Geisteswissenschaft / Philosophie Ich bin meine Erinnerungen
Schon einige Zeit denke ich darüber nach und habe mich auch schon ein wenig schlau gemacht, wie das so mit dem Zusammenhang zwischen Erinnerung und dem biographischen Gedächtnis funktioniert.
Aus neueren neuronalen Hirnforschungen wissen wir ziemlich genau ( vor allem anhand von Studien über Menschen, die ihr persönliches Gedächtnis verloren, aber in ihrem Lebensumfeld durchaus sinnvoll agieren ), dass es einen Unterschied macht, ob wir unser ICHGEDÄCHTNIS benutzen können --- also über unsere, unser Ich ausmachenden Sinnzusammenhänge aus der Erinnerung verfügen - oder ob wir - ich nenne das mal so - überindividuelle Marker benutzen, um uns auch anhand der Vergangenheit im Lebensvollzug zu orientieren. Man nimmt an - das habe ich gelesen - dass höher organisierte Säuger auch schon über so eine Art Orientierungsgedächnis verfügen.
Ich weiß zwar, dass ich 12 Jahre lang die Schulbank drückte .. weiß auch einige Situationen ... aber "Schule" ist eine kulturell leicht von Ich zu Ich übertragbare Erinnerungsmatrix ... Bahnfahren, Wandern, usw usw.... Wie ich mich aber als Schülerin ( Wanderin, Bahnfahrerin) in Einzelsituationen erlebte - solche Einzelerinnerungen sind es, die MICH konstituieren --- glaube ich.
Erinnerung passiert auf der neuronalen Synapsenschiene, die unterhalb des Großhirns im Hyppocampus liegt.- Wie ich las, spielen auch noch andere Hirnregionen eine Rolle bei diesem Speicherungsprozess: der Thalamus ( in den Schläfenlappen gelegen) z.B. , in dem alle Sinneseindrücke " verwurstet" werden, um dann ihren Weg in die Verabeitungszentren des Großhirns zu nehmen.
Soweit, so unwissenschaftlich ...
Aber dieses Technische will ich an sich nicht hinterfragen - kann es auch nicht ... deshalb gebe ich mein Thema auch in Philosophie.
Wenn wir annehmen, dass wir kein statisches Ichbewusstsein haben ... ich nehme das an - Selbstbeobachtung -, muss man auch vermuten, dass unser aktuelles biographisches Gedächtnis eine ständiger Prozess zwischen sagen wir einmal redundanten und neuen hinzukommenden Erinnerungsblöcken ist.
Was will ich eigentlich mit diesem Thema? ich weiß es nicht....
Vielleicht sagen es diese emotionalen Worte?
Ich bin meine Erinnerungen
an den Duft des Lindenbaumes vor meinem Elternhaus....
das verrußte Gesicht im Fenster des Zuges, der nach Schmilka fuhr....
das Entzücken, wenn meine kleinen Töchter mit mir am Herbstabend dem Flug der Krähen in den Wienerwald mit den Augen folgten....
an die schwitzende Angst vor jeder Unterrichtsstunde in der 4D
die tränende Feude bei der Ankunft meiner Enkel
Die Ereignisse des Alltags - nun -
sie haben mit mir wenig zu tun.
Da gackere ich wie `ne Tolle
in auswechselbarer Rolle.
So wie das arme Huhn
leg ich Eier um etwas zu tun.
lotte
Aus neueren neuronalen Hirnforschungen wissen wir ziemlich genau ( vor allem anhand von Studien über Menschen, die ihr persönliches Gedächtnis verloren, aber in ihrem Lebensumfeld durchaus sinnvoll agieren ), dass es einen Unterschied macht, ob wir unser ICHGEDÄCHTNIS benutzen können --- also über unsere, unser Ich ausmachenden Sinnzusammenhänge aus der Erinnerung verfügen - oder ob wir - ich nenne das mal so - überindividuelle Marker benutzen, um uns auch anhand der Vergangenheit im Lebensvollzug zu orientieren. Man nimmt an - das habe ich gelesen - dass höher organisierte Säuger auch schon über so eine Art Orientierungsgedächnis verfügen.
Ich weiß zwar, dass ich 12 Jahre lang die Schulbank drückte .. weiß auch einige Situationen ... aber "Schule" ist eine kulturell leicht von Ich zu Ich übertragbare Erinnerungsmatrix ... Bahnfahren, Wandern, usw usw.... Wie ich mich aber als Schülerin ( Wanderin, Bahnfahrerin) in Einzelsituationen erlebte - solche Einzelerinnerungen sind es, die MICH konstituieren --- glaube ich.
