Geisteswissenschaft / Philosophie Moral und Terrorismus

adam
adam
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Moral und Terrorismus
geschrieben von adam
Die Überschrift gilt hier der Moral als sozial anerkanntes Grundmuster, das sich eine Gesellschaft gibt, um ihr Zusammenleben in geordnete Bahnen zu lenken. Gemeint ist die Moral, die nicht nur in die Gesetzgebung mündet, sondern die gesamte Bandbreite einer Gesellschaft beeinflußt, beispielsweise auch in so unterschiedlichen Bereichen wie der Kunst, der Wissenschaft oder der Religion.

Schon hier im Forum können wir feststellen, daß unterschiedliche Moralbegriffe in die Beiträge zu Diskussionen einfließen. Manchmal sind die Unterschiede so groß, daß aneinander vorbeigeredet wird. Wie groß da erst die Unterschiede im moralischen Selbstverständnis zwischen grundsätzlich verschiedenen Gesellschaften auf dieser Erde sind, erleben wir täglich, weil die Erde zu klein geworden ist, um jeder Gesellschaft, ihrer Kultur/Zivilisation und damit ihrem Selbstverständnis eine separate Ecke zu ermöglichen.

Besonders eklatant erweisen sich die Unterschiede des Moralverständnisses durch den sogenannten "Terrorismus". Sogenannter Terrorismus deshalb, weil vor etwa zehn Jahren die Mächtigen dieser Welt beschlossen haben, gemeinsam gegen Terrorismus vorzugehen und seitdem eigentlich alles, was insbesondere Staaten nicht passt, als Terrorismus bezeichnet wird, seien es die wirklich sinnlosen, politisch motivierten Anschläge, aber auch, unberechtigt als Terrorismus bezeichnet, die Gewalt als letzte Möglichkeit, als Signal gegen staatliche Unterdrückung.

Es stellt sich zum einen die Frage, wie die unterschiedlichen Moralauffassungen der unterschiedlichen Kulturen Ansatzpunkte finden können, um Problemen friedlich zu begegnen, zum anderen gilt es Staaten die Möglichkeit zu nehmen, ihrerseits den Begriff Terrorismus als Argument für Kontrolle/Unterdrückung der eigenen Bürger auszunutzen, auch in den westlichen Rechtsstaaten.

Anlaß für dieses Thema ist, daß ich (gleich welchen gesellschaftlichen Selbstverständnisses) weder eine moralische Grundlage für Terroranschläge, noch für Krieg als Vergeltung dieser Anschläge sehe. Dasselbe gilt für Fatwas, die zur Tötung aufrufen als auch für Executive Orders als Anweisung für "dead or alive". Ich suche keine Begründungen für Gewalt oder Schuldzuweisungen, sondern Überlegungen, wie moralische Ansprüche unterschiedlicher Prägung zusammengeführt werden können. Deshalb das Thema auch nicht unter "Politik".

Kürzer gings leider nicht.

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adam
miriam
miriam
Mitglied

Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von miriam
als Antwort auf adam vom 09.04.2010, 00:29:12
Der französische Philosoph André Glucksmann, befasste sich vor einiger Zeit mit dem Hass und die Gewalt in den Vorstädten Frankreichs - und ich finde, dass er recht hat, wenn er über Terrorismus und Hass zugleich schreibt. Dies alles hat natürlich auch mit der Moral zutun.

Auf die Frage, wie sich heute die Urgewalt des Hasses äußert, antwortet Glucksmann:

Zitat:


Im Terrorismus, aber in einem Terrorismus ohne Grenzen, in einem Terrorismus, der die Ideologien überschreitet, der die Religionen überschreitet. Man spricht vom islamistischem Terrorismus, aber die ersten Opfer des islamistischen Terrors sind die Muslime. Die ersten Opfer der irakischen Terroristen sind die Iraker. Es gibt also etwas, das den klassischen religösen Fanatismus übersteigt und das auch die klassischen geografischen Grenzen überschreitet. Ich war ohne offizielle Erlaubnis, heimlich, in Tschetschenien, und ich habe gesehen, wie die russische Armee die Tschetschenen hasst. Das heißt, dass die russischen Soldaten aus ihnen alles mögliche machen, sie nicht als Menschen ansehen. Übrigens hat Putin vor einer Woche in Holland gesagt, das sind Bestien. Den anderen nicht als Menschen zu betrachten, ihn folglich auszulöschen, ihn von der Karte auszuradieren, genau das ist Hass. Das ist stärker als die Feindseligkeit. Die Feindseligkeit ist normal zwischen den Menschen. Der Hass dagegen ist etwas Besonderes, das man nicht anerkennen will.

Gelobe auch kürzere Beiträge zu schreiben.

Miriam
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf adam vom 09.04.2010, 00:29:12
Oh Oh Adam - das wird wieder ein sehr kontroverses Thema. Du schreibst ja schon am Start, dass es schwer wird den Begriff "Terrorismus" klar zu definieren. Ein lateinamerikanischer Diktator wird eine Widerstandsbewegung, die sich gegen Landenteignung und Morde auflehnt immer als "Terroristen" bezeichnen. In meinen Augen zählt auch Henry Kissinger zu den Terroristen, seit er die flächendeckenden Bombardements mit Napalm und Agent Orange in Vietnam befürwortete und organisierte, bei denen Millionen Zivilisten ums Leben kamen und verstümmelt wurden.

