Geisteswissenschaft / Philosophie Ich bin meine Erinnerungen
Re: Ich bin meine Erinnerungen
Ein Aussenstehender kann das wirklich nicht nachvollziehen, Angel, da bin ich absolut deiner Meinung.
Vielleicht kann man sich hin und wieder in diesen Zustand hineinversetzen in dem Moment, wo uns bei einer bestimmten Sache plötzlich das Gedächtnis verlässt und wir voll Schreck an Alzheimer, Demenz etc. denken, was natürlich ein Unsinn ist.
Wieviel schlimmer muss ein echter Gedächtnisverlust sein, der uns restlos von der eigenen Vergangenheit abschneidet und der uns trotzdem in jeder Sekunde damit konfrontiert.
Im unserem Freundeskreis hatten wir eine Freundin, die ebenfalls nach einem Autounfall ihre Erinnerungsfähigkeit verlor. Im Laufe der Zeit lernte sie den Zustand zu überspielen und zwar so gut, dass wir in fröhlicher Runde gar nicht mehr daran dachten.
Und wie es halt so bei einer Freundesrunde ist, man redet plötzlich auch von Begebenheiten, die jahrelang zurücklagen. Ich sehe noch wie heute das Gesicht der Freundin vor mir, als wir alle in lautes Gelächter ausbrachen und jeder noch etwas dazu gab aus der Erinnerung. Diese Traurigkeit oder Verzweiflung in ihre Gesicht lässt mich bis heute nicht los.
Und niemand von uns konnte verhindern, dass sie sich Monate später das Leben nahm. Vielleicht konnten wir ihre Ängste und ihre Verzweiflung zu wenig nachvollziehen.
--
luchsi35
Lotte, Liebe,
nochmals dir Dank für diesen Thread.
Jetzt drucke ich alles aus- dann entwischt mir nichts mehr.
Grüßle,
Marianne
nochmals dir Dank für diesen Thread.
Jetzt drucke ich alles aus- dann entwischt mir nichts mehr.
Grüßle,
Marianne
ja, luchsi .. diese unendliche Verzweiflung ist mir noch in guter Erinnerung ..
Ich war froh, dass seine Exfrau, mit der gemeinsam ich mich um ihn kümmerte, meinen Rat annahm, nicht mehr nach alten Spuren zu suchen - er würde sie doch nicht finden ... sondern sich meiner Zuversicht anvertraute, mit ihm gemeinsam neue Spuren zu machen und alte hinter sich zu lassen. So flogen wir zu dritt nach Mallorca, wo beide zuvor niemals gewesen waren und er - ich nenn ihn mal Olaf - lebte förmlich auf: Endlich kein Mensch um ihn herum, der ihn mit "vorher" verglich, endlich keine Fragen mehr wie "erinnerst Du Dich denn nicht daran?...." Es war wie ein Befreiungsschlag für ihn er war fröhlich wie nie zuvor und wurde richtig eigeninitiativ .. gleich am ersten Abend im Supermarkt (in D hat er niemals nach dem Unfall wieder ein Geschäft betreten) schnappte er sich den Wagen und suchte alles, was wir brauchten ..lachte sich kaputt über neue Wörter, die in seinen Ohren einfach schön klangen und was übermütig und unbeschwert. Das Wissen, dass da niemand Vergleiche anstellt, war für in geradezu grandios und ich hätte mir gewünscht, ich hätte ihn mir damals schnappen und an einem anderen Ort in einem anderen Land ganz neu anfangen zu können - ich bin sicher, er könnte heute noch leben.
--
angelottchen
Ich war froh, dass seine Exfrau, mit der gemeinsam ich mich um ihn kümmerte, meinen Rat annahm, nicht mehr nach alten Spuren zu suchen - er würde sie doch nicht finden ... sondern sich meiner Zuversicht anvertraute, mit ihm gemeinsam neue Spuren zu machen und alte hinter sich zu lassen. So flogen wir zu dritt nach Mallorca, wo beide zuvor niemals gewesen waren und er - ich nenn ihn mal Olaf - lebte förmlich auf: Endlich kein Mensch um ihn herum, der ihn mit "vorher" verglich, endlich keine Fragen mehr wie "erinnerst Du Dich denn nicht daran?...." Es war wie ein Befreiungsschlag für ihn er war fröhlich wie nie zuvor und wurde richtig eigeninitiativ .. gleich am ersten Abend im Supermarkt (in D hat er niemals nach dem Unfall wieder ein Geschäft betreten) schnappte er sich den Wagen und suchte alles, was wir brauchten ..lachte sich kaputt über neue Wörter, die in seinen Ohren einfach schön klangen und was übermütig und unbeschwert. Das Wissen, dass da niemand Vergleiche anstellt, war für in geradezu grandios und ich hätte mir gewünscht, ich hätte ihn mir damals schnappen und an einem anderen Ort in einem anderen Land ganz neu anfangen zu können - ich bin sicher, er könnte heute noch leben.