Erinnerung passiert auf der neuronalen Synapsenschiene, die unterhalb des Großhirns im Hyppocampus liegt.- Wie ich las, spielen auch noch andere Hirnregionen eine Rolle bei diesem Speicherungsprozess: der Thalamus ( in den Schläfenlappen gelegen) z.B. , in dem alle Sinneseindrücke " verwurstet" werden, um dann ihren Weg in die Verabeitungszentren des Großhirns zu nehmen.
Soweit, so unwissenschaftlich ...
Aber dieses Technische will ich an sich nicht hinterfragen - kann es auch nicht ... deshalb gebe ich mein Thema auch in Philosophie.
Wenn wir annehmen, dass wir kein statisches Ichbewusstsein haben ... ich nehme das an - Selbstbeobachtung -, muss man auch vermuten, dass unser aktuelles biographisches Gedächtnis eine ständiger Prozess zwischen sagen wir einmal redundanten und neuen hinzukommenden Erinnerungsblöcken ist.
Was will ich eigentlich mit diesem Thema? ich weiß es nicht....
Vielleicht sagen es diese emotionalen Worte?
Ich bin meine Erinnerungen
an den Duft des Lindenbaumes vor meinem Elternhaus....
das verrußte Gesicht im Fenster des Zuges, der nach Schmilka fuhr....
das Entzücken, wenn meine kleinen Töchter mit mir am Herbstabend dem Flug der Krähen in den Wienerwald mit den Augen folgten....
an die schwitzende Angst vor jeder Unterrichtsstunde in der 4D
die tränende Feude bei der Ankunft meiner Enkel
Die Ereignisse des Alltags - nun -
sie haben mit mir wenig zu tun.
Da gackere ich wie `ne Tolle
in auswechselbarer Rolle.
So wie das arme Huhn
leg ich Eier um etwas zu tun.
lotte
@ lotte,
"Ich bin meine Erinnerung", da ist m. E. doch sehr viel Wahres dran. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass unterschiedliche Menschen sehr unterschiedlich stark in ihrer Erinnerung wohnen. Ich kann mir meiner auch bewusst sein, wenn ich über Zukunft nachdenke und meine Rolle dabei bedenke. Allerdings wären wir ohne Verwurzelung in der Vergangenheit ohne Identität.
Ein (mich erschreckendes) Detail ist das Faktums, dass ich offensichtlich im Mittel immer weniger aus einer erlebten Woche erinnere und die subjektive Zeit deshalb immer schneller an mir vorbei rauscht. "Ich habe doch erst gestern den Müll raus gestellt", denke ich (fast) jeden Freitag. Ob dies daran liegt, dass eine Woche prozentual immer weniger Anteil an der Gesamterinnerung hat je älter ich werde? Oder nimmt der Anteil des wirklich aufregend Neuen mit wachsender Erfahrung entsprechend ab?
--
karl
"Ich bin meine Erinnerung", da ist m. E. doch sehr viel Wahres dran. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass unterschiedliche Menschen sehr unterschiedlich stark in ihrer Erinnerung wohnen. Ich kann mir meiner auch bewusst sein, wenn ich über Zukunft nachdenke und meine Rolle dabei bedenke. Allerdings wären wir ohne Verwurzelung in der Vergangenheit ohne Identität.
Ein (mich erschreckendes) Detail ist das Faktums, dass ich offensichtlich im Mittel immer weniger aus einer erlebten Woche erinnere und die subjektive Zeit deshalb immer schneller an mir vorbei rauscht. "Ich habe doch erst gestern den Müll raus gestellt", denke ich (fast) jeden Freitag. Ob dies daran liegt, dass eine Woche prozentual immer weniger Anteil an der Gesamterinnerung hat je älter ich werde? Oder nimmt der Anteil des wirklich aufregend Neuen mit wachsender Erfahrung entsprechend ab?
--
karl
Und: wenn wir älter werden, erinnern wir uns noch mehr- oder besser(?)an die Schulzeit, beispielsweise.
Ich habe das Glück, mit einigen Schulkamaraden/innen eine monatlichen Stammtisch zu haben.
Natürlich wird über Politik geredet. Selbstverständlich erfahren wir, zB. vom Noch-Motorradfahrer, dass der "Stich" im Internet jetzt propagiert wird für Motorradfahrer, weil der Lochenpass gesperrt ist (!)