Die sogenannte "westliche Welt" würde gut daran tun, sich ausschließlich auf rechtsstaatlicher Basis zu bewegen und selbst dann gibt es immer Konflikte mit anderen Rechtsauffassungen. So entsteht eine Spirale der Gewalt, die in asymetrischen Kriegen endet. Millionenteure amerikanische Kampfflugzeuge töten "aus Versehen" hunderte Afghanen oder Iraker, worauf EIN wütender "Terrorist" los zieht, um ebenfalls so viele seiner Feinde wie möglich mit in den Tod zu reissen. Ich habe für beide Seiten kein Verständnis.

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Mitglied_bed8151
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Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf adam vom 09.04.2010, 00:29:12
Rhein-Zeitung online, 17. März 2006

Lafontaine nennt Amerikaner Terroristen

Koblenz - Für den Linksfraktionschef im Bundestag, Oskar Lafontaine, sind die US-Amerikaner wegen ihres militärischen Vorgehens im Irak und in Afghanistan mit Terroristen gleichzusetzen.

„Für uns - die Linke - ist Terrorismus das Töten unschuldiger Menschen, um politische Ziele zu erreichen”, sagte Lafontaine in Koblenz.

Demnach seien die Attentäter, die 2001 in das World Trade Center geflogen sind, Terroristen. „Aber nach dieser Definition sind auch die Amerikaner Terroristen, wenn sie Städte und Dörfer in Afghanistan (und) Irak bombardieren und zehntausende Unschuldige umbringen”, rief der frühere SPD-Vorsitzende auf einer Wahlkampfveranstaltung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG).

Nur die Linke formuliere diese „einfache Erkenntnis der Menschlichkeit”, dass keine Macht auf der Welt berechtigt sei, für ihre politischen Ziele unschuldige Menschen zu töten. So seien die Kriege im Vorderen Orient keine Kriege für Freiheit, Demokratie oder die Frauenrechte. „Sie sind einzig und allein Kriege um die Ölvorräte und Gasvorräte”, sagte der Fraktionsvorsitzende im Wahlkampf zur rheinland-pfälzischen Landtagswahl am 26. März.

dpa-infocom

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Wolfgang
eleonore
eleonore
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Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von eleonore
hat terror überhaupt einen moral, oder wird aus moral terror???
moldau
moldau
Mitglied

Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von moldau
als Antwort auf eleonore vom 09.04.2010, 10:05:16
hat terror überhaupt einen moral, oder wird aus moral terror???


Das möchte ich dick unterstreichen!

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Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf adam vom 09.04.2010, 00:29:12
Eine erstklassige Quelle, was Terrorismus und anderes Unmoralisches und Rechtloses betrifft: WikiLeaks

Übrigens... All die dort gezeigten Schweinereien gehen nicht auf das Konto privater oder semi-staatlicher, sondern auf das Konto staatlicher Terroristen, Unmoralischer, Rechtloser.

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Wolfgang
eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Moral und Terrorismus
geschrieben von eleonore
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.04.2010, 10:20:26
diese video kenne ich, und es beantwortet nicht meine frage.
die amerikaner haben keinen vorrecht auf terrorismus, oder???

warum immer so einseitig??
sysiphus
sysiphus
Mitglied

Re: Terrorismus vor über 70 Jahren
geschrieben von sysiphus
Sie haben mich nicht Terrorist genannt, aber indirekt schon. Es hieß häufig: "hör auf das Mädel zu terrorisieren". Das Mädel war meine Cousine. Wir waren damals beide um die 6 Jahre alt. Cousinchen hatte irgendwann damit begonnen mir unter dem Tisch vors Schienbein zu treten und gleichzeitig weinerlich Aua zu rufen. "Was soll denn das" ich wurde ermahnt, "laß doch das Mädchen in Ruhe". In verschiedenen Varianten setzte sich dieses "Spiel" fort. Mitunter wurde ich ausgeschimpft, manchmal wurde an meine "Ehre" appeliert: "Du bist doch ein Junge. der terrorisiert nicht immerzu kleine Mädchen". Da war das Wort gefallen das Cousinchen sofort in ihren Wortschatz intergrierte. Ab nun rief sie bei jeder passenden Gelegenheit: "der terrorisiert schon wieder". Als ich mal zurück kickte wurde ich dabei erwischt. Jetzt war alles klar, ich war der Stänker, der Terrorist. Nebenbei bemerkt die Cousine hat diese Taktik des "haltet den Dieb" auch als Erwachsene beibehalten und verfeinert weiter praktiziert.

sysiphus...
adam
adam
Mitglied

Re: Terrorismus vor über 70 Jahren
geschrieben von adam
als Antwort auf sysiphus vom 09.04.2010, 11:02:40

Sysiphus,

damit hätten wir die Polarisierung in Gut und Böse, richtig und falsch. Eleonores Frage ob Moral auch Terror sein kann, müßte mit Nein beantwortet werden. Es bliebe aber, nach Deiner Erzählung, die Schwierigkeit zu klären, wer wen gegen das Bein tritt. Eine Lösung ist das also auch nicht. Das ist die heutige Situation in der Welt, sich gegenseitig "moralisch" zu bezichtigen.

Gibt es eine übergeordnete Moral, auf die sich jeder berufen kann oder liegt es einfach daran, daß jeder die Moral für sich beansprucht? Gehört Selbstlosigkeit zu dieser übergeordneten Moral und wird diese Selbstlosigkeit durch die Angst zu verlieren verhindert? Oder unterliege ich überhaupt einem Denkfehler?

--

adam



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