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angelottchen
Re: Ich bin meine Erinnerungen
Angelottchen, als Erstes Entschuldigung, dass ich jetzt deine bewegende Geschichte unterbreche, mit diesem Beitrag, der ganz anders gelagert ist.
Als ich sagte, dass ich mich auf den Beitrag von Simba beziehen möchte, dachte ich nicht an ihren Beitrag in dem sie die Frage eines Gedächtnisses bei Tieren und Pflanzen anspricht, sondern den wo sie folgendes schreibt,
Zitat:
"Wahrscheinlich hat auch die Evolution was mit Erinnerung zu tun, denn sie entwickelte sich aus Erfahrungen von Lebenwesen, wie sie am besten überleben und ihre Art erhalten konnten"
Erst war ich sehr angetan von diesem Gedanken, bin es auch weiter, aber etwas anders.
Denn mein kleiner Gedankenstreifzug wird auch durch die Biologie führen (manchmal nur im weitesten Sinne verstanden) – sollte aber oft auch eher metaphorisch verstanden werden.
Also erst über Evolution und Erinnerung.
Natürlich steht am Anfang dieses Prozesses eine Art von Erinnerung: es wird erstmal der genetische Code der nächsten Generation weitergegeben. Da findet aber noch nicht der eigentliche Prozess der Evolution statt, sondern erst wenn die Veränderung dieses Codes stattfindet. Und es reicht auch nicht, dass nur einzelne Individuen diese veränderten Merkmale aufweisen, auch da spricht man noch nicht über eine Evolution.
Wenn aber ganze Gruppen diese Veränderungen durchlaufen, findet irgendwann auch eine natürliche Selektion statt, es entsteht eine neue Population.
Diese neue Population ist besser den äußeren Lebensbedingungen angepasst – und außerdem oder eben dadurch, hat sie eine höhere Fortpflanzungsrate erworben.
Da scheint es mir also, dass der biologische Blick eher nach vorne gerichtet ist, nicht so sehr in die Vergangenheit, nicht so sehr sich auf Erinnerungen stützt. (Ich hoffe, dass Ihr begreift, dass diese Ausdrücke die ich im letzten Satz benutzt habe, reine Metaphern sind).
Jetzt kommt aber, auch im biologischen Bereich, ein anderer Aspekt den ich eher als Erinnerung betrachten möchte – und diesen Sprung in ein anderes Kapitel, verdanke ich natürlich den Gedanken von Simba.
Ich hoffe, dass viele von Euch sich noch erinnern an die Begriffe Phylogenese und Ontogenese.
Kurz nochmals erklärt:
Die Phylogenese ist die Entwicklungsgeschichte der Arten, der Familien und der Stämme in ihrer Ganzheit, außerdem sind hier auch die verschiedenen Verwandtschaftsverhältnisse unterschiedlicher Gruppen miteinbezogen.
Mit anderen Worten: auch über Phylogenese kann man nicht sprechen ohne auf die Evolution einzelner Gruppen zurückzugreifen, denn dies ist der Prozess der dazu geführt hat.
