Aus den Einkomensteuerrichttlinien zu §2§STG)

Nun wirst du wieder sagen: Kein Problem. Dazu ist ja der Steuerberater da. Aber vielleicht könnte man auch sagen, dass Gesetze so abgefasst werden müssten, dass der Großteil der Menschen sie versteht und diese nachvollziehen kann? Sogar eine Kommission hat der Bundestag vor Jahren eingesetzt, die die Verständlichkeit der Gesetzestexte verbessern und Vorschläge erarbeiten sollte. Ich habe nichts mehr davon gehört.

Es geht nicht zuletzt auch darum, wie Komplexität reduziert werden kann.

c.


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Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 16:15:05

Ich nehme an, dass Goethes Namen keinen Argwohn bei dir erweckt.


Wenn Du Dich da mal nicht täuschst, lach,

aber ich danke für die Angaben, ich werde mich damit befassen.

roseluise
Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
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Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 16:52:59
Ja, Fachsprache hat durchaus ihren Sinn, wobei es dem Sprechenden bzw. Schreibenden oft gar nicht bewußt wird, wo für andere und insbesondere für Fachfremde Stolpersteine sind.
Auch du, charlos, begnügst dich meistens nicht mit dem Vokabular und dem Satzbau von Volksschul- bzw. Hauptschulabgängern.
Wer soll also das Maß sein?


--
mart1

Ich bin froh, dass Gesetzestexte (meistens) eindeutig sind.

Im untenstehenden Link ist eine amüsante Diskussion über Vererbung zu lesen. Bitte, wie soll es denn anders, einfacher und für die Masse der Menschen verständlich ausdrückt werden?
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von silhouette
als Antwort auf carlos1 vom 12.05.2009, 16:52:59

Es geht nicht zuletzt auch darum, wie Komplexität reduziert werden kann.

c.

geschrieben von carlos

Und ob! Oft geht es aber auch darum, "Überlegenheit" durch komplexe Sprache zu demonstrieren, wo entweder diese Demonstration nicht notwendig/nicht willkommen ist, oder wo diese Überlegenheit in der Sache nicht vorhanden ist. Das Sprichwort hierzu heißt: Klappern gehört zum Handwerk. Und Klappern ist eine weit verbreitete "Sitte".

Jemand, der sein ganzes Berufsleben im Dunstkreis der naturwissenschaftlichen Forschung verbracht hat, hat ein empfindliches Gespür für das Übergewicht des Klapperns gegenüber dem Handwerk entwickelt. Und das Klappern wird dort zum Glück immer noch nicht so ganz ernst genommen, und sei es nur hinter der vorgehaltenen Hand.

Für die m.E. meistens unnötige, aber der Eitelkeit des Autors geschuldete Komplexität der Fachsprache gibt es noch viele, ganz banale Beispiele. Mich stören z.B. die heutigen Bedienungsanleitungen praktisch sämtlicher Geräte, die etwas mit "Programm" im weitesten Sinne zu tun haben. Sie stecken nicht nur voller Kauderwelsch, sondern die Erklärungen sind nicht schlüssig und wimmeln von unterschiedlichen Ausdrücken für ein unddasselbe "Dings", was einen Laien völlig aus der Fassung bringen kann. Rufst du dann bei so einem "Support" an, stellst du mit Erstaunen fest, dass die lieben Knaben deine Fragen erst mal nicht verstehen. Tja.

Das ist ein Neusprech, den ich, auf Neusprech ausgedrückt, total ätzend finde.

--
silhouette
olga64
olga64
Mitglied

Re: Souverän ist, wer den Sachverhalt definiert
geschrieben von olga64
als Antwort auf silhouette vom 12.05.2009, 21:56:53
Silhouette - Ihren Beitrag verstehe ich genau so wenig wie manche Bedienungsanleitung simpler Geräte, übersetzt aus dem koreanischen in die deutsche Sprache.
Was hat ein Naturwissenschaftler mit Schelsky (Soziologe und Philosoph) zu tun? Sogar die Naturwissenschaftlerin, Dr. Angela Merkel, moniert die schlechten Bedienungsanleitung, obwohl sie ja - wie sie richtig ausführt - als promovierte Physikerin es hier leichter haben sollte.
--
olga64

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