Aber bei unserer damaligen Klasse landen wir immer und stets! :)
--
Marianne
Ich habe das Glück, mit einigen Schulkamaraden/innen eine monatlichen Stammtisch zu haben.
Natürlich wird über Politik geredet. Selbstverständlich erfahren wir, zB. vom Noch-Motorradfahrer, dass der "Stich" im Internet jetzt propagiert wird für Motorradfahrer, weil der Lochenpass gesperrt ist (!)
Aber bei unserer damaligen Klasse landen wir immer und stets! :)
--
Marianne
Re: Ich bin meine Erinnerungen
Ein (mich erschreckendes) Detail ist das Faktums, dass ich offensichtlich im Mittel immer weniger aus einer erlebten Woche erinnere und die subjektive Zeit deshalb immer schneller an mir vorbei rauscht. "Ich habe doch erst gestern den Müll raus gestellt", denke ich (fast) jeden Freitag. Ob dies daran liegt, dass eine Woche prozentual immer weniger Anteil an der Gesamterinnerung hat je älter ich werde? Oder nimmt der Anteil des wirklich aufregend Neuen mit wachsender Erfahrung entsprechend ab?
--
karl
Dann wart's erst mal ab, bis du Rentner bist. Da verstärkt sich das alles noch. Denn es kommt folgender Zeitraffer hinzu: Du stehst auf in dem Bewusstsein, den ganzen Tag für dies und das Zeit zu haben. Und dann rinnt sie dir zwischen den Finger durch, die Zeit, der Tag, die Woche. Und du hast den Eindruck, du hast eigentlich nur ganz wenig reingepackt hast im Vergleich zu dem, was du dir so vage, ungeplant, unsystematisch, vorgestellt hattest.
Siehste, das ist es, Ich habe inzwischen verlernt, wie man einen ganzen Text zitiert, aber nur ein Stückchen davon. grins.
--
silhouette
Re: Ich bin meine Erinnerungen
"Ich bin meine Erinnerungen" – ein gutes Thema, liebe Lotte.
Aber stimmt dies auch, so ausgedrückt?
Spontan denke ich dabei wieder an Walter Jens – ich schrieb ja schon in einem anderen Thread über ihm – und weiß: er hat sein Gedächtnis, seine Erinnerungen verloren.
Uns aber bleibt die Erinnerung an dem was wir von ihm gelesen oder gehört haben, es bleiben uns auch seine wertvollen Schriften. Auch das ist Erinnerung.
Ich weiß nicht wie Jens sich selbst als Person empfindet. Anders ausgedrückt: ob ihm das Empfinden geblieben ist dessen was ihm wirklich ausmachte – und also auch weiterhin ausmachen wird.
Seine Frau Inge schrieb ja, dass man mit ihm nur emotional kommunizieren kann.
Natürlich gibt es auch den emotionalen Teil unserer Erinnerungen. Vielleicht ist dieser Teil auch bei uns eher derjenige der uns ausmacht.
Doch die Erinnerung, kann auch eine negative Macht auf uns ausüben.
Ich denke, dass die Fähigkeit uns zu erinnern, gepaart sein muss mit derjenigen des Vergessens. Auch das macht uns aus, diese Möglichkeit des Sortierens, des (unbewussten) Wählens zwischen dem was wir bewahren möchten – aber auch die Fähigkeit manches hinter uns zu lassen um uns nicht darin zu verstricken.
Auch dieses doppelte Potenzial des Gehirns, macht uns aus.
Gute Nacht Euch allen
Miriam
Aber stimmt dies auch, so ausgedrückt?
Spontan denke ich dabei wieder an Walter Jens – ich schrieb ja schon in einem anderen Thread über ihm – und weiß: er hat sein Gedächtnis, seine Erinnerungen verloren.
Uns aber bleibt die Erinnerung an dem was wir von ihm gelesen oder gehört haben, es bleiben uns auch seine wertvollen Schriften. Auch das ist Erinnerung.
Ich weiß nicht wie Jens sich selbst als Person empfindet. Anders ausgedrückt: ob ihm das Empfinden geblieben ist dessen was ihm wirklich ausmachte – und also auch weiterhin ausmachen wird.
Seine Frau Inge schrieb ja, dass man mit ihm nur emotional kommunizieren kann.
Natürlich gibt es auch den emotionalen Teil unserer Erinnerungen. Vielleicht ist dieser Teil auch bei uns eher derjenige der uns ausmacht.
Doch die Erinnerung, kann auch eine negative Macht auf uns ausüben.