Nun aber zur Ontogenese. Dieser Begriff bezeichnet die individuelle Entwicklung eines Lebewesens von der Eizelle über die verschiedenen Stadien wie Fötus, Embryo, Entwicklung von Organanlagen – Entwicklung der einzelnen Organe, bis dann zum Neugeborenen, etc…
Und da würde ich sagen, dass eine Art Erinnerungsprozess stattfindet: denn im Laufe der individuellen Entwicklung, also der Ontogenese, durchläuft ein Organismus seine ganze phylogenetische Entwicklungsgeschichte, so zu sagen als Memento: "sei nicht zu eingebildet, erinnere dich von wo du kommst: vom Fisch, von der Kröte, und bitte für mich speziell, weil ich diese so liebe: auch vom Kamel…"
Liebe Grüße
Miriam
Als ich sagte, dass ich mich auf den Beitrag von Simba beziehen möchte, dachte ich nicht an ihren Beitrag in dem sie die Frage eines Gedächtnisses bei Tieren und Pflanzen anspricht, sondern den wo sie folgendes schreibt,
Zitat:
"Wahrscheinlich hat auch die Evolution was mit Erinnerung zu tun, denn sie entwickelte sich aus Erfahrungen von Lebenwesen, wie sie am besten überleben und ihre Art erhalten konnten"
Erst war ich sehr angetan von diesem Gedanken, bin es auch weiter, aber etwas anders.
Denn mein kleiner Gedankenstreifzug wird auch durch die Biologie führen (manchmal nur im weitesten Sinne verstanden) – sollte aber oft auch eher metaphorisch verstanden werden.
Also erst über Evolution und Erinnerung.
Natürlich steht am Anfang dieses Prozesses eine Art von Erinnerung: es wird erstmal der genetische Code der nächsten Generation weitergegeben. Da findet aber noch nicht der eigentliche Prozess der Evolution statt, sondern erst wenn die Veränderung dieses Codes stattfindet. Und es reicht auch nicht, dass nur einzelne Individuen diese veränderten Merkmale aufweisen, auch da spricht man noch nicht über eine Evolution.
Wenn aber ganze Gruppen diese Veränderungen durchlaufen, findet irgendwann auch eine natürliche Selektion statt, es entsteht eine neue Population.
Diese neue Population ist besser den äußeren Lebensbedingungen angepasst – und außerdem oder eben dadurch, hat sie eine höhere Fortpflanzungsrate erworben.
Da scheint es mir also, dass der biologische Blick eher nach vorne gerichtet ist, nicht so sehr in die Vergangenheit, nicht so sehr sich auf Erinnerungen stützt. (Ich hoffe, dass Ihr begreift, dass diese Ausdrücke die ich im letzten Satz benutzt habe, reine Metaphern sind).
Jetzt kommt aber, auch im biologischen Bereich, ein anderer Aspekt den ich eher als Erinnerung betrachten möchte – und diesen Sprung in ein anderes Kapitel, verdanke ich natürlich den Gedanken von Simba.
Ich hoffe, dass viele von Euch sich noch erinnern an die Begriffe Phylogenese und Ontogenese.
Kurz nochmals erklärt:
Die Phylogenese ist die Entwicklungsgeschichte der Arten, der Familien und der Stämme in ihrer Ganzheit, außerdem sind hier auch die verschiedenen Verwandtschaftsverhältnisse unterschiedlicher Gruppen miteinbezogen.
Mit anderen Worten: auch über Phylogenese kann man nicht sprechen ohne auf die Evolution einzelner Gruppen zurückzugreifen, denn dies ist der Prozess der dazu geführt hat.
Nun aber zur Ontogenese. Dieser Begriff bezeichnet die individuelle Entwicklung eines Lebewesens von der Eizelle über die verschiedenen Stadien wie Fötus, Embryo, Entwicklung von Organanlagen – Entwicklung der einzelnen Organe, bis dann zum Neugeborenen, etc…
Und da würde ich sagen, dass eine Art Erinnerungsprozess stattfindet: denn im Laufe der individuellen Entwicklung, also der Ontogenese, durchläuft ein Organismus seine ganze phylogenetische Entwicklungsgeschichte, so zu sagen als Memento: "sei nicht zu eingebildet, erinnere dich von wo du kommst: vom Fisch, von der Kröte, und bitte für mich speziell, weil ich diese so liebe: auch vom Kamel…"
Liebe Grüße
Miriam
ich habe auch nur luchsi geantwortet.
also entschuldige, wenn ich mit meinem sentimentalem gequatsche aus dem leben deine hochwissenschaftlichen theorien unterbrochen habe.
--
angelottchen
also entschuldige, wenn ich mit meinem sentimentalem gequatsche aus dem leben deine hochwissenschaftlichen theorien unterbrochen habe.
--
angelottchen
Re: Ich bin meine Erinnerungen
Manchmal gerät eben das reale Leben dazwischen!
--
luchsi35
habe karl gebeten, meine 2 beiträge zu löschen, ist zu persönlich.
--
angelottchen
--
angelottchen
Miriam, mein (unakademisches Verständnis also:
Entwicklung: das Erlebte als Individuales
sinkt nach innen, wo es sich finden läßt (Empfinden)
als eine Zeitverschiebung
und ist abrufbar als auch vegetativ (nicht willentlich)
und weil ja die Zeit nicht dem Willen untersteht,
wird der wiederum von den Erinnerungen beeinflußt,
so daß die Zeit das Phänomen ist, das Erinnerungen verbindet?
mlG
--
datta
Entwicklung: das Erlebte als Individuales
sinkt nach innen, wo es sich finden läßt (Empfinden)
als eine Zeitverschiebung
und ist abrufbar als auch vegetativ (nicht willentlich)
und weil ja die Zeit nicht dem Willen untersteht,
wird der wiederum von den Erinnerungen beeinflußt,
so daß die Zeit das Phänomen ist, das Erinnerungen verbindet?
mlG
--
datta
Auch Angelottchens Geschichte gehört hierher, finde ich...
Was dich Miriam betrifft, kann ich mich nur in Gleichnissen schreiben um das in etwa auszudrücken was ich meine:
gestern gabs bei uns eine Dokumentation über China - im Herz des Drachens, es ging um den Süden des Landes. Es gibt dort Affen - wie sie heissen hab ich vergessen, ebenso wie die giftige Otter die eine grosse Feindin von ihnen ist. Jedenfalls, wenn sich die Otter nähert, gibts einen eigenen Warnschrei speziell für diese Schlange und die Affen verziehen sich auf die Bäume. Jetzt denke ich dass dieser Warnschrei wohl von Generation zu Generation weitergegeben wird, um sich und die Sippe vor Gefahr zu schützen. Also müssen irgendwann mal Schlangen einen oder mehrere Affen gebissen und verspeist haben. Wahrscheinlich haben andere Affen gesehn und sie erinnerten sich, was den Artgenossen passierte, als sie das nächste Mal die Schlange sahen. Ich vermute dass wohl viele Lebewesen miteinander kommunizieren und wenn man das macht ist auch ein Erinnerungsvermögen da. Auch solche von denen wir es noch gar nicht wissen und auch nicht von welcher Art diese Kommunikation besteht..... kann sich drüber lustig machen wer will
simba
Was dich Miriam betrifft, kann ich mich nur in Gleichnissen schreiben um das in etwa auszudrücken was ich meine:
gestern gabs bei uns eine Dokumentation über China - im Herz des Drachens, es ging um den Süden des Landes. Es gibt dort Affen - wie sie heissen hab ich vergessen, ebenso wie die giftige Otter die eine grosse Feindin von ihnen ist. Jedenfalls, wenn sich die Otter nähert, gibts einen eigenen Warnschrei speziell für diese Schlange und die Affen verziehen sich auf die Bäume. Jetzt denke ich dass dieser Warnschrei wohl von Generation zu Generation weitergegeben wird, um sich und die Sippe vor Gefahr zu schützen. Also müssen irgendwann mal Schlangen einen oder mehrere Affen gebissen und verspeist haben. Wahrscheinlich haben andere Affen gesehn und sie erinnerten sich, was den Artgenossen passierte, als sie das nächste Mal die Schlange sahen. Ich vermute dass wohl viele Lebewesen miteinander kommunizieren und wenn man das macht ist auch ein Erinnerungsvermögen da. Auch solche von denen wir es noch gar nicht wissen und auch nicht von welcher Art diese Kommunikation besteht..... kann sich drüber lustig machen wer will
simba
angelottchen,
ich finde deine beiden Beiträge keinesfalls „zu persönlich“, sondern emotional bewegend. Sie erzeugen Nachdenklichkeit. Das passiert im ST nicht gerade häufig. Es wäre sehr schade, würde Karl Deinem Wunsch nachgeben, sie zu löschen.
--
navallo
ich finde deine beiden Beiträge keinesfalls „zu persönlich“, sondern emotional bewegend. Sie erzeugen Nachdenklichkeit. Das passiert im ST nicht gerade häufig. Es wäre sehr schade, würde Karl Deinem Wunsch nachgeben, sie zu löschen.
--
navallo