Ich denke, dass die Fähigkeit uns zu erinnern, gepaart sein muss mit derjenigen des Vergessens. Auch das macht uns aus, diese Möglichkeit des Sortierens, des (unbewussten) Wählens zwischen dem was wir bewahren möchten – aber auch die Fähigkeit manches hinter uns zu lassen um uns nicht darin zu verstricken.
Auch dieses doppelte Potenzial des Gehirns, macht uns aus.
Gute Nacht Euch allen
Miriam
Re: Ich bin meine Erinnerungen
"Ich bin meine Erinnerungen" – ein gutes Thema, liebe Lotte.
Aber stimmt dies auch, so ausgedrückt?
Zunächst: ich finde auch, dass es ein gutes Thema ist, zumal nicht nur hier darüber diskutiert wird
Und ich finde auch, dass die Aussage stimmt, dass ich meine Erinnerungen bin. Ich setze in diesem Fall Erinnerungen mit Gelerntem gleich.
Natürlich gibt es auch den emotionalen Teil unserer Erinnerungen. Vielleicht ist dieser Teil auch bei uns eher derjenige der uns ausmacht.
Das wäre zu meiner These kein Widerspruch, denn auch emotionale Erinnerungen "lernen" wir.
Doch die Erinnerung, kann auch eine negative Macht auf uns ausüben.
Ich denke, dass die Fähigkeit uns zu erinnern, gepaart sein muss mit derjenigen des Vergessens. Auch das macht uns aus, diese Möglichkeit des Sortierens, des (unbewussten) Wählens zwischen dem was wir bewahren möchten – aber auch die Fähigkeit manches hinter uns zu lassen um uns nicht darin zu verstricken.
Auch dieses doppelte Potenzial des Gehirns, macht uns aus.
Ja, sofern dieses Potential nicht gestört ist. Vergessen unliebsamer Vorkommnisse ist dringend geboten, aber manch einer liebt es auch, sich immer wieder solcher Vorkommnisse zu erinnern. Welche Gefühle daraus dann entstehen, brauche ich hier wohl nicht zu erwähnen.
--
baerliner
Ich weiss nicht wie es bei euch oder anderen ist. Meine Erinnerungen sind durchaus positiv, obwohl ich nicht nur positive Erlebnisse hatte.
Ist das eine automatische oder bewusste Verdrängung des Negativen?
Mein empfinden geht auch dahin, je älter ich werde umso näher kommen die Kindheitserinnerungen, die Zeit rinnt mir durch die Finger, alles rast an mir vorbei.
Teils schon ein wenig erschreckend.
--
susannchen
Ist das eine automatische oder bewusste Verdrängung des Negativen?
Mein empfinden geht auch dahin, je älter ich werde umso näher kommen die Kindheitserinnerungen, die Zeit rinnt mir durch die Finger, alles rast an mir vorbei.
Teils schon ein wenig erschreckend.
--
susannchen
Hallo,
für mich ist Erinnerung eine konservierte und meistens überflüssige
Information.
Die meisten Erinnerungen sind für mich Müll, der schwer
zu entsorgen ist. Viel vor mehreren jahrzehnten Erlerntes
war wenig hilfreich, meistens blockierender Ballast.
Erinnerungen machen einen großen Teil der Altlasten aus.
Ich bin mit Sicherheit nicht meine Erinnerung!
Viele Grüße
--
arno
für mich ist Erinnerung eine konservierte und meistens überflüssige
Information.
Die meisten Erinnerungen sind für mich Müll, der schwer
zu entsorgen ist. Viel vor mehreren jahrzehnten Erlerntes
war wenig hilfreich, meistens blockierender Ballast.
Erinnerungen machen einen großen Teil der Altlasten aus.
Ich bin mit Sicherheit nicht meine Erinnerung!
Viele Grüße
--
arno
Das ist deine Sichtweise für dich, für mich wäre sie enttäuschend!
--
susannchen
--
susannchen
Ich denke...
....also bin ich!
Kein anderes Lebewesen hat wohl vom Schicksal das schwere Los zugeteilt bekommen, sein ICH dauernd oder überhaupt zu hinterfragen.
Aber was würden wir Pensionierten denn mit der Zeit anfangen, könnten wir uns nicht so intensiv mit uns selber beschäftigen!?
(
--
schorsch
....also bin ich!
Kein anderes Lebewesen hat wohl vom Schicksal das schwere Los zugeteilt bekommen, sein ICH dauernd oder überhaupt zu hinterfragen.
Aber was würden wir Pensionierten denn mit der Zeit anfangen, könnten wir uns nicht so intensiv mit uns selber beschäftigen!?
(
--
schorsch